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Meines Vaters Straßenbahn,

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wie sie einmal war, gibt es nicht mehr. Schon als ich im Jahre 1978 dieses Buch schrieb, gab es kaum noch irgendwo Straßenbahnschaffner, die mit ihrer Schaffnerkasse am Hals, Fahrkarten verkauften. Zum Entsetzen meines Vaters, der zeitlebens Schaffner gewesen war, taten es kleine Boxen auf dem Vorderperron auch, in die man damals zwei Groschen hineinsteckte, mehr kostete die Fahrt quer durch meine Heimatstadt Dresden bis 1990 nicht. Ich schrieb das Buch bei einem längeren Studienaufenthalt im Mittelwesten der USA, wo es ohnehin keine Straßenbahnen gab und gegeben hatte, nur in San Francisco sah ich dann zu meiner Freude die berühmten Cable Cars. Ich fuhr damit über die Hügel und durch China-Town zum Fischereihafen und wurde unterwegs erstaunlicherweise noch von uniformierten Straßenbahnschaffnern abkassiert. Das hat mich darauf gebracht, über Verlorenes aus früher Kindheit und der Jugendzeit nachzudenken. Ich begann dort dieses Buch zu schreiben und schrieb es auch in den fünf Monaten, die ich da lebte, zu Ende. Erstaunlicherweise fiel mir in der Ferne und mit dem Abstand so vieler Jahre vieles wieder ein, sogar die Straßen und Wege hatte ich wie den genauen Stadtplan und die Wanderkarten mit den Wäldern, Gewässern und Bergen um Dresden ganz frisch in Erinnerung, sogar in der völlig anderen Welt direkt vor Augen.


Mein Vater war schon tot, als ich dieses Buch schrieb, meine Mutter ist inzwischen gestorben. Über ein halbes Jahrhundert ist es ja her, als geschehen ist, was hier geschildert wird – eine ereignisreiche Zeit, für uns inmitten Europas nach dem furchtbaren Krieg dann trotz allem eine Friedenszeit. Es ließe sich von meinen Schulfreunden erzählen, die sich unlängst fast vollständig und noch quicklebendig zusammenfanden. Sogar eine Lehrerin, die allerjüngste, uns im 9. und 10. Schuljahr nur wenige Lektionen vorauseilende Russischlehrerin, war mit dabei. Immerhin die traurige Kunde vom Tod zweier Mitschüler erreichte uns, dazu die von fast allen älteren Lehrern, die ja heute neunzig, wenn nicht hundert Jahre alt wären. So sind auch fast alle Verwandten, von denen hier erzählt wird, tot – aber bei weitem nicht die lieben Cousinen und Cousins, der jüngere Bruder und die eine oder andere Jugendliebe und somit Beinahe-Verwandtschaft. Doch manche der frühen und späteren Freunde und Weggefährten habe ich aus den Augen verloren. Klein war schließlich der Kreis, als wir uns nach der neuerlichen Zeitenwende noch einmal in dem zauberhaften Dresdner Straßenbahnlokal »Linie 6« versammelten, wo wir einst in großer Runde die Premiere dieses Buches und des Fernsehfilmes gefeiert hatten.

Ich bin mir nicht sicher, ob es dieses berühmte Straßenbahn-Lokal heute noch gibt – oder ob es auch abgeschafft ist wie so manch Einzigartiges aus unserer versunkenen Welt?

Eberhard Panitz, im August 2006

Meines Vaters Straßenbahn

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