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Koggen: Niemand wusste, wie sie aussahen

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Koggen transportierten die Güter des regen Handels zwischen den Hansestädten des 13./14. Jahrhunderts. Sie spielen in vielen Geschichten von wagemutigen Kaufleuten und kühnen Piraten eine Rolle, und die Siegel vieler Hansestädte bildeten sie ab. Doch wie Koggen genau aussahen, wie sie im Detail gebaut waren und welche Segeleigenschaften sie hatten, davon wusste man später lange Zeit nichts mehr. Denn die Schiffbauer jener Zeit bauten nach Erfahrung, sie verwendeten keine Baupläne, die sich in den Archiven der Hansestädte erhalten hätten, und von den damaligen Schiffen selbst überdauerte kein einziges Exemplar die Jahrhunderte. Einziger Anhaltspunkt für das Aussehen der Koggen waren die Abbildungen auf den vielen Stadtsiegeln. Aber auch die waren widersprüchlich. Einige zeigten Schiffe mit einem geraden Vorsteven, andere wiederum mit einem gebogenen. Was war dabei korrekte Darstellung, was lediglich Stilmittel, um das Schiff der runden Form eines Siegels anzupassen?

Klarheit brachte endlich der Fund eines Wracks. Beim Ausbaggern eines Hafenbeckens in Bremen legte ein Schwimmbagger am 9. Oktober 1962 die Reste eines hölzernen Schiffes frei. Es lag zur Steuerbordseite geneigt am sandigen Abhang einer Landzunge, als sei es gestrandet. Dem Kunsthistoriker Siegfried Fliedner vom Bremer Landesmuseum blieb nur wenig Zeit, die hölzernen Reste zu begutachten, denn die Flut setzte ein und bedeckte die Reste wieder mit Wasser. Aber auch in der kurzen Zeit hatte der Wissenschaftler Planken gesehen, die einander überlappten, und die Reste eines Kastells über dem Heck. So sahen Hansekoggen auf Siegeln aus. Die Ebbe am nächsten Morgen brachte Klarheit. Es war tatsächlich das Wrack einer Hansekogge – und damit eine echte Sensation.


Bis zum Fund der Hansekogge bei Baggerarbeiten in Bremen wusste man nur wenig vom wirklichen Aussehen dieser für ihre Zeit so wichtigen Schiffe. Denn die Darstellungen auf den Siegeln der Hansestädte waren sehr unterschiedlich.

Doch diese Sensation war bedroht. Wenn die sandige Kante abbrach, auf der das Schiff lag, würde jede Flut Holzstücke herausreißen und mit der Ebbe unwiederbringlich wegspülen. Außerdem kündigten sich Herbststürme an, der Winter drohte mit Eisgang und nicht zuletzt drängte auch die Hafenbehörde, sie wollte die Baggerarbeiten fortsetzen. Das Wrack als Ganzes zu bergen kam nicht in Frage: Die Schiffshölzer hielten nicht mehr zusammen. In dem trüben Wasser der Weser konnte kein Taucher die Teile vermessen oder gar fotografieren. Die einzelnen Teile hatten sich mit Wasser vollgesogenen und waren entsprechend schwer. Allein die Planken wogen je zwischen 100 und 200 Kilogramm, der Kiel sogar eine Tonne.


Nachdem die Planken konserviert waren, konnte man den Rumpf wieder zusammensetzen. Er steht heute im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Außerdem wurden nach dem Muster mehrere Schiffe gebaut, die heute auf Nord- und Ostsee fahren.

Fliedner ließ rund um die Fundstelle Pfosten rammen und mit Maschendraht verbinden, damit keine Teile weggespült wurden. Dann ließ er von Helfern jene Balken und Planken, die bei Niedrigwasser aus dem Fluss ragten, nummerieren, vermessen und die größeren mit einem Kran bergen. Auf einem Schwimmponton erfasste ein Zeichner jedes Stück und fügte es in eine vorläufige Konstruktionszeichnung ein. Während der Suche kamen mehr als 2000 Einzelteile zutage.

Gerettet war die Kogge damit aber immer noch nicht. Die Suche nach weiteren Wrackteilen dauerte bis Juli 1965 an und brachte weitere Teile des Schiffes ans Licht. Diese wurden im Deutschen Schifffahrtsmuseum in kleinen Wassertanks eingelagert, um einem weiteren Zerfall vorzubeugen. Man vermaß und katalogisierte sie. Anschließend wurden sie ab 1972 so gut wie möglich wieder zusammengesetzt. Es gelang, die Steuerbordseite nahezu vollständig und die Backbordseite zu etwa einem Drittel zu rekonstruieren. Das Gesamtwerk konservierte man in einem 800.000 Liter fassenden Tank, der ein Gemisch aus Wasser und Polyethylenglykol enthielt. Das wasserlösliche Polymer sollte das Wasser in den Poren der Kogge ersetzen und so dafür sorgen, dass sie nicht weiter schrumpfte. 18 Jahre später, im Mai 2000, war der Konservierungsprozess abgeschlossen. Seitdem ist das Wrack im Deutschen Schifffahrtsmuseum in der „Koggenhalle“ zu bewundern.

1986 kam man erstmals auf die Idee, einen Nachbau der Bremer Kogge zu konstruieren. Nach mehreren Gesprächen und Versammlungen gründete sich noch im gleichen Jahr der Verein Hanse-Koggewerft e.V. Im darauffolgenden Jahr begannen auf einem Schnürboden am Neuen Hafen in Bremerhaven die ersten Bauarbeiten. Man richtete sich unter der Aufsicht der Klassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd nach den Plänen des Deutschen Schifffahrtsmuseums und beabsichtigte, einen Nachbau im Maßstab 1:1 anzufertigen. Am 21. Juli 1988 erfolgte unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Kiellegung, und am 18. August 1990 feierte man endlich den Stapellauf der „Ubena von Bremen“. Am 27. Juli 1991 startete die Kogge zu ihrer Jungfernfahrt, die sie von Lübeck nach Danzig führte. Da sie die vermutlich erste Kogge seit 600 Jahren war, die diese Route befuhr, wurde sie auf der gesamten Strecke von Radio- und Fernsehreportern begleitet, was zu einem überregionalen Interesse in der Bevölkerung führte. Heute hat die „Ubena von Bremen“ ihren Liegeplatz im Bremerhavener Fischereihafen. Sie liegt neben dem Fischereimotor- und Museumsschiff „Gera“ des Historischen Museums Bremerhaven.

Legendäre Schiffswracks

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