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4.1.1 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen

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Neue Medien fordern neue Kompetenzen. Angesichts der Tatsache, dass neue technische Entwicklungen zunehmend in den Schulalltag integriert werden, ist es kaum verwunderlich, dass die Fähigkeit des Hör-Seh-Verstehens als fünfte Fertigkeit in den curricularen Vorgaben Berücksichtigung findet. Durch die Aufnahme des Hör-Seh-Verstehens wird diesem nicht nur ein hoher Stellenwert zugeschrieben, sondern ebenso „anerkannt, dass Hörverstehen alleine zur Vorbereitung auf eine face-to-face-Kommunikation [sic] nicht ausreicht“ (ibid. 153). Aufgrund der Tatsache, dass es sich, ähnlich wie bei den anderen Fertigkeiten, beim Sehverstehen um keine angeborene Fähigkeit handelt (cf. Hecke/Surkamp 2010, 14), gilt es, audiovisuelle Materialien so in den Unterricht mit einzubeziehen, dass eine ganzheitliche und systematische Schulung erfolgen kann.

Laut Referenzrahmen steht die rezeptive Kompetenz des Hör-Seh-Verstehens in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hörverstehen und ist als gleichwertige Teilfertigkeit vermerkt. In diesem Sinne beschreibt der GeR audiovisuelle Rezeption als eine Aktivität, bei der der Sprachlernende „einen auditiven und einen visuellen Input zugleich“ erhält (Europarat/Rat für kulturelle Zusammenarbeit 2001, 77). Als Beispiele werden das Mitlesen eines vorgelesenen Textes, das Sehen einer Fernsehsendung oder einer Videoaufnahme sowie die Verwendung neuer Technologien aufgeführt, wobei lediglich Multimedia und CD-ROM Erwähnung finden.

Entgegen etwaiger Erwartungen erweist sich die Stellung des Hör-Seh-Verstehens gegenüber anderen Teilkompetenzen jedoch keineswegs als gleichwertig, weil rezeptive Aktivitäten zunächst nur als „Hören und Lesen“ zusammengefasst werden. Die Fähigkeit des Sehens findet hingegen keine Berücksichtigung. Die Kritik verschärft sich dahingehend, dass das Sehverstehen gerade bei der audiovisuellen Rezeption eine entscheidende Rolle spielt und eine Erweiterung zum Hörverstehen darstellt.

Zwar ist es Aufgabe des GeR, in der Diskussion um das Hör-Seh-Verstehen einen einheitlichen, europaweit gültigen Leitfaden bereitzustellen, nach dem sich Schüler und Lehrende richten können, wenn es um Kompetenzniveaus und deren Leistungsmessung geht. Im Fall des Hör-Seh-Verstehens beschränkt sich die diesbezügliche Beispielskala der Kompetenzbeschreibungen jedoch ausschließlich auf das Verständnis von Film und Fernsehen. Betrachtet man die unten stehende Abbildung, so wird deutlich, dass die vorgegebenen Deskriptoren eher oberflächlich und spärlich ausfallen. So heißt es, Schüler sollen am Ende des elementaren Spracherwerbs (A1, A2) in der Lage sein, auf der Basis visuell aufbereiteter Fernsehberichte deren Hauptinhalt zu erschließen. Allerdings sind für das Niveau A1 derzeit keine Deskriptoren vorhanden (cf. Abb. 11).

Folglich stellt sich die Frage, ob der Einsatz audiovisueller Medien zu Beginn des ersten Lernjahrs nicht vorgesehen ist oder ob Lernende trotz Nichtbeherrschens der Fremdsprache auf die Deskriptoren des Niveaus A1 nicht angewiesen sind. Sofern letzteres zutreffen sollte, müsste jedoch – ähnlich wie bei C2 – darauf verwiesen werden, dass für A1 und A2 die gleichen Deskriptoren gelten. Bekräftigt würde diese Interpretation durch die Annahme, dass Lernende durch den Rückgriff auf ihr Weltwissen bzw. ihre Hör-Seh-Erfahrungen im Umgang mit Filmen und Fernsehen befähigt sind, Hauptinhalte und Themenwechsel bei Fernsehsendungen allgemein zu erschließen. Fakt ist jedoch, dass der GeR die Verinnerlichung dieser Kompetenz erst Lernenden des Sprachniveaus A2 zuschreibt.

Mit dem Erwerb der Kompetenzstufe B sollen die als selbstständig beschriebenen Lernenden den Großteil aller in Standardsprache gesprochenen Nachrichtensendungen und Reportagen begreifen, sodass sie im Anschluss – gemäß der kompetenten Sprachverwendung C1 und C2 – in der Lage sind, solche auch in Umgangssprache oder mit dialektaler Färbung zu verstehen.


Abb. 11: Kompetenzerwartung des GeR für das Hör-Seh-Verstehen am Beispiel von Fernsehsendungen und Filmen (Europarat/Rat für kulturelle Zusammenarbeit 2001, 77)

In diesem Zusammenhang ist es verwunderlich, dass Hör-Seh-Verstehen zwar generell als leicht messbare Kompetenz eingestuft wird, in der Realität jedoch keinerlei detaillierte Vor- und Angaben existieren, die etwaige Erwartungen auch nur ansatzweise befriedigen (cf. Hu/Leupold 2008, 56).

Um diese Lücke zu schließen wäre es prinzipiell sinnvoll, den vom GeR gesetzten Fokus nicht ausschließlich auf Fernsehsendungen und Spielfilme zu legen, sondern um weitere Medienbeispiele zu erweitern. Auf diese Weise könnte mittels der Deskriptoren auf Kurzfilme bzw. fremdsprachliche Lernvideos hingewiesen werden, die trotz elementarer Sprachfähigkeiten bereits im Anfangsunterricht zu bewältigen sind und eine Vorentlastung für die spätere Arbeit mit Spielfilmen und anderen authentischen audiovisuellen Materialien darstellen (cf. Thaler 2007b, 14). Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, die Kompetenzbeschreibung audiovisueller Rezeption künftig zu präzisieren, zumal der GeR abgesehen von Strategien zur Rezeption weder konkrete Aussagen bezüglich methodischer Konzepte noch notwendiger Sprachmittel macht.

Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch)

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