Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 19 und 20 - Elda Drake - Страница 7

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Kapitel 4

Hetty stand in Gedanken versunken am Kinderbett und sah auf den schlafenden Simon hinunter, dessen blonde Locken sich um das kleine Gesichtchen ringelten. Der Sohn war das pure Ebenbild seines Vaters und hatte auch dessen blaue Augen geerbt. Genauso wie das wunderbare Lächeln, mit dem sie Patrick immer wieder um den Finger wickeln konnte.

Das wäre sowieso ein Fall für die Genforscher gewesen, denn bereits Michael, Patricks Vater, konnte dieses strahlende Lächeln aufweisen. Von seinem Großvater hatte Simon auch die Veranlagung zur Größe mitbekommen, denn für seine fünfeinhalb Jahre war der schlaksige Bengel schon ziemlich hoch aufgeschossen. Allerdings wunderte das keinen sonderlich, der die Familie näher kannte. Denn seine Mutter Chrissie war eine schlanke Blondine mit einem Modelmaß von 1.80 Meter und Großvater Michael, der ein ehemaliger Footballspieler der australischen Nationalmannschaft war und sein Geld jetzt als Sportreporter verdiente, konnte stattliche zwei Meter vorweisen.

Patrick war im Prinzip der Kleinste in der Runde, er kam nur auf knappe 1.80 Meter. Allerdings war er dafür mit einem Körperbau ausgestattet, der auch in seinem jetzigen Alter noch keinerlei Grund zur geringsten Kritik hervorrief. Seine gut definierte Muskulatur ließ einen Betrachter an die Statuen von griechischen oder römischen Jünglingen denken und in der Richtung konnte er jederzeit mit Kai konkurrieren. Sein Gesicht hatte zwar nicht die feingeschnittenen Proportionen wie das von Kai, aber es war doch äußerst einnehmend geformt und wohl die meisten Frauen würden sofort bestätigen, dass dieser Mann sehr attraktiv war.

Sogar Susi, die Frau von Kais bestem Freund Hashimoto, hatte ihr verraten, dass sie zugegebenermaßen den Jungen in ihrer Singlezeit sicher nicht von der Bettkante geschubst hätte. Und da diese, nach wie vor, als das perfekte Abbild einer rothaarigen Sexbombe gelten konnte, hatte ihr Urteil nicht wenig Aussagekraft. Vor allem, weil sie nicht nur äußerst ansehnliche Kurven hatte, sondern noch dazu eine sehr hohe Intelligenz, die sie in ihrem Job als Professorin für Betriebswirtschaft an der Universität in Brisbane gut gebrauchen konnte.

Und wer in der Oberliga mitspielen konnte, wusste sie ganz genau, schließlich war sie seit Jahren mit einem gutaussehenden japanischen Multimillionär verheiratet, der den Boden zu ihren Füßen anbetete. Sie war von ihrem Mann in das Geheimnis eingeweiht worden, dass ihre Freundin mit dem Jungen vor seiner Hochzeit eine Affäre gehabt hatte. Allerdings war sie lange Zeit der Meinung gewesen, dass das alles Vergangenheit war. Doch ein Vorfall in ihrem Haus hatte sie stutzig gemacht und so hatte sie an einem Nachmittag, als sie mit Hetty alleine unterwegs war, einfach nachgefragt, ob sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Obwohl sie an und für sich nicht neugierig war, so wollte sie dann doch wissen, was Patrick an sich hatte, dass Hetty einem Traumprinzen wie Kai die Hörner aufsetzte. Da Susi, genauso wie ihr Mann, äußerst verschwiegen war, hatte Hetty ihr zumindest soviel verraten, dass sie sich den Rest denken konnte. Und bei dieser Gelegenheit hatte Susi eben dann auch zugegeben, dass sie das Ganze schon irgendwie verstehen könne, da sie selbst Patrick auch äußerst charmant und anziehend fand.

Hetty beugte sich vor, um Simon zu wecken. Der Kleine würde mit Sicherheit auch einmal ein Herzensbrecher werden, denn er wickelte einen jetzt schon um den kleinen Finger. Er war ein fürchterlicher Frechdachs, aber gleichzeitig so liebenswert, dass man ihm nicht böse sein konnte. Sogar sie, die mit Kindern eigentlich rein gar nichts anfangen konnte, hatte den Jungen von Herzen gern. Das würde sie allerdings nur unter einer peinlichen Folter auf dem Streckbrett zugeben, schließlich hatte sie einen Ruf zu wahren. Sie hatte sich nicht umsonst in frühen Jahren sterilisieren lassen, weil sie sich nichts Schrecklicheres als eigene Kinder vorstellen konnte.

Das war glücklicherweise auch die Einstellung von Kai und der hatte schmunzelnd bemerkt, dass bei ihnen Nachkommenschaft tatsächlich ein absolutes Wunder gewesen wäre. Auch er war sterilisiert, was bei seinem früher äußerst flotten Lebenswandel wohl auch das Beste gewesen war, ansonsten hätte ihn mit Sicherheit eine seiner zahllosen Bettgenossinnen mit einem ungewollten Nachwuchs beglückt. Von daher wäre eine Schwangerschaft von Hetty definitiv einem Wunder gleichzusetzen und das Kind vermutlich mit einem Heiligenschein auf die Welt gekommen.

»Ganz abgesehen davon, dass bei deinem Alter das Kind dann als erstes Oma statt Mama zu dir sagen würde.«

Hah – da waren die Abteilungen Sarkasmus und Co. wieder einmal am arbeiten. Sie neigte nach wie vor dazu, Selbstgespräche mit ihren anderen Ichs zu führen und irgendwann würde wahrscheinlich Sigmund Freud freiwillig von den Toten auferstehen, nur um mit ihr ein paar Sitzungen abhalten zu können.

Mit einem Kopfschütteln verscheuchte sie die unsinnigen Einfälle und gab Simon einen Kuss auf die Wange. »Aufstehen du Schlafmütze!«

Die blauen Augen brauchten nur kurz, um sich zu orientieren und dann griffen schon die kleinen Arme nach ihr und sie bekam einen ziemlich feuchten Schmatz auf den Mund. »Tante Hetty! Bleibst du heute auf der Farm?«

Sie nickte und erklärte. »Alle anderen sind weg und sie haben gesagt, du musst auf mich aufpassen, damit ich keinen Unsinn anstelle.«

Simon kicherte und sah sie fragend an. »Hast du schon Zähne geputzt und dich geduscht?«

Er erledigte die Morgenwäsche inzwischen schon ganz alleine und das war die übliche Frage, die er von den Erwachsenen zu hören bekam, wenn er am Frühstückstisch erschien.

Hetty nickte und sank in die Knie. »Erlaubt mein Meister mir, ihm das Frühstück zu bereiten, während er sich wäscht?«

Simon liebte Märchen. Hetty hatte schon ganz früh begonnen neu erfundene Fassungen zu erzählen. Sie waren meist auf ihre eigenen Erlebnisse aufgesetzt und Simon kannte inzwischen alle auswendig. Seine liebsten Geschichten waren die von dem alten Drachen und die vom Ritter Lancelot. Wobei er glücklicherweise nicht wusste, dass mit Lancelot sein eigener Vater gemeint war. Und dann gab es da noch die Erzählung von der tollen Weihnachtsfeier, an der seine Großtante Silvie mit ihrem neuen Mann Paul zusammengekommen war. Da hatte der Grinch der schönen Elfe geholfen und immer gefragt. „Meister, Meister ... darf ich ..?“ Auf die spielte Hetty jetzt an, wenn sie einen auf hilflosen demütigen Eleven machte. Das brachte Simon immer zum Lachen und sie wollte vor allem, dass der Kleine nicht auf die Idee kam nachzufragen, warum alle weg waren, bevor sie selbst wusste, wie es denn um Fritz stand.

Eine Viertelstunde später tappte Simon frischvergnügt in die Küche und fragte. »Kriege ich Pfannkuchen?«

Hetty sah ihn seufzend an. »Muss das sein?«

Gleich darauf stellte sie wieder einmal fest, dass der Kleine genauso raffiniert und clever war, wie sein Vater. Er wusste, dass sie es hasste Pfannkuchen zu machen und hatte diese Forderung nur aufgestellt, um sie willig für seinen nächsten Vorschlag zu machen.

Grinsend sah er sie an. »Wenn du dann mit mir ausreitest, dann genügen mir auch Speck und Eier.«

Ungerührt erwiderte er ihren wütenden Blick. Er hatte ihr die Wahl zwischen zwei Übeln gelassen und wusste genau, dass sie den Ausritt wählen würde.

Hetty stöhnte. »Du kleine Mistkröte! Gut dann reiten wir eben aus!«

Simon strahlte sie an. »Wenn du mir jetzt einen Kuss gibst, werde ich vielleicht wieder ein lieber netter Junge!«

Hetty konnte nicht anders, sie musste lachen. »Da kann ich dich küssen was ich will, du bist und bleibst ein Schlingel. Vielleicht sollte ich dich besser an die Wand werfen.«

Doch sie bückte sich und knuddelte ihn ab. Und als er fordernd seine Lippen spitzte, kriegte er auch seinen Kuss.

»Schau, ich bin jetzt ganz lieb.« Simon begann den Tisch zu decken und Hetty sah ihm zu, wie er mit Energie und Begeisterung das Besteck und die Teller ordentlich ausrichtete.

Der Kleine war einfach unglaublich. Eine Mischung aus Engel und Teufel und damit genau das, was sie am liebsten hatte. Nur leider hatte er das viel zu schnell herausgefunden und nutzte es nun zu seinem Vorteil aus.

Nachdem sie gefrühstückt hatten, zog sie also mit einem leisen Aufseufzen ihre Reithose und ihre Stiefeletten an. Dann folgte sie mit den Chaps in der Hand Simon, der sich ebenfalls umgezogen hatte, zu den Stallungen. Es war nicht angesagt, ohne entsprechenden Schutz durch die Gegend zu reiten. Schließlich saß man zwischendrin auch mal ab und hier waren überall Wiesen, Büsche und Gehölze. Auch wenn sich die meisten Schlangen verzogen, sobald Erschütterungen ihre Umgebung beunruhigten, konnte es doch passieren, dass man aus Versehen auf eine trat, und mit Giftschlangen war nicht zu spaßen.

Die einzige Schlange, die mit Sicherheit für sie ungefährlich war, lebte in Alice Springs in einem Riesenterrarium bei Kim und Steven ihren Freunden. Dort hatte sie ein Asyl bekommen, zuerst nur vorübergehend, aber als dann ihr Camper ausgebrannt war, hatte sie beschlossen, Sssissi dort zu lassen. Steven war begeistert von der Schlange, verhätschelte sie hemmungslos und besser als bei ihm, konnte sie es wohl nirgends haben. Die Mulga hatte ihr bei ihrer ersten Camperreise das Leben gerettet, da sie ihren Entführer gebissen und damit ins Jenseits befördert hatte. Bei dieser Aktion war sie allerdings durch einen Messerhieb schwer verletzt worden und war auf menschliche Hilfe zum Überleben angewiesen. Sie hatte sich daraufhin in ihren Camper ein Terrarium einbauen lassen und war zwei Jahre lang mit Sssissi durch die Gegend gereist. Irgendwie wusste das Reptil, dass Hetty ihr nichts tun wollte und hatte nie Anstalten gemacht, sie zu beißen. Genauso wenig wie Kai, der sie damals fachgerecht genäht hatte. Aber die Wunderschlange – wie Simon sie nannte – war eine absolute Ausnahme und die restlichen King Browns und sonstigen Schlangenarten bei weitem nicht so harmlos.

Der Stallbursche war von Simon schon informiert worden und hatte dessen Pony und ihr Reitpferd bereits hergerichtet. „Conkey“, wie ihr Pferd getauft worden war, hatte sie erst vor einem Jahr gekauft, da die alte Bessie inzwischen auf der Gnadenbrotkoppel stand. Hetty war auf eigene Faust losgezogen und hatte sich auf die Suche nach einem Pferd gemacht, das ihren Ansprüchen genügte. Einige Tage darauf war sie mit dem Pferdehänger auf der Farm vorgefahren und hatte die Ausladeklappe geöffnet. Nachdem die Stute lammfromm die steile Klappe heruntergegangen war, herrschte erst einmal allgemeines Schweigen. Der Stallbursche, Kai, Patrick, Fritz und Dolly standen mit offenem Mund da und wussten nicht recht, was sie sagen sollten.

Simons helle Kinderstimme unterbrach schließlich die Stille. »Ist das wirklich ein Pferd?«

Natürlich waren daraufhin alle in ein lautes Gelächter ausgebrochen und sogar Kai hatte sich nicht zurückgehalten. Denn die Frage hatten sich die Erwachsenen ebenfalls gestellt, sich allerdings höflicherweise einen Kommentar verkniffen. Conkey stand inzwischen seelenruhig da, sah mit ihren großen Augen von einem zum anderen und versuchte vergeblich eines der hängenden Ohren aufzustellen, um das Geräusch, das die Leute vor ihr da machten, näher zu erkunden.

Die Farm war dafür bekannt in ihrer Stallung vor allem hochwertige und rassige Pferde zu haben. Kais schwarzer Vollbluthengst Zerberus war nur eines der Tiere, nach denen sich viele Menschen die Finger abschleckten. Hettys Errungenschaft sorgte dagegen dafür, dass der Stallbursche von Minute zu Minute sichtbar alterte.

Sie sah in die Runde und meinte stolz. »Ein ausgemustertes Pferd von Brisbanes Reiterpolizei. Absolut schusssicher, hat vor nichts Angst und geht garantiert nicht durch.«

Der Stallbursche murmelte in sich hinein. »Dabei würde sie auch über ihre eigenen Hufe stolpern.«

Gut, eine Schönheit war das Tier nicht. Mit einem Stockmaß von 1.60 Meter genau so hoch, dass Hetty problemlos in den Sattel kam, ohne die Steigbügel verstellen zu müssen. Die Hufe hatten die Dimensionen von Klodeckeln und an den Fesseln darüber wucherten lange, zottelige Haare. Dafür war die Mähne dünn und strähnig und der Schweif bestand aus eindeutig zählbaren Schweifhaaren. Die Statur erinnerte sehr an einen bequemen Wohnzimmersessel und die Schlappohren vervollständigten den Eindruck, dass da irgendwann vielleicht so etwas wie ein Esel in der Blutlinie vorgekommen sein musste.

Schmunzelnd musterte Kai das Tier und flüsterte ihr dann ins Ohr. »Du willst wohl wieder mal zur Befreiung des Prinzen reiten?«

Denn die Stute hatte ein schneeweißes Fell. Hetty war, als sie nach vier Monaten der Amnesie und des Verschollen-Seins, ihr Gedächtnis wiedergefunden hatte, mit einem klapprigen Schimmel zu der Farm von Kais verstorbenen Eltern geritten, wohin er sich zurückgezogen hatte. Da die Zufahrt von einem Fluss überschwemmt und damit für ihr Auto unpassierbar geworden war, hatte sie zwangsgedrungen auf das großzügige Angebot eines Farmers, doch sein altes Pferd zu nehmen, zurückgreifen müssen. Sie hatte gefunden, dass das ganz gut passte, schließlich ritt sie mit einem Schimmel zu ihrem Traumprinzen. Wie im Märchen! Natürlich war ihr Plan wieder einmal etwas daneben gegangen und der unfreiwillige Salto, der sie vom Rücken des buckelnden Pferdes auf den Boden klatschen ließ, hatte dafür gesorgt, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben Kai laut lachen hörte. Und auch heute noch brachte ihn die Erinnerung an diese Szene zum Schmunzeln.

Sie lächelte ihn an. »Ich habe mir gedacht, ich sorge schon mal vor!«

»Darf ich das Tier mal ausprobieren?« Patrick war inzwischen um die Stute herumgegangen und hatte sie näher untersucht. Die Beugeproben an den einzelnen Beinen hatte sie, so wie er dreinsah, bestanden und auch sonst hatte er anscheinend noch nichts finden können, was gegen das Pferd sprach. Hetty nickte und grinste in sich hinein. Er würde sein blaues Wunder erleben.

Sie deutete auf die Sattelbox. »Das passende Sattel- und Zaumzeug habe ich auch dabei.«

Kurz darauf schwang sich Patrick, mit einer eleganten, geschmeidigen Bewegung, aufs Pferd. Er war ein noch besserer Reiter als Kai, was dieser ihm schon mehrere Male bestätigt hatte und konnte reiten wie der Teufel. Normalerweise bewegte er Zerberus, wenn Kai nicht da war und ansonsten hatte er sich selbst einen rassigen Braunen zugelegt, der Kais Pferd nicht sonderlich nachstand. Jetzt wollte er aber vor allem wissen, was dieses seltsame Pferd vorzuweisen hatte.

Als er vom Hof ritt hörten sie ihn murmeln. »Polizeipferd! Schusssicher!«

Kai schmunzelte. Bei Hettys Lebenslauf war diese Vorgabe eigentlich sogar richtig passend. Schließlich war sie oft genug in gefährliche Zwischenfälle verwickelt worden und Kugeln waren ihr auch schon um die Ohren geflogen.

Eine gute halbe Stunde später kam Patrick wieder zurück. Als sie das Hufgeklapper hörten, gingen sie alle zum Stallgebäude und warteten gespannt auf das Urteil. Wie ausgezeichnet Patrick reiten konnte, sah man daran, dass die Stute merklich an Form gewonnen hatte, in einer versammelten Haltung dastand und willig an der Trense kaute. Man konnte sogar davon sprechen, dass sie eine gewisse Aufrichtung im Hals hatte. Wenn die Schlappohren nicht gewesen wären, dann hätte man das Bild, das sie jetzt bot, sogar als äußerst ansprechend bezeichnen können.

Patrick saß kopfschüttelnd ab, reichte dem Stallburschen die Zügel und berichtete der Menge. »Das Vieh hat einen Passgang wie ein Kamel und einen Trab wie eine Rüttelplatte. Doch der Galopp ist butterweich und sie entwickelt ein erstaunlich gutes Tempo. Sie ist absolut trittsicher, steigt nicht, buckelt nicht und wahrscheinlich zuckt sie nicht einmal zusammen, wenn neben ihr eine Rakete einschlägt.«

Er sah Hetty schmunzelnd an. »Diese Kreuzung aus Kamel und Esel ist vermutlich genau das richtige für dich.«

Damit hatte Conkey ihren Namen weg. Denn diese Mischung aus den Wörtern Camel und Donkey hatte Simon nur Sekunden später zusammengefügt.

Die Stute war auch wirklich hundertprozentig sicher und hatte sie die ganze Zeit noch nie enttäuscht. Trotzdem war Ausreiten mit Simon nicht ihre Lieblingssportart. Der Junge kannte nur eine Gangart und das war voller Galopp und sie musste die ganze Zeit aufpassen, dass er nicht zu sehr über die Stränge schlug. Auch wenn er das Reittalent seines Vaters geerbt hatte, mit seiner jetzigen Körpergröße konnte er sich nicht bei allen Gelegenheiten sicher auf seinem Pony halten, da ihm dazu einfach die entsprechende Beinlänge fehlte. Hetty hatte zugegebenermaßen eine Heidenangst, dass ihm bei seinen wilden Galoppeinlagen und den daraus hin und wieder resultierenden Stürzen vom Pferd, etwas Schlimmes passieren könnte. Sie hatte schon einige Male dabei zusehen müssen, als er kopfüber aus dem Sattel geflogen war und jedes Mal war ihr fast das Herz stehen geblieben. Doch Simon hatte sich immer blitzschnell wie eine Kugel zusammengerollt um den Aufprall besser aufzufangen und dadurch war es bisher immer noch bei blauen Flecken geblieben.

Kai und Patrick hätten ihr sagen können, dass sie mit dem Kleinen ein sehr intensives und mehrwöchiges Sturztraining veranstaltet hatten. Doch die beiden waren sich einig gewesen, dass sie das Risiko, einer sie wütend anschreienden Hetty, nicht auf sich nehmen wollten und hatten Schweigen vereinbart. Deshalb hatten die Männer auch abgewartet, bis sie wieder einmal eine Auszeit nahm und dann in aller Stille und Heimlichkeit mit Simon gearbeitet. Und da der Kleine bereits viel Erfahrung durch das Kinderkampftraining hatte, waren die Übungen für ihn ein Leichtes gewesen.

Simon war von seinem Vater und seinem Taufpaten vergattert worden, seiner Tante besser nichts von dem Ganzen zu sagen und hielt sich an die Vereinbarung. Und das fiel ihm trotz seiner jungen Jahre ziemlich leicht, denn schließlich stand ganz oben auf seiner Liste der absolut wichtigen Dinge, der Punkt, mit seinem Vater und Kai Geheimnisse teilen zu dürfen.

Doch dieser Ausritt ging ohne jegliche Komplikationen vonstatten und erleichtert übergab Hetty dem Stallburschen die Pferde. Während sie unterwegs waren, hatten dessen Eltern, die seit Jahrzehnten das Dienerehepaar auf der Farm stellten, die täglichen Routinearbeiten im Haus und am Pool erledigt. Sie wohnten in einem Häuschen, das einen knappen Kilometer entfernt auf dem Farmgelände lag und agierten schon seit Ewigkeiten als Heinzelmännchen, die nur auf Ansage hin sichtbar in Erscheinung traten.

Ihr Sohn hatte vor einiger Zeit geheiratet und seine Frau erwartete nun das erste Kind, weshalb Hetty ihn natürlich fragte. »Na, wann ist es denn soweit?«

Der werdende Vater strahlte und meinte. »Noch sechs Wochen, hat der Arzt gesagt.«

Er hatte gut lachen, schließlich war sein Arbeitgeber äußerst großzügig und hatte, nachdem er die Neuigkeit erfahren hatte, sofort Handwerker kommen lassen. Die bauten jetzt neben seinem Elternhaus einen zweiten Wohnsitz für ihn und seine Familie und es wurde an nichts gespart. Bis das Kind da war, würde das Haus fertig sein und die neuen Möbel waren bereits bestellt. Vor kurzem war Fritz noch auf einen Besuch vorbeigekommen und hatte seiner Frau ein Kuvert überreicht.

Lächelnd hatte er gemeint. »Für die Babysachen.«

Drinnen befand sich ein Scheck und der Betrag, der eingetragen war, hatte seine Frau dazu gebracht vor Freude laut zu kreischen.

Seine ganze Familie war sich einig, dass auch die nächste Generation hier auf der Farm arbeiten würde und sie wären für ihren Chef jederzeit durchs Feuer gegangen.

Simon zupfte Hetty am Arm. »Komm, wir gehen schwimmen!«

Die nickte ergeben und rüstete sich für ihre Aufgabe, das böse Seeungeheuer zu spielen. Das kam davon, wenn man solche Dinge erfand, um sich aus der Verlegenheit zu retten, nicht zu wissen, was man mit Kindern unternehmen sollte. Seltsamerweise waren aber alle ihre irrwitzigen Lösungen von dem Kleinen immer mit Begeisterung aufgenommen worden und er liebte es mit ihr zu spielen. Simon konnte schwimmen, wie eine gelenkige Wasserratte und fand es einfach wunderbar, wenn sie laut fauchend und prustend hinter ihm herschwamm und versuchte ihn zu fangen.

Quietschend und lachend forderte er sie auf. »Fang mich! Fang mich!«, um dann immer gerade noch rechtzeitig wegzutauchen und ihr zu entkommen.

Als Hetty eine Stunde später erschöpft aus dem Wasser stieg und sich auf eine Liege fallen ließ, wusste sie wieder ganz genau, warum sie keine Kinder mochte. Die waren anstrengend – furchtbar anstrengend. Besser gesagt: Sie machten einen völlig fertig.

Ein kuschelweiches Handtuch wurde neben ihre Hand ins Gras gelegt. »Ich habe eines für dich mitgebracht. Soll ich dir etwas zum Trinken holen?«

Fünf Minuten später hatte sie einen gut eingeschenkten Gin Fizz neben sich stehen und wusste wieder, warum sie Simon mochte. Er war einfach ein Schatz!

»Darf ich zu dir auf die Liege?« Die blauen Strahleaugen sahen sie bittend an. Sie machte Platz und kurz darauf kuschelte sich Simon schon an sie und schloss die Augen. »Ich glaube, ich bin ein bisschen müde!«

Gleich darauf war er eingeschlafen. Hetty schloss ebenfalls die Augen. Hier unter dem Sonnensegel bestand keine Gefahr eines Sonnenbrandes und man konnte stundenlang liegen bleiben. Kai hatte angerufen und gesagt, dass Fritz momentan stabil sei. Seine Erklärung, dass er zuvor bereits mit Patrick telefoniert hatte, war in einem etwas kühlen Ton vorgetragen worden. Doch obwohl Hetty daraus folgerte, dass er sich vermutlich zusammengereimt hatte, was passiert war, dachte sie über das nicht lange nach. Das war der Nachteil von Wiederholungstaten – mit jedem Mal wurde das schlechte Gewissen weniger.

Was ihr bedeutend mehr Sorgen bereitete, war seine Aussage, dass er die nächste Zeit nicht viel zuhause sein würde, da er einen dringenden Auftrag angenommen habe. Noch dazu war das wieder eine dieser Geheimsachen, die, wie sie genau wusste, meistens ziemlich gefährlich waren. Und auch wenn Kai ihr sonst alles erzählte, wenn er einen geheimen Auftrag annahm, dann war dieses Thema tabu. Was sie verwunderte, war nur, dass er ihn angenommen hatte, obwohl Fritz ihn doch momentan brauchte.

Aber Kai hatte auf ihre Frage geantwortet. »Ich bin sowieso in Brisbane unterwegs, da kann ich jeden Tag bei ihm vorbeischauen.«

Tja, das hatten sie ja in den vergangenen Jahren schon öfters gehabt. Aber warum hatte sie nur so ein ungutes Gefühl dabei?

Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 19 und 20

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