Читать книгу In die Transitzone - Elena Messner - Страница 6
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ОглавлениеEine Wendeltreppe aus Stahl führte nach oben, in eine kleine Wohnung über der Bar. Daniel stand in einer Küche, die mit Geschirr vollgestellt war. Durch eine Tür sah er ins Badezimmer, dort waren überall Gläser und Fläschchen aufgestellt, die matt glitzerten, als wären sie mit Schleim oder Öl gefüllt. Nur wenig Licht fiel durch ein kleines Fenster herein, er trat näher und sah auf die Straße. Eine der Frauen, die mit ihm geredet hatten, stieg gerade in einen quer neben dem Lokal geparkten Laster, der über und über mit Sprüchen besprayt war.
Nat zog ihn ins Wohnzimmer, warf ein paar Bücher und Socken vom Sofa und setzte ihn dorthin. Vor der großen Fensterfront, von der aus man auf die Dächer der Häuser gegenüber schaute und dahinter das Meer im Dunkeln erahnen konnte, stand ein breiter Abstelltisch. Er entdeckte einen großen Haufen Fotografien von Menschen auf Schiffen, die mit geschlossenen Augen auf die Welle warteten und just in der Sekunde, bevor sie ihnen ins Gesicht platschen würde, eingefangen worden waren, Bilder von Ruder-, Segel-, Motorbooten mit Werbeaufschriften, Fahnen in Rot, Blau, Weiß, kleine Gestalten, die unter ihnen herauswuchsen. Immer wieder war Wasser abgelichtet, das gegen Holz, Metall, gegen die gläsernen Windschutzscheiben der Motorboote schlug, viele Schnappschüsse von Menschen, die an Segeln zerrten. Hunderte, wenn nicht Tausende Fotografien musste sie gemacht oder zusammengetragen haben, einige mit dem gleichen Motiv. Sie wühlte in ihnen, deutete auf eine, zog eine andere hervor, tauchte mit beiden Händen in den Haufen, um ein neues Bild herauszufischen, während sie mit ihm sprach, ihn fragte: »Schön, oder?«, auf eines der Fotos deutete: »Fest des Windes«, oder: »Von der Regatta letztes Jahr« und ihm vorschwärmte: »So ein Wochenende hast du noch nicht erlebt«, »Das war vielleicht was«, »Das sieht man einmal und nie wieder.«
Dabei zog sie ihn kurz an sich. Die enge Berührung tat ihm gut, aber sie sagte gleichzeitig mit strenger Stimme: »Denk bloß nicht, dass alle in der Stadt mit unserem Aktionsplan einverstanden waren. Viele haben uns im Stich gelassen und sind in den letzten Wochen einfach ausgereist.«
Nach einer Pause ließ sie ihn wieder los und führte die Bierflasche an die Lippen: »Was ja nichts Neues ist«, fast pfiff sie den Satz in ihr Bier, zog weitere Fotografien hervor, scheinbar wahllos, aber jedes Mal war doch etwas darauf zu sehen, was sie ihm zeigen wollte. Eine Serie schob sie achtlos beiseite: Sie zeigte eine Frau, die sich ein schwarzes Tuch um den Kopf geknotet hatte, sich damit zugleich den Mund verband. Dieselbe Frau auf anderen Fotos, wie sie sich – offensichtlich am selben Tag – das Tuch um die Augen gebunden oder um den Hals gelegt hatte und eine Grimasse schnitt, als wäre sie am Ersticken. Sie stand an einem Hafen, auf manchen Fotos war im Hintergrund eine Menschenmenge zu sehen. Mal hatte sie sich das Tuch um die Schultern gelegt und lächelte, mal hielt sie es in der zur Faust geballten Hand.
Als Nat bemerkte, dass Daniel gerade diese Bilder genauer betrachtete, hielt sie inne und meinte: »Das ist Marguerite Tassioni. Musst sie unbedingt kennenlernen, wenn dir an Kooperationen gelegen ist. Die sieht recht daneben aus, ist sie aber nicht.« Dabei deutete sie auf eine Nahaufnahme, auf der die Frau das Tuch in den Wind hielt, eine kleine schwarze Fahne, im Hintergrund das Meer. Andere Fotos zeigten sie als schmalen Strich in einer Menge, umringt von Menschen, und dahinter Boote, die im Hafen lagen.
Sie stand auf, holte und öffnete ein zweites Bier, obwohl sie das erste noch nicht ausgetrunken hatte.
»In letzter Zeit sind viele weggegangen. Und du kommst uns also besuchen?«
Jetzt gingen die Fragen wieder los, ähnliche wie die, die ihm die Menschen unten im Lokal gestellt hatten: Wie er hergekommen sei, ob er zu Fuß unterwegs sei, ob sie ihn an den Grenzen einfach durchgelassen hätten. Hatte sie ihm nicht zugehört, als er den anderen schon so vieles zu erklären versucht hatte? Sie fragte immer weiter, drängte ihm das geöffnete Bier auf: »In der Nacht gereist? Und den ganzen Tag? In der Hitze?«
Bevor er antworten konnte, lachte sie über die Nahaufnahme eines vom Kreischen verzerrten Kindergesichtes, das von einer Welle erwischt worden war, und er ahnte, dass sie ihm keine echten Fragen stellte, nur höflichkeitshalber vorgab, etwas über ihn erfahren zu wollen, denn zu Wort ließ sie ihn nicht wirklich kommen. Als sie sich einen Joint drehte, bot sie ihn auch ihm an, er lehnte ab. Sie deutete wieder auf ein Foto. Darauf war ein Surfer zu sehen, der ins Wasser gefallen war und sich an seinem an der Meeresoberfläche schwimmenden Segel festhielt. Die Fotografin hatte genau in dem Moment abgedrückt, als er auftauchte und Wasser spuckte.
Noch einmal servierte sie ihm kalten Couscous und Käse und fragte, ob er einen Kaffee dazu wolle. Er nickte.
»Echten Kaffee gibt’s nicht, nur Pulver. Willst du?«
Er schüttelte den Kopf, sie zuckte mit den Schultern: »Dann eben nicht.« Und gleich darauf sagte sie, sie sei müde.
Vor der Haustür standen sie kurz herum, sie redete, er schulterte den Rucksack, sie küsste ihn auf beide Wangen, erklärte ihm den Weg in die Innenstadt, steckte sich dabei eine Zigarette in den Mund und redete nuschelnd weiter darüber, wie er am besten zum Hafenamt käme, wobei sie noch sagte, dass er überall schlafen könnte, denn viele Häuser stünden leer.
Den Weg zur Küstenstraße fand er leicht, dankbar für das Halblicht, das den Morgen ankündigte.
Wo er auch hinsah, saßen Männer auf der Straße – sofort war er sich sicher, dass es die Hafenarbeiter sein mussten, über die so viel in der europäischen Presse geschrieben worden war. Ihre Blicke waren ihm unangenehm, sie sahen ihn mit eingeübtem Gleichmut an und wirkten gebrechlich, waren wahrscheinlich schon pensioniert oder nach jahrzehntelangem Schuften früh gealtert. Er ging an einem Monument vorbei, zu dessen Füßen besonders viele saßen, ein Triumphbogen für die Orienttruppen im Großen Krieg, dahinter der blaue Abgrund, das Meer. Die Männer hockten auf den Bänken unter den steinernen Figuren, die im Morgenlicht wie erstarrte Schatten aussahen, Daniel musste die Augen schließen; vom Blick in die Sonne, die hinter den Dächern hervorkam, wurde ihm schwindelig.
Jetzt nicht schon den ersten Fehler begehen, der dann den nächsten und wieder nächsten nach sich ziehen würde.
Das Gemurmel klang kehlig, tief aus dem Hals hervorgepresst. Zwar sahen die Männer, zumindest empfand er das so, alle gleich aus mit ihrer dunklen Haut, aber im Vorbeigehen merkte er, dass sich hier mehrere Sprachen mischten. Waren das Nordafrikaner, Italiener?, Spanier?, Griechen vielleicht? Sahen in Makrique alle alten Männer so aus? Die Gesichter blieben weiterhin auf ihn gerichtet, sie sahen ihm von den Sitzbänken aus zu, einer deutete mit seinem Spazierstock auf ihn und schüttelte den Kopf. Sie beobachteten ihn, nippten an ihren mitgebrachten Teebechern. Als wären sie einfach sitzen geblieben in ihrem Ruhestand, der vielleicht nicht gerade großartig war, so als Lebensabschnitt, danach kam ja nicht mehr viel, der aber sicher auch viel schlimmer hätte sein können, und außerdem: Das Leben davor konnte auch nicht viel besser gewesen sein. Auf staubigen Autobahn-Baustellen und in Bussen, das Übliche, man kannte das ja, auf Gerüsten und in Kränen, ständig mit dem Ziel, etwas zur Seite zu legen, damit man bald nach Hause zurückkehren konnte, und dann war man dennoch in dem Blech oder Beton der Arbeitersiedlung geblieben. Anfangs das Übermaß an Arbeit, das späte Nachhausekommen, und jetzt das Übermaß an freier Zeit, das Sitzen vor dem Glas Tee, vielleicht ein Domino- oder Kartenspiel, ein Spaziergang entlang der Küstenstraße.
Die Alten waren wirklich überall, und das um diese frühe Uhrzeit schon. Sie wirkten anders als die Uniformierten, die er in der Bar kennengelernt hatte, diese von Alkohol und Witzen aufgeblasenen Kerle, die sich ständig auf die Schultern und den Rücken geschlagen hatten, dabei die weit offen stehenden Münder in ihren Gesichtern. Mit Ausnahme des großen Schwarzen, der nicht getrunken hatte, der ihm diese seltsamen Blicke und Grußgesten zugeworfen hatte und ihn genau so beobachtet hatte wie jetzt die Männer, an denen er vorbeiging.
Da war er wieder, der leichte Verfolgungswahn, der auch schon in ihm hochgestiegen war, als er den Blick des Uniformierten gefühlt hatte. War das nur der Rest von Alkohol in seinem Blut oder die Folge des Schlafmangels?
Vor ihm lag der Stadtstrand, von dem Nat ihm erzählt hatte. Der Weg stimmte zumindest, der Stadtkern konnte also nicht mehr weit sein. Er sprang über das Gerüst und landete im weichen Sand, der bei jedem Schritt nachgab, was ihn beim Gehen ziemlich anstrengte.
Das Meer sah aus der Nähe ruhig aus, es hatte keinen richtigen Schwung, wirkte aber angenehm frisch. Sich hineinwerfen, um den Schmutz von seinem Körper zu waschen? Er konnte sich nicht dazu überwinden, obwohl der Morgenwind warm war, und vergrub die Hände in den Taschen seines Kapuzenpullovers. Der Wind trieb weiße und blaue Plastiksäcke über den Sand, ließ die Türen zu den Umkleidekabinen hin- und herschwenken, bunte Blasen ploppten vor Daniels Augen auf, Kinder im Sand und ihre Eltern, die barfuß umherliefen, Plastikspielzeug und farbige Badehandtücher, aber das verging schnell wieder. Neben dem Sandstrand ragten Felsen aus dem Meeresboden, und darauf war eine Betonformation gesetzt, die an einen Pilz erinnerte, Metalldrähte und aufgerissenes Plastik ragten aus der Platte hervor. Auf der anderen Seite erkannte er die Ruine eines Gebäudes, das zu einem Schwimmklub gehört haben musste, halb abgerissen, mitten in den Renovierungsarbeiten hatte man gestoppt. In Beton eingelassene Glasfronten, auf mehreren Terrassen umgestoßene Liegestühle, die Pools waren lange nicht mehr frisch aufgefüllt oder gereinigt worden, es sammelte sich schimmliger Belag auf den Böden, und in einigen stand dreckiges Regenwasser, das nicht abgeronnen war.
Im Grunde ein schöner Strand. Und doch gab es wahrscheinlich nicht viele Orte, an denen man sich fremder fühlen konnte.
Ob es an ihm lag?
Die allgemeine Verlassenheit erinnerte ihn an die Zollstation und den Kontrollposten, wo er gestern auf dem Weg in die vom Binnenland abgetrennte Stadt aufgehalten worden war. Diese letzte Grenze, die er hatte passieren müssen, war kaum gesichert gewesen, und große Teile des Drahtzaunes waren zerschnitten, man merkte rasch, dass die Grenzanlage aus noch andauernden Konflikten hervorgegangen war, dass sie provisorisch hochgezogen und dann vernachlässigt worden war. Obwohl sie sicher von irgendwelchen Kartographen noch nicht fertig berechnet und endgültig festgelegt worden war, standen da zwei Kontrolleure in Uniform neben einer rot-weiß-gestreiften Schranke vor der Hinweistafel: »You are entering a border area!«, über das jemand den Spruch: »You are leaving our free international area to defend!« gesprüht hatte.
Man hatte ihm abgeraten, sich vom Norden her zu nähern und am Atomzentrum vorbeizugehen, wegen der Polizei, der Feuerwehr und dem Militär. Vom Süden her sei es leichter, da wurden die Stadtgrenzen weniger streng bewacht. Beide waren aber nichts im Vergleich zu den Grenzen zum Mittelmeer hin, die schon durch ihre Erscheinung deutlich machten, dass es ihre Funktion war, die Küstenabschnitte, die man für »sensibel« hielt, komplett abzuriegeln.
Das Meerwasser und der moosige Belag in den Pools riefen ihm mehr und mehr Bilder der letzten Tage ins Gedächtnis. Viele Male war er von Polizisten aufgehalten worden, die sein Gepäck kontrollierten, noch bevor er auch nur in die Nähe der Stadt gekommen war. Niemand hatte aber ernsthaft versucht, ihn von der Einreise abzuhalten, wahrscheinlich, weil er aus dem Landesinneren kam, nicht vom Meer her, und obendrein einen gültigen europäischen Pass hatte. Ein dicker Kontrolleur, der einen gutmütigen Witz machen wollte, hatte zwinkernd auf seinen großen Rucksack gedeutet: »Ihre Geldbörse, nehme ich an?«, und danach beinahe mitleidig geseufzt: »Sind Sie sicher, dass Sie nach Makrique weiterreisen wollen?«
Im Sand steckte eine Spielzeugschaufel, daneben eine kleine Plastikgießkanne. Mit den Füßen schob er sie leicht an, spürte den Sand in seinen Schuhen, die brennende Blase, die aufgeplatzt war und in die das zermahlene Gestein eindrang.
Die Umgebung wirkte durch das sich ausbreitende Licht wie ausgebleicht und beruhigte ihn, denn es passte nicht zu den Eindrücken der letzten Monate, dem ganzen Mischmasch aus offiziellen Empfängen, Besprechungen mit Inlands- und Auslandsgeheimdiensten, gehetzten Verhandlungen und Deklarationspapieren, Hoffnungen auf eine endlich gültige Strategievereinbarung, auf die nächste positive Evaluation oder sonst was. Und hier dagegen diese Sanftheit vor seinen Augen, welch ein Widerspruch.
Warum hatte er »Ja!« gesagt zur vorgeschlagenen Dienstreise? Die vielen entnervten Berater, die Vertreter von Menschenrechts- und Entwicklungshilfebehörden, Beamte, die zu ihnen in die Büros kamen, Fragen stellten, überflüssige Debatten anzettelten, Berichte einforderten oder als Vorschläge getarnte Befehle weitergaben, da begann man sich eben für die Vorgänge zu interessieren.
Als die Idee eines Vernetzungstreffens im Süden Europas in der Sitzung aufgekommen war, hatte er – und zwar als Einziger! – seinem Vorgesetzen erklärt, er habe die nötigen Sprachkenntnisse und das Know-how dafür, nämlich Erfahrung im Umgang mit Kommunikationssoftware für internationale Behörden. Obschon er rasch gemerkt hatte, dass man ihm ohnehin von allen Seiten zunickte, hatte er noch hervorgehoben, die Koordination des Austausches von Feuerwehren und Wasserwachten sei zu Ausbildungszeiten sein Schwerpunkt gewesen und das Wissen über integrierte Datenbanken sowie das Sammeln von Informationen zu technischen Fragen solcher Projekte mittlerweile sein Spezialgebiet. Am Ende bedrängte er den Chef und betonte mehrmals, er sei der Richtige für den Job.
Seine Erinnerungen lösten sich auf, jetzt bemerkte er auch den Uringeruch, den der Wind mit sich trug. Am Strand stehen zu bleiben schien ihm nun doch ein wenig lächerlich, so auf halbem Weg, nur weil der Ausblick schön war. Er musste das Gebäude der Küstenwache finden beziehungsweise das der Schifffahrtsbehörde, oder wie auch immer die Kollegen sich hier nannten. Auf einem Papier hatte er sie als »Kompanie für maritime Sicherheit«, auf einem anderen als »Meeresgendarmerie« gelistet gefunden, gemeint war wohl beide Male dieselbe Freiwilligenbrigade, die sich in der Stadt in den letzten Monaten formiert hatte. Man kam ja mit den vielen Namen ebenso durcheinander wie mit den neuen Gesetzen.
Zurück auf der Küstenstraße verscheuchte er mehrere magere Katzen, die ihn mit gesträubtem Fell anfauchten und den Weg freimachten, um sich, sobald er vorbei war, wieder zusammenzurollen und zu Füßen der Mauer in Schatten zu verwandeln.
Daniel war überrascht, als der Hafen vor ihm lag, leerstehende Imbissbuden, kleine Cafés, Fast-Food-Ketten, auf dem Uferbeton übereinandergestapelte Plastikstühle und Plastiktische, wie ineinander verkrochen; Tische um Tische gruppiert, Stühle um Stühle, als hätten sie sich von ihren früheren Ordnungen zu befreien versucht. Die Vitrinen und Fensterfronten der Bistros, Pubs und Restaurants glitzerten schon in der Morgensonne, überall lag Müll.
Etwas weiter weg sah er eine Festungsanlage, und daneben endlich den ehemaligen Yachtklub, in dem, zumindest seinen vielleicht schon wieder veralteten Informationen nach, die Küstenwache untergebracht sein sollte. Er betrachtete die Boote, schon überfielen ihn weitere Erinnerungen, immer schwerer fiel es ihm, auseinanderzuhalten, was Gegenwart und was Vergangenheit war und was vielleicht schon Bilder im Schlaf. Er hatte das Gefühl, die Stadt in einem computergenerierten Raster zu sehen, als kleinen Punkt darauf sich selbst an diesem Kai, markiert in einem Viereck, auf digitalen Karten, die nur dem Handel und dem Militär bekannt waren.
Das Gebäude schien verlassen, wo waren die Kollegen? Wo waren überhaupt Menschen in dieser Stadt? Die ja im Grunde keine echte Stadt mehr war, sondern genau genommen nur noch ein Grenzstreifen, jedenfalls auf den Landkarten. Lebte niemand mehr hier? In der Presse waren so viele Gerüchte über diesen Ort verbreitet worden, es konnten doch nicht alle Zeitungsartikel so stark übertrieben oder gelogen haben, als sie berichteten, dass es hier zuging wie nirgendwo sonst.
Er ging über einen kleinen Holzsteg, um ins Gebäude zu treten, aber die Tür war verrammelt, deswegen warf er seinen Rucksack in eines der daneben angelegten Boote, stieg danach selbst hinein und wollte sich kurz ausruhen.
Man würde ihn schon nicht verhaften deswegen.
Sofort verhedderte er sich beim Hinlegen in einem Fischernetz, das zum Trocknen ausgelegt war, er spürte die Knoten und kleinen Gewichte in den Schnüren – oder waren es Schwimmer, eingenähte Korkstücke?, jedenfalls zwickten und piksten sie ihn, bohrten sich in seinen Rücken und, als er sich umdrehte, in seinen Bauch. Das Stechen und Scheuern an seinen Wangen, als er den Kopf tiefer in das Netz vergrub, um sein Gesicht vor der Sonne zu verstecken, das Kratzen auf der Haut, der leichte Geruch von Salz und Moder, auch das Morgenlicht, das ihn weiter blendete, obwohl er die Augen geschlossen hatte, das war ihm nun alles schon gleich.