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Zur Geschichte und Klassifizierung der Kreativitätstechniken
ОглавлениеDie ersten methodischen Verfahren zur kreativen Ideenfindung entstanden in den USA. Der US-amerikanische Werbepsychologe Alex F. Osborn (1888–1966) gilt als Begründer der angewandten Kreativitätsforschung, die speziell die „Entwicklung von Methoden zur Hervorbringung von wissenschaftlichen Entdeckungen, technischen Erfindungen und anderen Innovationen zum Inhalt hat.“1 Unter seiner Leitung wurden seit 1949 an der State University of New York in Buffalo kreative Problemlösungskurse (Problem-solving-courses) durchgeführt, an denen Studierende aller Studienrichtungen teilnehmen konnten. Bereits seit 1938 hatte Osborn das »Brainstorming« konzipiert, das als Vorbild für zahlreiche Varianten von Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden dient. 1962 entwarf Osborn eine Checkliste für neue Ideen, die »Osborn-Checkliste«. Gemeinsam mit Sidney J. Parnes (1922–2013) entwickelte er den kreativen Problemlösungsprozess (Creative Problem Solving: CPS), eine strukturierte Methode zur Lösungsfindung von Problemen. Der US-amerikanische Erfinder und Psychologe William J. J. Gordon (1919–2003) schuf 1944 auf der Grundlage intensiver Studien über Denk- und Problemlöseprozesse die Kreativitätstechnik „synectics“ (Synektik). Weitere innovative Techniken wurden von Edward de Bono (*1933) entwickelt, der auch den Begriff „Lateral thinking“ (laterales Denken) prägte. Das bekannte und weitverbreitete Mind-Mapping wurde von Tony Buzan (*1942) eingeführt.
Zwei bewährte Methoden des erfinderischen Problemlösens, TRIZ und ARIZ, wurden von dem russischen Wissenschaftler Genrich Soulovich Altschuller (1926–1998) erarbeitet.
Bekannte Kreativitätstechniken aus Japan sind die Lotusblüten-Technik von Yasuo Matsumura, die KJ-Methode von Jiro Kawakita (1920–2009), die NM-Technik, eine Methode der systematischen Problemspezifizierung, von Masakazu Nakayama, die NHK-Technik von Hiroshi Takahashi, und das Ishikawa-Diagramm von dem japanischen Chemiker Kaoru Ishikawa (1915–1989).
Im deutschsprachigen Raum entstanden die ersten Kreativitätstechniken seit Ende der 1960er Jahre am Battelle-Institut in Frankfurt am Main. Dieses wurde nach dem US-amerikanischen Industriellen Gordon Battelle (1883–1923) benannt. Dort widmeten sich vor allem Horst Geschka (*1938), Helmut Schlicksupp (1943–2010) und Götz Schaude (*1943) der Entwicklung neuer innovativer Methoden sowie der Kreativitätsförderung in den Unternehmen. Dazu erarbeiteten sie eine grundlegende experimentelle Studie, das Multiklientenprojekt „Methoden und Organisation der Ideenfindung in der Industrie“. Im Rahmen dieses Projekts erfassten sie weltweit 47 Kreativitätstechniken und führten rund 170 experimentelle Sitzungen mit den verschiedenen Kreativitätstechniken durch. Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse entwarfen sie selbst zahlreiche Problemlösungsmethoden und Kreativitätstechniken, die auf ihre Praxistauglichkeit getestet, weiterentwickelt und zum Teil noch heute angewandt werden. Allerdings besteht bei zahlreichen Führungskräften und Mitarbeitern immer noch „ein mangelhaftes Wissen in Bezug auf Kreativitätstechniken.“2 Die beliebtesten Kreativitätstechniken, die in den Unternehmen tatsächlich genutzt werden, sind:
Brainstorming
Mind Mapping
Brainwriting
Walt-Disney-Strategie
Morphologischer Kasten
Storyboarding
Hutwechsel-Methode
Methode 6-3-53
Neuere Techniken zur Ideenfindung, zum kreativen Denken und Problemlösen sowie für die praktische Unternehmensführung, vor allem im Rahmen des Innovationsmanagements, stammen von Kurt Nagel, Annette Blumenschein, Ingrid Ute Ehlers, Michael Luther u. a. Dabei werden auch bewährte Management-Methoden, wie Benchmarking, Portfolio-Analyse, Strategie-Analyse, SWOT-Analyse, Szenario-Technik, Wertanalyse, Wettbewerbsanalyse, Zielgruppen-Analyse u. a. zu den Kreativitätstechniken gezählt. Im britischen und US-amerikanischen Entrepreneurship sowie in der entsprechenden Managementliteratur spricht man nicht nur von „Creativity Techniques“, sondern auch von »The Creative Tool Kit«, vom kreativen Werkzeugkasten.4
Die Umsetzung und Nutzung einer Idee ist eine Marketing-Aufgabe. Der Einsatz von Kreativitätstechniken kann erheblich zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Kreative Persönlichkeiten arbeiten oft an mehreren Projekten gleichzeitig und nutzen dabei unterschiedliche Methoden. Dies verhindert, dass sie sich langweilen oder abstumpfen und beugt auch Ermüdungserscheinungen vor. Stellt sich beim Recherchieren oder bei der Lösung eines Problems eine Kreativitätsblockade ein, wechseln sie das Aufgabengebiet und arbeiten an einem anderen Vorhaben weiter. Diese Veränderung und Vielseitigkeit „erzeugt unerwartete Querverbindungen, die zu fruchtbaren Ideen führen.“5
Zwischen 1960 und 1990 erfolgte eine „große Flut“ an kreativen Arbeitstechniken. Inzwischen sind weit mehr als 500 Kreativitätstechniken bekannt, die der Problemklärung, Ideenfindung, Ideenentwicklung, Ideenauswahl und Ideenumsetzung dienen, wozu auch Bewertungstechniken sowie Methoden des Projektmanagements u. a. gehören. Dabei werden alle Phasen des kreativen Prozesses einbezogen. Eine von Werner Hürlimann ermittelte Aufstellung umfasst sogar über 3000 Problemlösungsmethoden und Techniken zur Unterstützung geistiger Tätigkeiten.6 Dabei gehören jedoch die meisten dieser Methoden nicht zu den Kreativitätstechniken im engeren Sinne. Es gibt zahlreiche Varianten, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden. Um die Übersicht zu erleichtern und eine Klassifizierung vorzunehmen, entwarf der Kreativitätsforscher und Ideencoach Michael Luther (*1958) ein „Periodensystem der Kreativitätstechniken“ sowie ein „Periodensystem der Ideenfindungs-Techniken“ (PIT). Aus der großen Anzahl der Problemlösungsmethoden hebt er 32 „Leittechniken“ hervor.7 Sie bieten einen systematischen Überblick und eine zielgerichtete Auswahl der geeigneten Techniken. Alle Techniken sind in Gruppen geordnet, die dem Prozess der Problemlösung entsprechen.
Trotz berechtigter Zweifel und Einwände gegenüber zu großen Erwartungen hat sich die Anwendung von Kreativitätstechniken im Prozess der Ideenfindung und des Problemlösens vielfach bewährt. So können z. B. durch Umstrukturierung mögliche Alternativen aufgezeigt werden, um das einseitige konvergente Denken zu überwinden. Auch bewährte, selbstverständliche Sachverhalte sollten in Frage gestellt werden, um zu überprüfen, ob sie unter den neuen gegebenen Umständen noch berechtigt sind. Oft erweist es sich als hilfreich, vorhandene Probleme oder Fragestellungen in einzelne Elemente zu zerlegen, um daraus neue Verbindungen zu assoziieren. Sehr wirksam ist die Suche nach Analogien aus anderen Bereichen, z. B. aus der Natur, um eine Lösung für technische Probleme zu finden (→ Bionik).
Evelyn Boos unterscheidet drei Arten von Kreativitätstechniken, die intuitiven, die diskursiven und die Kombimethoden, die sowohl intuitive als auch diskursive Elemente enthalten.
1 Zu den intuitiven Techniken zählen: Brainstorming und seine zahlreichen Varianten: Anonymes Brainstorming, Destruktiv-konstruktives Brainstorming, Didaktisches Brainstorming, I-G-I-Brainstorming, Imaginäres Brainstorming, Inverses Brainstorming, SIL-Methode, Solo-Brainstorming, Visuelles Brainstorming, Brainwriting, Phillips-66-Methode, And-also-Methode, Creative Collaboration Technique, Bionik, Bisoziation, Kartenumlauftechnik, Collective Notebook, Kopfstand-Technik, Galerie-Methode, Methode 6-3-5, klassische Synektik, Mind Mapping, Reizwortanalyse und semantische Intuition.
2 Zu den diskursiven Kreativitätstechniken gehören: Funktionsanalyse, Morphologischer Kasten, Morphologische Matrix, Osborn-Checkliste, Progressive Abstraktion, Relevanzbaum, SCAMPER-Technik, Ursache-Wirkungs-Diagramm.
3 Kombimethoden sind: Hutwechsel-Methode, TRIZ, Walt-Disney-Strategie, Zukunftswerkstatt.8