Читать книгу Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn - Страница 11

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In der Fremde

Einige Stunden später landeten sie in Islamabad. Mary hatte im Anflug auf Pakistans Hauptstadt einen Blick auf das fruchtbare Industal und die ersten Ausläufer des Himalaja-Gebirges werfen können. „Dort liegt das Dach der Welt“, hatte sie ehrfürchtig gedacht, wobei sie sich winzig vorkam.

Mary und Doff konnten es nicht fassen, dass sie sich plötzlich in einem fremden Land befanden, und Larry schien vollends weggetreten zu sein. In der Ankunftshalle summte es wie in einem Bienenstock. Die drei folgten Troy, um den es stets eine kleine Insel der Ruhe zu geben schien, wie in Trance durch das Gerangel und Gedränge zur Gepäckausgabe und sammelten dort rasch ihre Rucksäcke ein. Danach passierten sie ohne Probleme die Passund Zollkontrolle und verließen erleichtert den Flughafen. Doff schwenkte euphorisch seine Fahne in den Landesfarben, die er zu Hause selbst aus Segeltuch angefertigt hatte. Ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Land und dessen Bevölkerung, das die nachdrängenden Menschen gutmütig zur Kenntnis nahmen, während sie das ungleiche Paar, den dünnen, langen Larry und den kleinen, dicken Doff bestaunten.

Sie nahmen ein Taxi, dessen Fahrer – ein kleiner, untersetzter Mann mit einem prächtigen schwarzen Bart – sofort einen Schwall unverständlicher Wörter auf sie losließ. Zu ihrer Überraschung unterhielt Troy sich mit ihm in der Landessprache, was Mary, Larry und Doff ein Gefühl der Sicherheit gab. Ein zäher Verkehrsstrom ergoss sich über ein weitläufiges Straßennetz. Sie fuhren an Grünflächen mit modernen Wohnhäusern und an einem See vorüber und tauchten in Straßenschluchten mit Wolkenkratzern und Bürogebäuden ein.

„Ist das zu fassen?!“, rief Doff enttäuscht. „Hier sieht es ja genauso aus wie in London!“

Larry schien plötzlich aus seiner Starre zu erwachen.

„Wo sind wir?“, fragte er dermaßen erstaunt, dass Mary hell auflachte.

Dann schien sich Larry, der beinah den ganzen Flug verschlafen hatte, zu erinnern. Plötzlich ganz der Alte, holte er tief Luft, und Mary, die Schlimmes ahnte, kicherte in sich hinein. Da ging es auch schon los: „Islamabad ist eine planmäßig angelegte Stadt am Nordrand des Potwar-Plateaus. Berühmt ist diese Stadt für ihre prächtigen Moscheen und Paläste und ihre vielen Gärten.“

Doff verdrehte die Augen, doch Larry war noch nicht fertig.

„Das Potwar-Plateau wird im Norden von den Bergketten des Himalaja begrenzt und im Westen von Indus.“

„Das reicht!“, maulte Doff, während Mary dachte, dass ein beinah fotografisches Gedächtnis nicht immer ein Segen sei. Und wie üblich, setzte Larry noch eins drauf: „Die Landessprache ist Pandschabi, das auch in Nordindien gesprochen wird.“

„Danke für den Unterricht, Larry“, schaltete Troy sich lachend ein. „Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass wir uns in Südasien befinden, im ehemaligen Gebiet West-Pakistan im Nordwesten des indischen Subkontinents. Außer an Indien im Osten und Südosten grenzt Pakistan im Nordosten an China, im Nordwes -ten an Afghanistan beziehungsweise den Iran und im Süden an das Arabische Meer.“

„Wo müssen wir hin?“, erkundigte sich Mary.

„In den Norden“, antwortete Troy. „Genauer gesagt in den westlichen Pandschab.“

„Nicht ins Industal?“, fragte Mary enttäuscht.

„Doch“, antwortete Troy. „Rawalpindi ist unser Ausgangspunkt.“

Mary dachte an einen wunderbar weichen Pullover ihrer Mutter und erkundigte sich: „Kommt da die Kaschmirwolle her?“

„Ja“, bestätigte Troy, „sie stammt von den berühmten Kaschmirziegen.“

Eine Weile schwiegen alle. Sie fuhren gerade durch eine belebte Geschäftsstraße, der Verkehr kam beinah zum Erliegen, und ein heftiges Hupkonzert setzte ein. Abgesehen von den vielen, für sie fremdländisch wirkenden Passanten, schien Islamabad eine moderne Großstadt wie jede andere zu sein. Vielleicht hupte man hier öfter, aber der Lärm und der Gestank waren der Gleiche. Außerdem war es sehr heiß.

„Wie hoch sind wir hier denn?“, erkundigte sich Larry bei Troy.

„Ungefähr fünfhundert Meter über dem Meeresspiegel. Derzeit ist es hier noch relativ kühl. Am heißesten wird es im Juni.“

Doff, der an ihre Ausrüstung dachte, hatte andere Sorgen. „Wir müssen ins Gebirge?“, erkundigte er sich so zaghaft, dass Troy lachen musste.

„Beinahe die Hälfte dieses Landes besteht aus Gebirgen, Doff. Die andere Hälfte machen Wüsten aus, doch die liegen im Süden und da kommen wir nicht hin. Unser erstes Ziel ist das Hunzatal ganz oben im Norden. Dann werden wir weitersehen.“

„Wo liegt dieses Tal denn?“, fragte Mary.

Troy gab bereitwillig Auskunft: „Im Karakorum sowie im Nordwesten des Himalaja.“

„Wow!“, rief Larry, der seine Hausaufgaben gemacht hatte. „Da liegt doch der K2, hab ich recht? Das ist einer der höchsten Berge der Erde!“

Doff schnaubte so laut, dass Troy auflachte.

„Wir bleiben auf jedem Fall in Pakistan. Das Hunzatal ist übrigens sehr schön, sehr fruchtbar und grün. Außerdem kommen wir durch sehr alte und geheimnisvolle Wälder.“

„Gibt es da Trolle und Waldgeister?“, fragte Doff interessiert und ignorierte Larry, der ihn in die Seite boxte.

Troy sagte nur: „Ihr werdet vielem begegnen, was eure kühnsten Vorstellungen übertreffen wird.“

Mit seinen abstehenden roten Haaren und der geröteten Knollennase sah Doff selbst wie ein Troll aus. „Du weißt doch genau, wo wir hinmüssen, oder?“, erkundigte er sich besorgt, aber Troy antwortete nur: „Wir werden es wissen, wenn wir im Hunzatal sind.“

Mary versuchte vergeblich, sich zu erinnern, was ihre Eltern ihr über die geheimnisvolle Kultur der Hindus in Indien erzählt hatten. Sie fragte Troy, der bestätigend nickte.

„Gleich morgen kommen wir an einer Ausgrabungsstelle vorüber. Der Ort, der Taxila heißt, war vor 1550 Jahren das letzte Zentrum der Induskultur. Die Menschen dieser Kultur meditierten schon vor 5500 Jahren im Yoga-Sitz. Sie waren geistige Krieger und besaßen ein großes spirituelles Wissen. Wenn sie an einen bestimmten Ort wollten, dachten sie an ihn und schon waren sie dort. Dann schloss sich das Dritte Auge der Menschen und seither können sie nur noch das sehen, was sich unmittelbar vor ihnen befindet.“

„Warst du damals schon da?“, fragte Doff treuherzig, was ihm einen neuen Rippenstoß von Larry eintrug.

Troy schwieg, doch Doff ließ nicht locker. Er fragte allen Ernstes, ob sie zu Fuß gehen würden. Diesmal verdrehte Larry die Augen, aber Troy erklärte geduldig, dass sie einen Wagen mieten würden, mit dem sie den größten Teil der Strecke zurücklegen könnten. „Den einen oder anderen Muskelkater wirst du schon in Kauf nehmen müssen, Doff.“

Er versicherte ihnen, sie würden genügend Zeit haben, sich auf die Bedingungen im Gebirge einzustellen, und damit war die Fragestunde beendet. Troy hob die Hand und ihr Taxi blieb stehen.

„Endstation“, sagte er, öffnete die Tür und half Mary beim Aussteigen.

Während Troy den Fahrer bezahlte, sahen sich die drei überrascht um. Die lange Fahrtzeit war so rasch vergangen, und es war ihnen gar nicht aufgefallen, dass sie sich bereits in einem völlig anderen Stadtteil von Islamabad befanden.

„Seht nur, ein Markt!“, rief Mary.

Larry und Doff erhaschten nur einen kurzen Blick auf das bunte Gewimmel am Ende einer kleinen und engen Straße, die sich zu einem weiten Platz öffnete.

„Den besuchen wir später“, sagte Troy und schob sie zu einem kleinen Gebäude, dessen Fensterläden zur Straße hin geschlossen waren.

„Eine Jugendherberge“, sagte Larry und deutete auf die mehrsprachige Tafel neben der Eingangstür.

„Ist dir das exotisch genug?“, blinzelte Mary Doff zu, nachdem sie die Eingangshalle betreten hatten.

„Das ist Zedernholz“, flüstere Larry, der die Läden bewunderte, in die Formen geschnitzt waren, durch die das Tageslicht fiel und so Rauten und Sterne auf Wände und Boden zauberte.

Troy unterhielt sich an der Rezeption mit einem hageren, bärtigen Mann, der einen blauen Turban trug. Er sah aus wie ein Inder, hatte aber eine Hakennase.

„Ich glaube, er ist ein Sufi“, flüsterte Larry Doff zu, der ihn fragte, was das sei. „Ein arabischer Mystiker“, erklärte Larry leise, als der wache Blick des Mannes auf sie fiel. Er wirkte zwar freundlich, allerdings auch sehr bestimmt, und Larry verstummte.

Troy brachte sie in den ersten Stock und wies ihnen ihre Zimmer zu. Mary und er selbst hatten je eines für sich, Larry und Doff schliefen in einem Raum. Zu ihrer Erleichterung sahen sie, dass die Fenster ihrer Zimmer auf einen kleinen, schattigen Innenhof hinausgingen. In den kleinen Räumen, in denen es nur Holzbetten, einen Tisch, zwei Sessel und ein Waschbecken gab, war es angenehm kühl.

„Ihr seid bestimmt hungrig“, sagte Troy. „Ruht euch eine Stunde aus und dann essen wir einen Happen und gehen anschließend auf den Markt.“

Damit waren alle einverstanden, besonders Doff, dem schon jetzt der Magen knurrte, aber sie waren auch sehr erschöpft und so versanken die drei Freunde schon bald in einen kurzen Schlaf, der jedem einen Traum schenkte.

Mary träumte von ihren Eltern. Sie waren lebendig und wieder doch nicht und sahen genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte. Hand in Hand kamen sie auf Mary zu, die auf einer Waldlichtung stand. Es war kein gewöhnlicher Wald, denn jeder dieser Bäume hatte ein Gesicht, das ihr zulächelte. Eine leichte Brise ließ ihre Zweige tanzen, wodurch ihr die Blätter zuwinkten. Marys Mutter lächelte. In der Hand hielt sie ein Kästchen, das sie Mary reichte.

„Darin befindet sich ein Schlüssel“, hörte sie ihren Vater sagen.

„Du darfst ihn erst verwenden, wenn du weißt, wofür der Schüssel ist“, sagte ihre Mutter und strich Mary zärtlich übers Haar.

Dann verschwanden ihre Eltern und der Wald war ebenfalls nicht mehr zu sehen. Mary blieb allein mit dem Kästchen zurück, das sie an ihr Herz drückte, worin sie es in Gedanken verwahrte.

Auch Larry träumte von einem Wald, in dem er etwas suchte, es jedoch nicht fand. Er kam an großen, mit Moos bewachsenen Steinen vorüber, die ihm etwas in einer Sprache sagen wollten, die er nicht verstand. Einmal glaubte er, in einem Schatten seine Mutter zu erkennen. Sie öffnete den Mund und rief etwas, aber ein starker Wind verwehte ihre Worte. Larry war sich nicht sicher, ob seine Mutter lachte oder weinte. Er hatte das Bedürfnis, sie zu trösten.

Hinter ihm raschelte es. Aus einem Dornbusch trat ein sehr alter Mann mit einem sehr langen, weißen Bart, der ihm zuwinkte und ihm bedeutete, ihm zu folgen. Larry gehorchte und fand sich in einer Höhle wieder, in der große Kristalle von der Decke herabwuchsen. Der Alte hockte sich auf den Boden.

„Du bist jetzt mein Schüler“, sagte er und Larry setzte sich zu ihm und lauschte seinen weisen Worten.

Und Doff träumte, dass sich eine Fee auf seiner Nasenspitze niedergelassen hatte, die ihn an den Ohren kitzelte. Er lag auf dem Rücken im Gras und konnte sich nicht bewegen. Das war schlimm für ihn, weil vor seiner Nase eine Marzipanpraline baumelte, die ein Troll auf dem Haken an einer Angelschnur aufgespießt hatte. Er wollte etwas sagen, aber die Fee legte den Finger auf die Lippen. Sie sah aus wie Mary, nur viel kleiner.

Plötzlich sah Doff sich auf einem Diwan liegen. Er war hungrig und durstig. Um ihn herum standen auf kleinen Tischchen Leckereien und Kannen mit süßen Säften, doch er konnte sie nicht erreichen. Da öffnete sich die Tür und seine vier Geschwister sprangen herein. Sie herzten und küssten ihn und gaben ihm zu essen und zu trinken, worüber die kleine Fee ebenso froh war wie er selbst.

Alle drei wachten sie wie auf ein inneres Kommando hin gleichzeitig auf und da klopfte auch schon Troy an ihre Türen. In dem kleinen Frühstücksraum neben der Rezeption aßen sie Fladenbrot, Käse und Obst. Seltsamerweise waren sie nicht mehr sehr hungrig, nicht einmal Doff.

„Ich hab geträumt!“, rief Doff.

„Ich auch“, sagten Mary und Larry wie aus einem Mund.

„Ich kann mich allerdings nicht mehr an meinen Traum erinnern“, fügte Doff hinzu.

„Das tust du doch nie“, neckte Mary Doff. Doch dann gab sie zu, dass sie sich ebenfalls nicht erinnern konnte, und Larry ging es genauso.

„Wozu sind Träume dann gut?“, fragte Doff Troy.

„Träume sind Geschenke deiner Seele. An deine wichtigen Träume wirst du dich erinnern, wenn es notwendig ist“, sagte Troy und das klang ein wenig geheimnisvoll.

Auch Mary hatte eine Frage: „Sind wir hier die einzigen Gäste?“ Außer dem Mann an der Rezeption hatten sie niemanden gesehen und in der Herberge war es seltsam still. „Zu still“, dachte Mary.

„So hat es den Anschein“, sagte Troy vage und stand auf.

An der Rezeption gaben sie ihre Pässe und Zimmerschlüssel ab. Als sie gut gelaunt auf die Straße hinaustraten, stand die Nachmittagshitze wie eine Wand vor ihnen. Sie hielten sich im Schatten der Häuser und erreichten nach nur wenigen Schritten den Marktplatz. Um Marktstände, die Lebensmittel, Obst und Gemüse anboten, drängten sich Frauen, die Kopfschleier trugen, und Männer mit von Wind und Wetter gegerbter Haut, alle bärtig und mit verschiedenfarbigen Kappen, aber auch Pakistani und Touristen in europäischer Kleidung.

Mary und Troy gingen voraus. Mary hatte ihr blondes glänzendes Haar unter ihrer Schirmmütze verborgen, wodurch sie beinah knabenhaft und jünger wirkte. Dennoch streiften sie hin und wieder verstohlene Männerblicke, was Larry wütend machte. Ihm fiel jedoch auch auf, dass die Blicke der Männer, sobald sie Troys Augen begegneten, seltsam leer wurden ... fast so, als ob ihre Gedanken jäh gelöscht würden.

„Ich bin gut beschützt“, dachte Mary, die eine aufmerksame Beobachterin war. Wie schon am Flughafen lag wieder eine kleine Insel der Ruhe, auf die nicht einmal eine Rasselbande bettelnder Jungen vordringen konnte, um Troy. Aus großen Augen starrten sie den vier Fremden nach, bis sie von der wogende Menge verschluckt wurden. Die ließen gerade den Markt hinter sich und kamen auf eine breite Allee mit hohen blühenden Bäumen.

„Was duftet hier denn so gut?“, fragte Larry, und Troy erklärte ihm: „Das sind besondere Feigenbäume, die nur hier wachsen und bis zu zehn Meter hoch werden.“

„Feigen gab es schon im alten Ägypten.“ Larry wandte sich Doff zu, den Feigen überhaupt nicht interessierten.

„Richtig, Larry“, bestätigte Troy. „In vielen Ländern sagt man der Feige nach, dass sie vor Behexung und dem bösen Blick schützt.“

Und Doff rief: „Und denk mal an das Feigenblatt von Adam und Eva.“

Troy schmunzelte. „Jedenfalls schmeckt sie süß und ist eine begehrte Delikatesse, wenn sie reif ist.“

„Kann man Feigen in Schokolade tunken?“, wollte Doff wissen.

„Nichts ist unmöglich. Halt einfach die Augen offen.“

Doff verdrehte die Augen. Bislang hatte er nichts gesehen, was ihn interessierte. Fortan hielt er aufmerksam nach einschlägigen Geschäften Ausschau. Sie hatten die breite, stark befahrene Straße überquert und tauchten in eine schattige Nebengasse ein. Larry spitzte die Ohren. Er konnte Stimmengewirr hören und das Gackern von Hühnern.

„Wieder ein Markt?“, fragte er.

Troy nickte. „Das ist allerdings kein gewöhnlicher Markt, sondern der älteste Basar der Stadt.“

„Cool!“, flüsterte Doff, und Mary und Larry staunten ebenfalls.

Die Eindrücke – die Farben, die Gerüche und die Geräusche – waren überwältigend. Dies schien endlich ihre Vorstellung von einer orientalischen Stadt zu treffen. Viele Menschen waren auf dem Platz unterwegs und die Gesichter der Männer waren verwegen, die Kleider der Frauen bunt ... und zwischen all diesen Gestalten meckerten Ziegen und blökten Schafe. Fasziniert folgten die drei Troy, vor dem sich, wie Larry auffiel, die Menge wie selbstverständlich teilte. Mary wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Da priesen Händler lautstark lebende Hühner an, dort schnitt ein Barbier in seinem Laden Haare und trimmte Bärte. An den Türläden baumelten blitzende Kupferkessel und Küchenutensilien, kostbare Teppiche und Lederwaren. Im Café tranken Männer Milchtee, spielten Schach oder unterhielten sich. Kleine Gewürzberge in allen Farbschattierungen, vom sandigen Safran bis zum blutroten Chili, verströmten ein betörendes Aroma, das sich mit dem feinen Duft von Rosenwasser und von blühenden Zweigen vermischte, und das Stimmengewirr war ohrenbetäubend laut. Plötzlich war inmitten der wogenden Menge der klagende Ton einer Flöte zu hören. Neugierig folgten die drei Freunde Troy. Wieder teilte sich die Menge vor ihm und gab den Blick auf den Flötenspieler, einen hageren, bärtigen Mann, der einen weißen Turban trug, frei. Zu seinen Füßen stand ein Korb, aus dem sich eine Königskobra aufrichtete, deren Kopf sich rhythmisch hin und her zu wiegen schien.

„Ein Schlangenbeschwörer“, hauchte Doff ehrfürchtig und wich einen Schritt zurück.

„Hab dich nicht so“, flüsterte Larry. „Die ist ohnehin zahm.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte Doff und sprang entsetzt zur Seite, denn neben ihm war ein Mann aufgetaucht, der Mary eine Schlange um den Hals legte.

Mary hatte keine Angst vor Schlangen, seit sie vor Jahren in einem Wanderzoo einen Python berührte und dabei gefühlt hatte, wie gut sich das Reptil anfühlte. Der Mann, der sie erschrecken wollte, nahm Mary enttäuscht die Schlange von der Schulter und sah sich nach einem neuen Opfer um. Larry und Doff hatten bereits die Flucht ergriffen. Nur Troy war stehen geblieben. Er lächelte so zufrieden, dass Mary das Gefühl hatte, dass sie gerade eine Probe bestanden hatte. Larry wartete nur wenige Schritte entfernt auf die beiden, aber Doff konnten sie nirgendwo entdecken. Schließlich fanden sie ihn vor einem Stand mit Süßigkeiten.

„Doff, deine Lieblingsschokolade von Zotter gibt es zwar schon weltweit, doch bis nach Pakistan ist sie noch nicht vorgedrungen“, witzelte Larry.

Tatsächlich starrte Doff wie gebannt auf in Honig getränkte Pralinen, während er darüber rätselte, aus was sie wohl gemacht waren. Troy legte ihm fest die Hand auf die Schulter.

„Zuerst müssen wir unsere Kleidung den Gebräuchen des Landes anpassen“, sagte er und schob den enttäuschten Doff energisch weiter.

Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste

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