Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 69

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Im LOU’s versuchten die Leute vom Gewerbeaufsichtsamt inzwischen Gründe aufzutun, die Lou Feldmann hindern sollten, die Kneipe zu eröffnen. Einer der Männer, der mit dem glatten, faltenlosen und zusätzlich frisch rasierten Gesicht, der sich gebückt hatte und hinter den Herd und in die Backröhre schaute, wischte sich den Schweiß mit einem weißen Stofftaschentuch aus dem vor Anstrengung ganz rot angelaufenen Gesicht. Dass er es sich nicht gestattete, den Krawattenknoten zu lockern und sich das Jackett auszuziehen, kam Manu reichlich lächerlich vor, aber er wusste, dass Verlust der Kostümierung auch Autoritätsverlust bedeutete und in diesem Fall schien Autorität dringend erforderlich. Manu lachte in sich hinein, als er den Mann zu seiner Kollegin, die bei ihrer Untersuchung fast in die Kühlung hineingekrochen war, sagen hörte, er könne nichts finden. Und die Kollegin in der bis oben zugeknöpften Bluse und dem schicken, engen Blazer streng antwortete: „Aber wir müssen was finden. Wir haben immer was gefunden, wenn wir lange genug gesucht haben.“

Eva Hennings hatte den Bus genommen. Sie war neugierig, Lou Feldmanns Lokal zu sehen. Es fiel ihr schwer zu begreifen, wie jemand in seinem Alter einen sicheren Job aufgeben und sich in dieses ungewisse Abenteuer stürzen konnte. Beim Näherkommen fiel ihr Blick auf das Schild: „LOU’s“. Ein eher unauffälliges, bescheidenes Schild. Sie betrachtete die Front des Hauses, den Eingang zum Lokal. Die Tür war nur angelehnt, sie zog sie auf und trat ein.

Der kleinere der beiden Männer hatte sich inzwischen an die Inspizierung der Toiletten gemacht. Angewidert zog er einen Einweghandschuh über die Hand, den er aus seinem Jackett geholt hatte, hob eine Klobrille hoch, und warf Manu einen scharfen Blick aus seinen kleinen Mäuseaugen zu, der etwas unfreiwillig Komisches hatte. „So wird das nichts“, sagte er und rückte mit seiner anderen Hand seine schwarze Krawatte zurecht. „Da müssen neue Toiletten rein.“ Manu, der spürte, dass seine Toleranzschwelle bald erreicht war, strengte sich an, sich ein verbindliches Lächeln abzuringen. „Ich gebe ja zu, dass die Toilettenanlage schon ein paar Jahre alt ist, aber ...”

Im selben Moment kam Eva Hennings hereingestürmt, griff sich den Mann im dunklen Anzug und drückte ihn mit dem Gesicht an die Wand. Sie trat ihm die Beine auseinander und kommandierte: „Polizei. Beine auseinander, Hände nach oben!“ Der Mann versuchte, sich an den Kacheln über den Pissbecken abzustützen.

„Ich bin vom ...”, setzte er an, kam jedoch nicht weiter, weil Eva Hennings ihn anherrschte: „Halten Sie die Klappe.“ Sie tastete ihn ab, fand keine Waffe, aber eine Brieftasche, die sie aufklappte. Drinnen steckte ein Dienstausweis.

„Entschuldigung“, murmelte Eva Hennings so aufrichtig wie sie nur konnte, „ich dachte, da ist schon vor der Eröffnung die Schutzgeldmafia da.“ Der Mann nahm die Hände von der Wand, schaute aber so betreten zu Boden, dass sie ihn aufforderte, sich wieder normal hinzustellen. Hennings biss sich auf die Lippen. „Wissen Sie“, sagte sie dann, „ich war gestern im Arsenal Kino und habe mir einen Gangsterfilm aus den vierziger Jahren angesehen. Da war einer, der machte den Giftzwerg und der war genauso angezogen wie Sie.“

Zu feige, um sich für diese Demütigung zu rächen, zog der Mann vom Gewerbeaufsichtsamt seinen Handschuh aus, warf ihn in ein Waschbecken und verließ wortlos die Toilette. Hennings und Manu Feldmann sahen ihm amüsiert nach.

„Eigentlich wollte ich ja zu Ihrem Onkel. Wo ist er denn?“, wandte Eva Hennings sich an Manu, der sich kaum noch einkriegen konnte, denn Hennings hatte aussprechen dürfen, was er selbst so gerne gesagt hätte.

„Momentan noch unterwegs. Und ich hoffe sehr, dass er erst kommt, wenn die hier weg sind. Er würde explodieren. Das wäre nicht gut.“

Das rotwangige Speckgesicht und seine kesse Kollegin waren unverrichteter Dinge aus der Küche gekommen und widmeten sich jetzt dem Tresen. Die Frau roch an den Zapfhähnen, führte Wattestäbchen ein und entnahm Proben, die sie in eine kleine Plastikbox legte. Ihr Kollege hob die Bleche der Zapfanlage hoch, deutete auf den Abfluss. Seine Kollegin entnahm eine Probe, sagte triumphierend und mit spitzer Stimme zu Manu, der zusammen mit Eva Hennings vom Männerklo kam: „Dreck. Schmutz!“

Manu zog die Augenbrauen in die Höhe, griff nach dem Buch, das auf dem Tresen lag, schlug es auf und legte es den Kontrolleuren hin. „Seltsam. Gestern war nämlich der Leitungsreiniger da. Er hat alles in Ordnung gebracht, alle Leitungen gereinigt. Hier sind Unterschrift und Stempel.“

Etwas hilf- und ratlos besahen sich die beiden Verteidiger der öffentlichen Hygiene das Buch. Auch der kleine Kollege mit dem dunklen Anzug wollte sich noch nicht geschlagen geben. Er nahm sich die alte, chromglänzende und sicher schon fünfzig Jahre alte Espressomaschine vor. „Die gehört in ein Museum, aber nicht in einen Gaststättenbetrieb. Damit dürfen Sie keinen Kaffee mehr zubereiten.“

„Das ist bitter“, sagte Manu fast devot, der große Mühe hatte, sich weiter zu verstellen. „Vor zwei Tagen war ein Mechaniker hier und hat sie generalüberholt, auch das eine oder andere Teil ausgewechselt. Er meinte, dieser Typ Kaffeemaschine macht immer noch den besten Espresso, den es jemals gab. Wenn mein Onkel sie verkaufen möchte ... die teuersten Cafés der Stadt würden sie mit Handkuss nehmen.“ Vor dem Haus hatte Lou Feldmann gerade seinen Wagen abgestellt, als der alte Mann mit dem Gehstock vom Ende der Straße, der ihm schon mehrmals über den Weg gelaufen war, auf ihn zukam und ihm mit einer leichten Verbeugung die Hand drückte. „Viel Glück“, wünschte er. Er lächelte Lou freundlich an. „Schön, dass dieses Lokal wieder öffnet.“

Die drei von der Gewerbeaufsicht waren ans Ende ihres Lateins gelangt. Plötzlich hatten sie es eilig wegzukommen. Verärgert verließen sie das Lokal, gingen zu ihrem Wagen und stiegen ein. Mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen fuhren sie davon. Lou Feldmann sah ihnen verwundert nach.

Manu und Eva Hennings waren in der Tür erschienen und lachten ihm entgegen.

„Habt ihr die verprügelt?“, fragte Lou. „Oder waren sie sowieso auf der Flucht vor dir, Eva? Und wer war das überhaupt?“

„Gewerbeaufsichtsamt“, sagte Manu.

„Im Auftrag deiner lieben Ex-Kollegen“, sagte Eva Hennings. „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Die sind schon ganz grün vor Neid, dass du gewagt hast, die Kneipe zu pachten. Und ausgerechnet von Andersen, den du vor ihrem Zugriff beschützt hast. Meinen sie jedenfalls. Na, und dafür haben sie dir eben die Leute vom Gewerbeaufsichtsamt vorbeigeschickt.“

„Aber du bist freiwillig hergekommen?“ Feldmann legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du machst dir doch nicht etwa Sorgen? Oder? Wie geht’s dir?“

Sie waren wieder nach innen gegangen, wo Manu mittlerweile dabei war, die von den Kontrolleuren zu Unrecht geschmähte Espressomaschine zu polieren. „Frau Hennings hätte sich beinahe unbeliebt gemacht, weil sie die Typen mit der Schutzgeldmafia verwechselt hat“, grinste er.

„Aber eigentlich“, sagte Eva Hennings, „bin ich gekommen, weil ich neugierig bin. Und weil ich dir sagen wollte, dass die Nachbarin von Frau Iwanowa bei einem Besuch im Café Lilo Sergej Medwed als den Mann, den sie damals nur von hinten gesehen hatte, identifiziert hat.“

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