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Kommunale Aufgabenbereiche

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Die Stadtbehörden in Europa haben einen weit größeren Aufgabenbereich als die in Nordamerika. Dieser geht im wesentlichen auf die Funktionen der mittelalterlichen Bürgergemeinde zurück, die in der Zeit des Absolutismus z.T. von der staatlichen Bürokratie übernommen wurden. Das Städtewachstum des 19. Jh.s brachte neue Aufgaben. Sie wurden vom technischen Städtebau, zunächst vielfach unter Beteiligung von Privatgesellschaften beim Bau der Massenverkehrsmittel und der Ver- und Entsorgungseinrichtungen, gelöst. Dieser Munizipalsozialismus an der Wende zum 20. Jh., dessen Maßstäbe in Wien von Bürgermeister Lueger gesetzt wurden, brachte ein neues Kapitel der europäischen Kommunalpolitik. Recht spektakulär vollzog sich in Wien noch die Verstadtlichung der öffentlichen Verkehrsmittel und anderer Versorgungseinrichtungen, wie der Gas- und Elektrizitätswerke. Weit unauffälliger folgten in der Zwischenkriegszeit die meisten Städte Europas dem Wiener Beispiel.


Abb. 2.6: Sun City

Gesellschaftspolitische Grundsätze des sozialen Wohlfahrtsstaates finden in die Investitionsund Tarifpolitik Eingang. Mit der Verbannung des Profitdenkens und der generellen Akzeptierung des Gemeinnutzenprinzips bei Sozial- und Infrastruktureinrichtungen bzw. einer Subventionierungsmaxime bei den öffentlichen Verkehrsmitteln unterscheiden sich die Verhältnisse grundsätzlich von denen Nordamerikas: Dort werden die anfallenden technischen und sozialen Infrastrukturleistungen fast durchwegs von Privatunternehmen erbracht, vielfach Großbetrieben, die, wie die der Elektrizitätsversorgung, häufig mehrere Staaten umspannen. Eine Verstärkung der Suburbanisierung entstand durch den Zusammenbruch der Massenverkehrsmittel, der, ungeachtet einer gewissen Subventionierung durch das Federal Government für den U-Bahn-Betrieb, bereits die Ebene von Millionenstädten erreicht hat. Auf die Unterschiede sowohl gegenüber den europäischen Wohlfahrtsstaaten als auch vor allem gegenüber den postsozialistischen Staaten wird noch zurückgekommen.


Abb. 2.7: Planung und chaotische Urbanisation, Frankreich

Die Konsequenzen der unterschiedlichen Aufgabenstruktur der Kommunalbehörden im Hinblick auf die räumliche Organisation von Städten liegen auf der Hand. Dort, wo der Magistrat die Betriebsführung hat, besteht in der Regel ein Qualitätsgradient vom Zentrum zur Peripherie und in vielen Fällen eine Unterversorgung des Stadtrandes. In den USA sind die Verhältnisse umgekehrt. Die Innenstadt und ältere Stadtteile sind häufig katastrophal schlecht ausgestattet, die technische Infrastruktur wurde vielfach erst nachträglich eingebracht, während andererseits die technische Ausstattungsqualität der jüngeren Suburbs, nicht zuletzt seit dem „Unit Area Development“, durchwegs vorzüglich ist.

Die Unterschiede im Bereich der sozialen Infrastruktur akzentuieren die obigen Aussagen. Unter den Einrichtungen der sozialen Infrastruktur kommt zunächst dem Schulwesen ganz allgemein eine besondere Bedeutung für die soziale Differenzierung von Städten zu. In den meisten europäischen Staaten ist das Schulwesen verstaatlicht und durch einheitliche Lehrpläne und einheitliche Bezahlung der Lehrer geregelt. Bildungspolitik ist ein Mittel des Disparitätenausgleichs, und zwar sowohl auf der interregionalen als auch der intraurbanen Ebene.

Anders in Nordamerika: Es gibt kein staatlich finanziertes Schulwesen im europäischen Sinn. Die Schulen werden als lokale Schulen über Schuldistrikte verwaltet, die Erhaltung erfolgt mittels Lokalsteuern, welche im wesentlichen auf Einnahmen aus dem Haus- und Grundbesitz beruhen. Da es zu den Verhaltensnormen des Mittelstandsamerikaners zählt, den Kindern eine möglichst gute Schulbildung angedeihen zu lassen, ist es für jeden Familienvater selbstverständlich, daß er in den Suburb zieht, dessen Wohnstandard er sich mit seinem Einkommen gerade noch leisten kann. Der Sozialstatus des Suburbs findet nämlich über die Lokalsteuern in der Qualität der Schulen, sprich Ausstattung, Auswahl und Bezahlung der Lehrer usw., seinen Niederschlag. Auf diese Weise zählt das Schulsystem zu den entscheidenden Faktoren der ökonomischen und auch der ethnischen Segregation. Alle Versuche seit der Regierung Kennedy, dieses System mittels Schulbussen und Stipendien für Ausbildungsplätze für ärmere bzw. afroamerikanische Schüler zu ändern, sind bisher auf dem Experimentierfeld verblieben. Der äußerst mobile Nordamerikaner reagiert, wenn er es sich finanziell leisten kann, sehr rasch durch Umzug auf vermeintliche Verschlechterungen der Schulqualität.

Weitere Unterschiede zeigt der soziale Wohnungsbau: Er wurde in Europa in Zeiten der Wohnungsnot „geboren“ und ist heute vielfach ein Instrument der Wahlgeometrie für sozialdemokratische Stadtverwaltungen: Kommunale Wohnbauten werden mit Vorliebe in bürgerlichen Wohnbezirken errichtet. Ganz anders ist die Situation in Nordamerika. Von flüchtigen ausländischen Besuchern häufig mit dem „Urban Renewal“ gleichgesetzt, war und ist das Public Housing ausschließlich als Hilfsmaßnahme für die Ärmsten der Armen zu sehen, das heißt: Mit der Akkuratesse nordamerikanischer Bürokratie wird jedes Jahr überprüft, ob die Einkommen der Mieter nicht ein bestimmtes Limit überschreiten. Wer mehr verdient, muß ausziehen. Diese Aussiebung der Aufstiegswilligen hat das katastrophale Ergebnis erbracht, daß viele dieser Wohnsilos zu Horten des Verbrechens geworden sind und halb leerstehen, weil die Angst vor der Kriminalität die Menschen vertreibt. Da der soziale Wohnungsbau laut Gesetz nur 55 % des privaten Wohnungsbaus kosten darf, muß er mit den schlechtesten Standorten, zwischen Eisenbahngleisen, auf halb verfallenem Industrie- und Lagerplatzgelände usw., vorliebnehmen. Von einzelnen Städten wie New York abgesehen, hat der soziale Wohnungsbau mit insgesamt nur rund einem Prozent des Wohnungsbestands übrigens auch eine sehr viel geringere zahlenmäßige Bedeutung als in den europäischen Staaten. Auf seine Lage in der Transitionszone rings um die Downtown hat Schneider-Sliwa (1999) besonders aufmerksam gemacht.

Mit dem sozialen Wohnbau ist in Europa das „soziale Grün“ untrennbar verbunden. Auch Nordamerikas Städte besitzen Stadtparks, die zumeist aus der Zeit der Stadtgründung stammen. Es handelt sich um Flächen, die von der Aufschließung ausgenommen und als Park angelegt wurden. Später haben einzelne Mäzene weitere Parks gestiftet. Seit dem Ersten Weltkrieg sind kaum mehr öffentliche Grünflächen entstanden. Neuanlagen, vom Klubsystem getragen, beschränken sich auf die Suburbs der Mittel- und Oberschicht.

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