Читать книгу Kreativitätstechniken - Egon Freitag - Страница 6

Anwendung von Kreativitätstechniken

Оглавление

Für die praktische Anwendung ist es entscheidend, dass wir bei Problemen und konkreten Fragestellungen eine geeignete Kreativitätstechnik zur Verfügung haben, die wir gezielt einsetzen können, um uns bei der Lösungssuche zu unterstützen, denn mit der richtigen Technik kann die Ideenfindung und Problemlösung effektiver gelingen. Die meisten Kreativitätstechniken beruhen auf bestimmten Grundprinzipien. Um die unterschiedliche Herangehensweise zu systematisieren, werden sie in Gruppen eingeteilt:

1 Techniken der freien Assoziation (techniques of free association): Durch freies Assoziieren sollen die Teilnehmer ermutigt werden, ihre Ideen und Vorschläge frei und unzensiert zu äußern und daraus Ideenkombinationen abzuleiten. Dazu gehören Brainstorming, Brainfloating, Brainwriting, Mind Mapping, Kartenumlauftechnik, Methode 6-3-5 (Ringtauschtechnik).

2 Techniken der strukturierten Assoziation (techniques of structured association): Die Ideenentwicklung verläuft innerhalb einer vorgegebenen Struktur, d. h., die Lösungsmöglichkeiten werden nach bestimmten Denkrichtungen systematisiert. Das Problem wird somit systematisch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Zu diesen Techniken gehören: Walt-Disney-Strategie, Hutwechsel-Methode, semantische Intuition.

3 Konfigurationstechniken (configuration techniques); auch Kombinationstechniken genannt (combination techniques): Das Gesamtproblem wird in Teilprobleme aufgeteilt (Dekomposition), für die Einzellösungen gesucht werden. Die Teillösungen werden zu einer neuen Gesamtlösung zusammengeführt (Komposition). Dazu gehören: Morphologischer Kasten, Morphologische Matrix, Attribute Listing, systematisches erfinderisches Denken (Systematic Inventive Thinking (SIT).

4 Konfrontationstechniken (confrontation techniques): Die Teilnehmer werden mit Bildern, Begriffen oder Orten konfrontiert, die sie zu kreativen Ideen und Lösungen anregen sollen. Der Gruppe werden z. B. einige Fotos gezeigt. Danach sollen die Teilnehmer die Bilder beschreiben. Anschließend kehren sie zu ihrer eigentlichen Aufgabenstellung zurück. Dadurch sollen sie sich von ihrer mitunter festgefahrenen Denkweise lösen, die Motive auf den gezeigten Bildern mit dem Problem verbinden und dadurch auf neue Einfälle und Ideen kommen. Anstelle von Fotos werden auch bestimmte Reizworte eingesetzt. Zu dieser Gruppe der Techniken gehören: Reizwortanalyse, Synektik, Visuelle Konfrontation, Bildkarten-Brainwriting, Provokationstechniken, TRIZ, ARIZ u. a. technische Lösungsprinzipien, Lösungsprinzipien der Natur (Bionik).

5 Imaginationstechniken (imagination techniques): Diese Techniken sollen das visuelle Vorstellungsvermögen stärken und unbewusste Erfahrungen mit in die Lösungsfindung einbeziehen. Die Anwendung erfolgt in der Gruppe. Dazu gehören z. B. Take a picture of the problem (Mach dir ein Bild von dem Problem), Try to become the problem (Versuche, das Problem zu werden), die geleitete Phantasiereise (guided fantasy journey). Der Moderator animiert die Teilnehmer bei einer Phantasiereise, gedanklich Bilder, Erlebnisse und Geschichten aneinanderzureihen. Diese Methode soll helfen, Stress abzubauen, sowie Offenheit und Kreativität zu fördern.

Der Psychotherapeut und Kreativitätsforscher Rainer M. Holm-Hadulla (*1951) weist darauf hin: „Die Kreativitätstechniken sind aber nur wirksam, wenn sie die individuelle Situation der Teilnehmer, ihre Begabungsschwerpunkte, Motivation und Persönlichkeit berücksichtigen. Der kreative Prozess ist viel zu verschlungen und individuell, um durch flüchtige Ratschläge und oberflächliche Motivationstrainings nachhaltig gefördert zu werden.“ Von den Moderatoren, Beratern und Coaches werden hohe Kompetenzen bei der Lösung folgender Aufgaben verlangt:

1 „Einschätzung individueller Begabungsprofile

2 Anregung von Neugier und Interesse

3 Verstärkung von Selbstvertrauen und Frustrationstoleranz,

4 Entwicklung von Kooperationsfähigkeit und

5 Realisierung kreativitätsfördernder Rahmenbedingungen“1

Aber nicht alle Kreativitätstechniken sind dazu geeignet, die schöpferischen Kräfte zu aktivieren. Die meisten dieser Methoden beeinflussen zunächst nur das Denken, und tragen dazu bei, nicht nur in gewohnten Bahnen zu denken und Nahe-beieinander-Liegendes zu verknüpfen, sondern auch entferntere und ungewohnte Vorstellungen miteinander zu verbinden. Welche Kreativitätstechnik im konkreten Fall anzuwenden ist, hängt immer von der Zielsetzung und von der Spezifik des zu lösenden Problems ab. Die Schwierigkeit besteht im Erkennen der Problemstrukturen. Ohne eine gründliche Problemanalyse ist eine befriedigende Lösung kaum möglich. Ein weiterer Ansatz, um die geeignete Technik zu ermitteln, ist die Klassifizierung des Problems. In der Praxis werden meist fünf Problemgruppen unterschieden:

1 AnalyseproblemeEin Analyseproblem setzt große Sachkenntnis voraus. Die Schwierigkeit besteht im Erkennen der Problem-Strukturen. Diese sind sichtbar zu machen und die Zusammenhänge aufzuzeigen. Ohne gründliche Problemanalyse ist eine befriedigende Lösung kaum möglich.

2 SuchproblemeSuchprobleme zielen auf das Suchen von alternativen Lösungen, wobei Analogien, Assoziationen und Bisoziationen von großer Bedeutung sind. Um ein Suchproblem handelt es sich auch, wenn die Schwierigkeit darin besteht, bestimmte Lösungen aus einem bereits existierenden Lösungsspektrum zu selektieren. Mit Hilfe von Suchkriterien, die durch die Definition des Problems vorgegeben sind, wird der Suchvorgang durchgeführt. Die Wahrscheinlichkeit, neue Lösungen zu finden, wird dadurch erhöht. Suchkriterien (auch Suchregeln genannt) sind:Die Zerlegung von Problemen in ihre Bestandteile, um eine systematische Strukturierung zu erreichen.Abstrahierung vom Ursprungsproblem. In diesem Stadium kommt es vor, dass das Problem nicht mehr bewusst durchdacht, aber unbewusst weiterbearbeitet wird, also die unbewusste Kombination von Gedanken und Informationen erfolgt. Das vorübergehende Außerachtlassen des Ursprungsproblems lenkt den Blick auf das kreative Umfeld.Bildung von Analogien, um die Ähnlichkeit oder Entsprechung von Gegenständen, Ideen, Sachverhalten oder Problemstellungen aus anderen Bereichen zu prüfen, denn auch in anderen Wissensbereichen können Lösungen für ein Problem liegen.Anknüpfung und Assoziation, mit dem Ziel, möglichst zahlreiche verwertbare Ideen durch einen ungehinderten Gedankenfluss zu erreichen.Bildliches Denken: Gut visualisierte Probleme sind anschaulicher und lassen sich dadurch einfacher lösen. Damit wird gleichzeitig die rechte Gehirnhälfte genutzt.

3 KonstellationsproblemeBei Konstellationsproblemen geht es um die Anwendung vorhandenen Wissens an neue Gegebenheiten.

4 KonsequenzproblemeBei Konsequenzproblemen wird durch die Befolgung erkannter Gesetzmäßigkeiten das Problem bzw. die Aufgabe gelöst.

5 AuswahlproblemeBei einem Auswahlproblem werden Alternativen nach bestimmten Kriterien auf ihren Nutzen für ein vorgegeben Ziel hin untersucht.2

Es wird auch zwischen gut- und schlechtstrukturierten Problemen unterschieden. Bei schlechtstrukturierten Problemen sind nicht alle Bestandteile eines Problems bekannt und Zusammenhänge nur begrenzt erkennbar. Dies erfordert eher eine intuitive, ungerichtete Suche nach Lösungsmöglichkeiten.

Der Problemlösungsprozess ist ein Vorgang aktiver Informationsaufnahme und -verarbeitung bei der Bewältigung eines Problems. Er wird auch als Prozess der Strukturerkennung und Umstrukturierung gekennzeichnet. Die Problemlösung erfolgt, ähnlich dem kreativen Prozess in mehreren Phasen.

Das Vier-Phasen-Modell lautet:

1 Problemanalyse

2 Ideenfindungsphase

3 Bewertungsphase

4 Umsetzungsphase

Der Kreativitätsforscher Helmut Schlicksupp (1943–2010) gliedert den kreativen Problemlösungsprozess in neun Phasen:

1 Auseinandersetzung der Person mit ihrer Umwelt: Dabei werden Unzulänglichkeiten bzw. Probleme erkannt, die nach einer Lösung verlangen und damit kreatives Denken und Handeln auslösen. Völlige Zufriedenheit mit der vorhandenen Situation wirkt sich dagegen kreativitätshemmend aus.

2 Problemanalyse: Dabei werden die Größe und Bedeutung des Problems für die eigenen Interessen, Absichten und Ziele eingeschätzt. Danach erfolgt die Visualisierung des Problems, z. B. durch Ablaufanalyse, durch Pfeil- oder Blockdiagramm oder durch → Mind Mapping®; anschließend Zerlegung komplexer Probleme in Teilprobleme, die in eine sinnfällige Reihenfolge der Bearbeitung gebracht werden.

3 Problemdefinition

4 Informationssammlung zur Lösungsvorbereitung

5 Erste Lösungsansätze und Absinken des Problems in das Unterbewusstsein (Inkubation)

6 Plötzliche Erleuchtung (Geistesblitz)

7 Überprüfung und Ausarbeitung der Ideen

8 Präsentation der ausgewählten Idee

9 Realisierung der Lösung3

Bei mehreren Kreativitätstechniken sind die Einsatzmöglichkeiten jedoch nicht eng begrenzt, so dass auch Mehrfachnutzungen möglich sind. Daneben gibt es Kombitechniken, die miteinander verknüpft werden können. Bei allen Kreativitätstechniken ist die Ideenfindung von der Ideenbewertung strikt zu trennen. Um die Ideenfindung nicht vorzeitig zu beenden, wird das Stretching empfohlen. Der Moderator kann neue Aspekte zur Diskussion stellen, die bereits vorgeschlagenen Anregungen und Lösungsansätze wiederholen und die Teilnehmer auffordern, über weitere Ideen nachzudenken. Eine Kreativsitzung, bei der nur eine Methode zur Anwendung kommt, kann je nach der ausgewählten Technik und der Komplexität der Aufgabenstellung etwa ein bis zwei Stunden dauern. Für die eigentliche Phase der Ideenfindung werden etwa 20 bis 40 Minuten eingeplant. Die restliche Zeit dient der Einführung, Problemklärung, Bewertung und Auswahl der Lösungsvorschläge. Für komplexe Aufgaben werden auch Kreativ-Workshops empfohlen, die ein oder mehrere Tage dauern können, wozu öfters auch Experten aus anderen Bereichen eingeladen werden.4

Eine Kreativitätstechnik ist erst dann „erfolgreich, wenn die Kreativität der Nutzer sehr hoch und ungehemmt fließen kann und dadurch viele Ideen entstehen.“5 Kreativsitzungen sollten nicht spontan stattfinden, sondern mindestens eine Woche vorher angekündigt werden. Da die Teilnehmer durch termingebundene Aufgaben meist sehr ausgelastet sind, ist eine längere Vorlaufzeit empfehlenswert. In der Einladung ist das Thema der Sitzung bekannt zu geben. Eine spezielle Vorbereitung darauf ist nicht erforderlich.

Die Teamarbeit wird empfohlen für:

 Arbeits- und Organisationsabläufe

 Produktionsabläufe

 Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen

 Verkaufsfördernde Maßnahmen

 Fragen der Qualitätssicherung

 Fragen der Kooperation und Kommunikation zwischen Arbeitsgruppen und Abteilungen

 Sicherheit am Arbeitsplatz

Vorteile der Teamarbeit sind:

 Synergieeffekte

 Lerneffekte

 Motivation und Identifikation

 Qualität und Akzeptanz der Entscheidungen

Nachteile der Teamarbeit sind:

 Hierarchie- und Konkurrenzdenken (Gruppenkonflikte, Angst vor Vorgesetzten)

 Fehlende Risikobereitschaft

 Killerphrasen

 Mangelnde Sachbezogenheit

 Mängel in der Organisation

 Zeitaufwand

Die optimale Gruppengröße für die Kreativsitzungen beträgt zwischen fünf und sieben Teilnehmern. Bei der Auswahl der einzuladenden Mitarbeiter sind diejenigen zu bevorzugen, die mit dem Thema vertraut sind, aber aus verschiedenen Abteilungen kommen, um das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren. So können z. B. für anstehende Innovationskonzepte oder technische Verbesserungen Vertreter aus der Produktentwicklung, der Vorentwicklung, der Fertigungsplanung, der Unternehmensentwicklung sowie aus dem Marketingbereich zu einer Kreativsitzung zusammenkommen, aber auch Auftraggeber und Verbraucher, an die sich das Produkt richtet, sollten vertreten sein. Die Zusammensetzung des Teams bestimmt das Kreativitätspotenzial. Die Gruppenmitglieder treten in einen Ideenaustausch, ergänzen sich und verknüpfen ihr Fachwissen und ihre Denkstrategien, um in Problem zu lösen. Somit kann im Team auch das kreative Potenzial des Einzelnen gefördert werden.

Als Hilfsmittel zur Ideenpräsentation dienen Flipcharts, Pinnwände, Beamer, Moderationskarten, vorbereitete Workshop-Blätter, Papier, Stifte, Klebeband und andere Arbeitsmittel. Für die Vervielfältigung der Formblätter und der angefertigten Protokolle für die Teilnehmer sollten Kopierer zur Verfügung stehen. Zunehmend kommen auch digitale Medien zum Einsatz (Präsentationssoftware, Powerpoint-Präsentation, Snapshot, digitale Folien, Animationen, Fotoshow u.ä.). Neben den klassischen Kreativitätstechniken gibt es auch webbasierte Methoden, die mit Hilfe einer speziellen Software durchgeführt werden.

Kreativitätstechniken

Подняться наверх