Читать книгу Seltsame Vorfälle - Elisa Scheer - Страница 7
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ОглавлениеZwei Tage später saß sie gerade an einem zu überarbeitenden Info-Blatt zur Wanderausstellung „Installationen zur Medienkritik“, die bald wieder bei ihnen ankommen sollte, als die Tür aufging und der Bote ihr ein Päckchen brachte.
„Hier. Riecht aber ein bisschen seltsam, finde ich.“
„Ach ja?“ Sie nahm es entgegen und stellte es auf das alte Infoblatt. „Von wem ist das denn? Metzgerei Bartl? Kenn ich nicht…“
Sie hob das Päckchen wieder hoch.
„Ihh!“ Das Infoblatt wies jetzt blassrote Flecken auf, die sehr unerfreulich rochen. War das womöglich – Blut?
Sie schluckte krampfhaft und kramte das Kärtchen von diesem Korka heraus – obwohl der für solche blöden Scherze wahrscheinlich gar nicht zuständig war – und nahm den Hörer ab. Jemand anderes ging dran, sie verstand in ihrer Aufregung den Namen nicht. Immerhin konnte sie das Paket und seine unappetitlichen Folgen für ihre Unterlagen beschreiben, ohne verwirrt zu wirken – und der Beamte versprach, sofort vorbeizuschauen.
Tatsächlich rief etwa zehn Minuten später der Empfang und kündigte einen Herrn Hollerbach an. Stella eilte gleich zur Tür und spähte den Gang entlang, winkte den Beamten dann zu sich und führte ihn an ihren Schreibtisch.
„Da! Ich weiß nicht, ob das Blut ist – aber was, wenn da ein abgeschnittenes Ohr drin ist oder sowas?“
Hollerbach grinste kurz: „Van Gogh oder Paul Getty?“
„Beide. Aber schauen Sie, Metzgerei Bartl – ich kenn die nicht und niemand würde doch Fleisch mit der normalen Post verschicken, da wird ja alles schlecht!“
Sie sah auf und ihm ins Gesicht. Sah nett aus, der Kommissar oder was immer er war…
„Also Sie haben das bestimmt nicht bestellt?“
„Ich bin doch nicht wahnsinnig! Wie gesagt – Kühlkette? Außerdem mag ich Fleisch gar nicht so besonders. Wer sagt auch, dass das Fleisch ist – also, essbares Fleisch…“ Sie musste wieder schlucken und hielt sich hastig die Hand vor den Mund. „J-jetzt komme ich vor wie eine Kannibalin! Ekelhaft!“
Hollerbach zog sich Handschuhe über und nahm das Paket auf.
„Meine Fingerabdrücke sind bestimmt auch drauf, ich hab es angeschaut, wegen des Absenders. Blöd…“
„Das war doch klar, machen Sie sich da bloß keine Sorgen, Frau Mutén. Ist das schwedisch?“
„Ja. Ich überlege nur – warum sollte mir jemand etwas Ekliges schicken? Ich hab keinen Schlachthof, bin aber auch nicht streng vegan, ich hab keine Feinde, keinen rachsüchtigen Ex, der hat mich doch schon längst vergessen.“ Sie zuckte ratlos die Schultern.
„So schnell vergessen Männer ihre Exfreundinnen auch nicht. Wie lange ist er denn schon ein Ex?“
„Knapp zwei Jahre. Und er hat Schluss gemacht. Weil ich nicht kochen kann. Dabei kann er es doch auch nicht!“
„Klingt nicht so, als sollte das Paket jetzt ein Menüvorschlag sein“, fand Hollerbach. „Sie haben auch Familie? Sind da irgendwelche Witzbolde dabei, die so etwas lustig finden könnten?“
„Meine Mutter bestimmt nicht. Mein Vater, Göran Mutén, ist schon vor sieben Jahren gestorben. Geschwister habe ich keine und meine Freundinnen Sabine und Paulie finden so etwas auch nicht gerade komisch.“
Sie diktierte ihm sämtliche Adressen und las ihm die Telefonnummern aus ihrem Smartphone-Telefonbuch vor. „Mehr Leute fallen mir nicht ein. Meine Kolleg*innen hier – da wüsste ich wirklich auch nicht. Und Ärger habe ich auch mit niemandem. Na, vielleicht war das ein einmaliger blöder Witz.“
„Außer wenn es ein menschliches Ohr ist“, gab Hollerbach ernsthaft zu bedenken. „Das ginge über einen blöden Witz dann doch weit hinaus.“
„Ach ja?“, konnte Stella sich nicht verkneifen. Hollerbach grinste. „Ganz schön cool! Also, ich nehme das fiese Ding mit und lasse es untersuchen. Wenn ich Ergebnisse habe, schaue ich wieder vorbei, einverstanden?“
„Ja, natürlich! Dachten Sie, ich wollte lieber nicht wissen, was in dem Ekelpaket drin ist?“
Die Frau war ihm über, auch wenn das Paket sie schockiert hatte. So eine freche Klappe! Eigentlich ganz witzig, musste er sich auf dem Weg ins Präsidium eingestehen.
Aber wer schickte einer harmlosen Museumsangestellten ein Paket, aus dem es herauszubluten schien? Gut, vielleicht war das bloß Wasserfarbe – aber woher dann dieser widerliche Geruch?
Im Präsidium schien Max, der sich hier als Chef aufspielte, zuerst geneigt, zu fragen, warum Ben sich auf ein solches Nebengleis locken ließ, aber dann horchte er doch auf: „Mutén? Hast du Mutén gesagt? Wie die Frau, die gegenüber dieser Galerie im Café gesessen hat?“
„Ja. Stella Mutén. Groß, blond, unverschämt. Unverschämt, aber lustig.“
„Unverschämt fand ich sie nicht, aber das ist sie. Merkwürdiger Zufall. Gut, bleib an ihr dran, vielleicht hat es ja mit dem Überfall etwas zu tun…“
„Eben. Alles andere wäre ja vielleicht noch unwahrscheinlicher! Das Paket ist jedenfalls schon in der KTU. Mal schauen, was drin ist. Und, was war bei euch derweil los?“
Max wies auf die Tafel, die so ziemlich genauso aussah wie beim letzten Mal, nur ein Feld war neu: Maria Luggauer, 2. Stock Ploppgeräusch 14:20.
Ben las sich das durch und nickte. „Tatzeit, Schalldämpfer? Aber er hatte doch gar keine Schusswunde?“
„Vielleicht steckt die Kugel in der Galerie in der Wand.“
Ben grinste. „Das heißt also, die beiden Nasen können nicht nur Kunst nicht beurteilen, sondern auch nicht schießen.“
„Gut für den Enkofer. Passt aber irgendwie auch zum Rest, nicht? Die Luggauer ist zwar schon über achtzig, aber noch recht fit. Gutes Gehör, auf jeden Fall. Wir haben uns was zugeflüstert und sie sofort: „Sie, des hab i fei g´hört! Früher warn die Wachtmeister net so gschert! I bin no net hundert!“
Ben kicherte pflichtgemäß. „Aber niemand hat die Täter gesehen? Die Luggauer hat nicht vielleicht einen speziellen oberpfälzischen Zungenschlag erkannt?“
„Werd net frech, Bürscherl!“
Ben grinste noch mehr. „Viel haben wir also immer noch nicht. Ist der Enkofer vielleicht schon wieder besser beieinander?“
„Unverändert. Und die KTU ist noch am Auswerten.“