Читать книгу Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch) - Elena Schäfer - Страница 27

5.2 Transkulturelle Kompetenzen

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Angesichts der das 21. Jahrhundert charakterisierenden Globalisierung, der weltweiten Mobilität und des stärker zusammenwachsenden Europas steht der fremdsprachliche Unterricht aktuell vor der Herausforderung, Schüler zusätzlich zu der Ausbildung rein sprachlicher Qualifikationen für den stetig intensiver werdenden Kontakt und Austausch mit anderen Kulturen zu sensibilisieren.

Durch die Entstehung dieses neuen Lernkontextes ist die Institution Schule unter Rückgriff auf den jeweils geltenden Lehrplan darum bemüht, Lernenden einen Einblick in andere Kulturkreise zu gewähren. Dies geschieht durch den Einsatz von Medien, Methoden und Inhalten und ermöglicht „die Vermittlung von Sprache und Landeskunde [als] […] Voraussetzung interkultureller und transnationaler Kommunikationsfähigkeit“ (Hervorhebung im Original) (HKM 2010b, 2).

Laut dem Modell nach Reimann (2011, 136sq.) setzt sich transkulturelle Kompetenz aus zwei Dimensionen zusammen, die er wie folgt definiert:

zum einen, im eher etymologischen Sinn, als eine […] Kompetenz, welche, in Vervollkommnung interkultureller Kompetenz, über die im Fremdverstehen begründete Toleranz derselben hinaus idealtypisch zu einer Überwindung kommunikativer Grenzen oder Barrieren zwischen zwei oder mehreren konkreten Sprach- und Kulturräumen führt […], wobei diese durchaus als different gedacht werden. Zum anderen ergibt sich die Notwendigkeit transkultureller Kompetenz aus der nicht mehr zu verleugnenden permanenten Verflechtung verschiedenster Kulturen in einer globalisierten Welt, welche zur Integration idealerweise weltweiter – mehr als nur homogen gedachter, einzelne Sprach- und Kulturräume betreffender – kommunikativer Bedürfnisse, Handlungen und Kompetenzen führt.

Visuelle Kompetenz ist in diesem Sinne ein wesentlicher Bestandteil transkulturellen Lernens: Sie ist kulturgebunden, denn Bilder (ent-)stehen in direktem Zusammenhang mit den Konventionen eines Landes. Folglich variiert auch deren Bedeutung und Interpretation gemäß dem ihnen zu Grunde liegenden kulturellen Kontext.

Bedingt durch die Diversität kultureller Darstellungskonventionen müssen Schüler lernen, Bilder über ihren eigenen kulturellen und sozialen Kontext hinaus zu verstehen und zu deuten. Neben Darstellungskonventionen geht es „darum, […] Mitteilungsabsichten und Perspektiven der eigenen und fremder visueller Kulturen zu erkennen, zu vergleichen und zu entschlüsseln“ (Lüning 2014, 7).

Das Erkennen und Deuten eigener kulturspezifischer Zeichen ist ein selbstverständlicher und meist unbewusster Teil unserer Alltagskommunikation. So wissen wir beispielsweise, dass wir bei der Suche nach einer Apotheke in Deutschland nach einem großen roten gotischen „A“ mit einem weißen Arzneikelch und Schlange Ausschau halten müssen (cf. Abb. 15). In Spanien und Frankreich besteht das Apothekenlogo hingegen aus einem grünen, meist blin­kenden Kreuz (cf. Abb. 16).1


Abb. 15: Apothekenzeichen Deutschland (N.N., Deutsche Apotheke Logo, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Deutsche_Apotheke_Logo.svg&filetimestamp=20091019203939, 14.6.2013)

Abb. 16: Apothekenzeichen Spanien/Frankreich (Arte 2013, http://www.arte.tv/sites/de/derblogger/2013/01/27/medikamente-ohne-grenzen/, 14.6.2013)

Das triviale Beispiel des international divergierenden Apothekenlogos macht deutlich, wie wichtig es ist, „die Nachbarkulturen wissend und hörsehend zu verstehen […], wenn wir den Anspruch interkultureller Kommunikationsfähigkeit auf hohem Niveau ernst nehmen“ (Meißner 2003, 67). Da dies ein langer Prozess ist, ist es umso bedeutender, im Rahmen der schulischen Hör-Seh-Verstehensschulung von Anfang an für kulturspezifische Symbole, Praktiken und Verhaltensmuster zu sensibilisieren. In den Lernvideos von A+ Nouvelle édition und Déc série jaune wird das hörsehende Entdecken fremdkultureller Codes bereits ab dem ersten Lernjahr (visuell) aufgegriffen. Dabei handelt es sich neben dem zuvor besprochenen Beispiel des Apothekenlogos etwa um die traditionelle Begrüßung mit bises (cf. Abb. 17) oder aber um das in Frankreich allgegenwärtige und meistverkaufte Schreibpapier Réglure Seyès. Dieses ist aufgrund seiner besonderen Lineatur in allen Schulfächern einsetzbar und entsprechend beliebt (cf. Abb. 18).


Abb. 17: Begrüßung mit bises (Mann-Grabowski/Gregor 2012) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin


Abb. 18: Réglure Seyès – das wohl bekannteste Schreibpapier Frankreichs (Brenneisen et al. 2012b) © Ernst Klett Verlag GmbH

Im Fall des Spanischen ist für deutsche Schüler besonders interessant zu entdecken, dass Klingel und Briefkasten nicht wie in Deutschland üblich mit dem Familien- oder Nachname beschriftet sind. Stattdessen sind die Wohnungen jeder Etage durchnummeriert und hinsichtlich ihrer Lage präzisiert. I steht folglich für Izquierda (dtsch. links) und D für Derecha (dtsch. rechts). Eine Wohnung im zweiten Stock links ist demnach als 2°I beschriftet (cf. Abb. 19).


Abb. 19: Klingelschilder in Spanien (N.N. 2011. Video-DVD. Encuentros 1. Edición 3000) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin

Das Rätsel um die Beschriftung von Klingelschildern in Spanien ist nur eine vieler Recherchemöglichkeiten. Denn abgesehen von dem Anfangsunterricht veranschaulichen auch Lernvideos höherer Lernjahre kulturspezifische Phänomene. Zwar werden diese – wie im Fall der Badekappenpflicht in Frankreich – nicht immer explizit thematisiert, stoßen jedoch in das Auge des Betrachters und laden zur Kommunikation ein (cf. Abb. 20).


Abb. 20: Badekappenpflicht in Frankreich (Schenk 2006) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin

Stimuliert durch die realitätsnahe Darstellung spezifischer (fremd-)kultureller Phänomene, laden Lernvideos zum entdeckenden wie auch zum situativ- und kontextbezogenen Lernen ein. Unter diesem Aspekt geben gerade die seit 2012 publizierten Lernvideos oftmals realistische Einblicke in Lehrwerksschauplätze und ermöglichen so eine hör-sehende Annäherung an das Zielsprachenland, die sowohl aktuelle als auch historische Wirklichkeiten widerspiegelt. Das Hör-Seh-Verstehen gewinnt somit an enormer Bedeutung für das transkulturelle Lernen (cf. Hu/Leupold 2008, 58).

„Gerade im Bereich der Förderung der soziokulturellen Kompetenz [muss betont werden, dass] Filme den Lernenden weitgehend mehr Anregungen und Anschauungsmaterial [liefern] als nahezu jeder Lehrbuchtext oder jedes Lehrbuchillustrationsmaterial“ (Chudak 2010, 75). Trotzdem unterliegen Lernvideos und audiovisuellen Medien im Allgemeinen gewisse Grenzen, derer sich der Rezipient bewusst sein muss. Denn ungeachtet der Darstellung sprachlicher und visueller Aspekte des Zielsprachenlands bietet

ein Medium immer nur ein Abbild der Realität […] und dies ist lückenhaft und selektiv. Das Medium bringt nur einen Ausschnitt, wählt eine Perspektive, löscht Dimensionen, verschweigt Kontexte, ändert Informationskanäle, erweckt den Eindruck der Vollständigkeit, bleibt aber unvollständig und bis zu einem gewissen Grad irreführend (Beile 1991, 263).

Ungeachtet der Lückenhaftigkeit und des ausschnitthaften Charakters von Lernvideos muss betont werden, dass es Lernvideos wie keinem anderen Medium gelingt, realitätsnahe Einblicke in das Land, die Sprache und die Kultur des jeweiligen Ziellandes zu gewähren. Dies gilt neben der Fokussierung europäischer Länder wie Spanien und Frankreich insbesondere für die Vermittlung transkultureller Phänomene und Wirklichkeiten des hispano- und frankophonen Raums. Diese zu thematisieren und im Rahmen des Unterrichts zumindest audiovisuell erfahrbar zu machen, ist eine bemerkenswerte Stärke von Lernvideos. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Horizonterweiterung von Lernenden.

Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch)

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