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Frau Bölsterle

Frau Bölsterle fiel mir bereits im Flur auf. Beschwerlichen Ganges bewegte sie sich mit Hilfe ihres Rollators zielstrebig in Richtung Balkon, wo sie sich unter "Weh und Ach" auf einem Stuhl niederliess, nach ihren Zigaretten suchte und eine solche anschliessend mit Genuss verpaffte. Der Mund um die Zigarette bildete einen Fältchenkranz und das ganze Gesicht der alten Dame zeigte, dass sie einiges erlebt hatte und sicher auch kein Kind von Traurigkeit war.

Sie freute sich, dass wir ihr auf dem Balkon Gesellschaft leisteten und hatte viele Kosenamen und Streicheleinheiten für Tixi übrig. Frau Bölsterle war 94 Jahre alt und war froh über den Balkon, auf welchem sie, wie sie sagte, dem lieben Gott regelmässig ein Räuchlein opfern könne, denn den Weg in den Garten würde sie selbst mit ihrem "Anton", wie sie ihre Gehhilfe nannte, nicht mehr schaffen. Frau Bölsterle hatte zusammen mit ihrem Vater und später mit einem Bruder bis ins hohe Alter einen Jahrmarktstand betrieben und wusste interessante Geschichten zu erzählen. Als die Zeit des Mittagessens heranrückte, fragte ich Frau Bölsterle, ob ich sie in den Gesellschaftsraum begleiten solle. Sie lehnte ab und meinte, dass ihr dieser Weg zu anstrengend sei und sie ihre Mahlzeit lieber im Zimmer einnehme. Es seien unten zu viele alte Leute und die meisten würden "sabbern".

Am folgenden Mittwoch rollte Frau Bölsterle mit ihrem "Anton", der mit einem Viertel Rotwein beladen war, wieder zum Balkon. "Wie sie sehen, besteche ich wieder den lieben Gott durch ein Rauchzeichen", witzelte sie. "Und wenn ich dann auch "dort oben" bin, dann muss ich als aller erstes dem Bethli die Leviten lesen."

Bethli war ihre Schwester, deren Themenschwerpunkt es in den letzten Jahren, ja sogar Jahrzehnten war, ihre Schwester zu belehren und immer alles besser zu wissen. Bethli wusste, was gesund war, Bethli wusste, was Frau Bölsterle nicht tun sollte, Bethli wusste einfach alles besser.

Frau Bölsterle gönnte sich seit Jahr und Tag ihre Zigaretten und ihren Rotwein. Als sie vor fünf Wochen in einem Akutspital behandelt wurde, erhielt sie Besuch von ihrer Schwester, die ihr mit einem Mahnfinger sagte, sie solle doch endlich aufhören mit Rauchen und Wein trinken, dann würde sie älter. "Aber wissen sie, diesmal wusste es Bethli nicht besser. Vor zwei Wochen wurde sie nach einer Gehirnblutung zu Grabe getragen, 15 Jahre jünger als ich, nie geraucht und nie Alkohol getrunken. Auf ihr Begräbnis konnte ich nicht gehen, doch ich habe mit einem Glas Rotwein und einem kräftigen "carpe diem" auf sie angestossen."

Frau Bölsterle ist nach ungefähr 3 Wochen verstorben. Gerne denke ich bei einem Glas Rotwein an sie und ihr "carpe diem".

TIXI - Sterbebegleiterin auf vier Pfoten

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