Читать книгу Verwandte und andere Nervensägen - Elisa Scheer - Страница 3
Montag, 20.11.2006 13:00
Оглавление„Luise, gehst du mit essen?“
„Nein“, antwortete diese und schichtete weiter Unterlagen auf den Stapel an ihrem Platz, um andere dafür wieder in ihre Tasche zu packen, „ich hab noch zwei Stunden. Siebte und Grundkurs. Und eine Besprechung. Und danach einen Termin. Scheißtag!“
„Und das aus deinem Mund? Sonst kannst du doch gar nicht genug Arbeit haben!“, neckte Irene sie.
„Gegen Arbeit hab ich ja auch nichts. Aber nachher muss ich zum Notar wegen eines Testaments, das mich überhaupt nichts angeht, und sowas ärgert mich. Zeitverschwendung pur!“
„Du Arme“, meinte Irene etwas halbherzig. „Stell dir vor, die Elisa hat jetzt einen Freund, der zehn Jahre älter ist als sie!“
„Respekt. Für eine Sechzehnjährige ist das wirklich ein Statussymbol. Was sagt denn Joy dazu?“
„Die weiß es ja noch gar nicht! Alles bleibt in dieser Familie an mir hängen!“
Kein Wunder, dachte Luise, wenn man sich in alles einmischte und dann so eine komische Mutter-Tochter-Enkelin-WG aufzog. Irene, Joy und Elisa. Ob Elisa griechisch war und zu Deutsch „Eierkuchen“ bedeutete? Passen würde es ja, Friede, Freude… Eierkuchen. Und jetzt hatte Elisa einen erwachsenen Freund, mit dem sie bestimmt auch schlief. Da war Irene über kurz oder lang Uroma - mit knapp fünfzig eine reife Leistung!
„Dann sag´s doch Joy und lass die beiden dann mal alleine“, schlug sie Irene vor. Die strich sich die prachtvolle rote Lockenmähne zurück und seufzte ausdrucksvoll. „Und dann? Die kommen doch nicht miteinander zurecht! Und Joy ist gerade mal vierunddreißig, kaum älter als du - was würdest du sagen, wenn du plötzlich in Gefahr wärst, Oma zu werden?“
Luise musste grinsen. „Ich wäre leicht erstaunt, wo ich doch gar keine Kinder habe. Du bist mit vierunddreißig auch Oma geworden und hast es überlebt. Und jetzt sag nicht wieder, dass das eine andere Generation war!“
„War´s aber doch. Joy wird bestimmt denken, das macht sie alt.“
„Aber du hast trotz deines Omastatus einen Freund, also so what? Daran soll sie sich eben ein Beispiel nehmen. Sorry, Irene, ich muss los, die Kleinen zerlegen sonst das Zimmer, weil der Richling garantiert wieder keine Aufsicht im ersten Stock macht.“
„Kaum, es sei denn telepathisch.“ Irene nickte in die Ecke, wo Richling saß und unter den Referendaren Hof hielt.
Luise knurrte:„Ich verpetze ihn nachher beim Chef, aber nützen wird es nichts, der sagt ihm garantiert wieder nichts.“
„Ach komm, so tragisch ist das doch nicht.“
„Und wenn was passiert, sind wir dran. Er ganz besonders. Wetten, dann zetert er rum, dass er nicht wissen konnte, wie wichtig die Aufsicht ist, weil ihm das keiner gesagt hat. Und selbst denken konnte er es sich ja nicht. Also, ich gehe jetzt lieber runter.“
Im ersten Stock herrschte munteres Treiben, Tobi hatte den armen kleinen Leon im Schwitzkasten, ließ ihn aber sofort los, als die gestrenge Frau Wintrich auftauchte, und versicherte mit arglos braunem Augenaufschlag, sie seien die besten Freunde. Der heftig schnaufende Leon bestätigte das nach einem Rippenstoß. Eine Horde Mädchen, üppig geschminkt, strömte gackernd aus der Toilette, und im Klassenzimmer wurden noch fleißig Hausaufgaben abgeschrieben.
Luise setzte Leon und Tobi erst einmal auseinander (großes Gemaule), verlangte, dass die überbordenden Make up-Taschen und die Brotzeitreste weggeräumt wurden und ließ sie alle aufstehen.
Schließlich kehrte Ruhe ein, sie konnte die binomischen Formeln wiederholen und erst im Plenum, dann in Partner- und Stillarbeit Aufgaben üben. Dafür waren die nachmittäglichen Intensivierungen schließlich da. Eine Viertelstunde vor Schluss stellte sie die Hausaufgabe und erlaubte, dass die Kleinen gleich anfingen, worauf fieberhafte Geschäftigkeit ausbrach – und himmlische Ruhe herrschte. Luise wanderte durch die Reihen, legte einmal hier den Zeigefinger auf einen Rechenfehler, gab dort einmal den Tipp, doch zuerst zwei auszuklammern, erklärte flüsternd noch einmal den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten binomischen Formel und stellte beim Läuten fest, dass alle fertig waren. Morgen würde sie noch weiter üben lassen und übermorgen ein nettes kleines Ex schreiben lassen.
Der Grundkurs zeigte weniger Eifer. Sie hatte ihnen eine hübsche Kurvendiskussion mit Flächenberechnung ans Herz gelegt, und gerade drei hatten sich wirklich damit befasst.
„Ich könnte jetzt ein Ex darüber schreiben“, erklärte sie ärgerlich, „und dann würdet ihr wieder jaulen, wie gemein ich bin. Aber was kann ich dafür, dass ihr nichts tut? Anhexen kann ich euch das Wissen nicht!“
„Wir haben doch am Freitag Geschichte geschrieben“, jammerte Annika. „Und morgen ist Französisch!“
Luise verdrehte die Augen. „Und, wer hat hier Französisch?“
Vier meldeten sich.
„Und der Rest? Der war seit Freitag nur noch am Feiern, weil Geschichte überstanden war? Armselig, Leute! Ihr habt seit Semesteranfang alle Termine, jetzt liegt es an euch, vernünftig zu planen. Wir haben euch sogar ein Zeitmanagement-Seminar angeboten, habt ihr da gar nichts gelernt?“
Verlegenes Gemurmel. Luise ließ es gut sein und machte mit den drei Leuten, die die Aufgabe gerechnet hatten, alles zügig durch. Gejammer der anderen, sie kämen nicht mit, wurde mit Selber schuld abgetan. Etwas niedergeschlagen schlichen sie um Viertel vor drei aus dem Klassenzimmer, und Luise hoffte, dass sie die neue Aufgabe nun wirklich bearbeiteten.
Okay, auf zum Chef!
Wenigstens das ging schnell – er wollte nur, dass sie die Ergebnisse zweier Wettbewerbe in Plakatform aushängte und sie außerdem an die Presse weiter gab und bot ihr ein Fortbildungsangebot in den Weihnachtsferien an.
„Ich weiß, es ist eine Zumutung, es beginnt schon am zweiten Weihnachtsfeiertag, die wollen wohl nicht, dass sich jemand anmeldet.“
„Macht mir nichts. Das Thema ist interessant, ich würde da gerne hinfahren. Wo ist das? Ach ja, dieses Jugendheim. Aber wenn´s recht ist, würde ich lieber nicht im Jugendheim wohnen, das ist entsetzlich. Geht das?“
„Natürlich. Wenn Sie in Leisenberg wohnen, ist es ja nicht so weit zu fahren. Und die Workshops fangen erst um halb neun Uhr morgens an.“
„Eben. Gut, dann mach ich das. Übrigens, der Herr Richling – ich will ja nicht petzen, aber - “
„Sehr verräterisch, die Floskel“, grinste Dr. Eisler, der selbst Deutschlehrer war, „ich weiß schon – er ist mal wieder über die Aufsichtspläne erhaben.“
„Wenn Sie ihn vielleicht mal wirklich zur Sau machen könnten? Er ist ja der große Star der Referendare, und wenn die sich dieses Verhalten zum Vorbild nehmen – ich weiß nicht. Ach, noch was: Ich hab mir mal einen Plan ausgedacht, wie man die Belegung des Forums regeln könnte – da gibt´s doch immer wieder Streit.“
Sie zog zwei Formblätter aus ihrer Mappe und reichte sie ihm. Dr. Eisler warf einen flüchtigen Blick darauf und nickte anerkennend. „Sehr gut. Ich schau´s mir an, und wenn möglich, setzen wir das auch um. Das ewige Gezänk ist ja wirklich nicht mehr auszuhalten. Vielleicht haben wir auch zu viele Veranstaltungen, aber wenn wir dem Albertinum und dem Leopoldinum die Leute abjagen wollen, müssen wir uns eben ranhalten.“
„Ich weiß – aber wir haben in diesem Jahr fünf fünfte Klassen, und die anderen haben nur vier. Das ist schon mal nicht schlecht. Außerdem kriegen wir doch jetzt die ganze Mittelstufe des Albertinums dazu, wenn die umbauen, da wird es hier voll genug. Wann kommen die – im Dezember?“
„Am elften Dezember. Die Herren Reuter und Grassl verzweifeln schon an einem neuen Raumplan. Meinen Sie, aus dem Religionsfachraum könnte man vorübergehend ein Klassenzimmer machen?“
Luise überlegte. „Etwa zwölf Leute passen da bestimmt rein. Natürlich keine Tafel. Kleine Kurse könnten gehen, welche, die mit Projektor oder Arbeitsblättern auskommen. Geschichte, Wirtschaft, Deutsch… Mathematik bitte nicht, wir tun uns ohne Tafel wirklich hart.“
Dr. Eisler nickte. „Sehr gut. Frau Wintrich, ich arbeite gerne mit Ihnen zusammen, das ist immer sehr gedeihlich. Langfristig sollten wir wirklich überlegen, ob wir Sie zu den Aufgaben der Schulleitung hinzuziehen sollten. Ich glaube, Sie könnten uns da sehr helfen.“
Luise freute sich und verabschiedete sich strahlend.
Draußen sah sie auf die Uhr. Halb vier, das war geradezu noch früh. Der Termin beim Notar Brandstetter war erst um fünf, da konnte sie direkt noch heimfahren und sich in ein schwarzes Kostüm werfen. Sie sah an sich herab: anthrazitfarbene Jeans, grau-weiß gestreifte Bluse, dunkelroter Blazer – auch nicht schlecht. Aber nachdem es um die Erbsache Heinrich Wintrich ging, wäre schwarz wohl angemessener.
Was sie dabei sollte, wusste sie wirklich nicht. Sie hatte ihren Vater – und ihren Bruder, wenn man schon dabei war – seit ihrem achtzehnten Geburtstag nicht mehr gesehen, als ihr Vater ihr barsch befohlen hatte, ihre Sachen zu packen und zu verschwinden, aber sofort! Und Frank hatte auch ihre verblüffte Frage, was denn eigentlich passiert sei, nur dumm gegrinst und gesagt: „Kannst du dir doch denken! Warum soll der Alte einen Bastard durchfüttern?“
Offenbar war er gar nicht ihr Vater, aber was konnte sie dafür? Und woher hätte sie das wissen sollen? Mama war schon gestorben, als sie zehn war. Jetzt war sie fünfzehn Jahre ohne Familie ausgekommen, und eigentlich war es der reine Genuss gewesen – freie Wochenenden, keine Fragen, wozu sie eigentlich studierte, ob sie nicht mal heiraten wollte, warum sie nicht öfter vorbeischaute… was andere so erzählten, klang eigentlich nicht verlockend. Sicher, eines Tages würde sie wahrscheinlich trotzdem für ein Pflegeheim zahlen müssen, hatte sie immer gedacht. Aber dafür hatte sie reichlich etwas beiseite gelegt, und nun war das gar nicht mehr nötig.
Was wohl aus Frank geworden war? Damals war er einundzwanzig gewesen, schlaksig und ohne Manieren… Sie vermutete mal, etwas dicker um Bauch und Kinn herum und immer noch ohne Manieren. Darüber hinaus interessierte sie die Frage nicht besonders. Er würde Vaters Posten bei HSW übernehmen – oder längst übernommen haben – und in seiner Nachfolge weiterhin Büromöbelsysteme, Schulausstattungen und Bestuhlungen produzieren. Sie selbst hatte ihre Arbeitszimmerausstattung natürlich woanders gekauft, und sollte jemals das Mariengymnasium über neue Schulmöbel nachdenken (was unwahrscheinlich war, denn der G 8-Anbau war jetzt endlich fertig und eingerichtet), würde sie energisch gegen HSW-Möbel votieren, wenn sie überhaupt gefragt wurde. Aber sie konnte auf jeden Fall sagen, dass sie leider mit denen verwandt war und wenn die Presse das aufgriff… hätte das nicht zumindest „ein Geschmäckle“, wie der Schwabe sagte?
Geschah Frank recht!
Die anderen beiden, H und S, Hölzl und Stettner – ob sie noch in der Firma waren? Oder auch schon ihre Söhne, Philipp und Max? Ach, was interessierte sie das eigentlich? Das waren doch nun wirklich Jugendsünden!
Damals war sie dumm genug gewesen, sich kurzfristig mal in den schönen Max zu vergucken, der sie gar nicht wahrgenommen hatte. Kunststück, eine pummelige Siebzehnjährige und ein vergleichsweise weltgewandter zweiundzwanzigjähriger Student, der ab und zu vorbeikam und sich in Franks Bewunderung sonnte. Auch von ihm hatte sie nie wieder etwas gehört.
Okay, wie auch, sie war damals mit zwei Reisetaschen gegangen (Klamotten, Bücher, ihr vorsintflutlicher Laptop, der damals noch ganz neu gewesen war, ihr Sparbuch – selbst zusammengekratzte fünftausend Mark, die ihr in dieser Situation buchstäblich das Leben gerettet hatten – und ihre Schulsachen) und hatte sich im Legohaus eingemietet, wo die Wohnungen mikroskopisch klein, merkwürdig eingefärbt und erfreulich billig waren. Und dort war auch immer was frei.
Sie hatte niemandem von dieser Mischpoke die Adresse mitgeteilt und die hatten sich garantiert nicht die Mühe gemacht, im Telefonbuch nachzuschauen.
Warum dachte sie über diesen Idiotenverein überhaupt nach? Sie würde jetzt heimfahren, sich in korrektes Schwarz werfen, dort hingehen, klarstellen, dass sie mit der Familie Wintrich nichts am Hut hatte, wieder heimfahren und sich mit der Wirtschaftsklausur der K 13 herumärgern. Netter Ärger, vergleichsweise, obwohl diese Nasenbären wahrscheinlich wieder mal alle Tücken des Kaufvertrags übersehen hatten. Recht mochten sie alle nicht, aber da mussten sie jetzt leider durch, niemand war ja gezwungen, Wirtschaft über vier Semester zu belegen.
Sie parkte auf dem Hof, trug ihre Tasche nach oben, schlüpfte aus den Klamotten (nein, eine schöne heiße Dusche gab es erst hinterher) und in ein schwarzes Kostüm (mit grauem T-Shirt) und schwarze Pumps, packte ihre Tasche um, schminkte sich frisch, fuhr sich mit der Bürste kurz durch die schwarzen Locken und fand, das reiche ja wohl. Na gut, ein bisschen Parfum, ein klassisches französisches. Keinen Schmuck, außer ihrer schmalen, aber recht technisch aussehenden Armbanduhr, die normalerweise nur eine Aufgabe zu erfüllen hatte – sie musste gewährleisten, dass man die Zeit unauffällig ablesen konnte, denn sonst begannen alle Schüler sofort einzupacken, sobald sie einen Blick auf ihr Handgelenk warf. Gut ablesbar – naja, und zuverlässig. Die Optik war zweitrangig gewesen, Hauptsache, nicht klobig und nicht verspielt-weibchenhaft.
Viertel nach vier. Zum Notariat Brandstetter brauchte sie mit Parkplatzsuche höchstens zehn Minuten, also konnte sie noch ihre Tasche auspacken. Siebte, achte, neunte, zwölfte raus, achte, elfte, andere zwölfte, dreizehnte rein, Schreibtisch aufräumen, halbfertige Klausur schön in die Mitte, Rotstift, Bleistift, Lineal bereit gelegt, dazu BGB und Erwartungshorizont. Und ausgerechnet von denen wollten sieben Leute schriftliches Grundkursabitur machen! Na, bis zur Entscheidung waren es noch fast vier Wochen, vielleicht konnte sie es den größten Pappnasen bis dahin noch ausreden. Wenigstens lieber mündlich, da konnte man ihnen doch etwas besser auf die Sprünge helfen!
Kurz nach halb fünf, jetzt sollte sie wohl doch besser fahren. Sie sah sich noch einmal befriedigt in ihrer Wohnung um, die sie jetzt seit vier Jahren besaß – immer noch schön, immer noch genau ihr Geschmack, streng, leer, elegant. Einfach perfekt.
Ihr ganzes Leben war einfach perfekt, da brauchte sie auf keinen Fall eine lästige Familie, die sie genauso wenig leiden konnte wie umgekehrt. Naja, Familie, das war ja sowieso bloß der blöde Frank.
Also gut, sie würde da hinfahren, klar stellen, dass sie mit den Wintrichs nichts mehr tun hatte, wieder heimfahren und gut. Und dann konnte sie ihr perfektes Leben weiter führen. Ob Dr. Eisler sie wirklich in die Schulleitung befördern würde? Grassl, der normalerweise die Schulfinanzen machte, ging in zwei Jahren in Pension, aber das war ein Posten für einen Oberstudienrat, und soweit war sie noch nicht. Erst seit sechs Jahren auf Lebenszeit verbeamtet… Sie hatte wunderbare Beurteilungen, was Unterrichtsgestaltung, pädagogische Wirksamkeit und Mitgestaltung des Schullebens betraf, aber deshalb wurde man leider wohl keinen Tag früher befördert als der Durchschnitt.
Reuter, der den Stundenplan machte – und die Vertretungen, was ihn beim Kollegium zur Hassfigur machte – hatte noch vier Jahre vor sich. Mit dem Programm konnte sie umgehen, und eine Hassfigur war sie jetzt schon, denn sie scheute sich nicht, Kollegen anzusprechen, die ihre Aufsicht vergaßen (Richling!) oder Klassenzimmer mit offenen Fenstern, ungeputzten Tafeln und zugemüllt hinterließen, von nicht hochgestellten Stühlen ganz zu schweigen. Manche glaubten eben immer noch, wenn sie ihren Unterricht herunterrissen, hätten sie ihren Job getan. Von erzieherischer Wirksamkeit keine Spur! Das war eben doch kein Halbtagsjob, aber manche wurden immer noch Lehrer, weil sie glaubten, da hätten sie den Nachmittag frei. Die waren von der Einführung des G 8 mit vermehrtem Nachmittagsunterricht kalt erwischt worden.
Luise grinste vor sich hin, während sie am Fuggerplatz nach einem Parkplatz suchte und schließlich einen vor dem kleinen Einkaufszentrum fand. Zwei Stunden – das reichte ja wohl locker! Sie stellte die Parkscheibe ein und legte sie gut sichtbar aufs Armaturenbrett, wobei sie sich selbst leicht verspießert vorkam, die typische Beamtin eben.
Viertel vor. Immer noch zu früh. Auch nicht schlecht, im Einkaufszentrum gab es eine gut sortierte Parfümerie und ihre Essence d´Orange Vert war am Ausgehen. Sechzig Euro, das war zwar bitter, aber an einem so harten Tag hatte sie das verdient.
Mit einem freundlichen dunkelgrünen Fläschchen kam sie fünf Minuten später wieder nach draußen, zufrieden und fast gar nicht von dem Gedanken geplagt, ob das die ersten Anfänge einer Kaufsucht waren, wenn man sich was gönnen musste, weil das Leben fies war.
Quatsch. Das Parfum brauchte sie doch wirklich, sie liebte es über alles. Und das Leben war nicht fies, nur heute ein bisschen lästig.
Entschlossen stiefelte sie über die Straße und klingelte neben der Messingplatte des Notars. Sofort ertönte der Summer, sie drückte die schwere Holztür auf und machte sich an den Aufstieg. Das Notariat lag im zweiten Stock, und die Tür war durch einen altmodischen Lederbalg vor dem Zufallen geschützt. Überhaupt – ein wunderbar im Original erhaltenes Haus! Sie sah sich interessiert um, als sie eintrat, und wurde von einer eher griesgrämigen Sekretärin an das richtige Zimmer verwiesen.