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Kapitel 1
ОглавлениеFranz Wagner war ein Mann Anfang fünfzig. Er war von untersetzter Statur. Seine Haare waren grau und dünn. Unter seinen Augen hingen dicke Tränensäcke. Auf seiner Nase trug er eine kleine Nickelbrille. Von Beruf war er Pfarrer, wobei hier >Beruf< von >Berufung< kommt. Er liebte seine Arbeit. Und seine Arbeit liebte ihn. Die entzückende Gemeinde in Oberhausen hatte ihn mit offenen Armen empfangen, als er vor kurzem dorthin versetzt wurde, und er fühlte sich pudelwohl. Heute war es bereits später Abend und ein junger Mann hatte die Kirche betreten und um die Absolution gebeten. Der Herr Pfarrer kannte den jungen Mann noch nicht und hatte ihn auch noch nie in der Kirche gesehen, deshalb nahm er an, dass er seit langem nicht mehr gebeichtet hatte. Nun saßen die beiden auf dem Beichtstuhl nur von einem kleinen Gitter getrennt. Herr Wagner musterte den jungen Mann. Er war sportlich, schickt gekleidet und hatte ein hübsches Gesicht. Seine Haare waren mittellang und nach hinten frisiert. Seine Augen waren grün. Der war garantiert ein wunderhübscher Junge, dachte der Pfarrer und leckte sich die Lippen. Bei der Vorstellung begann sich etwas zu regen. Hastig betete Herr Wagner im Stillen fünf >Ave Maria<. Oh Gott vergib mir!, dachte er. “Was möchtest du mir beichten, mein Sohn?“, fragte der Pfarrer. Der junge Mann seufzte. “Vater, ich habe gesündigt.“ “Und was waren das für Sünden?“ “Ich habe gelogen“, antwortete der Mann. “Genauer gesagt, lüge ich immer. So gut wie nie sage ich die Wahrheit!“ “Warum tust du das, mein Sohn?“, fragte der Pfarrer. “Ehrlichkeit ist eine Tugend.“ “Mir bleibt nichts anderes übrig“, sagte der Mann. “Ich habe vielen Menschen sehr wehgetan.“ “Was hast du getan, mein Sohn?“, fragte Herr Wagner. “Erzähl mir davon, danach wird es dir sicher besser gehen. Ich sehe doch, dass dich deine Taten bedrücken.“ “Ich habe viele Menschen umgebracht“, sagte der Mann ruhig. Ein breites Grinsen verzehrte sein Gesicht. Seine grünen Augen waren wahnhaft aufgerissen. “Ich habe Menschen Knochen gebrochen, Gliedmaßen abgeschnitten, Augen ausgestochen, die Haut abgezogen und noch vieles mehr. Und all das nur zu meinem Vergnügen!“ Herr Wagner lief kalter Schweiß den Rücken herunter. Sein Herz raste. “Das sind keine kleinen Sünden“, sagte der Pfarrer zittrig. “Du solltest deswegen zur Polizei gehen. Nur so wird Gott dir vergeben!“ Der Mann lachte. Die Härchen auf Herrn Wagners Armen stellten sich auf. “Lustig das Sie von Vergebung anfangen“, sagte der Mann, seine Augen blitzten. “Wollen wir nun über Ihre Sünden sprechen, Herr Pfarrer?“ “Wie bitte?!“ “Ich weiß von den Kindern“, zischte der Mann. “Ich weiß, warum Sie von Regensburg nach Oberhausen verlegt wurden. Sie waren nicht mehr tragbar. Zu viele heulende kleine Jungen, nicht wahr? Die kleinen Biester haben nicht mehr den Mund gehalten, oder?“ “Das muss ich mir nicht bieten lassen!“, sagte der Pfarrer empört. “Du sitzt auf dem Beichtstuhl, nicht ich!“ “Oh glauben Sie mir, wir werden die Plätze tauschen!“, sagte der Mann. “Ich bin hier, um Ihnen ihre gerechte Strafe zukommen zu lassen und Sie ihrem Gott näher zubringen!“ Ein schmales Rohr wurde durch das Gitter des Beichtstuhles geschoben. Surrend flog ein Pfeil durch die Luft und traf den Pfarrer in den Hals. Ein taubes Gefühl breitete sich von der Einstichstelle aus. Die Sicht von Herrn Wagner verschwamm. Er fiel in bodenlose Schwärze...