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Nach der Unterredung mit ,Samantha‘ alias Friederike Brettschneider, besorgte Eva Hennings sich einen frischen Kaffee. Diesmal würde sie ihn nicht kalt werden lassen. Sie hielt den Becher mit beiden Händen umschlossen, während sie in Gedanken den Gesprächsverlauf noch einmal rekapitulierte. Ob sie anders hätte reagieren sollen auf Brettschneiders Bemerkung, die Arbeit im Hostessenservice habe ihr „einfach Spaß gemacht“, auch wenn sie, Eva Hennings, sich das wahrscheinlich nicht vorstellen könne? Wie hätte Lou das Gespräch geführt? Hätte er sie stärker in die Mangel genommen, unerbittlicher? Verdammt, Lou Feldmann ... nein, Eva Hennings straffte den Rücken, Lou Feldmann, dachte sie, ich hätte gern weiter mit dir zusammengearbeitet. Aber jetzt ... Sie wiegte den Kopf hin und her, lächelte plötzlich. Weil ihr bewusst wurde, dass ihre Wut auf ihn seltsamerweise verraucht war. Lou war ihr immer wie ein großer Bruder erschienen, er hatte sie, als sie neu in der Abteilung begonnen hatte, unter seine Fittiche genommen, sie hatte von ihm gelernt, er hatte ihre dienstlichen Beförderungen unterstützt, bis sie Schulter an Schulter zum Stehen gekommen waren. Jetzt war er weg. Und sie in der Lage, allein zu gehen. Kein Grund zur Panik. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass ihr im Nachhinein der Ertrag dieser fast einstündigen Unterredung mit Friederike Brett-Schneider nicht sonderlich ergiebig erschien. Das einzig Positive, fand sie, war Brettschneiders Zusicherung, als Zeugin gegen Medwed auszusagen, wenn der Anschlag auf Remy Straub zur Sprache kam. Ein Puzzleteilchen, sehr viel mehr war das nicht. Nein, wirklich zufrieden machte dieses Ergebnis sie nicht.

Sie trank ihren Kaffee aus, schob den Becher an den äußersten Rand ihres Schreibtischs und fingerte in der mittleren Schublade nach Remy Straubs Stick mit den Geschäftsdaten von Elena Iwanowa. Die Liste der dort gespeicherten Hostessen war noch längst nicht abgearbeitet.

Es ging auf Mittag zu, als es an ihrer Tür klopfte und eine etwa vierzigjährige Frau in Röhrenjeans und abgewetzter brauner Lederjacke das Zimmer betrat. Sie lächelte Eva Hennings schüchtern an. „Frau Hauptkommissarin?“

Hennings war sich sicher, diese braunen Locken und fast kreisrunden Augen schon irgendwo gesehen zu haben, konnte das Gesicht und die ganze etwas untersetzte Gestalt aber nirgends zuordnen.

„Störe ich? Ihre Sekretärin meinte, ich könne gleich durchgehen

„Nein. Ja. Egal ... Wenn Sie mir nur bitte Ihren Namen verraten wollten? Mein Namensgedächtnis ist ziemlich unzuverlässig.“

„Stepanec, Lucy. Lucy Stepanec. Wir haben doch letzte Woche ... ich meine, ich war hier, um ... erinnern Sie sich denn nicht? Ich bin doch die Nachbarin, das heißt, Frau Iwanowa war doch meine Nachbarin und ...”

„Aber selbstverständlich“, unterbrach Eva Hennings das Gestammel. „Entschuldigen Sie. Ich war nur gerade mit dem Kopf ganz woanders. Wollen Sie sich nicht setzen?“ Innerlich fluchte sie. Dass sie immer noch keine Weisung ans Sekretariat gegeben hatte, Besucher telefonisch anzukündigen.

Sie wartete, bis Frau Stepanec vor ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte und gab sich alle Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen, als sie sie fragte: „Was führt Sie zu mir?“

Lucy Stepanec fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Locken an ihrem Nacken, blinzelte nervös und hatte offensichtlich Mühe, einen Anfang zu finden. „Es ist“, sagte sie, „es ist nämlich so, also, ich glaube, ich weiß doch, wer der Mann war.“

„Der Mann, den Sie gesehen haben, als er zu Frau Iwanowa in die Wohnung hineinging? Dem Frau Iwanowa die Tür geöffnet hat?“

„Ja, und ich habe letztes Mal doch gesagt, ich hätte ihn nur von hinten gesehen. Das Gesicht nicht, und dass ich ihn nicht kannte.“

„Sie haben ihn also doch gekannt?“

„Nein. Ja. Nicht an diesem Tag. Aber jetzt.“

„Können Sie mir das etwas genauer erklären?“, fragte Eva Hennings. „Heißt das, Sie haben diesen Mann doch nicht nur von hinten gesehen?“

Lucy Stepanec schüttelte den Kopf. „Nein, damals nicht. Aber wissen Sie, weil ich doch für Elena Iwanowa gearbeitet hatte ... hab ich das etwa letztes Mal nicht erzählt? ... Ich meine, ich hatte ja keine Ahnung, ob der Hostessenservice ... Sie verstehen? Also bin ich vorgestern ins Café Lilo gegangen, um zu fragen ...” Sie schluckte. „Und da hab ich ihn gesehen. Ich habe ihn sofort wiedererkannt. Er stand vor dem Kühlschrank hinter dem Tresen, zuerst habe ich ihn nur von hinten gesehen, er ist ja ziemlich breitschultrig und muskulös, und das war mir ja auch im Flur vor der Wohnung von Elena Iwanowa aufgefallen. Ja, aber als er sich dann umgedreht hat ...”

,„Er?“, fragte Hennings, „Sie meinen Sergej Medwed?“

„Ja. Er, Sergej Medwed. Ich bin sicher, dass er der Mann war, der zu Elena gekommen ist. Und da bin ich gleich wieder zur Tür hinaus, als mir klar wurde, dass er das ist, der jetzt das Geschäft weiterführt.“

Eva Hennings nickte. „Und Sie sind ganz sicher, dass es sich um ein und denselben Mann handelt?“

„Ganz sicher. Hundertpro.“

„Das wird dir den Hals brechen, mein Lieber“, murmelte Eva Hennings vergnügt, als sie wieder allein war. „Zwei Personen, die übereinstimmend deinen Besuch bei der Iwanowa zum Tatzeitpunkt bestätigen.“ Zur Sicherheit hörte sie noch einmal in die Aufzeichnung von Remy Straubs Aussage vom 14. Juni hinein: „... wollte ich zu Elena Iwanowa nach Hause. Ich bin mit der S-Bahn gefahren. Von der Haltestelle aus sind es nur fünf Minuten zu ihr. Kurz bevor ich ankam, sah ich Medwed von der anderen Seite her auf das Haus zusteuern und hineingehen. Ich war mir sicher, dass er zu Elena Iwanowa wollte. Wo hätte er sonst hingehen sollen? Weil ich nicht mit ihm zusammentreffen wollte, habe ich draußen gewartet. Ungefähr eine halbe Stunde. Dann kam Medwed wieder aus dem Haus. Ich weiß nicht, ob er mich gesehen hat. Ich bin nach oben in die Wohnung. Und da lag sie. Tot ...”

Sie schaltete das Gerät ab und stand auf. „Die eine sieht, wie die Iwanowa ihm die Tür öffnet und er zu ihr hineingeht, und die andere sieht ihn eine halbe Stunde später das Haus verlassen und findet die tote Iwanowa“, sagte sie zu sich selbst. „Das ist eindeutig. Lou wird sich freuen.“ Sie griff sich ihre Umhängetasche und machte sich auf den Weg.

Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band

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