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Phönizier: Die spärlichen Spuren des Seefahrtsvolks

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Die Phönizier waren das berühmteste Seefahrer- und Händlervolk des Altertums. Von der Küste der Levante aus befuhren sie das südliche und westliche Mittelmeer. Sie trieben vom 1. Jahrtausend v. Chr. an regen Handel mit den größten Staaten der damaligen Zeit – den Reichen der Hethiter, der Babylonier, der Assyrer und der Ägypter. Ihre Handelsgüter waren die begehrten Zedern des Libanon sowie Rohmetalle und -erze, aber auch Fertigwaren aus Metall. Zudem lag in vielen vornehmen Haushalten Tafelgeschirr auf dem Tisch, das phönizische Händler geliefert hatten, und auch Trinkgläser verkauften sie, nachdem sie die Glasherstellung von den Ägyptern gelernt und zur Massenproduktion weiterentwickelt hatten.

Einen wirklichen Staat mit einer Zentralgewalt gründeten diese Händler nie, sondern nur Kolonien entlang der Mittelmeerküste. Sie fühlten und bezeichneten sich auch nicht als Phönizier, sondern nannten sich selbst nach den Städten, in denen sie siedelten. Die Sidonier beispielsweise lebten in Sidon. Die Völker, mit denen sie Handel trieben, hatten wiederum ihre eigenen Bezeichnungen für die Händler mit ihrem verzweigten Netz der Schifffahrtslinien, die dem Handel folgten. Die Römer beispielsweise bezeichneten die Bewohner Karthagos als Poeni, als „Bewohner des niederen Landes“, und grenzten sie damit von den Bewohnern der Berge des Libanon ab.

Während ihrer Fahrten erwarben die Phönizier immer mehr seefahrerische Kenntnisse und wurden immer bessere Schiffbauer. Es heißt, sie hätten im Auftrag des ägyptischen Pharao Necho um 600 v. Chr. mit einer Expeditionsflotte Afrika umrundet; unter Hanno dem Seefahrer sollen sie von Karthago aus die Straße von Gibraltar durchfahren und den Golf von Guinea erreicht haben. Dass sie die Azoren besucht haben, bestätigen Münzfunde auf der Insel Corvo. Fans der Phönizier halten es für möglich, dass sie lange vor Columbus sogar Amerika erreicht haben. Beweise dafür aber gibt es nicht.

Bei so viel maritimer Kompetenz ist erstaunlich, wie wenig man lange Zeit über die phönizischen Schiffe wusste. Es gab nur wenige Abbildungen, obgleich sie vom 12. bis 8. Jahrhundert v. Chr. das dominierende Schiffervolk des Mittelmeeres waren. Zwar existieren in den Ruinen assyrischer Paläste Reliefs mit Abbildungen geruderter Schiffe, doch diese lassen nur wenige Rückschlüsse über die Bauart zu.

Das hat einfache Gründe. Im warmen Mittelmeerklima waren Holzteile schnell verfault, Tontafeln zerfielen und sogar steinerne Denkmäler verloren ihre Konturen. Außerdem weiß niemand, inwieweit künstlerische Interpretationen und regionale Sehgewohnheiten die Steinmetze beeinflussten. Oft bildeten sie fremde Schiffstypen so ab, dass sie den eigenen ähnelten – wie ja auch auf den Portolankarten des 13. Jahrhunderts afrikanische Städte genauso aussahen wie europäische.

Deshalb gerieten die entsprechenden Fachkreise in Aufregung, als man im Jahre 1971 vor der Isola Lunga im Westen Siziliens, nahe der Hafenstadt Marsala, bei Baggerarbeiten in nur zweieinhalb Meter tiefem Wasser einige Planken und andere Holzteile entdeckte, die vermuten ließen, es könne sich um ein Schiffswrack handeln. Die italienische Regierung erteilte die Genehmigung zur Erforschung der Überreste, und schon kurze Zeit später konnten die Archäologen erste Erkenntnisse präsentieren. Das Wrack stammte aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Für die Wissenschaftler ergänzte es sich mit einem Fund vom Kap Gelidonia, wo Unterwasserarchäologen im Jahr 1960 eine Ansammlung von Gegenständen wie Kupfer- und Zinnbarren sowie Werkzeuge und einen Amboss entdeckten. Holzteile waren dort indes nicht mehr erhalten, und erst als sie die Funde kartographierten und so die Form der Fundstelle deutlich wurde, erkannten sie, dass es sich wohl um die Überreste eines etwa 18 Meter langen Schiffes handelte. Da das Holz des Schiffes längst zerfallen war, konnte man nicht rekonstruieren, wie das Schiff wohl ausgesehen hatte. Immerhin war aus den Fundstücken zu schließen, dass es sich wohl um das Schiff eines Kesselschmiedes gehandelt hatte, der von Hafen zu Hafen fuhr und seine Dienste anbot.

Bei dem Fund vor der Isola Lunga dagegen waren Teile vom Kiel, von Spanten und Planken erhalten. Aber es gab keine Hinweise auf eine Ladung, weshalb man heute davon ausgeht, dass es sich um ein karthagisches Kriegsschiff handelt.

Wer sich heute die Bauweise karthagischer Schiffe ansehen will, braucht keine Tauchermontur mehr, sondern kann dies trockenen Fußes im Baglio Anselmi tun. Dieses Museum besteht aus ehemaligen Fabrikbauten aus dem 19. Jahrhundert mit einem weiten Innenhof. Früher wurde hier Marsalawein verarbeitet und gelagert, und zwei Räume, in denen die Fässer einst lagerten, dienen heute als Ausstellungsräume.

Im Museum steht in einem klimatisierten Raum ein phönizisches Schiff – ein bedeutender Zeuge der Kriege zwischen Römern und Karthagern in den dortigen Gewässern. Es sank vermutlich während der Schlacht der Ägaden im Jahr 241 v. Chr., die den Ersten Punischen Krieg beendete. Die Karthager führten insgesamt drei Kriege mit Rom, die sogenannten Punischen Kriege (die Römer bezeichneten die Bewohner von der nordafrikanischen Küste ebenfalls als Poeni, als Phönizier des Westens), der Dritte Punische Krieg (149–146 v. Chr.) führte schließlich zur Zerstörung des Stadtstaates. Nach der Rekonstruktion kann man die Backbordseite und das Heck des Schiffs gut erkennen. Mit dem Schiff wurden übrigens auch Teile der Ladung geborgen.

Archäologen haben auf dem Meeresgrund zahlreiche zivile Schiffe gefunden, die gewissermaßen durch ihre Amphorenladungen geschützt wurden. Doch Kriegsschiffe transportierten keine Ladungen, so dass sie sich in der Strömung in viele Teile auflösten; so ist das Schiff von Marsala das einzige erhaltene aus punischer Zeit.

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