Читать книгу Mit dem Bumsbomber nach Bangkok - Dr. Robert Tiefenbach - Страница 7

18. April

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Wir schliefen lange, mussten uns von dem „anstrengenden“ Abend erholen. Nach unserem Aufwachen wurde der Tag mit einer Guten-Morgen-Nummer eingeläutet. Das war der große Vorteil einer Long Time, man zahlte nur einmal und hatte damit sozusagen eine Sex-Flat gebucht, konnte so oft Verkehr haben wie man wollte oder schaffte. Hunger machte sich breit. Im Hotel zu versuchen, ein Frühstück zu bekommen, war zu dieser späten Stunde hoffnungslos, das Frühstücksbuffet war längst abgeräumt, wir mussten uns in Nana etwas suchen.

Nana war ein Dorf. Auf dem Weg zum Lokal, Kat hatte ein bestimmtes im Sinn, kamen wir an dem Massagesalon vorbei, in dem ich mir gestern die Thai-Massage gegönnt hatte. Wie üblich saßen die Masseurinnen vor der Tür, redeten alle vorbeistrebenden Passanten an, in der Hoffnung, diese würden eine Massage haben wollen. Uns erging es nicht anders, allerdings sprach uns die Masseurin auf Thai an – ich habe im Laufe des Tages mehrfach die Erfahrung gemacht, wie gut es war, in Begleitung einer Einheimischen zu sein, Kat hat sich um alles gekümmert, gedolmetscht und dafür gesorgt, dass wir das bekamen, was wir wollten. Im Weitergehen fragte Kat mich, ob ich die Frau gekannt habe.

„Nein, ich war zwar zur Massage in dem Salon, aber mich hat eine andere Frau massiert.“

Kat meinte, die Frau habe mich wiedererkannt und nur freundlich gegrüßt. Man hätte mich totschlagen können, aber ich war mir nicht bewusst, sie vorher jemals gesehen zu haben.

Kurz darauf erreichten wir das kleine Lokal, in dem wir um 13:00 Uhr noch ein richtiges Frühstück bestellen konnten. Die Eier hatte ich nach dieser Nacht dringend nötig. Während des köstlichen Essens wollte Kat ihre Pfründe sichern, sehen was geht. Bisher wurde kein Wort über Geld verloren, das folgte erst jetzt. Sie wollte für den Abend und die Nacht 2.000 Baht, ich schätzte dies als Bangkok-üblichen Preis ein, einschließlich eines gewissen Aufschlages für Neulinge. Später sollte ich jedoch feststellen, dass die Preise überall in dieser Region lagen. Nun ja, jeder musste schließlich sein Lehrgeld zahlen, warum ich nicht? Nur musste es irgendwann damit gut sein und jetzt war ein guter Anfang dafür.

Kat fragte, ob ich den Tag gemeinsam mit ihr verbringen wolle.

„Klar will ich den Tag mit dir verbringen.“

„Das kostet dann noch mal 500 Baht.“

Ich kannte mich mit den Gepflogenheiten dieses Systems noch nicht aus, verstand nicht, wofür diese 500 Baht sein sollten und mutmaßte, sie wollte sich dieses Geld extra einstecken und zögerte.

„I like you“, säuselte Kat immer wieder, wollte mich damit weichkochen, den Tag mit ihr zu verbringen. Ich dagegen wollte zwar den Tag mit ihr verbringen, hatte aber mein Problem mit den 500 Baht Extrakosten und erwiderte, dass ich in diesem Falle den Tag doch lieber alleine verbrächte. Meine Absage brachte sofort ein erneutes „I like you“ aufs Tapet.

Das kommt jetzt genau richtig: „Do you like me or do you like my money?“

Das saß, ich wusste nicht, ob ich sie mit der Frage wirklich verletzt habe oder ob sie so abgezockt war. Jedenfalls waren plötzlich die 500 Baht nicht mehr für sie, sondern sollten Barfine sein.

Nein, die würde ich ebenfalls nicht zahlen, sie könne doch vorher in die Bar zurück. Kat wollte unbedingt den Tag mit mir verbringen und fing an zu weinen, wischte sich Tränen aus den Augen. Ist das Masche? Falls ja, dann hatte sie sie sehr gut drauf. Ich hielt es in diesem Moment für Masche, da ich noch davon ausging, dass Barfine nur fällig wäre, wenn eine Lady aus einer Bar mitgenommen werden würde. Teilweise hielt ich es aber auch für authentisch; nicht weil ich es war, mit dem sie den Tag verbringen wollte, sondern weil sie in mich (und womöglich viele andere) die Hoffnung auf ein anderes Leben projizierte. Mittlerweile weiß ich, dass ich mit meiner Annahme falsch lag und ihr völlig zu Unrecht etwas unterstellte, dass Barfine auch dann gezahlt werden müsste, wenn die Lady nicht aus der Bar mitgenommen würde, sondern sich mehrere Tage bei ihrem Customer aufhielte. Ich blieb in dieser Situation aufgrund meiner falschen Annahme hart, nein, ich würde nichts mehr bezahlen. Trotzdem wollte Kat den Tag an meiner Seite verleben und wollte die fällige Barfine dann eben selber bezahlen, der Tag und die Nacht seien für mich free.

Damit hatte sie mich und gleichzeitig wollte ich das nicht. Nicht, dass ich den Tag nicht mit ihr verbringen wollte, sondern ich wollte ihn nicht free mit ihr verbringen, schließlich brauchte sie das Geld dringender als ich.

Ich stimmte ihr zu, sagte, dass wir den Tag zusammen gestalten könnten, aber ich gäbe ihr dafür Geld, insgesamt für beide Tage seien das dann 3.000 Baht.

Sie ließ mir völlige Freiheit: „It's up to you.“

Sie hätte tatsächlich alles umsonst gemacht, ich war erstaunt und geschmeichelt – und beschämt. Nachdem nun geklärt war, dass der heutige Tag uns beiden gehören sollte, konnte überlegt werden, was wir machen würden. Ich hatte vor meinem Urlaub etwas von einem Tower gelesen, von dessen Aussichtsplattform man einen wunderbaren Blick über Bangkok haben sollte, dorthin wollte ich.

Bevor wir uns zu dem Turm aufmachen sollten, wollte ich noch aus meinem Hotelzimmer den Fotoapparat holen, Kat könne im Lokal auf mich warten. Sie hatte starke Zweifel, ob ich wirklich wiederkäme. Wie oft mussten die Ladys versetzt worden sein, dass sie derart misstrauisch sind? Ich versicherte ihr, dass es so ok sei und ich sie bestimmt nicht sitzen ließe. Das beruhigte sie etwas, trotzdem blieb bei ihr eine gewisse Restunsicherheit. Ich verließ Kat, holte aus dem Hotel meinen Fotoapparat und ging zu ihr zurück. Als sie mich kommen sah, bemerkte ich, dass sie bis zu diesem Moment unsicher war, ob ich sie nicht doch versetzen würde. Nun, da war ich und sie freute sich riesig, mich wiederzusehen. Zum Ausklang tranken wir noch ein Bier und machten uns dann mit dem Skytrain auf zum Baiyoke-Tower, so der Name des Hochhauses wie Kat in der Zwischenzeit herausbekommen hatte.

In dem Moment, wo man den Tag mit einer Lady verbrachte, wurde das Leben gleich doppelt so teuer, da der Farang immer für beide bezahlte. So lautete das ungeschriebene Gesetz in Bangkok.

Im Skytrain betrachtete ich mir die übrigen Fahrgäste. Viele der Einheimischen wiesen gefärbte Haare auf, allerdings meist in Braun- oder Rottönen. Blond war hier offensichtlich gar nicht angesagt – und ich war blond. Wir mussten von der Haltestelle bis zum Baiyoke-Tower noch zirka einen Kilometer Fußmarsch zurücklegen, vorbei an einem großen modernen Einkaufszentrum, Unmengen von Händlern säumten die Bürgersteige. Zwei Welten prallten aufeinander; die modernen, westlichen, klimatisierten Konsumtempel und die traditionelle, thailändische Enge der Straßenverkäufer. Die Bürgersteige waren durch diese teilweise derart zugestellt, dass keine zwei Passanten aneinander vorbeikamen. Alte Plastikplanen waren als Schutz gegen die Sonne und Regen über den Waren aufgespannt. Trotzdem gefiel es mir auf der Straße viel besser als in den Luxusbauten. Diese erschienen mir wirklicher und gaben den Charakter des Landes besser wieder.

Wir erreichten den Baiyoke-Tower, entrichteten unseren Obolus für die Liftfahrt und gingen zum Aufzug. Gleichzeitig mit uns wartete eine Gruppe polnischer Touristen, die größtenteils aus Frauen bestand auf die Reise nach oben. Kat und ich waren das einzige europäisch-asiatisch gemischte Paar in der großen Runde der Wartenden. Die Polinnen sahen uns, vor allem mich mit einem skeptischen Blick an. Gut, das konnte ich ihnen nicht verübeln, schließlich war es auch das, wonach es aussah – ich war ein Sextourist. Diese Blicke und die dahinter vermuteten Gedanken musste ich aushalten können, ich habe mich schließlich selbst in diese Situation gebracht. Fest habe ich ihre Blicke erwidert, nicht beschämt weg geschaut, sondern mit meinen Augen signalisiert: „Wo ist dein Problem, würdest du auch gerne diese Erfahrung machen?“

Das wirkte, sie waren es, die beschämt wegschauten.

Vom 84ten Stock, 250 Meter über der Erde hatten wir einen wunderbaren Blick über Bangkok, die großartige Stadt lag uns zu Füßen. Wolkenkratzer über Wolkenkratzer waren zu sehen, dazwischen kleine, einfache Behausungen. Lange standen wir an den Fenstern, konnten uns gar nicht sattsehen. Wir alberten herum, blödelten und scherzten viel, haben Unmengen an Fotos geschossen. Der Großteil der Konversation bestand aus Lachen. Wir waren eine Thai-Lady, die nur begrenzt englisch sprach und ein deutscher Tourist, der ebenfalls nur begrenzt englisch sprach, das schränkte die Möglichkeiten eines wirklich intellektuellen Austausches ein und trotzdem klappte die Verständigung ganz gut.

Es dauerte einige Zeit bis ich mich an den Thai-Dialekt im Englischen gewöhnt hatte. Die Thailänder sprachen manche Wörter sehr hart aus (zum Beispiel „wock“ statt „walk“), manchmal wurden einzelne Buchstaben weggelassen („o'cock“ statt „o'clock“ oder „dink“ statt „drink“) bis hin zu einer völlig falschen Aussprache („no compain“ statt „no problem“ oder „own“ statt „old“). Sie wiederholten häufig in einem Satz ein einzelnes Wort, so dass es zweimal, manchmal auch dreimal direkt nacheinander gesprochen wurde („It's the same same“). Eine Besonderheit des Thailändischen war, dass durch Wiederholung eines Wortes, dessen Bedeutung verstärkt wird („I walk“ bedeutete „Ich gehe“, „I walk walk“ bedeutete „Ich gehe eine große Strecke“ und „I walk walk walk“ bedeutete „Ich gehe eine sehr große Strecke“), dieses Phänomen hatten sie auf das Englische übertragen. Präteritum, Perfekt und Futur spielten überhaupt keine Rolle, alles wurde im Präsens wiedergegeben. Ebenso wurden die Hilfsverben nur spärlich eingesetzt. Aber die Verständigung wurde mit jedem Tag ein Stückchen besser und ich gewöhnte mich an die extravagante Aussprache der Thailänder.

Spätnachmittags machten wir uns auf den Rückweg, wurden durch den Besuch eines Bazars aufgehalten. Dieser Bazar fand in einer großen Halle, direkt unterhalb des Baiyoke-Towers statt, in der sehr viele kleiner Stände – teilweise bestanden sie nur aus einer Wäschestange mit Kleidern, die mitten im Weg stand – aufgebaut waren. Kat brauchte neue Kleidung, Thailänder und vor allem Thailänderinnen gingen unheimlich gern shoppen und kauften sich ständig neue Sachen. Kat erstand einen heißen Jeans-Minirock und ich schenkte ihr das dazu passende ärmellose T-Shirt. Hierüber geriet sie ganz aus dem Häuschen, überhäufte mich mit Küssen als ich es ihr gab. Auf dem weiteren Weg zum Skytrain kaufte Kat bei einem fliegenden Händler für mich frisch gepressten Orangensaft. Warum macht sie das? Lautete das Gesetz nicht, dass der Customer alles zu kaufen habe? Sie musste für ihr Geld doch um so vieles härter arbeiten als ich. Ich war irritiert und gerührt – und der Orangensaft schmeckte hervorragend.

Beware of the ladyboys! Recht viele der „Frauen“ hatten eine auffallend tiefe Stimme und das nicht nur in Nana, sondern auch in ganz normalen Geschäften. Wenn man sich dann die dazugehörigen Beine ansah, tauchten ausgeprägte Waden auf. Hier gab es offensichtlich mehr Ladyboys als ich gedacht hatte. Ich müsste meinen Blick schärfen, um nicht irgendwann abends im Hotelzimmer eine Überraschung zu erleben.

Gefühlt war jedes zweite Auto in Bangkok ein Taxi. Diese farbenfrohen in rot, rosa, gelb, blau und grün gehaltenen Fahrzeuge hoben sich deutlich von den üblicherweise weiß, silberfarben oder schwarz gehaltenen „normalen“ Autos ab und bestimmten das Straßenbild. Sie parkten überall am Straßenrand, der Fahrer stand davor und reihte sich bei den Händlern und Ladys um die Gunst der Touristen ein, fragte jeden Vorbeikommenden: „Taxi?“

Im Hotel mussten wir erst einmal duschen, den Schmutz der Straße und den klebrigen Schweiß der Hitze abspülen. Neu erfrischt konnten wir uns zum Abendessen aufmachen. Kat kannte ein Restaurant, das recht gut sein sollte und sie hat damit eine gute Wahl getroffen. Es handelte sich um kein Lokal im europäischen Sinne. In einer großen, offenen Halle befanden sich viele einfache Esstische, rote und gelbe Klappstühle standen vor ihnen. Das Essen konnte man in mehreren verschiedenartig ausgerichteten Küchen bestellen, die den Raum gemeinsam nutzten. Die Beleuchtung war alles andere als romantisch, grelle Neonröhren erhellten den Raum. Dem Thai-Food gegenüber war ich noch ein wenig reserviert, konnte mich noch nicht dazu durchringen und wählte den sicheren Weg – einen Thunfischsalat, der mir sehr gut schmeckte. Kat bestellte sich eine heimische, pürierte Suppe, die wir gemeinsam auslöffelten. Ich wusste zwar nicht, was ich da aß, begann aber, mich mit dem Thai-Food immer mehr anzufreunden.

Während des Essens besah ich mir einige der anwesenden, gemischten Pärchen. Komische Menschen tummelten sich in Thailand. Einerseits offenbarte ihre Kleidung (T-Shirt straff in Hose mit Gürtel gesteckt, Slipper mit Strümpfen bis kurz unter die Knie oder extra hohen Halbschuhe bei 35 Grad Celsius) sie als Spießer, andererseits machten sie in Thailand Sexurlaub. In meinen Augen ein krasser Widerspruch und wenn er das nicht sein sollte, dann wäre es eine gewaltige Doppelmoral.

Gut gesättigt wechselten wir die Lokalität, suchten uns eine Bar, in der wir ein Bier trinken und die Menschen beobachten konnten. Es war noch zu früh, nur wenige Gäste bevölkerten die Bar. Mir fiel bereits gestern auf, dass Nana relativ leer war, geht die Rotlichtindustrie Thailands den Bach runter oder ist einfach gerade keine Saison? Trotzdem verbrachten wir einen schönen Abend in der Bar, befummelten uns, tauschten Küsse aus und genossen das Leben. Es wurde spät, war jedoch noch nicht zu spät und Kat schlug vor, eine Runde Billard zu spielen, bevor wir ins Hotel zurückgehen würden. Das letzte Mal hatte ich vor 25 Jahren Billard gespielt, wer wüsste, wie dumm ich mich jetzt anstellen würde, zumal Kat mir gesagt hatte, dass sie regelmäßig spiele. Egal, Augen zu und durch und schlimmstenfalls blamieren. Kat legte vor, machte ein paar gute Stöße – meine sollten später im Hotelzimmer erfolgen – spielte insgesamt aber auf meinem Level. Ich war beruhigt, so groß würde die Blamage also nicht ausfallen. Allerdings spielte Kat mit unfairen Mitteln. Wenn eine meiner Kugeln günstig vor einer Tasche lag und ich sie zu versenken drohte, beugte Kat sich über diese Tasche und zog den Halsausschnitt ihres T-Shirts hinunter, zeigte so ihre Brust und hoffte, mich damit abzulenken oder sie setzte sich breitbeinig in eindeutiger Pose über das Eck des Tisches. Sie arbeitete mit allen Tricks, manchmal halfen sie und ich schaffte es, eine sichere Kugel zurück auf den Tisch zu beordern, manchmal reichten ihre Ablenkkünste nicht aus und die Kugel verschwand in der Tasche. Am Ende stand es 4:1 für mich.

Zwischendurch musste Kat auf die Toilette, ich stand alleine am Tisch, wartete auf ihre Rückkehr, sie war am Stoß. Eine mir unbekannte Lady kam auf mich zu, stellte sich als Fan von Kat vor, sie hätte mal in derselben Bar wie Kat gearbeitet. So weit, so gut, doch dieses Geplänkel sollte nur die Vorbereitung sein und dann ließ sie die Katze aus dem Sack, sprach den entscheidenden Satz aus. Ob ich ihr denn einen Ladydrink ausgeben würde. Wie abgezockt sind die denn hier? Sie bedrängte mich, ihr einen Ladydrink auszugeben, das gefiel mir überhaupt nicht. Wenn, dann wollte ich den Ladydrink spendieren, mich aber nicht dazu nötigen lassen. Natürlich gab ich ihr keinen aus, da könnte ich doch gleich ganz Bangkok zu einem Ladydrink einladen und wäre nach zehn Minuten pleite. So geht das nicht!

Wir legten eine Spielpause ein, ein anderes europäisch-asiatisches Pärchen nutzte die Gelegenheit, nahm den Tisch für sich in Anspruch. Der Engländer spielte verdammt gut, ich wurde neidisch auf seine Spielkünste. Wir beobachteten die beiden, gaben Kommentare zu gelungenen Stößen ab.

Plötzlich forderte Kat den Engländer heraus, fragte ihn, ob er das Spiel bezahle, wenn er gegen mich spiele und ich gewönne. Er willigte ein. Wie war Kat denn drauf? Der Typ spielte einige Ligen über mir, gegen ihn gehe ich mit Mann und Maus unter. Nun gut, man sollte keine Möglichkeit auslassen, sich zu blamieren. Er überließ mir den Anstoß, den ich sofort nutzte und eine Kugel versenkte. Das war keine Schwierigkeit, das passierte beim Anstoß häufiger, wenn man die richtige Stelle im Dreieck der Kugeln trifft. Das war es dann aber auch. Der Engländer war am Zug und lochte ein paar seiner Kugeln ein. Ich mühte mich ab, doch er lief zu Höchstform auf und bald war nur noch eine seiner und viele meiner Kugeln auf dem Feld. Ich kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung, meine Kugeln lagen so, dass kein vernünftiger Stoß möglich war. Ich griff zu der Taktik, die ich bereits als Jugendlicher in solchen Momenten angewendet hatte und die wunderbar zu dem Satz passte: Versuche das Unmögliche, um das Mögliche möglich zu machen. Ich habe die Spielkugel mit voller Kraft vor die Kugel gestoßen, bei der ich mir vorher ausgemalt hatte, wie mit viel Glück etwas laufen könnte. Das lief natürlich nicht, aber das Glück war noch größer, denn eine Kugel die absolut unmöglich erschien, fiel in eine Tasche. Nun hatte ich einen Lauf, versenkte drei Kugeln nacheinander.

Mein Gegner brauchte nur noch die 8 einzulochen, sie lag todsicher vor einer Tasche. Er zeigte auf diese, meinte, normalerweise würde er die Kugel in dieser versenken, doch „just for the fun“ wähle er einen Stoß über die Bande. Der klappte nicht, ich beförderte endlich meine letzte Kugel ins Loch und wollte die schwarze dann auch „just for the fun“ per Kunststoß in die richtige Tasche bringen. Das klappte natürlich auch nicht, wir spielten eine Viertelstunde „just for the fun“, immer wüstere Kunststöße wurden angekündigt, bis ich dann per Zufallstreffer die schwarze Kugel in der angekündigten Weise vom Tisch verschwinden ließ.

Im Hotel wollte Kat wissen, was ich am nächsten Tag vorhätte. Ich antwortete ihr, dass ich ihn alleine verbringen wolle.

Das nahm sie persönlich und begann zu weinen: „Don't you like me?“

Sie hat tatsächlich geweint, war traurig, dass ich den Tag nicht mit ihr verbringen wollte. Doch, ich mochte sie, habe versucht ihr klarzumachen, dass ich sie zwar mögen würde, sie dies aber mit Liebe verwechseln würde, dass zwischen „like“ und „love“ ein Unterschied bestünde. „Love“ kannte sie nicht, so dass wir den Begriff mit einem Übersetzungsprogramm googeln mussten. Ich glaubte, sie lebe in einer Fantasiewelt, dass eines Tages ihr Pretty-Woman-Mann komme und sie hier heraushole. Ich war nicht derjenige, ich war kein Pretty-Woman-Mann, ich tat ihr weh.

Dieses Thema beschäftigte mich bereits die letzten Tage: Auf wie vielen Gefühlen trampelte ich hier herum? Was fühlten die Frauen wirklich, die mit den Männern mitgingen? War es für sie nur ein Geschäft, ähnlich den Huren in Deutschland oder war es für sie mehr, mehr Hoffnung? Jeder, der längere Zeit mit ihnen verbrachte, könnte es sein, könnte derjenige sein, der ihnen ein besseres Leben ermöglichte. Trampelte ich auf den Gefühlen der Thai-Männer herum? Im Skytrain standen Kat und ich händchenhaltend nebeneinander, manche Thais haben zu uns geschaut. Für Kat war der Umgang mit ihrem Job das Natürlichste überhaupt, sie zeigte keinerlei Scheu oder Unbehagen in meiner Gegenwart in der Öffentlichkeit. Was mussten die Thai-Männer über Typen wie mich denken? Wir kamen mit unserem Geld und kauften ihnen die heißesten Frauen weg. Es war eine ungerechte Welt.

In Nana liefen viele europäisch-asiatisch-gemischte Pärchen herum, es war ein Bild, an das ich mich erst gewöhnen musste. Männer aus der untersten Schublade schleppten bildhübsche Ladys hinter sich her. Haben die Männer das nötig? Mangelt es ihnen an Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl, dass sie zu dieser Möglichkeit greifen? Ich dachte, ihnen fehle diesbezüglich einiges. Aber was wäre dann mit mir? Schließlich bin ich doch nun auch so ein Typ – Was ist mit meinem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl? Mache ich den Urlaub aus therapeutischen Gründen? Auf alle Fälle war er eine wertvolle Erfahrung, die ich machen musste, und wenn es er nur dafür gut wäre, dass ich mir ein eigenes Bild vom Sextourismus in Thailand machte.

Kat war traurig, traurig feststellen zu müssen, dass ich nicht derjenige wäre, der sie befreite, der sie aus dem Sumpf des Sich-Hingebens herauszöge. Und doch blieb sie freundlich, ließ sich den weiteren Abend über nichts hiervon anmerken. Wir landeten im Bett, Kat gab alles, das änderte jedoch nicht meine Meinung über den nächsten Tag.

Mit dem Bumsbomber nach Bangkok

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