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Vorwort
ОглавлениеVater unser im Himmel, Geheiligt werde dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute, Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern, Und führe uns nicht in Versuchung, Sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Diese Worte des Gebets sind ungezählten Menschen von Jugend an vertraut. Oft täglich, aber vor allem auch bei besonderen Gelegenheiten, festlichen oder auch traurigen Anlässen, haben diese Worte Trost gespendet und betrübte Menschen aufgerichtet. Vaterunser und Erklärung, wie sie in Luthers Kleinem Katechismus stehen, können auch heute viele Menschen auswendig hersagen. Diese Vertrautheit aber kann nicht selten dazu führen, dass nicht mehr auf die genaue Bedeutung eines jeden Satzes geachtet wird, sondern man die Worte spricht, ohne über den Sinn dieses Gebetes hinlänglich nachzudenken.
Aufgabe einer umsichtigen Auslegung des Neuen Testaments ist es, den Sinn der gesprochenen Worte genau zu erheben. Was sollte von Anfang an mit diesem Gebet ausgesagt werden? Und welche Bedeutung ist den einzelnen Begriffen eigen, mit denen zu Gott gerufen wird? Ob im Gottesdienst oder im stillen Gebet des einzelnen, am Traualtar oder an den Gräbern diese Worte gesprochen und mitvollzogen werden, es gilt, sich darüber Rechenschaft abzulegen, was dabei ausgesagt wird und welcher Sinn diesem Gebet zukommt, mit dem Gott um seinen gnädigen Beistand angerufen wird.
Anlässlich der Verleihung des Dr. Leopold Lucas-Preises durch die Universität Tübingen habe ich am 15. Mai 2007 eine Vorlesung über das Vaterunser gehalten, die im folgenden Jahr im Verlag Mohr-Siebeck veröffentlicht wurde1. Die darin entworfene Skizze soll nun auf eine breitere Basis gestellt werden, indem sowohl die ursprüngliche Gestalt des Gebets wie auch seine bleibende Bedeutung des näheren zu bedenken ist. Dabei soll das Vaterunser im Zusammenhang mit der Wirksamkeit Jesu und seiner Verkündigung von der anbrechenden Gottesherrschaft, aber auch im Blick auf das Gebet der frühen Christenheit betrachtet werden. In vergleichender Gegenüberstellung mit Gebeten der Umwelt des Neuen Testaments, vor allen anderen mit seinen jüdischen Voraussetzungen, ist zu erörtern, wie es sich zu diesen verhält und worin der besondere Charakter seiner Worte zu finden ist. Bei dieser historischen Untersuchung aber ist die Frage nicht aus dem Auge zu lassen, welche bleibende Bedeutung diesem Gebet zukommt, das heute wie einst die Welt umspannt.
Für die zweite Auflage konnten einige Hinweise aufmerksamer Leser dankbar berücksichtigt und einige kleine Versehen verbessert werden.
Eduard Lohse