Читать книгу Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch) - Elena Schäfer - Страница 28
5.3 Sprachlernkompetenzen und Sprachbewusstheit
ОглавлениеSprachlernkompetenzen bezeichnen „fachliche und überfachliche Fähigkeiten, die zu Sprachlernbewusstheit […] führen“ (HKM 2011, 16). Dies impliziert die bewusste Entwicklung von Lernstrategien und Lernorganisation. Eine Möglichkeit, sich über Lernstrategien bewusst zu werden, ist es, die im Umgang mit Lernvideos gewonnenen Erfahrungen von Anfang an in einem Hör-Seh-Tagebuch zu verbalisieren: Lernende können den sprachlichen Inhalt mit dem Gesehenen verknüpfen und reflektieren, was sie gesehen haben. Durch die gemeinsame Thematisierung, Rekapitulation und Systematisierung im Klassenzimmer werden Hör-Seh-Strategien bestenfalls für alle Schüler erfahrbar. Klassische Beispiele hierfür sind Worterschließungsstrategien, Techniken zur Kompensation lexikalischer Lücken sowie Verfahren zum Sprachenvergleich und der Memorisierung von sprachlichem Input.
Das Hör-Seh-Tagebuch kann auch für inhaltliche Erarbeitungen genutzt werden. So bietet es sich an, dass Lernende individuelle (Hör-Seh-)Erwartungen darstellen, die Entwicklung bestimmter Personen und deren Beziehung zueinander beschreiben oder bestimmte Bilder und filmästhetische Aspekte herausgreifen. Diese können in einem weiteren Schritt auf ihre Eigenschaften und Wirkung auf den Rezipienten analysiert werden (cf. Grünewald/ Lusar 2008, 231).
Andernfalls stellen Sprachportfolios eine Alternative zu Lerntagebüchern dar, wobei der Fokus auf der regelmäßigen Dokumentation, Reflexion und Evaluation des individuellen Lernfortschritts ausgewählter Kompetenzbereiche liegt. Die aus Sprachenportfolios und Lerntagebüchern gewonnenen Erkenntnisse und Methoden führen zu einem selbstgesteuerten, bewussten Sprachlernverhalten und können sowohl für das Erlernen weiterer Fremdsprachen als auch überfachlich genutzt werden. Die Berücksichtigung des Hör-Seh-Verstehens in Portfolios ist bisher jedoch äußerst rar, weswegen sich eine eigenständige didaktische Aufbereitung im Sinne der zuvor beschriebenen Hör-Seh-Tagebücher empfiehlt.
Entgegen dem verhältnismäßig jungen Einsatz von Portfolio und Lerntagebuch erweist sich die Sprachmittlung als eine traditionelle Methode zur Bewusstmachung sprachlicher Strukturen und Elemente. Demnach kann im Fall der Lernvideos die Übersetzung der dazugehörigen Transkripte zu einem erhöhten Sprachbewusstsein führen (cf. Kap. 5.1.2). Dieses Verständnis lässt sich auf den Umgang mit der eigenen Muttersprache als auch auf den mit anderen Fremdsprachen übertragen.
Wie das Kompetenzmodell der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (cf. Kap. 4.2) unterstreicht, handelt es sich sowohl bei Sprachlernkompetenz als auch bei Sprachbewusstheit um eigenständige Kompetenzen, die die Schulung anderer Kompetenzbereiche unterstützen (cf. KMK 2012, 13). In Ergänzung zur Sprachlernkompetenz wird Sprachbewusstheit als „Sensibilität für und Nachdenken über Sprache und sprachlich vermittelte Kommunikation“ definiert, die Schülern ermöglichen soll,
die Ausdrucksmittel und Varianten einer Sprache bewusst zu nutzen; dies schließt eine Sensibilität für Stil und Register sowie für kulturell bestimmte Formen des Sprachgebrauchs, z.B. Formen der Höflichkeit, ein. Die Reflexion über Sprache richtet sich auch auf die Rolle und Verwendung von Sprachen in der Welt, z.B. im Kontext kultureller und politischer Einflüsse (KMK 2012, 21).
Eine Heranführung an etwaige Kompetenzziele erweist sich insbesondere im Hinblick auf ein integriertes Hör-Seh-Verstehens als äußerst gewinnbringend. So erfolgt durch den Einsatz von Lernvideo bereits im ersten Lernjahr u.a. eine hör-sehende Annäherungen an adressatenbezogene Begrüßungsfloskeln (e.g. Salut, Bonjour, Au revoir madame/monsieur) und diaphasische Ausdrucksvarianten des mündlichen Sprachgebrauchs, wohingegen mit steigendem Lernjahr eine Sensibilisierung für diatopisch und diastratisch geprägte Varietäten des Sprachgebrauchs stattfindet (cf. Schäfer 2014a, 89sqq.) (cf. Kap. 5.1.1). Angesichts des Ziels, „Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Beziehungen zwischen Sprachen [zu] erkennen und [zu] reflektieren“ (KMK 2012, 21), bietet es sich im Rahmen einiger Lernvideos (e.g. E3000, Bachillerato, Rutas para tí, PdV nueva edición) zudem an, bei der Thematisierung gesellschaftlich-kollektiver Mehrsprachigkeit Vergleiche zwischen der Zielsprache und den Regionalsprachen des Zielsprachenlandes herzustellen (cf. Schäfer in Vorbereitung).1 Im Sinne eines sprach- und kulturvernetzenden Lernens lohnt es sich gleichermaßen, auf die individuelle Mehrsprachigkeit der Schüler einzugehen. Dies impliziert, dass Schüler unter Rückgriff auf ihr mehrsprachiges Wissen interkomprehensive Strategien erarbeiten, auf deren Grundlage sprachliche Synergieeffekte sichtbar werden. Letztere stehen im Zeichen der Sprachlernkompetenz und ermöglichen abgesehen von Sprachbewusstheit die Entwicklung mehrsprachlicher und transkultureller Fertigkeiten.