Читать книгу Highland Warrior - Cailieans Fluch - Elena MacKenzie - Страница 11

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»Richtig so. Jetzt musst du keine Angst mehr haben. Du kannst dich also wieder entspannen, oder willst du die nächsten acht Stunden dort an der Tür kleben bleiben? Ich werde dich nicht beißen.«

Amber warf Cailean einen misstrauischen Blick zu. Irgendwie konnte sie noch nicht richtig daran glauben, dass ihr von ihm keine Gefahr drohen sollte. Vielleicht war diese Sache mit dem Fluch nur ein Witz, den die drei gerne einmal an Caileans Opfern ausprobierten, um diese in Sicherheit zu wiegen.

Aber dass zumindest Cailean nicht menschlich war, daran hatte sie keinen Zweifel. Kein Mensch hatte so lange Reißzähne. Wenn stimmte, was Samantha erzählt hatte, mussten er und sein Bruder mehr als zweihundertfünfzig Jahre alt sein. Das konnte sie sich nicht vorstellen. Obwohl er schon auf sie wirkte, als käme er aus einer anderen Zeit. Er war steif und ungemütlich, aber vielleicht fühlte er sich in seiner Rolle als Entführer auch einfach nicht so wohl. Amber zumindest hätte ein schlechtes Gewissen, einen Menschen einfach so aus seinem Leben zu reißen. So oder so, sie musste versuchen, eine Möglichkeit zur Flucht zu finden. Sie würde sich nicht kampflos in ihr Schicksal ergeben.

Sie sah sich nach anderen Autos um, aber Cailean hatte an alles gedacht. Er fuhr eine recht unbelebte Landstraße. Alles, was sie sehen konnte, waren Bäume, Felder, Hügel und Bäume. Hier und da die Ahnung eines Hausdaches, das hinter einem grünen Hügel hervorlugte. Sie nahm die Handschellen genauer unter die Lupe, aber wie Handschellen das nun mal so an sich hatten, gab es keine Möglichkeit ihnen zu entfliehen, ohne den Schlüssel zu besitzen – außer man war Houdini, und Amber war nicht mal um tausend Ecken mit ihm verwandt. Keine Chance also. Sie untersuchte so unauffällig wie möglich den Türgriff, die Ablage und die Fächer in der Mittelkonsole auf Dinge, die ihr vielleicht helfen könnten.

»Suchst du etwas Bestimmtes?«

Amber zuckte zusammen. »Ähm … nein, eigentlich nicht. Ein Taschentuch?« Etwas Besseres war ihr nicht eingefallen.

»Taschentücher, natürlich.« Er griff hinter sich und zog umständlich ein Stofftuch aus der Potasche seiner Jeans. »Und ich dachte schon, du suchst vielleicht den Schlüssel für die Handschellen. Da bin ich aber erleichtert. Es gibt nämlich keinen. Sie öffnen sich nur auf meinen Befehl hin.« Grinsend reichte er ihr das weiße Tuch. Amber griff danach, bedankte sich höflich lächelnd und schnaubte kräftig in den Stoff. Mit einem koketten Lächeln reichte sie ihm sein Taschentuch zurück.

»Nein, danke«, sagte er. »Behalt es.«

»Ich will aber, dass du es zurücknimmst. Es ist deins.« Sie lächelte ihn weiter an und freute sich innerlich, als er grummelnd nach dem benutzten Tuch griff und es mit zwei Fingern in seiner Hosentasche verschwinden ließ. »Ich weiß ja, wo ich es finde, wenn ich es noch einmal brauchen sollte.« Bei dem Gedanken, es selbst aus seiner Tasche zu ziehen, ihre Finger so nahe an diesem wohlgeformten Hintern, der mit Sicherheit sehr fest war, durchlief sie ein angenehmer Schauer. Sie runzelte unwillig die Stirn.

Bevor er bemerken konnte, dass sie rot anlief, wandte sie sich von ihm ab und sah zum Fenster raus. Sie fuhren gerade an einem Schild vorbei, auf dem eine Tankstelle mit Imbiss angekündigt wurde. Wenn Amber jemals eine Chance hatte, dann hier. Sie wappnete sich und ignorierte das aufgeregte Hämmern ihres Herzens. »Ich muss dringend auf die Toilette«, sagte sie entschlossen. »Ich weiß ja nicht, wie das bei Elfen ist, aber ich bin ein Mensch und ich habe gewisse Bedürfnisse.« Sie benutzte absichtlich die Bezeichnung Elfen, weil sie bemerkt hatte, dass Cailean nicht gerne so bezeichnet wurde, was sie verstand, es klang wenig schmeichelhaft für einen Mann, erst recht nicht für einen Krieger. Amber zog unschuldig die Augenbrauen hoch und knabberte auf ihrer Unterlippe, als Cailean sie genervt ansah.

»Wir waren vor nicht einmal zwei Stunden an einem Burgerladen.«

»Genau. Ich habe einen halben Liter Cola in mir. Der möchte gerne wieder raus. Außerdem hat Kaffee bei mir die Wirkung, dass ich noch viel dringender muss.« Sie legte den Kopf schief und stülpte die Lippen vor. Als sie noch klein war, hat das immer geholfen, wenn sie vom Kioskbesitzer um die Ecke ein paar Süßigkeiten erbetteln wollte.

»Warum hast du dann erst Kaffee getrunken?«

Amber zuckte mit den Schultern. »Du hast ihn gekauft«, sagte sie mit vorwurfsvollem Unterton.

»Ich habe nicht gewusst, dass du undicht wirst, wenn du Kaffee trinkst.«

»Undicht!«, rief Amber entrüstet und vergaß, auf Abstand zu bleiben.

Sie hieb Cailean mit der Faust auf den Oberschenkel und stöhnte verzweifelt auf, weil das ihr mehr wehgetan hatte, als ihm. Es fühlte sich an, als hätte sie auf eine Wand eingeschlagen. Cailean hatte nicht einmal gezuckt. Er lachte nur. Er lachte über sie. Das machte Amber noch wütender. Erst hielt er sie für inkontinent und dann lachte er auch noch, weil sie sich an seinen Muskeln verletzt hatte.

»Ich bin nicht undicht.« Sie zögerte, weil sie ein klein wenig von ihrem schlechten Gewissen geplagt wurde. Sie sollte diesen Fluch nicht ausnutzen, das war wirklich ungerecht, aber so wie sie die Sache sah, hatte er diesen Fluch verdient, auch wenn sie nicht wusste, warum er verflucht wurde. Zumindest war sie sich sicher, dass nur eine Frau ihn bestraft haben konnte, wahrscheinlich, weil er ein ungehobelter Klotz war. »Ich wünsche, auf Toilette gehen zu dürfen.«

»Verflucht, Weib. Du solltest das wirklich nicht machen.« Cailean hieb auf das Lenkrad ein und warf ihr einen wütenden Blick zu.

»Wieso sollte ich das nicht tun? Was passiert, wenn du einen Wunsch nicht erfüllst?« Bei diesem Blick standen Amber gleichzeitig vor Furcht die Haare zu Berge und winzige Stromstöße zuckten zwischen ihren Beinen, weil Cailean so unheimlich kriegerisch aussah, dass es sie bis in ihre Seele hinein erschütterte.

Als er zu ihr rüber sah, wirkte Cailean überrascht. Hatte ihn das noch niemand gefragt?

»Sobald sich eine Frau etwas gewünscht hat, baut sich Druck in meinem Inneren auf und das unbändige Verlangen, diesen Wunsch zu erfüllen. Je länger ich zögere, desto schmerzhafter wird dieser Druck, bis er mich fast zerreißt. Irgendwann bringt er mich um.«

Jetzt hatte Amber definitiv ein schlechtes Gewissen. Sie wollte keinesfalls, dass Cailean wegen eines unwichtigen Wunsches leiden oder sterben musste. Andererseits war sie hier gerade das Opfer. »Tut mir leid, aber ich muss wirklich dringend«, sagte sie und zog unwillkürlich die Schultern hoch. Sie würde das auf irgendeine Weise wiedergutmachen. Sie könnte etwas Spenden, für ein schottisches Waisenhaus vielleicht.

»Wenn ich das nächste Mal in London bin, dann werde ich Samantha den Hals umdrehen.«

»Wirst du nicht.« Amber war trotzdem nicht ganz unzufrieden mit sich. Im Angesicht der Situation, in der sie sich befand, schlug sie sich doch ganz gut. Und da Cailean gerade in die Auffahrt der kleinen Tankstelle einbog, musste Amber annehmen, dass an dem Fluch doch etwas dran war. Das war doch positiv, oder? Wenn er sie auch nicht freilassen würde, hatte sie ihn doch trotzdem in der Hand. Sie sollte also so sicher sein, wie es nur ging. Warum hatte sie dann so ein schlechtes Gefühl dabei, ihre Macht über ihn so auszunutzen? Weil es ihr auch nicht gefallen würde, wenn sie so ausgenutzt werden würde. Aber schließlich hatte er sie entführt, also hatte sie doch jedes Recht dazu, Caileans Fluch für sich zu benutzen. Und war sie an dieser Stelle nicht gerade schon einmal?

Amber wartete, dass Cailean um den SUV herum kam, um sie von den Handschellen zu befreien. Sie sah sich genau auf dem Gelände um. Zwei kleinere Autos standen an den Zapfsäulen. Hinter ihnen hielt gerade ein weißer Transporter, aus dem ein großer, kräftig wirkender Mann ausstieg. Er warf im Vorbeigehen einen Blick durch das Fenster auf Amber und zwinkerte ihr zu. Amber lächelte höflich zurück. In dem Moment riss Cailean die Autotür ein Stück auf und hätte Amber dabei fast von ihrem Sitz gerissen. Er warf dem Mann einen wütenden Blick zu und beugte sich über die Handschellen, um Amber zu befreien.

»Auf die Toilette und dann wieder ins Auto. Und mach keine Dummheiten. Ich möchte keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen.« Cailean richtete sich auf und zog Amber mit sich, die gegen seine Brust prallte, weil sie sich etwas wackelig auf den Beinen fühlte. Knurrend schlang er ihr einen Arm um die Taille und bewahrte sie vor einem Sturz.

Ihre Blicke trafen sich und Amber hatte das Gefühl, in der Schwärze seiner Augen zu versinken. Seine Brust drückte sich gegen ihre, seine Körperwärme und sein würziger Duft hüllten sie ein. Für Sekunden vergaß sie alles um sich herum, bis er sich räusperte und einen Schritt von ihr fort machte.

Sie blinzelte verwirrt und stieß ihm wütend gegen die Brust. »Du solltest dir etwas die Beine vertreten, bevor du wieder ins Auto steigst.«

Seine Finger legten sich um Ambers Handgelenk, wie zuvor die Handschellen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihre Haut schmerzte, dort, wo das Metall der Eisenringe sich um ihr Gelenk gedrückt hatte. Doch in dem Moment, wo sie den Schmerz registrierte, weil seine Nähe sie nicht mehr verwirrte, ließ die Wärme von Caileans Haut auf ihrer sie den Schmerz auch schon wieder vergessen. Amber seufzte leise, bevor ihr klar wurde, was sie da überhaupt tat. Sie zerrte an ihrer Hand.

»Lass mich los!«, befahl sie zischend. Er tat nichts dergleichen. »Ich schreie«, drohte sie.

»Wirst du nicht. Wenn du das tust …«, er sah sich um, dann blitzte es in seinen Augen auf, »… dann werde ich den Mann töten, den du vorhin so nett angelächelt hast.«

»Das meinst du nicht ernst«, quiekte sie entrüstet.

»Willst du es darauf ankommen lassen?« Er zog die Augenbrauen hoch und schaute abwartend auf sie herab.

Sie antwortete nicht, sondern zog ihn einfach hinter sich her auf die Tür zu, auf der sie das Symbol für Damentoilette entdeckt hatte. Vor der Tür blieb sie stehen, sah zu ihm hoch und zog an ihrer gefangenen Hand.

Wenn er nur nicht so verdammt groß wäre, dachte sie und versuchte, um ihn herum zu schielen, um einen Blick auf den Mann zu werfen, der neben seinem Transporter stand, den Zapfhahn in der Hand. Eine Frau ging an ihnen vorbei in die Damentoilette. Sie lächelte, als ihr Blick auf Caileans Hand um Ambers fiel. Wahrscheinlich nahm sie an, das wäre eine zärtliche Geste zwischen zwei Liebenden.

Wenn die wüsste, dachte Amber und biss die Zähne zusammen.

»Kommst du mit rein?«, hakte Amber nach, weil Cailean anscheinend nicht vorhatte, sie loszulassen.

»Ein verführerisches Angebot, aber ich muss wohl ablehnen.« Amber konnte deutlich sehen, dass es Cailean gar nicht passte, sie allein gehen zu lassen. Er ließ ihre Hand los. »Ich warte genau hier. Wenn du in fünf Minuten nicht wieder draußen bist, komme ich rein. Und wenn ich das tun muss, dann werde ich wütend sein. Und du willst mich nicht erleben, wenn ich wütend bin.«

»Und ich dachte, du wärst schon die ganze Zeit wütend.«

»Nein, das ist meine gute Laune.« Amber erschauderte, als er die Augen zusammenkniff und sie anknurrte.

Sie wandte sich der Tür zu und verkniff es sich, sich noch einmal nach ihm umzusehen, auch wenn sie gerne noch einen letzten Blick auf diesen wilden sexy Krieger geworfen hätte, nur so zum Abschied. Aber sie musste verhindern, dass er die Nervosität in ihrem Gesicht sah.

Eine verschmutzte, grüne Metalltür, die leise quietschte, als Amber sie aufzog, ließ sie Schlimmes erahnen, was die Rastplatztoilette betraf. Sie hoffte, dass die Toilette im Inneren sauberer war. Aber eigentlich sollte sie das gar nicht interessieren. Sie hatte nicht vor, eine der Kabinen zu besuchen, außer die Fenster befanden sich darin. Und dass es hier Fenster gab, war Ambers einzige Hoffnung auf Flucht.

Es gab keine Fenster.

Ratlos stand Amber im Waschraum der kleinen Toilette. Hinter ihr befanden sich zwei Kabinen. Eine war besetzt, wahrscheinlich die Frau, die vorhin das Damen-WC betreten hatte, als Amber mit Cailean draußen vor der Tür stand. Der Waschraum selbst war sauber, nicht komfortabel, aber er erfüllte seinen Zweck. Aber Fenster gab es keine. Weder in der Kabine noch im Waschraum.

Die Tür zur anderen Kabine öffnete sich. Amber beobachtete die Frau im Spiegel über dem einzigen Waschbecken. Sie drehte den Wasserhahn auf und wusch sich die Hände. Die Frau lächelte Ambers Spiegelbild verlegen an. Sie hatte etwa das Alter von Ambers Mutter, knapp über fünfzig. Sie wirkte gepflegt in ihrem taubenblauen Hosenanzug, mit dem bunten Tuch um den Hals und der recht jugendlichen Kurzhaarfrisur. Vielleicht ist sie sogar älter, überlegte Amber.

»Frisch verliebt?«, fragte die Dame und lächelte, als Amber zur Seite trat und sie an das Waschbecken kam.

Amber trocknete sich die Hände mit einem Papiertuch. Eigentlich hätte sie jetzt wütend gemurmelt, was für eine Verschwendung von Ressourcen diese Papiertücher wären, aber sie schob den Gedanken beiseite. Für sie gab es Wichtigeres. Sollte sie der Frau etwas sagen? Aber was war mit Caileans Drohungen? Vielleicht würde er sie verletzen, um Amber für ihren Ungehorsam zu bestrafen. Das wollte Amber wirklich nicht, die Frau war nur eine zufällige Figur in ihrem Spiel. Aber sie musste sich etwas einfallen lassen. Sie befand sich auf dem Weg nach Schottland, mit etwas, das Reißzähne hatte, ständig seinen Unmut herausknurrte und auch sonst recht gefährlich wirkte. Und unglaublich gut aussah. Und von gut aussehenden Männern hatte Amber wirklich genug. Aber der wichtigste Punkt war definitiv: nicht menschlich. Und den sollte sie nicht aus den Augen verlieren.

Ihr fiel etwas ein. Amber strahlte die Dame an, nicht aus dem Grund, den diese vielleicht annahm. Aber es würde helfen, wenn sie glaubte, dass sie ihre Annahme bestätigte. »Hochzeitsreise. Aber er kann so ein Neandertaler sein«, stöhnte Amber und rollte die Augen. »Nicht fünf Minuten lässt er mich aus den Augen.«

»Ein Beschützertyp? Die kenne ich. Die sind die Schlimmsten. Man kann kaum allein auf die Toilette gehen, ohne dass sie aufpassen.«

Amber seufzte bestätigend. »Und ich wollte so gerne eine Überraschung für ihn besorgen. Drüben im Shop haben sie ganz heiße Dessous, hab ich gesehen. Ich weiß doch, er steht auf sowas. Aber so wird da nichts daraus, wenn er mir ständig am Rockzipfel hängt.«

Die Dame errötete leicht. »Das glaube ich ihnen gerne. Den müssen sie ganz festhalten. Er ist einer von den Männern, für die Frau alles tun würde, um ihn sich zu angeln, das hab ich sofort gesehen. Und er ist ein Beschützer! Wie romantisch!« Sie seufzte ihrerseits.

»Wenn sie wüssten«, seufzte Amber wieder gespielt. »Es gibt Frauen, die werfen sich ihm an den Hals, da kann ich daneben stehen.«

Die Ältere schüttelte den Kopf. »Vielleicht kann ich ihn ein paar Minuten ablenken, während sie schnell in den Laden huschen. Ich habe noch einen Kasten mit leeren Flaschen im Auto. Er könnte mir helfen, was meinen Sie?«

So hatte Amber sich das gedacht. Sie lächelte, ihr Plan schien aufzugehen. Sie legte der Frau eine Hand auf den Oberarm, blinzelte ein paar Tränen aus den Augen und setzte ein schelmisches Lächeln auf. »Das wäre ja so nett von Ihnen. Mein Mann spielt gerne den Gentleman. Wenn sie zu ihm gehen und ihm sagen, sie wünschen sich, dass er ihnen hilft, den Kasten aus dem Auto zu holen, dann wird er nicht Nein sagen. Sie müssen es sich nur wünschen.«

»Er kann also dem Wunsch einer Frau nicht widerstehen?« Die Dame zwinkerte kokett. »So machen wir es. Nur beeilen Sie sich. Ich werde ihn nicht lange von Ihnen fern halten können. Ich bin nicht annähernd so anziehend und interessant, wie Sie es sind.«

Amber reichte der Frau ihre Hand. »Vielen Dank«, hauchte sie und gab ihrer Stimme eine Extraportion Dankbarkeit.

»Schon gut. Für einen kleinen Spaß bin ich immer zu haben.« Sie grinste listig und zwinkerte Amber zu.

Von draußen klopfte es an die Tür. »Amber?«, dröhnte Caileans dunkle Stimme in den Raum.

»Er wird ungeduldig. Dann wollen wir mal.« Die Dame zwinkerte ein letztes Mal und verließ die Toilette. Amber stürmte zur Tür und legte ihr Ohr an das kühle Metall. Über die vielen Bakterien wollte sie sich später Gedanken machen.

»Warum brauchen Frauen da drin immer so lange?«, hörte sie Cailean schimpfen. Dann die Stimme der Frau.

»Junger Mann, vielleicht könnten Sie mir kurz helfen. Ihre Frau wird noch etwas beschäftigt sein, sie hat nach Tampons gefragt, wenn Sie wissen, was ich meine.«

Amber kicherte und wurde gleichzeitig rot im Gesicht.

»Ich hab da eine Getränkekiste im Auto, ich bekomm sie einfach nicht in den Einkaufswagen.«

Du musst es dir wünschen, dachte Amber flehend. Wünsch es dir, sonst wird es nicht funktionieren.

»Ich kann Ihnen nicht helfen, ich muss auf meine Frau warten. Tut mir leid.« Amber seufzte enttäuscht. Sie hätte mehr darauf drängen sollen, dass die Frau das Wort »wünschen« benutzt.

Sie wusste natürlich, dass sie Caileans Fluch nicht auf diese Weise verwenden sollte, aber dies war ihre einzige Chance, ihm zu entkommen. Dieser Mann hatte Reißzähne, seine Augen wurden rot und er wirkte auch sonst reichlich gefährlich. Und wenn er wirklich kein richtiger Mensch war – Amber konnte das noch immer nicht glauben, trotz allem, was sie in den letzten Stunden gesehen hatte -, dann sollte sie erst recht sehen, dass sie von ihm wegkam. Und wenn all das, was sie gesehen hatte, ihrer Fantasie entsprach, dann musste er sie unter Drogen gesetzt haben. Was auch nicht für ihn sprach.

Nein, sie brauchte nicht zweifeln. Er war ihr Entführer, sie sein Opfer und als dieses war es ihre Pflicht, jede Möglichkeit zur Flucht zu ergreifen.

»Ich wünsche es mir von Ihnen«, hörte sie jetzt wieder die Stimme der Frau.

O bitte, bitte funktioniere, bettelte Amber und kniff die Augen fest zusammen. Sie hatte die Luft angehalten und wartete auf Caileans Antwort.

Wahrscheinlich hatte er nur genickt, denn jetzt sagte die Frau etwas lauter: »Mein Herr, das ist wirklich nett von Ihnen. Ihre Frau kann ja so zufrieden mit Ihnen sein. Sicher gehen Sie ihr im Haushalt auch immer zur Hand.«

Die Stimmen entfernten sich langsam. Amber zählte leise bis zehn, dann hörte sie nichts mehr. Sie öffnete die Tür einen winzigen Spalt und lugte hindurch. Sie konnte gerade noch sehen, wie die Dame mit Cailean um eine Ecke bog. Amber schob sich schnell zur Tür heraus, hielt sich nahe an der Wand, damit er sie nicht sehen konnte. Nervös sah sie sich um. Was jetzt? Sie musste schnell überlegen.

Da standen nur noch zwei Autos bei den Zapfsäulen. Der SUV und der weiße Transporter. Der Fahrer des Transporters putzte gerade mit einem Lappen die Seitenscheiben des Fahrzeugs. Er sah auf, entdeckte Amber und winkte ihr zu.

Die hintere Tür des Transporters stand offen. Amber bräuchte nur losrennen und reinspringen. Aber was sollte sie dem Mann sagen? Darüber konnte sie nachdenken, wenn es soweit war. Amber rannte auf das Fahrzeug zu, machte einen Bogen in Richtung Hintertür, deutete dem Fahrer im Laufen an, dass sie hinten rein springen wollte. Der wirkte etwas verdutzt und sah ihr fragend nach. Amber lief um die Tür herum und machte einen Satz ins Innere des Wagens. Zum Glück war der fast leer, sodass Amber nur Bekanntschaft mit dem harten Boden machte. Der Mann musste doch verstanden haben, was sie von ihm wollte, denn sogleich wurde die Tür zugeworfen, mit einem lauten Knall ließ sie Amber in absoluter Finsternis zurück. Dann schaukelte das Auto leicht. Über Ambers Kopf wurde ein Vorhang zurückgezogen und dann eine Scheibe geöffnet.

»Ich hoffe, ich habe sie richtig verstanden, sie wollen weglaufen?«

Amber nickte hastig und presste das Wort »Entführung« zwischen ihren Lippen hervor.

»Na dann wollen wir mal.«

Der Mann beugte sich nach vorne, der Motor sprang ruckelnd an, dann fuhr der Transporter los. Amber atmete tief durch. Sie konnte es noch gar nicht fassen, sie hatte es wirklich geschafft. Doch etwas überdeckte ihre Freude. Der Gedanke an Cailean, sie konnte sein enttäuschtes Gesicht fast vor sich sehen. Seine dunklen, wilden Augen, die sie nie wieder sehen würde.

Wenn er sie nicht entführt hätte, wenn sie sich einfach wie zwei normale Menschen kennengelernt hätten, vielleicht hätte dann etwas aus ihnen werden können? Nein, wohl eher nicht. Männer wie er interessierten sich nicht für Frauen wie Amber. Aber er war heiß, auf eine dämonische Art und Weise. Amber hatte ihn nur ansehen brauchen, schon hatte es in ihrem Magen geflattert und in ihrem Unterleib gezogen. Es war unfassbar, aber sie bedauerte fast, nie wieder dieses männlich markante, ursprüngliche Gesicht zu sehen. Kein Mann, dem sie begegnet war, hatte eine so erotische Ausstrahlung besessen. Und manchmal war es fast so, als würde sie genau wissen, was er fühlte, wenn sie ihn mit Fragen tyrannisierte, das Auto zu langsam vorankam oder Samantha ihr Dinge verriet, die sie nicht wissen sollte. Als würde der Teil ihrer Gabe, der sie den Schmerz derer spüren ließ, die sie heilte, in seiner Nähe noch verstärkt.

Noch etwas dämpfte ihre Freude. Ihr innerer Alarm, der ihr im Kopf dröhnte. War sie in Gefahr? Stimmte etwas mit ihrem Alarm nicht? Er war die ganze Zeit über stumm gewesen, als Cailean in ihrer Nähe gewesen war, und jetzt schrie er seine Panik heraus.

Highland Warrior - Cailieans Fluch

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