Читать книгу Tod einer Minnedame - Elisa Scheer - Страница 6
V 14.09.2008
ОглавлениеAnne grinste ihm entgegen, als er das Büro betrat. „Und? Wie ist der trauernde Liebhaber so?“
„Zum Reinhauen“, knurrte Felix. „Wieso hat die Wiesner diesen Kerl bloß so lange ertragen?“
„Sie wirken etwas emotional engagiert“, merkte Anne mit zusammengekniffenen Augen an. „Hat Sie das Mitleid gepackt?“
„Unsinn. Mich treibt bloß wieder die alte Frage um: Was findet die an dem? Wahlweise natürlich auch umgekehrt.“
„Ja, es gibt schon seltsame Paare…“, stimmte Anne zu. „Übrigens, die Wiesner hat ein Alibi. Oder auch nicht. In dieser etwas seltsamen Firma hat tatsächlich ein Angestellter in den Raum geguckt, wo die Wiesner unter den Tischen herumkroch und den Fehler suchte, und gefragt: „Haben Sie´s nicht bald?“.“
Felix staunte: „Ja, und wieso soll das kein Alibi sein? Das müsste doch genügen?“
„Abwarten.“ Anne grinste. „Er hat zu zwei Beinen gesprochen und den Rest nicht so genau gesehen. Dunkelgraue Jeans und hellgraue Sneakers, aber niemand will bestätigen, dass die Wiesner an diesem Tag genau das angehabt hat. Hat wohl keiner so genau hingeschaut.“
„Ja, aber hat sie die Frage nicht beantwortet?“
„Doch. Mit einem zustimmenden Grunzlaut.“
Felix schlug auf den Tisch. „Mist! Kann die Frau denn nicht unter dem Tisch vorgucken, den Frager streng anschauen und sagen Na, eine Stunde dauert es schon noch? Dann säße sie jetzt hübsch daheim auf dem Sofa statt in der Zelle.“
„Aber das ist doch auch typisch für sie, oder? Dieses Verhalten, das ihr nie etwas nützt. Sitzt fromm in der Zelle ohne ihre Sachen, kümmert sich nicht um einen Anwalt, sorgt nicht für ein Alibi, lässt sich alles gefallen… Wetten, die klagt sich später auch nicht wieder in ihren Job zurück?“
„Wahrscheinlich. Na, heute ist es zu spät, aber morgen Vormittag befrage ich sie noch mal – und ich denke, danach lasse ich sie gehen, egal, was der bescheuerte Eichinger sagt.“
„Ja gut, aber wer war´s dann? Angeblich haben doch alle diese Barbiepuppe so geliebt…?“
Felix trat an die Pinnwand. Margarethe van Meesen in der Mitte, daneben Halbritter, den Tränen nahe, daneben die Wiesner, neutral bis zum Gehtnichtmehr… Hinter der Wiesner zwei aufgezwirbelte C-Promis, die ihm nicht weiter bekannt waren, und auf der anderen Seite des Opfers der Ehemann – mit einem Alibinachweis – und die beiden Töchter. Aber die konnten es doch auch nicht gewesen sein!
„Wer sind die zwei da?“, fragte er, weil ihm sonst angesichts der Tafel nichts einfiel.
„Die? Die hat Eichinger vorhin kommentarlos da hingepinnt. Aber wer die sind?“
Sie verließ das Zimmer, und Felix lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Was für ein merkwürdiger Fall: Tote Schönheit, weinerlicher Liebhaber, merkwürdige Verdächtige, der doofe Eichinger (na, das war nichts Merkwürdiges), rätselhafte Fotos – ein Alibi, das vielleicht keins ist… dito ein Motiv, das vielleicht keins ist….
Wer würde denn einen Mord begehen, um diesen blöden Halbritter zu behalten? Frauen, die bei Verstand waren, würden doch eher zahlen, um ihn loszuwerden! Hatte die Wiesner vielleicht doch keinen Verstand?
Anne Malzahn kam zurück. „Eichinger ist stinkig.“
„Erzählen Sie mir was Neues“, grinste Felix müde. „Und dass er unfähig ist, weiß ich auch schon lange… Was hat er gesagt? Außer geschimpft, meine ich.“
„Dass die zwei die Geschwister von der Wiesner sind und ihrer Schwester alles zutrauen. Deshalb denkt er ja immer noch, sie war´s. Ich glaub´s ja auch nicht. Die Wiesner ist seltsam, aber nicht auf die Weise.“
„Ganz meine Meinung. Viel zu leidenschaftslos. Und wer würde schon morden, um den blöden Halbritter zu behalten?“
„Das wiederum klingt verdächtig. Leidenschaftslos, meine ich. Nicht, dass es da unter der Oberfläche brodelt…“
Felix feixte. „Anne, was haben Sie denn in letzter Zeit so gelesen? Klingt ja mächtig romantisch, brodelnde Leidenschaften und so…“
Er duckte sich, als eine Papierkugel knapp über seinen Kopf hinweg flog, und hob abbittend die Hände: „Okay, okay, Sie haben ja Recht – unter dieser merkwürdig gelassenen Oberfläche kann allerlei liegen. Hat Eichinger irgendwas Genaueres über diese Geschwister gesagt? Zum Beispiel, ob sie die Meesen kannten?“
Anne schüttelte den Kopf. „Nur das Übliche. Sie heißen Sonja und Fabian Gassmann, sind beides BWLer, sind vierunddreißig und sechsunddreißig Jahre alt, wohnen in Henting in einer alten Villa direkt am Fluss und haben offenbar nur ausgesagt, die Wiesner sei ein gieriges kleines Luder, das sich an ihnen rächen wolle. Soweit Eichinger.“
„Ja… und mal wieder total typisch. Was soll das für eine Rache an den Geschwistern sein, wenn sie die Geliebte ihres Freundes umbringt – mal angenommen, sie war´s überhaupt? Das ist doch idiotisch.“
„Sagen Sie das nicht mir“, wehrte Anne ab, „ich halte ja auch nichts davon. Ich verstehe auch nicht, warum die Geschwister anders heißen. Naja, vielleicht Stief… Wie in einem schlechten Märchen, oder?“
„Weiß Gott.“ Felix sah auf die Uhr. „Viertel vor sieben. Haben Sie Lust?“
„Worauf?“, fragte Anne etwas misstrauisch.
„Woran denken Sie denn jetzt? Die Gassmanns überfallen, was sonst?“
Diese Papierkugel traf ihn voll ins Gesicht, aber er hatte sie ja auch verdient.
„Klar“, sagte Anne. „Zwei blöde Yuppies stimmen einen doch so richtig auf den Feierabend ein. Packen wir´s!“