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2. Friede im Neuen Testament: Ein Juwel mit vielen Facetten

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Die Geschichte von Petrus und Kornelius in Apostelgeschichte 10 beschreibt einen Durchbruch. Und sie ist erhellend. Sie zeigt uns Gott am Werk; er tut das, was ihm besonders wichtig ist – Frieden schaffen. In dieser Geschichte erkennen wir viele Facetten des friedenstiftenden Handelns Gottes. Diese Facetten sind so wichtig, dass sich auch andere neutestamentliche Schreiber damit befassen.

Friede ist in Gottes Wirken und Willen zentral

Das war Petrus klar, als er sich in Apostelgeschichte 10 mit Kornelius unterhielt. Das wird durch die Art deutlich, wie er Jesus vorstellte: Ihr kennt die Friedensbotschaft Gottes, die er dem Volk Israel durch Jesus Christus mitgeteilt hat (10,36, mit Anspielung auf Jesaja 52,7). Es ist auch darin sichtbar, wie Petrus darauf reagierte, dass Gott hier offenbar die falsche Person – den Feind – benutzte. Und Friede zieht sich zentral durch das ganze Neue Testament hindurch. Warum war der Friede den ersten Christen so wichtig? Weil sie in ihrer Dankbarkeit und Ratlosigkeit klar kommen mussten mit dem, was Gott getan hatte. Durch das Wirken Christi und die Kraft des Heiligen Geistes hatte Gott trotz unterschiedlicher Rassen und Herkunft einen Leib aus ihnen geschaffen. Sie erkannten, was bei späteren Christen leicht in Vergessenheit geriet: Unser Ursprung als Gemeinde Jesu Christi wurzelt in übernatürlicher Versöhnung.

Wie stellen die neutestamentlichen Verfasser die zentrale Stellung des Friedens im Wirken und Willen Gottes dar? Indem sie bestimmte Begriffe verwenden und indem sie eine Theologie entwickeln.

Begriffe

Wiederholt nennen die neutestamentlichen Christen Gott einen „Gott des Friedens“. Routinemäßig nennen sie die gute Nachricht „das Evangelium des Friedens“.1 Im Neuen Testament ebenso wie in den hebräischen Schriften findet Friede sich buchstäblich überall. Gott hat uns durch den Glauben gerechtfertigt und uns Frieden mit ihm geschenkt. Durch das Werk Christi am Kreuz hat Gott Frieden zwischen uns und Gott gestiftet (Römer 5,1.10). Gott hat uns zum Frieden berufen (1. Korinther 7,15); wir sollen den Frieden Gottes erkennen, „der all unser Verstehen übersteigt“ (Philipper 4,7). Zwei Autoren des Neuen Testaments bitten ihre Freunde eindringlich, „Frieden mit jedem Menschen anzustreben“ (Hebräer 12,14; 1. Petrus 3,11). Und zahlreiche Briefen eröffnet Paulus, wie auch Petrus und Johannes, mit dem Ausdruck „Gnade und Frieden mit euch“ – eine schlagkräftige Kombination.

Theologie

Im zweiten Kapitel seines Briefes an die Christen in Ephesus befasst sich Paulus mit Gnade und Frieden und stellt sie als miteinander verwobene, einander bedingende wesentliche Themen des Neuen Testaments dar. Versuchen wir, die Verse 11–22 mit den Ohren von Kornelius, einem Außenstehenden und Heiden, zu hören.

„Erinnere dich daran, Kornelius, dass ihr Heiden anders wart als wir jüdischen Zugehörigen. Ihr wart Außenseiter. Ihr gehörtet nicht zum Bundesvolk Israel; ihr wart Fremdlinge, ohne Gott und ohne Hoffnung (Vers 11–12). Aber durch das Blut Christi wurdet ihr heidnischen Außenstehenden uns nahegebracht. Jesus ist unser Friede. Er hat die Mauer niedergerissen, die Mitglieder von Außenstehenden trennte. Jesus hat der Feindschaft ein Ende gesetzt. Jesus hat ‚mit dem Frieden evangelisiert‘ (Vers 17, der gleiche Ausdruck wie in Apostelgeschichte 10,36), unter Außenseitern ebenso wie unter Zugehörigenn. Und er starb am Kreuz, gab damit sein Leben für andere hin, versöhnte uns alle mit Gott, uns jüdische Zugehörige ebenso wie euch heidnische Außenstehende (Vers 16). Aus Gnade tat Gott das Unmögliche: Durch Jesus zerstörte Gott die Mauer der Feindschaft, die euch heidnische Außenstehende von uns jüdischen Zugehörigen trennte. Über die zerstörte Mauer hinweg ist ‚eine neue Menschheit‘ entstanden, die aus ehemaligen Feinden besteht. Diese neue Menschheit ist die Gemeinde, die Hausgemeinschaft Gottes. Darum handelt es sich, Kornelius, beim Friedenstiften (Vers 15). Das ist etwas anderes als der römische Friede (Pax Romana, die Herrschaftsideologie des römischen Reiches); dieser Friede greift viel tiefer. Im Frieden Christi (Pax Christi) werden ehemalige Feinde mit Gott versöhnt; sie werden zu Brüdern und Schwestern in der Familie Gottes.“

Petrus wie auch die Christen in Ephesus hatten gewusst, dass die Kirche, wo auch immer, eine Friedenskirche war. Gott hatte die Mauer niedergerissen – die Mauer, die trennte, Stereotypen schuf und Gemeinschaft verhinderte.

In Christus ist Gott dabei, eine neue Menschheit zu schaffen. Christus ist unser Friede. Darum war in der Gemeinde in Ephesus Friede nicht das selbstgewählte Anliegen einzelner Glieder. Nein – in Ephesus gab es eine Kultur des Friedens, in der der Friede allen Gliedern wichtig erschien. Warum? Weil der Friede, den sie kannten, in ihrer christlichen Grunderfahrung von Vergebung und Versöhnung in Christus wurzelte. Friede ist, damals wie heute, in Gottes Wirken und seinem Willen zentral.

Friede steht im Mittelpunkt der göttlichen Mission

Denken Sie an Petrus und Kornelius am Tag ihres Durchbruchs in Cäsarea. Hatte nicht Gottes wundersame Aktion, vom Heiligen Geist bestätigt, ihnen vollkommen klar gemacht, dass der Friede im Zentrum der göttlichen Mission steht?

In Cäsarea, Apostelgeschichte 10, war Gott am Werk. Die Juden empfanden Cäsarea als einen widerlichen Ort, eine römische Garnisonsstadt. Sie war der Mittelpunkt römischer Militärmacht. Die römischen Soldaten waren kriegsgestählte Besatzungstruppen, als Werkzeuge göttlichen Wirkens denkbar ungeeignet. Doch in den Augen Gottes ist kein Mensch unerreichbar. Es mag Menschen geben, die wir als Mitmenschen nicht erreichen können. Doch sie sind sicherlich niemals außerhalb der Reichweite Gottes. Ehe Petrus Kornelius begegnete, war Gott ihm vorausgeeilt und hatte Kornelius bereits erreicht. Petrus ist lediglich dem Pfad gefolgt, den Gott bereits geschlagen hatte. Petrus hatte keine eigene Mission – seine Mission war die Mission Gottes.

In Cäsarea vollbrachte Gott etwas völlig Unerwartetes. Er rührte die Herzen der Feinde an und schenkte ihnen den Wunsch, Gott kennenzulernen. Das Ergebnis war, dass er jüdische Gläubige wie Petrus dazu berief, ihr Weltbild und ihre Prioritäten zu ändern. In Cäsarea war Gott am Werk, und das bedeutete für alle, sich zu ändern. Am Rande, im Dunkeln, an einem gefährlichen und riskanten Ort begann Gott etwas Kleines, das groß werden sollte: die weltweite Kirche.

An dieser Stelle, und überhaupt im Neuen Testament, ist Gottes Mission von gewaltigem Ausmaß. In Matthäus 8,11 erkannte Jesus Gottes Wirken in einem anderen Hauptmann und freute sich auf den Tag, an dem viele Menschen aus aller Welt kommen werden und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmel das Freudenfest feiern. In Offenbarung 7,9 sah Johannes der Seher eine riesige Menschenmenge, so groß, dass niemand sie zählen konnte. Die Menschen kamen aus allen Nationen, Stämmen und Völkern, und beteten das Lamm Jesus an. Gottes Mission im Neuen Testament und darüber hinaus besteht darin, diese „eine neue Menschheit“ herbeizuführen, die friedlich miteinander isst und gemeinsam das Lamm anbetet.

Das ist von Anfang an Gottes Sendung. Doch den Menschen war nicht immer klar, was das bedeutet. Die Gläubigen der Urgemeinden wussten, dass Christus Frieden gestiftet und sie mit Gott und ganz andersgearteten Menschen versöhnt hatte. Wunderbar! Doch welche Folgen hatte dies für ihre Gemeinden?

In seinen Besuchen und Briefen bemühte sich Paulus, Gemeinschaften ganz gewöhnlicher Menschen zu beraten und zu ermutigen, die etwas Außergewöhnliches taten: sie vereinten ehemalige Feinde (Juden und Heiden). Das war nicht leicht, sondern es schuf Probleme. Welche Speisen würden sie zu sich nehmen? An welchem Wochentag sollten sie Gottesdienst feiern? Welche Sicht in Bezug auf die Ehe, weltliche Gerichte oder jüdische Sitten und Gebräuche war richtig? Der Jerusalemer Rat in Apostelgeschichte 15 war ein wichtiger Versuch der Leiter der frühen Gemeinden, Konflikte anzugehen, die unvermeidbar waren auf dem Weg, eine neue Menschheit und ein Volk des Friedens zu werden. Und wer war der entscheidende Zeuge bei den Beratungen in Jerusalem? Petrus, der berichtete, was Gott in Cäsarea vollbracht hatte (Apostelgeschichte 15,7–11).

Wie hatte Petrus auf das reagiert, was er in Cäsarea als Gottes Willen erkannt hatte? Als er sah, dass Gott seinen Heiligen Geist den feindlichen Heiden ebenso zukommen ließ wie zuvor den jüdischen Jüngern, ging Petrus mit und taufte den Feind (Apostelgeschichte 10,47). Als er diese Handlung vor den Ältesten in Jerusalem verteidigte, verwies er darauf, dass Gott selbst dafür verantwortlich war: Wer bin ich, dass ich Gott daran hätte hindern können? (Apostelgeschichte 11,17). Beim Jerusalemer Rat in Apostelgeschichte 15 lud Petrus die Leiter ein, so zu handeln, wie er in Cäsarea gehandelt hatte: sich Gottes Handeln anzuschließen. Genau dazu fordert Gott uns auch heute auf: zu entdecken, wo er am Wirken ist, und darin seine Mitarbeiter zu werden. Jesus hatte gesagt: Von sich aus kann der Sohn gar nichts tun, sondern er tut nur das, was er auch den Vater tun sieht (Johannes 5,19).

Heute ist der Auftrag Gottes immer noch die Mission des Friedensstiftens. Die weltweite Kirche des 21. Jahrhunderts bringt das in erstaunlicher Weise zum Ausdruck. Im 20. Jahrhundert verlagerte sich der Mittelpunkt des Christentums südwärts, zu den südlichen Kontinenten. Folglich besteht die Kirche des 21. Jahrhunderts aus ehemaligen Feinden wie Petrus und Kornelius, aus ehemaligen Sklaven und Herren, aus ehemaligen Kolonialherren und Revolutionären, aus ehemaligen Unterdrückern und Unterdrückten.2 Gott reißt die Mauern nieder. Er vergibt uns allen, versöhnt alle mit sich, vermittelt den Frieden Christi an uns alle und macht uns alle zu Mitgliedern einer internationalen Gemeinschaft des Friedens.

Die weltweite christliche Kirche ist ein Wunder. Sie ist eine neue Familie. Sie schenkt uns unsere wesentliche Identität. Sie ist ein Ort, wo wir durch Gottes Gnade erkennen können, wer wir sind und wohin wir eigentlich gehören. Auf der ganzen Welt tut Gott heute genau das. Unsere Berufung heute ist dieselbe wie die des Petrus, Gott nicht „zu hindern“ (Apostelgeschichte 11,17). Wir sollen ihm nicht im Weg stehen, sondern uns an der göttlichen Mission, Frieden zu schaffen, beteiligen.

Friede ist eine Reaktion auf Gottes Gnade

In Apostelgeschichte 10 suchten Petrus und Kornelius nicht nach einer neuen Vision für die Menschheit. Das dringendste Bedürfnis von Petrus war ein Mittagessen: er hatte Hunger (10,10). Sein allgemeineres Anliegen bestand darin, einer jüdisch-messianischen Erneuerungsbewegung zum Wachstum zu verhelfen. Die Ziele des Kornelius waren ähnlich bescheiden. Er versuchte, gottesfürchtig zu leben und den Gott der Juden anzubeten, so weit das als römischer Soldat eben möglich schien.

Doch Gott ging Petrus und Kornelius voraus. In seiner Güte war er dabei, ihren Horizont zu erweitern. Was sich dann zugetragen hat, hatten Petrus und Kornelius weder geplant noch selbst bewerkstelligt. Nein, was hier geschah, war das Geschenk eines gütigen Gottes. Gottes Vision war größer als ihre, Gottes Wirken war ihrem eigenen Wirken weit voraus. Also vergab Gott Petrus und Kornelius, versöhnte sie und schenkte ihnen eine neue Vision und eine neue Identität. All das geschah aufgrund der Güte Gottes.

So ist es immer. Gottes Gnade ist zuerst da, und dann lädt er Menschen ein, darauf zu reagieren. Es wäre falsch, die göttliche Gnade nur auf die Frage der Rechtfertigung zu reduzieren – als ob Gott alles täte und die Menschen gar nichts. Die Gnade Gottes befreit, ermächtigt und heiligt. Sie befreit Menschen aus der Gefangenschaft von Absonderung und Isolation. Die Gnade ermächtigt Menschen, sich mit ehemaligen Feinden zu versöhnen. Und sie heiligt Menschen, so dass sie Friedensstifter werden. Es liegt an uns, auf diese Gnade zu reagieren. Niemand, nicht einmal Gott, kann uns zwingen, auf die Gnade Gottes zu reagieren. Unsere Antwort muss sich aus freien Stücken ergeben. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: „Das verantwortliche Handeln ist eben darin ein freies Wagnis, durch kein Gesetz gerechtfertigt …“ Denn es seien wir, die Subjekte, die „beobachten, urteilen, abwägen, sich entschließen, handeln“ müssen.3

Darum ergießt sich das Wunder göttlicher Gnade, wenn Menschen auf die Frage Gottes: „Wo bist du?“ (1. Mose 3,9) mit ihrer eigenen Frage antworten: „Wo ist das Kind?“ (Matthäus 2,2). Nicht zufällig umrahmen diese Fragen das Alte Testament: Die erste Frage eröffnet das Alte Testament, die zweite das Neue.

In der Geschichte der Bibel sucht Gott nach Menschen, die in Sünde leben. Darauf reagieren die Menschen mit der Suche nach einem Gott, der das wahre Heil bietet. Es ist Gott, der auf erstaunliche und bewegende Art und Weise zuerst handelt, und sein Wirken löst Anbetung und Lob aus. Gott bittet – und befähigt – uns Menschen dann, mit einer Verwandlung unserer Sinne, unserer Prioritäten, ja unseres Lebens, darauf zu antworten. Das Wunder göttlicher Gnade besteht darin, dass wir unser Leben fortan nicht mehr an uns selbst orientieren, sondern an Gott. So können wir gemeinsam mit dem Apostel Paulus verkünden: Darum lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir (Galater 2,20). Jeder Aspekt unserer Gotteserfahrung hat Folgen. Gottes Gnade ist kostenlos, doch sie erfordert eine Reaktion.

• Gott hat uns vergeben; darum sollen wir ein Volk werden, dessen Leben von Vergebung geprägt ist. Vergib uns unsere Schuld, wie wir denen vergeben, die uns Unrecht getan haben (Matthäus 6,12).

• Gott hat uns mit sich versöhnt; darum sollen wir mit unseren Feinden versöhnt werden; uns wird ein Amt der Versöhnung aufgetragen (2. Korinther 5,18).

• Gott hat uns mit seinem Frieden beschenkt; darum sollen wir Friedensstifter sein. Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen (Matthäus 5,9).

Der kroatische Theologe Miroslav Volf hat es wie folgt ausgedrückt:

„Eingeprägt in das Herz der göttlichen Gnade ist die Regel, dass wir deren Empfänger nur dann werden können, wenn wir uns nicht dagegen wehren, deren Träger zu werden. Was uns widerfährt, muss von uns selbst vollbracht werden.“4

In der Apostelgeschichte 10 waren Petrus und Kornelius Empfänger der Gnade. Und der gütige Gott hat sie dazu berufen, selbst Träger seiner Gnade zu werden. Das bedeutete, Frieden zu stiften. Es bedeutete, Gottes Mitwirkende dabei zu werden, Gnade und Frieden im Leben vieler Menschen zu bewirken. Es bedeutete, ihre Weltanschauung, ihre Feindbilder und ihre Prioritäten zu verändern. Es bedeutete, Risiken einzugehen. Wenn Menschen die göttliche Gnade erfahren wollten, wurden sie zugleich dazu aufgerufen, Friedensstifter zu sein. So ist es auch bei uns: Wenn wir die göttliche Gnade erfahren wollen, müssen wir Boten seiner Gnade und seines Friedens werden.

Friede ist umfassend: zum Begriff

In Apostelgeschichte 10,36 sagte Petrus Kornelius, Jesus habe mit dem Frieden „evangelisiert“. Doch was ist mit Frieden gemeint?

Der Friede, zu dem die Friedenskirche aufgerufen wird, ist gewaltigen Ausmaßes. Im Alltagsleben benutzen wir das Wort „Friede“ oft in einem oberflächlichen Sinn, der nicht gerade dabei hilft, hinter das biblische Verständnis von Frieden zu kommen. „Ich wünschte, unsere Nachbarn würden ihre Musik leiser stellen und mir ein bisschen Frieden bescheren.“ „Dank der Atombombe haben wir in Europa nun seit 40 Jahren Frieden.“ Gelegentlich benutzen wir auch ein Wort, das wir der Bedeutung des Wortes Frieden gleichstellen: „Gewaltlosigkeit“.

Hier sind vier Ansätze, Frieden zu definieren:

Friede als Negation. „Es gibt keinen Krieg, also leben wir im Frieden.“ Das ist oberflächlich. Diese sehr begrenzte Sichtweise basiert auf persönlichen Gefühlen und individuellen Erfahrungen.

Friede als das, was den Frieden fördert. Zum Beispiel könnte man sagen: „Manche Menschen setzen sich für die Beendigung aller Formen von gesellschaftlicher Unterdrückung und individueller wie struktureller Gewalt ein.“5

Friede mit einer klaren Ausrichtung: Friede ist notwendig, damit alle Gewalt ein Ende hat. Dieser Ansatz sieht Gewalt als das Haupthindernis für den Frieden.

Friede als Konfliktverwandlung. Betont wird hierbei nicht die Gewalt, sondern der Konflikt. Diesem Ansatz zufolge ist es wichtig, die Zusammensetzung und den Mechanismus eines Konflikts zu begreifen und zu wissen, wie er kreativ und gewaltlos umgewandelt werden kann.6

Der biblische Friede umfasst das alles – und noch mehr. Bibelforscher weisen uns darauf hin, dass das hebräische Wort Schalom, das oftmals mit „Frieden“ übersetzt wird, 235 Mal im Alten Testament vorkommt und sich auf vieles in den verschiedensten Zusammenhängen bezieht.7 Schalom schafft das Friedenskonzept hinter dem neutestamentlichen Wort Eirene.

Der biblische Friede, Schalom, bezieht sich erstens auf das generelle Wohlergehen und materielle Gedeihen, gekennzeichnet durch körperliches Wohlergehen sowie das Ausbleiben von Krieg, Krankheit und Hunger (Jeremia 33,6.9). Zweitens bezieht sich der Friede auf gerechte Beziehungen. Sie zeichnen sich durch einwandfreie Beziehungen zwischen Individuen und zwischen Nationen aus. Dieser Friede bezieht sich ebenfalls auf eine harmonische und gerechte Sozialordnung, die in keiner Weise Unterdrückung oder Ausgrenzung aufweist (Jesaja 54,13–14). Drittens bezieht sich der Friede auf die moralische Integrität eines Menschen, der ehrlich und betruglos lebt und weder Schuld noch Verdachtsmomente aufweist (Psalm 34,13–14). Im Neuen Testament erhält der Friede, Eirene, eine weitere Nuance: Er steht in Verbindung mit Gott und der guten Nachricht von Gott. Beachten Sie den Ausdruck „Gott des Friedens“ (Römer 15,3; 16,20; 2. Korinther 13,11; 1. Thessalonicher 5,23; 2. Thessalonicher 3,16; Hebräer 13,20).8

Der biblische Friede bezieht sich auf die Ganzheitlichkeit, eine allumfassende Ganzheitlichkeit von Menschen und der gesamten Schöpfung.9 Er beinhaltet die physischen, beziehungsmäßigen, moralischen und geistlichen Dimensionen des Menschseins. Davon wusste Petrus. Als er Kornelius die „Gute Nachricht des Friedens“ erklärte, sagte er, dass Menschen in allen Ländern Gott angenehm sein werden, wenn sie Ehrfurcht vor ihm haben und so leben, wie es ihm gefällt (Apostelgeschichte 10,35). Petrus verstand, dass Gerechtigkeit eine Voraussetzung für den Schalom ist; wo es gerecht zugeht, da herrschen auch Friede, Ruhe und Sicherheit (Jesaja 32,17). Entsprechend der jüdischen Denkweise von Petrus kann es keinen Frieden geben, wenn Beziehungen zerbrochen sind, wenn keine Harmonie zwischen Menschen und Gott sowie untereinander besteht, wenn Ungerechtigkeit, Hass und Angst das Feld beherrschen. Also bewegten sich Petrus und Kornelius in Richtung einer großen Friedensvision, bei der Gott „eine gebrochene Welt wieder zusammensetzt“.10

Das Gleiche galt in der Urkirche. Der Märtyrer Justinus sagte, Christen hätten die Waffen des Krieges durch das Wirken des gekreuzigten Heilands in friedliches Bauerngerät umgeschmiedet. Und was konnten sie damit bestellen? „Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Menschenfreundlichkeit, Glaube und Hoffnung.“11 Der Friede, mit dem Jesus, Petrus und die ersten Christen evangelisiert hatten, war groß und erhaben. Er verkörperte Gerechtigkeit und die Umwandlung gebrochener und unterdrückender Beziehungen in eine Kultur des Friedens.

Der Friede ist individuell sowie gemeinschaftlich

Petrus sprach vom Frieden. Er, Kornelius und die vielen, die in der Garnison zu Cäsarea versammelt waren, erfuhren Frieden. Dieser Friede/Schalom/Eirene war zutiefst persönlich – das versöhnende, verzeihende und liebende Werk Gottes. Durch das Wirken Christi und des Heiligen Geistes war Gott dabei, Menschen ihre Sünden zu vergeben und sie mit sich zu versöhnen (Apostelgeschichte 10,43). Also fragte Petrus: Wer könnte ihnen jetzt noch die Taufe verweigern, wo sie [die Heiden] genau wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? (Apostelgeschichte 10,47). Diese Frage war eine Herausforderung. Die Taufe brachte damals wie heute zum Ausdruck, dass Menschen, die Brüder und Schwestern in Christus geworden sind, in die neue Familie des Glaubens aufgenommen werden. Die Taufe sprach für sich. Sie besagte, dass Menschen, die mit Gott versöhnt worden sind, fortan mit anderen, einschließlich ihrer ehemaligen Feinde, in Frieden leben können.

Der Friede – der biblische Friede von Schalom und Eirene – war ein Ausdruck Gottes heilenden Werkes, das sowohl persönlicher wie gemeinschaftlicher Art war. Die neutestamentlichen Verfasser wussten, dass Petrus und Kornelius gemeinsam feierten. Gottes Friede versöhnt die Menschen miteinander, er stellt die Beziehungen zwischen Menschen wieder her, er bringt Feinde zusammen in eine neue soziale Wirklichkeit.

In Indonesien wird noch heute zwischen Menschen chinesischer Abstammung und den sogenannten Ur-Einwohnern unterschieden. Doch indonesische Christen stoßen in eine andere Identität vor. Ich (Paulus) wuchs in einer chinesischen Familie auf. Als Indonesier chinesischer Herkunft wurde ich mein Leben lang diskriminiert. Ich wurde als wertloser Mensch behandelt. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind von meinen Nachbarn angehalten wurde, wenn ich mit dem Fahrrad zur Schule fuhr. Sie forderten Geld. Wenn ich zahlte, ließen sie mich ziehen. Doch wenn ich mich weigerte, ihnen Geld zu geben, schlugen sie mich auf der Straße zusammen. Mit Vergnügen riefen sie: „Chinese! Chinese!“, wenn ich an ihnen vorbeiradelte. In Indonesien ist das eine ziemliche Demütigung. Oftmals, während sie brüllten, bewarfen sie mich mit Steinen. Manchmal warfen sie sogar mit Knallkörpern. Später fand ich heraus, dass eine bestimmte Nummer in meinem Ausweis den Beamten auf einen Blick meine chinesische Abstammung verriet. Aufgrund dieser Nummer blieb mir der Weg in öffentliche Hochschulen oder ein Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst verwehrt. So war das eben in meiner Gesellschaft.

Ich wuchs also mit der Frage auf, wieso mich meine Nachbarn nicht einfach als Mitmenschen akzeptieren konnten. Warum verabscheuten sie mich? Doch als ich mich einer christlichen Gemeinde anschloss, entdeckte ich, dass meine chinesische Identität nicht so wichtig ist wie meine christliche. Nun gab es weder Juden noch Griechen, weder Chinesen noch Ur-Einwohner (Galater 3,28). Christen genießen eine neue, gemeinsame Identität, und das macht uns alle gleichwertig. Oder, um es genauer auszudrücken: Nun gibt es zwar chinesische und einheimische Christen, doch der Name „Christ“ ist das einzige, was wirklich zählt.

In seinem Buch The Social Sources of Denominationalism behauptet der Theologe H. Richard Niebuhr, dass die wahre Kirche „die Aufspaltungen der Welt überwunden hat“.12 Das hatten bereits Petrus und Kornelius entdeckt. Eine solche Kirche ist der Welt ein Zeichen dafür, dass ihre Zerbrochenheit geheilt werden könne.13

Der Friede ist ein Kontinuum

An einem Ende des Kontinuums, etwas lückenlos Zusammenhängendes, steht der Friede mit Gott (Römer 5,11). Er ergibt sich daraus, dass Gott uns rechtfertigt und unsere Beziehung zu ihm wiederherstellt und öffnet. Am anderen Ende steht der Friede zwischen Menschen und Nationen. Er wird möglich, indem Gott versöhnte Beziehungen zwischen ehemaligen Feinden schafft. Es gibt zwei Wege, um sich dieses Kontinuum vorzustellen:

Der Wellen-Effekt

Ein Pastor in Wichita, Kansas/USA, beginnt das Seminar für neue Gemeindeglieder mit den Worten: „Die wichtigste Frage lautet: Haben Sie Frieden mit Gott geschlossen?“ Falls ja, fährt der Pastor fort: „Dann wird dieser Friede – wie ein Stein, der ins Wasser fällt – Kreise ziehen und alle anderen Beziehungskreise Ihres Lebens beeinflussen.“ Das schließt die familiären Beziehungen, Beziehungen am Arbeitsplatz und die zu Gegnern oder Feinden mit ein. Der Pastor verstärkt diese Wellenbewegung, indem er die mit Gott versöhnten Menschen ausdrücklich darin bestärkt, sich an Gottes Friedenstiften auch an anderen Orten zu beteiligen. Das schließt auch feindliche Nationen ein – damit der göttliche Friede wirklich umfassend sein kann.14

In diesem Bild steht unser Friede mit Gott im Zentrum, am Beginn des Kontinuums. Friedenstiften beginnt immer mit dem Frieden mit Gott. Ohne den Frieden mit Gott können wir nicht vom Friedenstiften reden und schon gar nichts unternehmen. Der Friede beginnt immer im Inneren und fließt dann nach außen. Er hat seinen Ursprung in einer wiederhergestellten Beziehung zwischen Gott, der Quelle des Friedens, und uns. Aber als Quelle des Friedens ersehnt Gott Frieden für seine gesamte Schöpfung. Er will nicht, dass wir nach der ersten Etappe stehen bleiben. Er will, dass wir uns weiterbewegen zu den nächsten Stufen des Kontinuums: Frieden mit uns selbst, mit unseren Nachbarn, Frieden mit unseren Mitbürgern, und schließlich auch Frieden mit unseren Feinden. Wir erkennen diesen Willen Gottes sehr deutlich in der Person Jesu Christi, der mit seinem Leben und Dienst den Weg des Friedens aufzeigte. In Jesus sehen wir das Risiko und die Hoffnung, ebenso wie die Freude solch einer Lebensart.

An einem Ende des Kontinuums steht also der Friede mit Gott; am anderen Ende die Feindesliebe; die Stufe, die am schwersten zu erklimmen ist. Wir mögen den Frieden mit Gott kennen, doch vielleicht sind wir noch nicht mit unseren Feinden versöhnt – am wenigsten mit denen, die uns körperlich oder seelisch verletzt haben. Dies erklärt, warum es Christen, die in blutige Auseinandesetzungen wie in Indonesien, Nordirland oder Kongo verwickelt waren, besonders schwer fällt, sich mit denen zu versöhnen, die sie als ihre Feinde betrachten. Es sollte uns jedoch weder entmutigen noch ein Hindernis sein, das uns von einem Engagement für das Friedenstiften abhält.

Zwischen diesen beiden Punkten des Kontinuums – Friede mit Gott und Feindesliebe – gibt es viele Stufen des Friedens. Vielleicht sind wir im Moment noch nicht bereit, Frieden mit unseren Feinden zu schließen. Aber das bedeutet keineswegs, dass wir uns nicht am Friedenstiften beteiligen könnten. Wir können uns vielfältig beteiligen, den Frieden zu fördern – inneren Frieden, Friede in unserer Familie (unserer eigenen wie der erweiterten), Frieden mit unseren Schwestern und Brüdern in Christus in unserer Ortsgemeinde, Frieden mit unseren Schwestern und Brüdern in anderen Kirchen, Frieden mit Menschen anderen Glaubens, Frieden mit unseren Nachbarn, Frieden mit unseren Arbeitskollegen, Frieden mit den Bürgern unseres Landes, Frieden mit den Bürgern anderer Länder.

Gott ist am Werk

Dieser Ansatz unterscheidet sich ein wenig von dem Bild des Wellen-Effekts. Er anerkennt, dass derselbe Gott, der sich in Christus offenbarte, auf vielfache Art und Weise Schalom stiftet. Manchmal wirkt er im Herzen eines Kornelius, des feindlichen Hauptmanns, noch eher er selbst Gott kennt. Manchmal gebraucht Gott den Ökologen, der Schalom für die Schöpfung sucht. Manchmal schenkt Gott Menschen Vergebung und Frieden, die ihm fern stehen. Nach diesem Verständnis beginnt das friedenschaffende Wirken Gottes nicht immer damit, einem Einzelnen zu vergeben. Doch Gott wünscht sich, dass sein Handeln dies immer mit einschließt. Gottes Absicht ist es, die Geschichte auf einen umfassenden Friedens zuzubewegen (Jesaja 11,1–9). Paulus drückte es so aus (2. Thessalonicher 3,16): Unser Herr, von dem aller Friede kommt, schenke euch seinen Frieden immer und überall.

Gottes Friede ist groß. Er ist allumfassend. Er ist sowohl persönlich wie zwischenmenschlich. Er stellt Beziehungen zwischen uns und Gott wieder her, zwischen uns und unseren Feinden, zwischen uns und Gottes Schöpfung. Der Friede ist schon jetzt erfahrbar in Vorahnung dessen, was Gott allen Menschen wünscht. In Christus lernten bereits Petrus und Kornelius, so zu leben, wie alle irgendwann leben werden. Auch wir erfahren bereits heute die Realität des persönlichen und zwischenmenschlichen Friedensstiftens Gottes in der länderübergreifenden Gemeinschaft des Friedens, die sich Kirche nennt. Gott ruft die Kirche dazu auf, sich einer großen Friedensvision anzuschließen, in der jedes Mitglied als Friedensstifter wirkt.

Friede muss geschaffen werden

Friede entsteht unter Schmerzen. Was Gott mit Petrus und Kornelius ins Rollen brachte, musste noch in die Tat umgesetzt werden. In Cäsarea konnte der Friede mit Gott verkündet, der Friede zwischen Juden und Heiden gefeiert werden. Doch danach entstanden Probleme und ein Konflikt brach vom Zaun. Seine Beziehungen zu den römischen Heiden brachten Petrus in Schwierigkeiten mit den Kirchenleitern in Jerusalem: Du hast das Haus von Nichtjuden betreten und sogar mit ihnen gegessen! (Apostelgeschichte 11,3).

Der Friede muss geschaffen werden, weil die Welt voll ist von zerbrochenen Beziehungen und Ungerechtigkeit. Gott lädt uns ein, uns an seinem friedenschaffenden Werk und Weg zu beteiligen. Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen (Matthäus 5,9). Bis Gottes Reich in voller Macht anbricht, wird der Friede niemals vollkommen sein. Er muss immer noch geschaffen werden. In Lukas 1,78–79 beendet Zacharias, der Onkel von Jesus, sein Lied damit, dass er die Barmherzigkeit Gottes feiert. Dieser Gott verpflichtet sich, denen Licht zu geben, die in Nacht und Todesfurcht leben; es wird uns auf den Weg des Friedens führen. In einer konfliktreichen Welt gibt es keinen Weg zum Frieden – der Friede selbst ist der Weg. Ein Volk des Friedens zu werden, setzt ein Ringen mit unserer von Gott geschenkter Freiheit und unseren menschlichen Begrenzungen voraus.

Jesus verkündete die gute Nachricht des Friedens. Er segnete die Friedensstifter, er schaffte Frieden. Und er erkannte, dass dies Konflikte mit sich brachte. Diesbezüglich war Jesus sehr deutlich; er kam nicht, um Frieden zu bringen, sondern den Kampf (Matthäus 10,34). Ohne Konflikte bleibt Ungerechtigkeit bestehen und wird nicht herausgefordert, und dann gibt es keine Hoffnung. Also ließ sich Jesus auf den Konflikt ein, der Frieden schafft: er wandte sein Gesicht Jerusalem zu; er verursachte einen Aufruhr im Tempel, im Herzen des religiösen Establishments seines Volkes. Er übertrumpfte mit seinen Argumenten die religiösen Führer. Und dafür zahlte er einen hohen Preis: Das Kreuz steht im Mittelpunkt des friedenstiftenden Wirkens Christi. Es ist eine Folge seines Friedensstiftens und es ist zugleich, so betonen die neutestamentlichen Schreiber immer wieder, das Mittel seines Friedensstiftens. Alles hat Frieden gefunden, als er am Kreuz sein Blut vergoss (Kolosser 1,20, im Hinblick auf Jesaja 53,5). Eine Gemeinde, die dabei ist, eine Kultur des Friedens zu werden, denkt über das aufs Kreuz ausgerichtete Leben Christi und sein rettendes Werk am Kreuz nach und öffnet sich dafür, ihr eigenes Kreuz auf sich zu nehmen. Indem sie das tut, führt Gott sie in das Abenteuer: Risiko und Konflikte um des Friedens willen.

Friede führt zu Überraschungen

In der antiken Welt hätten nur wenige Dinge mehr überrascht als das, was sich in Apostelgeschichte 10 abspielte. Es war einfach nicht zu erwarten, dass Galiläer wie Petrus, die mit einem von den Römern Gekreuzigten befreundet waren, das Haus eines Hauptmanns in Cäsarea aufsuchen. Den meisten Beobachtern war die Vorstellung einer „neuen Menschlichkeit“, die Römer wie Juden gemeinsam eine neue weltweite, messianische Familie bilden lässt, zutiefst überraschend. Ihnen kam das wie eine merkwürdige Kreuzung zweier völlig unverträglicher Gruppen vor. Sie kamen nicht auf die Idee, dass dies die kreative Lösung eines tief sitzenden Problems sein könnte. Wie merkwürdig, wie unkonventionell waren doch diese messianischen Nonkonformisten, die meinten, dass durch Christus der Feind zum Bruder geworden sei! Wer behauptete, dass dies durch das Kreuz geschehen sei, wo sich Fluch und Grausamkeit begegnet waren, stand in der Gefahr, als unrealistischer und ungehobelter Narr abgeschrieben zu werden.

Doch anstatt sich der Überraschung zu stellen, bereiteten sich viele Juden auf etwas viel Naheliegenderes vor: den revolutionären Krieg gegen die Römer. Er vollzog sich zwischen 66 und 70 unserer Zeitrechnung und hatte traumatische Folgen für das jüdische Volk: die Zerstreuung der Bewohner Jerusalems und die Zerstörung des Tempels. Dabei hatte Gott einen anderen Weg im Sinn gehabt: die Schaffung einer weltweiten Familie in Christus, die aus ehemaligen Feinden besteht. Gott blieb sich treu. Er denkt nach wie vor über unsere Stereotypen hinaus und schafft tatsächlich eine Kirche, eine „heilige Nation“, die wahrlich global ist. Gott ist ein Gott der Überraschungen. Er überraschte Petrus, der darauf hin beschloss, nicht länger wie ein typischer Jude des ersten Jahrhunderts zu denken und zu handeln. Und der friedenstiftende Gott überrascht weiterhin.

Friede kommt durch die Macht Gottes zustande

Petrus schildert Kornelius (Apostelgeschichte 10,39–40): Diesen Jesus haben sie an das Kreuz genagelt und getötet. Aber schon drei Tage später hat Gott ihn wieder zum Leben erweckt. Das friedenstiftende Werk Gottes zeigt sich in der Auferstehung. Die Auferstehung Jesu belegt Gottes Entschlossenheit, den Weg des Friedens zu untermauern. Ein frühchristlicher Segen lautete: Er ist es ja, der uns seinen Frieden schenkt. Er hat unseren Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt (Hebräer 13,20). Der Tod kann den friedenstiftenden Gott nicht aufhalten. Das scheinbar Unmögliche kann den friedenstiftenden Gott nicht aufhalten. Paulus schrieb den Römern von einem Gott, der die Toten lebendig macht und der aus dem Nichts ins Leben ruft (Römer 4,17). Menschen, die auf ihre eigene Kraft angewiesen sind, ist das Friedenstiften unmöglich; Gott schenkt Frieden. Dank der göttlichen Barmherzigkeit blieb im Südafrika der 1990er Jahre ein Rassenkrieg aus. Statt dessen bildete sich wie durch ein Wunder eine „Wahrheits- und Versöhnungskommission“. Gottes Macht, im Verbund mit den Gebeten und dem Mut von Menschen, führt Veränderungen herbei. Im 21. Jahrhundert wie in der Stadt Cäsarea im ersten Jahrhundert leistet der Heilige Geist Geburtshilfe bei der Entstehung neuer Optionen. Der Geist kommt gleichermaßen auf Römer, Unterdrücker, Feinde und Schwache herab. Er begegnet denen, denen Menschenunmögliches abverlangt wird. Allein aufgrund der Auferstehung und des Heiligen Geistes können Gottes Menschen Friedensstifter werden.

Jesus ist der Schlüssel zum Frieden

Petrus berichtete Kornelius auch, dass es der Friede sei, mit dem Jesus evangelisierte (Apostelgeschichte 10,36). Und in Epheser 2,14 heißt es über Jesus: Durch Christus haben wir Frieden. Jesus ist der Friedensstifter. Um zu erkennen, was Friede bedeutet, braucht man weder über Politik noch über Theologie zu streiten – wir blicken einfach auf Jesus. Wir erzählen die Geschichte Jesu. Wir hören ihm zu. Wir beobachten Jesus in Aktion: Jesus mit seinen Freunden, Jesus beim Streiten, Jesus beim Lieben seiner Feinde, Jesus am Kreuz, Jesus beim Friedenstiften. Im Laufe der Generationen fällt der Kirche die Aufgabe zu, die Geschichte und Lehre Jesu zu betrachten und seine Art weiterzugeben. In diesem Sinne verstand auch Paulus seine Aufgabe: Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Vorbild folge, das Christus uns gegeben hat (1. Korinther 11,1). Die Lebensart Jesu, von seinen Jüngern vorgelebt, würden künftig auch andere nachahmen und wiederum vorleben. Paulus schrieb den Christen in Philippi: Richtet euch nach dem, was ich euch gelehrt habe, und lebt nach meinem Vorbild. Dann wird Gott bei euch sein und euch seinen Frieden schenken (Philipper 4,9). Jesus, die Verkörperung göttlichen Friedens, lebt. Paulus sagt, dass Jesus selbst der Friede ist, und zeigt uns, was es mit diesem Frieden auf sich hat.

Der Friede steht im Mittelpunkt biblischen Glaubens. Es ist unmöglich, hier zu übertreiben. Alle acht Facetten weisen darauf hin, dass der Friede der Bibel zufolge kein zusätzliches, gebührenpflichtiges Extra ist. Er ist von zentraler Bedeutung. Der einzige Grund, warum wir Heiden (indonesische Heiden, argentinische Heiden, deutsche Heiden und alle anderen auch) uns in der Gemeinde befinden, liegt in der übernatürlichen friedenstiftenden Tat Gottes in Christus. Darum ist der Friede zum Wohle der gesamten Kirche gedacht. Den Begriff könnten wir sogar verwenden, um unsere Gemeinden zu beschreiben. Wenn Leute uns nach unserer Gemeinde fragen, dann könnten wir antworten: „Wir sind eine Kultur des Friedens. Gott ist ein Gott des Friedens, und wir sind dabei, zu lernen, was Friede wirklich bedeutet. Das ist ein spannender Weg! Sie sind herzlich eingeladen, mal reinzuschauen!“

Eine Kultur des Friedens

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