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Kapitel 2

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Kriminaloberrat Günther Rogge hatte es sich hinter seinem Schreibtisch beim BKA in Wiesbaden gemütlich gemacht. Wenige Tage zuvor hatte er ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt. Nachdem ihm seine Abteilungsleiterin, die stets quirlige Polizeidirektorin Dr. Andrea Grafunder telephonisch mitgeteilt hatte, dass seine erst vor wenigen Wochen verhängte Suspendierung vom Dienst gerade aufgehoben worden war, hatte sie ihn zu einem kleinen Tete á Tete zu sich ins Büro bestellt und ihm eröffnet, dass er gebraucht werde, um einem ganz üblen Trend der Internetkriminalität einen Riegel vorzuschieben. „Wir mussten beobachten, dass es in Teilen der virtuellen Gegenwelten zu einer massiven Zunahme von Gewaltszenen gekommen ist. Die sind zwar virtuell verpackt, doch wir haben Grund zu der Annahme, dass sich dahinter ganz reale Gewaltexzesse verbergen, die begangen werden, um den Hunger der Konsumenten zu befriedigen und zu eigenen Verbrechen zu animieren.“ Um hier zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen, sei im Hause beschlossen worden, eine eigene Sonderermittlergruppe zu bilden, die versuchen solle, sich in diese Strukturen „undercover“ einzuschleusen, um so neue Erkenntnisse zu gewinnen. Als Leiter der Gruppe sei er von den Freunden aus den Staaten vorgeschlagen worden, die in ihm einen „ausgewiesenen Experten“ gesehen hätten.

Rogge war uneitel genug, um den wohlproportionierten Spott seiner Vorgesetzten nicht zu überhören. Ihm war klar, dass sicher niemand im Haus hier auf die Idee gekommen wäre zu vermuten, dass ausgerechnet er dieser Experte hätte sein können. Allein der Umstand, dass er im Verlauf der vergangenen Jahre immer wieder mit Fällen befasst war, bei denen Datenkriminalität eine nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt hatte, schien ihn jedoch in den Augen der Verbündeten in besonderer Weise dazu zu qualifizieren, eine solche Ermittlergruppe zu leiten. Im Kern sollte es darum gehen, diese Form Organisierter Kriminalität in systematisierter Weise zu erfassen, auszuwerten und Gegenstrategien zu deren Enttarnung zu entwerfen. „So wie es aussieht, haben sich da einige Freaks eine neue Spielvariante ausgedacht. Dabei gilt die Verschmelzung der virtuellen mit der realen Welt offenbar als besonderer Kick.“ Die Grafunder hatte ihn bei diesen Worten lauernd angesehen, als ob sie erwartete, er würde hierauf anspringen, wie ein gut geölter Computer. Doch er hatte zunächst einmal überhaupt nicht verstanden gehabt, worum es eigentlich ging und das auch, wie er meinte, dezent zum Ausdruck gebracht. Leicht genervt hatte sich seine Abteilungsleiterin daraufhin dazu herabgelassen, ihm den Auftrag dann doch noch in groben Zügen zu umreißen. Demzufolge ging es um die Machenschaften von Leuten, die im wirklichen Leben Kinderschändung, Vergewaltigung, Mord- und andere Aufträge vergaben, um ihre Kunden in virtuellen Welten „life dabei“ sein zu lassen - anonym versteht sich. Die letzten drei Worte hatte sie gedehnt gesprochen. Vermutlich um damit zum Ausdruck zu bringen, dass das nicht möglich sei. „Da sollen Sie bitte schön, mal verdeckt Ihre Nase reinstecken,“ hatte ihm die Grafunder schließlich zu verstehen gegeben und vorgeschlagen, ihm seine Mitstreiter aus den jüngst bearbeiteten Fällen zur Seite zur stellen. Allen voran der gerade erst zum Hauptkommissar beförderte ehemalige Oberkommissar Carstens. Mit von der Partie war daneben die ebenfalls reaktivierte Polizeiobermeisterin Angelika Schwarz, sowie die vom LKA in Bayern oder dem BND abgeordnete Hauptkommissarin namens Raabe. Die Raabe konnte Rogge noch immer nicht richtig zuordnen. Spontan hatte er den Vorschlag gemacht, auch noch die ehemalige Expertin für Datensicherheit im Dienste der NSA, Viola Ekström, zugewiesen zu bekommen. Das hatte seine Vorgesetzte mit einer brüsken Handbewegung rundweg abgelehnt. Ebenso war es ihm mit der erbetenen Zuweisung von Ruth Waldner, alias Tatjana Wolkowa, alias, alias ergangen. Wie von Rogge erwartet, war die Kriminaldirektorin kurz davor, an die Decke zu gehen. Amüsiert hatte Rogge zur Kenntnis genommen, dass seine Vorgesetzte wie üblich nicht in der Lage gewesen war, solche scherzhaft gemeinten Vorschläge als Scherze zu begreifen. Zu gern hätte er daraufhin auch noch die Teilnahme des Dänen Hansen vom dortigen Staatsschutz PED angeregt, dann aber doch darauf verzichtet, um die Grafunder nicht noch mehr in Rage zu versetzen. Eine Person hatte er wohlweislich ebenfalls gar nicht erwähnt. Svetlana Hartschenko würde im Zweifel bereit stehen, wenn es darum ginge, solche Aufträge zu erledigen, die unmöglich in offizieller Mission erledigt werden konnten. Anders als bei den amerikanischen Verbündeten oder den israelischen Freunden war das Erledigen von Verdächtigen deutschen Dienststellen noch nicht gestattet, nicht einmal verdeckten Ermittlern, vorläufig jedenfalls. Ein – wie Rogge fand – bedenkliches Defizit, dass sich aber mit Hilfe der Hartschenko würde in Grenzen halten lassen. Er ging davon aus, die Unterstützung dieser Person über den norwegischen Kriminalreporter Hartmut von Dormann sichern zu können. Insofern freute er sich bereits im Voraus auf die Zusammenarbeit mit Svetlana, da diese, wie er von Dormann wusste, weder disziplinarischen Zwängen unterlag noch ernsthafte Skrupel hatte, das zu tun, was getan werden musste, um im Kampf gegen das Böse nicht von vorneherein dauerhaft ins Hintertreffen zu geraten.

„Die wird meine private Blackberrydame,“ murmelte der Kriminaler in Unkenntnis dessen, was ihn dann später tatsächlich erwarten sollte und schmunzelte bei dem Gedanken, welcher Medienrummel seiner Dienststelle ins Haus stehen würde, wenn das nach außen hin ruchbar werden sollte.

Er konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, da seine Abteilungsleiterin, ohne anzuklopfen den Kopf durch die Tür gesteckt hatte.

„Herr Rogge, ich habe ganz vergessen Ihnen zu sagen, wie sehr ich mich freue, dass Sie wieder da sind und wünsche Ihnen viel Erfolg. Bitte seien Sie mir nicht böse, aber ich muss zur Besprechung. Wir sehen uns.“

Er kam gerade noch dazu, seine Füße vom Tisch zu nehmen und ein kurzes „Dankeschön und Entschuldigung“ zu stammeln, als die kürzlich von ihm noch der Mittäterschaft in einer kriminellen Vereinigung verdächtigte und nach seiner Ansicht lesbisch veranlagte Vorgesetzte auch schon wieder verschwunden war.

Rogge sah auf die Uhr. Es war jetzt kurz nach elf. Er hatte sein „Team“ für 12 Uhr in den Besprechungsraum bestellt. Zeit genug also, um bis zur ersten Dienstbesprechung noch ausgedehnt im Internet zu surfen. Schließlich konnte es nicht schaden, als Aufhänger zum Einstieg einen aktuellen Fall präsentieren zu können. Wie der Zufall es wollte, brauchte er nicht lange zu suchen. „World of Warcraft Teens planten online kaltblütigen Mord.“

„Das passt ja ausgezeichnet,“ freute sich Rogge, klappte den Deckel seines Notebooks herunter, begab sich ohne Umweg direkt in die Kantine, bestellte sich dort ein Kännchen Kaffee, setzte sich ans Fenster und legte sich die kurze Ansprache zurecht, mit der er sein neues Team in einer knappen halben Stunde begrüßen würde.

Pünktlich um 12 Uhr betrat er den kleinen Raum im Untergeschoss, der ihm und seinem Team als Besprechungszimmer zur Verfügung gestellt worden war. Fast alle neuen Mitstreiter und Mitstreiterinnen hatten sich dort bereits eingefunden. Vielleicht eine Nuance zu lässig zog der Oberrat den Stuhl am Kopfende des ovalen Tisches heran und versuchte dort Platz zu nehmen. Er scheiterte aber an dem Tischbein, das sich seinem Knie schmerzhaft in den Weg stellte. Er verzog das Gesicht und musste zu seinem Missvergnügen zur Kenntnis nehmen, dass Angelika Schwarz ein schadenfrohes Kichern nur mühsam unter Kontrolle halten konnte. „Ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu dürfen,“ ließ er sich mit schmerzbetonter Stimme vernehmen und skizzierte gleich darauf in groben Zügen noch einmal den gemeinsamen Auftrag. „Irgendwelche Fragen?“ Rogge hatte diese Frage rein rhetorisch gemeint und war daher erstaunt darüber, als sich Carstens wie in der Schule meldete. „Herr Kollege?“ „Verzeihen Sie die Frage, Herr Oberrat, aber können Sie mir sagen, wo unsere Profilerin abgeblieben ist?“ Rogge glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Unsere Profilerin? Wie darf ich das verstehen?“ „Nun ja,“ entgegnete der frisch gebackene Hauptkommissar, „der Teilnehmerliste nach müsste sie ja wohl heute ebenfalls hier anwesend sein, aber tatsächlich ist sie ja nicht wirklich da. Oder habe ich sie irgendwo übersehen?“ Bei diesen Worten blickte er mit gespielter Neugier im Raum herum und war sich zur allgemeinen Erheiterung auch nicht zu schade dazu, einen kurzen Blick unter den Tisch zu werfen. Rogge sah zunächst ihn befremdet an und blickte dann irritiert auf die Teilnehmerliste. Tatsächlich, dort war auch die Profilerin vermerkt. Rogge war sich sicher, dass es sich bei dieser Personalie um eine Gehässigkeit handelte, die seine ganz spezielle Freundin höchst persönlich angeordnet hatte – natürlich ohne ihn hierüber mit einem Sterbenswörtchen zu informieren. Ohne es zu wissen, lag er zur Abwechslung mit dieser Vermutung völlig richtig. Gleich nach deren Rückkehr aus Russland hatte die schöne Luise ihre Abteilungsleiterin aufgesucht und ihr ziemlich unverblümt vorgeschlagen, die ja nun vakante Stelle Rogges kommissarisch mit ihr zu besetzen. Als die liebe Andrea auf den Vorschlag etwas befremdet reagierte, hatte die schöne Luise ohne mit der Wimper zu zucken, sich selbst als Preisgeld ins Gespräch gebracht und damit genau das Bild bestätigt, das ihre Abteilungsleiterin sich von ihr bereits gemacht hatte. Das Ungewitter war danach ohne jegliche Vorwarnung mit solcher Macht über die kleine Profilerin hereingebrochen, dass sie am Ende heilfroh war, nicht aus dem Dienst entfernt zu werden. Dr. Andrea Grafunder hatte sich auf das Angebot ihrer jungen Kollegin hin kurz zurück gelehnt, kurz aufgelacht und dann mit ganz leiser Stimme klar gemacht, dass sie sich derartige Annoncen ein für alle Mal verböte. Als die verblüffte Luise auf ihr ausdrückliches Verlangen hin, laut und deutlich bestätigt hatte, dies verstanden zu haben, ließ ihre Abteilungsleiterin den eigentlichen Giftpfeil aus dem Köcher. „Wie ich ausgerechnet von Oberst Rudenko erfahren musste, hat Enders die Unverfrorenheit besessen, seinen eigenen Vorgesetzten vorläufig festzunehmen. Ist das richtig?“ Die schöne Luise hatte den Sachverhalt bestätigt und natürlich sofort gespürt, dass ihr kleiner Plan nicht mehr aufgehen würde. Die Antwort auf die Frage, warum sie diesen Vorfall nicht unverzüglich gemeldet habe, blieb sie schuldig. Sie musste schwer schlucken und spürte, dass ihr die Felle wegzuschwimmen begannen. Aber ihre Vorgesetzte machte keinerlei Anstalten, sich mit einem Schulterzucken zufrieden zu geben. Genussvoll ließ sie ihre sich gerade noch so selbstsicher gebende Mitarbeiterin voll auflaufen. „Ok, ich sehe schon, Sie brauchen jetzt einen Moment, um nachzudenken. Ich erwarte also Ihren detaillierten Bericht in genau dreißig Minuten hier auf meinem Tisch. Und kommen Sie bitte ja nicht auf die Idee, Herrn Rogge in die Pfanne zu hauen. Haben Sie mich verstanden?“ Die schöne Luise hatte die Frage kleinlaut bejaht und sodann erfahren, dass Enders Versetzungsgesuch bereits genehmigt worden sei und auf seiner neuen Stelle in der Registratur ganz geduldig den Ausgang seines Disziplinarverfahrens abwarten dürfte. „Ich denke, wir sind uns einig, dass Ihr Bericht, liebe Kollegin ganz sicher dazu beitragen wird, das Herrn Rogges Suspendierung so schnell wie möglich aufgehoben werden kann. Haben wir uns da auch verstanden?“ Als die schöne Luise auch diese Frage bejaht hatte, war ihr von ihrer Vorgesetzten „zur Orientierung“ eine Mappe mit den Berichten der Waldner, Rudenkos und Woronins in die Hand gedrückt worden. Als sie dann bereits wenige Tage nach der Aufhebung der Suspendierung Rogges von der Grafunder darum gebeten worden war, das neue Team Rogges zu unterstützen, hatte sie erleichtert zugesagt. Von all dem nichts ahnend schüttelte der sichtlich verärgerte Kriminaloberrat auf die Frage von Carstens den Kopf, aber noch bevor er dazu kam, die Abwesenheit der Dame mit einer aus den Fingern gesaugten Erklärung zu begründen, wurde die Tür aufgerissen. Herein stürzte die Vermisste. „Ach hier steckt ihr also,“ gab sich die junge Beamtin erleichtert und ließ sich ohne eine Andeutung des Bedauerns auf einem der freien Stühle nieder. „Schön, dass Sie auch schon kommen,“ ließ sich seinerseits Rogge vernehmen und stellte klar, dass er nichts dagegen hätte, jetzt endlich zur Sache zu kommen. Er sah hilfesuchend in die Runde, aber niemand machte Anstalten, das Wort zu ergreifen. Dem Oberrat blieb nichts anderes übrig, als selbst erneut den Auftrag in groben Zügen zu umreißen. Er erinnerte daran, dass die Intensität der internetbasierten Kriminalität kontinuierlich ansteige und stellte klar, dass „verschiedene Erkenntnisse darauf hindeuten, dass hinter dem besonders aggressiven Teil dieser Attacken, anscheinend eine Organisation steckt, die sich neuerdings GIBRO. Diese Global Intelligence and Brain Research Organisation animiert im Auftrag potenter Geldgeber aufstrebende Talente, die nach Herausforderungen suchen dazu, sich an beliebige Personen zu klemmen und diesen zum Beispiel genüsslich das Lebenslicht so auszublasen, dass die Auftraggeber per Internet hierbei live daran teilnehmen können. Welchen Auftrag wir nun haben, wird jetzt Frau Raabe erklären. Frau Raabe, vielleicht möchten Sie so freundlich sein?“ „Sehr gern,“ gab Regina Raabe zu verstehen. Die Hauptkommissarin hatte nach ihrer Rückkehr vom BND zum LKA Bayern natürlich ebenfalls die Erfahrung machen müssen, dass es ihr nicht eben zur Ehre angerechnet wurde, dass es ihr nicht gelungen war, die Ermordung des bereits festgenommenen Jonathan Morgan zu verhindern. Sie hatte daraufhin darum gebeten, ihren Resturlaub nehmen zu dürfen, hatte sich sodann tagelang in ihrer Wohnung in Ascholding verkrochen und sich zu guter Letzt zu der Erkenntnis durchgerungen, dass ein neuerlicher Tapetenwechsel ihrem seelischen Gleichgewicht nicht abträglich sein dürfte. Als dann die für sie unerwartete Anfrage vom BKA kam, hatte sie nicht lange nachgedacht und trotz des damit verbundenen Ortswechsels spontan zugesagt. Jetzt erhob sie sich und sah mit gewichtiger Miene in die Runde: „Unsere Aufgabe besteht darin, einen eigenen Agenten Undercover in dieses Netzwerk einzuschleusen und dabei den gesamten Datenverkehr so lange zu analysieren, bis wir die Standorte der beteiligten Rechner in unserem Zugriffgebiet lokalisiert haben und damit den Zugriff möglich machen.“ Um ihre Worte wirken zu lassen, blickte die Hauptkommissarin wortlos in die Runde, bis ihr Blick schließlich auf der schönen Luise haften blieb. „Sie, Frau Kollegin, Sie haben das große Los gezogen. Sie werden so freundlich sein, uns den Zugang in diese Welt zu verschaffen.“ Die junge Beamtin sackte demonstrativ in ihrem Sessel zusammen. „Na super, ausgerechnet ich mal wieder. Sie wissen schon, dass das Nachtschichten ohne Ende bedeutet, oder?“ Tatsächlich war sie keineswegs so überrascht, wie sie jetzt tat. Schließlich war sie hier „zur Bewährung“, wie ihr die liebe Andrea mit kaum zu überbietender Liebenswürdigkeit mit auf den Weg gegeben hatte. Rogge indes glaubte sich verhört zu haben. Ausgerechnet die Profilerin. Das hieß doch wohl den Bock zum Gärtner zu machen. Er sah die Raabe mit einem Blick an, der völlige Verständnislosigkeit zum Ausdruck bringen sollte, so fixierend an, dass diese es vorzog, ihn einfach zu übersehen. „Nun gut,“ gab sich der Oberrat verärgert, „soviel also zu unserem Auftrag.“ Gleich darauf vertagte er die Sitzung auf den Nachmittag. Ohne eine Entgegnung abzuwarten, erhob er sich und murmelte im Hinausgehen so, dass es jeder verstehen konnte: „Das kann ja heiter werden.“

Gleich nach der Mittagspause hatte sich das frisch gebildete Team in Wiesbaden erneut getroffen und die notwendigen Vorbereitungen für die angeordnete Verlegung der Sonderermittlungsgruppe besprochen. „Wie Sie ja wissen, ist uns für unsere Arbeit ein eigenes Gebäude im ehemaligen Aussiedlerheim in Wolfratsried zur Verfügung gestellt worden,“ brachte Rogge in Erinnerung und erkundigte sich im gleichen Atemzug bei Regina Raabe und Angelika Schwarz danach, wessen Initiative denn diese phantastische Idee zu verdanken sei. Das kommt wohl von ganz oben,“ gab sich die Raabe ausweichend. Wie zur Rechtfertigung fühlte sie sich zugleich bemüßigt klarzustellen, „dass wir dort alle erforderlichen technischen Anlagen zur Verfügung haben und uns auch nicht auf engstem Raum über den Haufen rennen.“ „Im Übrigen,“ so ergänzte die Schwarz, “können wir dort ungestört unsere Arbeit machen und müssen nicht jeden Tag damit rechnen, zum Rapport bestellt zu werden.“ „Bei so vielen Vorteilen sollten wir vielleicht besser die gesamte Dienststelle nach dorthin verlegen,“ gab die Profilerin trocken zu verstehen und erkundigte sich danach völlig ernsthaft danach, „wo genau dieses Wolfratsried, oder wie das heißt, eigentlich liegt.?“ Nachdem auch dieses Wissensbedürfnis hatte befriedigt werden können, verabredeten sich die Teilnehmer für 17.00 Uhr zur ersten dortigen Dienstbesprechung. „Wegen der Unterbringung müssen wir uns keine Sorgen machen,“ stellte die Raabe abschließend klar und gab die Nummern der Zimmer bekannt, in denen die Teamer für die kommenden Wochen inkognito wohnen sollten. „Passenderweise sind wir alle ausgerechnet in der Zivildienstschule untergebracht und nehmen dort auch an der Gemeinschaftsverpflegung teil,“ fügte sie mit einem breiten Grinsen hinzu, das vieldeutiger nicht hätte sein können. „Schön, dass ich das auch mal erfahre.“ Rogges Gesichtsausdruck war deutlich anzumerken, wie wenig erbaulich er die Perspektive fand, in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht zu werden. Noch bevor er aber dazu kam, seinem Unmut freien Lauf zu lassen, wurde er von der Raabe kurzerhand mit einer besänftigenden Handbewegung unterbrochen. „Sie wohnen natürlich im Chefzimmer, Herr Rogge, also bloß nicht künstlich aufregen.“ „Und Ihren Kaffee bringen wir Ihnen natürlich auch ans Bett,“ ergänzte die Profilerin und machte dazu eine so tiefe Verbeugung, dass der Oberrat sich veranlasst sah, einmal etwas klar zu stellen. Er richtete sich auf, atmete einmal tief durch und wollte gerade ansetzen, als er erneut von der zweiten Dame mit dem lockeren Mundwerk unterbrochen wurde: „Scherz, Herr Oberrat, das war ein Scherz. Wir bringen Ihnen den Kaffee bestimmt nicht ans Bett.“ Angelika Schwarz hatte es für nötig befunden, ebenfalls ihren Senf dazu zu geben und sah ihren neuen Chef dazu so herausfordernd an, dass diesem nichts anderes übrig blieb, als nach einer Entgegnung zu suchen. „Ach wissen Sie,“ setzte er nach einem Moment des Nachdenkens an, wurde jedoch erneut abgewürgt. „Sie brauchen gar nichts zu sagen, Chef, und das mit dem Kaffee tut mir echt leid.“ Erneut war die Profilerin eingesprungen. Sie machte eine kleine Kunstpause, und stellte dann klar, dass „wir schon wissen, was Sie uns sagen wollen. Aber, ich glaube, inzwischen haben das alle hier gecheckt, dass Sie es im Bett heiß mögen, aber Kaffee brauchen Sie nicht unbedingt dazu, hab’ ich recht?“ Die junge Frau hatte diese Klarstellung so amüsiert herüber gebracht, dass jeder im Raum sich veranlasst sah, still in sich hinein zu schmunzeln. Jeder, außer Rogge natürlich. Der zog es vor, das Thema zu wechseln und tat das, indem er sich mit säuerlichem Gesichtsausdruck danach erkundigte, „ob wir diese Blödeleien nicht auf die kommende Woche verschieben können? Schließlich könnte es ja wohl nicht schaden, wenn wir uns heute noch darauf verständigen würden, welche Ausrüstung wir in unserer neuen Umgebung eigentlich noch benötigen. Oder haben Sie vor, das vor Ort zu klären?“ Auch nach diesen Worten hatte der Oberrat seine säuerliche Miene noch immer nicht abgelegt. Er wollte weitersprechen, wurde aber ein weiteres Mal unterbrochen. „Alles schon geklärt, Herr Rogge. Wir haben da alles vor Ort, was wir brauchen werden. Kabel, DSL, UMTS und sogar ein Telephon mit dem wir unseren schönen neuen, wunderbaren abhörsicheren Digitalfunk nutzen können. Und die nötige Hardware ist auch vorhanden und sogar schon angeschlossen. Eigentlich müssen wir uns nur noch ins Auto setzen und endlich losfahren. Sonst hängen wir nämlich in der Stoßzeit fest und beginnen den Job gleich mit Überstunden.“ Wieder hatte sich die Raabe - dieses Mal sogar vergleichsweise sachlich - zu Wort gemeldet und ihr neuer Vorgesetzter registrierte zufrieden, dass diese Dame sich auf ihren neuen Job offenbar sorgfältig vorbereitet hatte. Als sich eine knappe Stunde später der kleine Konvoi, bestehend aus vier dunkelblauen Audifahrzeugen von Wiesbaden aus in Bewegung setzten sollte, hatte ausgerechnet Rogge nochmals ein dringendes Bedürfnis. Er musste dazu erneut das Dienstgebäude aufsuchen. Kaum hatte er sich auf der Toilette niedergelassen, als auch schon sein Mobiltelephon klingelte. „Perfektes Timing,“ murmelte der Oberrat und versuchte das Handy aus der Halterung zu fingern. Als es ihm schließlich gelang, war das Anrufsignal bereits wieder beendet. Neugierig betrachtete er den Eintrag, um festzustellen, wer versucht hatte, ihn zu erreichen. Überrascht musste er feststellen, dass es sich um einen Anruf handelte, der über die Nummer seines früheren Mobiltelephons weitergeleitet worden war. Den Anrufer selbst konnte er nicht identifizieren. Die angegebene Nummer gehörte nicht zu seinen eingespeicherten Gesprächskontakten. Befremdet schüttelte er den Kopf. „Wieso ruft mich ein Unbekannter auf meiner alten Nummer an?“

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