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Plötzlich Führungskraft
Im vergangenen Kapitel haben wir die grundlegende Frage beantwortet, ob Frauen überhaupt leiten dürfen. Beschäftigen wir uns jetzt damit, wie diese Rolle auszufüllen ist. Kann und sollte man sich auf eine Führungsposition vorbereiten – reicht es nicht, mit Engagement und Exzellenz alles auf sich zukommen zu lassen und zu hoffen, dass der Rest sich fügen wird? Im Gespräch mit der Führungskräfte-Coachin Marion Gaffron wird klar, wie wichtig Vorbereitung ist – und dass es dafür nie zu früh ist. Außerdem hat sie erzählt, warum es dabei auf die eigenen Glaubenssätze und Vorstellungen ankommt, welche Stolperfallen es für Leiterinnen gibt und wie der Rollenwechsel von der Kollegin zur Vorgesetzten gelingt.
Marion Gaffron (56) ist gelernte Arzthelferin und hat nach 15 Jahren Kindererziehungspause mit 38 Jahren den Wiedereinstieg ins Berufsleben geschafft. Im Alter von 42 Jahren wurde sie stellvertretende Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes. Später hat sie mit einem Fernstudium zur Personal Business Coachin umgeschult und ist jetzt selbstständige Lebens- und Finanz-Coachin für Führungskräfte und Berufseinsteiger.
Wie sollte man sich auf die erste Führungsposition vorbereiten? Geht das überhaupt?
Ich empfehle von Herzen, sich darauf vorzubereiten. Das kann man zum Beispiel mit Coaching, Seminaren oder Büchern. Das Ungünstigste ist, unvorbereitet eine Führungsposition zu beginnen und zu glauben: »Irgendwie kriege ich das schon hin.« Besonders wenn der Rollenwechsel am gleichen Arbeitsplatz oder im gleichen Unternehmen stattfindet, ist es sehr wichtig, diesen bewusst zu gestalten. Gerade noch Kollegin, jetzt Vorgesetzte und Führungskraft – das ist häufig ein Problem. Man macht nicht nur einen anderen Job und bleibt einfach die, die man vorher auch war – man hat eine neue und andere Rolle. Wenn ich also mein eigenes Rollenverständnis und meine Haltung zur neuen Position nicht ganz bewusst verändere, werden auch die Mitarbeitenden das nicht differenzieren können. Das beginnt schon mit der Frage, die man sich selbst stellen muss: »Darf ich überhaupt eine Führungskraft sein?« Ich habe mir diese Erlaubnis sehr lange nicht gegeben. »Ich bin doch die Marion, ich kann doch nicht führen!«, dachte ich [lacht]. Wenn ich jemandem erzählt habe, stellvertretende Geschäftsführerin zu sein, habe ich mich lange dafür geschämt, weil das nicht zu meinem Selbstbild passte. Das spürt natürlich auch das Gegenüber und nimmt mich in dieser Rolle nicht ernst. Also hat Führen viel mit der inneren Haltung zu tun.
Zu Anfang sollte man sich seinem eigenen Bild von Führung stellen – und sich selbst als Person. Dazu gehört auch, viele Paradigmen zu hinterfragen, die man in sich trägt:
Welches Bild habe ich von einer Führungskraft?
Wie möchte ich selbst leiten? Muss ich hierarchisch autoritär auftreten oder geht es auch ganz anders?
Wie will ich kommunizieren?
Muss ich darauf warten, dass mir Mitarbeitende die Erlaubnis zum Führen geben, oder kann ich sie einfordern?
Das Leben ist ein Prozess – deswegen wird man nicht alle Fragen endgültig klären können. Aber man sollte sich mit den essenziellen Fragen auseinandersetzen: »Wer bin ich eigentlich?« und »Wie will ich leben?«.
Wenn man sich also diese neue Rolle bewusst macht, ändern sich auch das Verhalten und das Bild nach außen, das man zeigt?
Ja, das hat vor allem mit inneren Dingen zu tun, aber auch mit äußeren. Was ich über mich denke, strahle ich nonverbal aus. Wenn ich bisher immer in Jeans und Turnschuhen ins Büro gegangen bin und plötzlich mit Kostüm und hochhackigen Schuhen komme, gibt mir das noch lange keine Glaubwürdigkeit. Dabei ist Glaubwürdigkeit in einer Führungsposition ganz relevant. Natürlich muss man sich Gedanken darüber machen, wie man sich kleidet und verhält, wie man zum Beispiel mit Pünktlichkeit umgeht und wie – und ob – man sich als Vorbild wahrnimmt. Aber es muss harmonisch zu meiner persönlichen Entwicklung passen. Man sollte keine Maske aufsetzen oder eine Rolle spielen. Einen Positionswechsel beim gleichen Arbeitgeber zu vollziehen, birgt also viele Gefahren, auf die man sich vorbereiten sollte.
Kannst du Beispiele nennen für Gefahren oder typische Stolperfallen?
Der Klassiker insbesondere bei Frauen ist ein starkes Harmoniebedürfnis – gibt’s natürlich auch bei Männern. Glaube ich, dass ich für das Glück meiner Mitarbeitenden verantwortlich bin? Muss ich sie bemuttern? Dürfen sie sich bei mir über alles ausheulen? Gibt das meine Rolle auf eine gesunde Weise her oder lasse ich mich instrumentalisieren? Das Bemühen, »everybody’s darling« zu sein und für jeden ein offenes Ohr zu haben, sind große Fallstricke.
Mit der neuen Position müssen sich also auch die Beziehungen zu den Kollegen und Kolleginnen verändern. Wie gelingt es, Grenzen zu ziehen und zu signalisieren, dass man nicht mehr die Kollegin ist, mit der alles besprochen werden kann?
Gerade am Anfang, wenn der Wechsel in diese neue Position stattfindet, müssen Grenzen gezogen werden, die vielleicht schmerzhaft sind. Das gelingt nicht, wenn man nicht gut darauf vorbereitet ist. Dann versucht man es mit einem smoothen Übergang, tut aber beiden Seiten damit keinen Gefallen. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass ich Mensch bleibe und mich für den anderen interessiere – das ist in meinen Augen eine ganz wichtige Führungskompetenz. Man darf also noch fragen, wie das Wochenende war und was die Kinder machen – das ist ganz wichtig! –, aber nur in einem gewissen Setting, in der Kaffeepause oder morgens bei der Begrüßung. Nicht ausufernd, sondern ganz bewusst begrenzt. So sendet man das Signal: »Ich nehme mir für dich Zeit, aber ich setze auch Grenzen.« Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Mitarbeitende kamen früher gerne zu mir, um sich bei mir auszuheulen. Irgendwann habe ich durch Coaching begriffen, dass ich gleich klären muss, ob jemand die Situation verändern möchte oder ob er sich nur auskotzen will. Denn nur die Suche nach Lösungen bringt uns weiter. Hier fängt konkretes Führen an, weil ich den Blickwechsel vornehme. Diese Grenze muss ich setzen, indem ich das Gespräch führe, Zeitkontingente setze und mir im Klaren darüber bin, was ich in meiner Rolle zulasse und worüber ich nicht sprechen will.
Kann man als Chefin noch mit Mitarbeitenden befreundet sein? Wie gestaltet man die Beziehung zu ihnen?
Das hängt natürlich vom Unternehmen ab, von seiner Größe und der Anzahl der Ebenen. Ich habe keine echten Freundschaften gepflegt. Es hat mir Sicherheit gegeben, nur diese eine Rolle, nämlich die der Vorgesetzten, in meinem Arbeitsumfeld leben zu müssen. Persönlichkeit zu zeigen, ist wichtig – mal vom Urlaub erzählen oder von zu Hause –, aber bei Freundschaften zwischen den Ebenen muss man sehr bewusst zwischen den verschiedenen Rollen differenzieren. Das verlangt von beiden Seiten eine große Reife ab.
Wie komme ich zu einem guten Verständnis meiner Führungsposition?
Es hat mir sehr geholfen, als ich in einem Coaching mit zehn Mythen über »Die gute Führungskraft« konfrontiert wurde, wie etwa:
»Eine gute Führungskraft ist dafür zuständig, dass alle glücklich sind.«
»Eine gute Führungskraft muss die Mitarbeitenden motivieren können.«
»Als Führungskraft muss ich hierarchisch oder autoritär auftreten.«
»Gute Führungskräfte sind Naturtalente.«
»Als Führungskraft muss man mit Psychotricks arbeiten und Menschen manipulieren.«
Es hat mir geholfen, Fragen zu stellen, die mich anregen, über mein Bild nachzudenken oder wie ich mir meine Führungsrolle in fünf Jahren vorstelle. Welche Beziehung habe ich dann zu den Menschen um mich herum? Wie hat sich mein Arbeitsplatz verändert?
Aus sich heraus lernt man das nicht – auch nicht in der Schule oder der Uni. Deswegen ist man selbst gefordert. Es war mein großes Glück, dass ich damals gemeinsam mit meinem Chef in ein Führungskräfte-Coaching gegangen bin. Das hat mir Welten geöffnet und mich sehr brutal infrage gestellt.
Wie schafft man es, wenn man noch sehr jung ist, ernst genommen zu werden?
Respekt bekomme ich, indem ich Respekt gebe. Ich halte es für sehr wichtig, auch Ältere zu respektieren und ihre Lebens- und Berufserfahrung sowie die Geschichte des Unternehmens zu würdigen. Ein großer Fehler von den »jungen Wilden« ist oft die Einstellung: »Das war bisher alles Mist. Ich zeige euch mal, wie man das richtig macht.« Das ist natürlich absolut verkehrt. Viel besser ist es zu würdigen, dass das Unternehmen heute besteht, weil man damals vieles richtig gemacht hat. Mit Einfühlsamkeit kann man dann neue Ideen vorschlagen. Letztlich ist es eine grundlegende Lebensregel: Das, was ich mir vom anderen wünsche, muss ich ihm zunächst selbst geben – sei es Respekt, Wertschätzung oder Aufmerksamkeit. Das funktioniert in alle Richtungen – von Alt zu Jung, von Jung zu Alt, von Mann zu Frau, von Frau zu Mann.
Man sollte also nicht versuchen, etwas durchzudrücken?
Statt etwas durchzudrücken, sollte man zunächst die grundlegenden Regeln des persönlichen Miteinanders beachten: den anderen wahrnehmen, kennenlernen, ihm zuhören, Raum geben, ihn verstehen wollen. Dann entsteht Vertrauen – und der andere fängt auch an, mir zuzuhören. Jemand sagte mal: »Du führst dann, wenn die Menschen dir mit ihrem Herzen folgen.« Das ist in meinen Augen eine wunderbare Definition von Führung. Wenn mir klar ist: »Ich bin hier Lernende. Aber ich habe auch eine Aufgabe, die mir zugesprochen ist und die ich ausfüllen will« und ich mich mit diesem Selbstverständnis auf den Weg mache, den anderen kennenzulernen und verstehen zu wollen, dann knüpfe ich ein Band von Vertrauen. Das ist das A und O der Führungsarbeit.
Manchmal kommt es vor, dass die eigene Idee keine Beachtung findet, bis sie von einem Kollegen oder Chef als seine eigene ausgegeben wird. Es ist schwierig, in so einer Situation Respekt zu zollen, wenn man ihn selbst nicht bekommt …
Der größte Fehler ist, dass besonders wir Frauen uns sehr schnell wegducken und kleinmachen. Damit entwerten wir uns selbst. Mit Selbstrespekt – das ist immer die erste Aufgabe, an der ich arbeiten muss – und einem gesunden Selbstbewusstsein für meine Persönlichkeit, meine Fähigkeiten und mein Können kann ich die Stirn bieten und Fairness einfordern: »Ich möchte nicht, dass so mit mir umgegangen wird.« Das verlangt uns sehr viel Kraft, Mut und innere Stärke ab. Aber das ist der Weg, um eine stärkere Führungskraft zu werden. So bekomme ich auch den Respekt, der mir zusteht – den ich mir auch selbst zusprechen muss. Überhaupt müssen wir lernen, konfliktfähig zu werden und imstande, die Dinge beim Namen zu nennen, auch im Gespräch mit Älteren oder vermeintlich Stärkeren.
Gibt es einen weiblichen Führungsstil?
Den Begriff »weiblicher Führungsstil« mag ich nicht so sehr. Er löst bei mir ganz komische Assoziationen aus: zum einen den »Wir haben uns alle lieb«-Führungsstil oder genau das Gegenteil – eiskalte Frauen in Hosenanzügen. Ich finde es wichtig, dass Frauen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie führen wollen, und ihren eigenen Stil entwickeln. Denn letztlich ist eine Führungskraft eine Persönlichkeit und kein Abklatsch. Ich bin ich – auf dem Weg zu einem Menschen, dem andere gerne folgen, weil sie mir vertrauen.
Was würdest du Frauen raten, die mit dem Leiten anfangen oder die vielleicht schon erste Führungserfahrung haben?
Ich würde auf jeden Fall dazu raten, sich einen Mentor oder einen Coach zu nehmen und über einen gewissen Zeitraum begleiten zu lassen – vielleicht sogar mal ein oder zwei Tage »on the job« beobachten zu lassen und gemeinsam zu reflektieren. Je mehr man die Kompetenz von außen nutzt und sich spiegeln lässt, desto schneller entwickelt man sich. Natürlich lernt man aus den eigenen Erfahrungen – aber es ist oft schwierig, sie zu deuten und zu abstrahieren. Deswegen sieht man auch so wenig gute Vorbilder in der Geschäftswelt: Die wenigsten lassen sich in ihrer Führungsrolle ausbilden – die meisten wurschteln vor sich hin und leiten dann geprägt durch ihre Charakterschwächen und Animositäten.
Was hättest du gerne vorher gewusst, bevor du angefangen hast zu leiten? Was hast du schmerzlich lernen müssen?
Ich hätte mich gern auf diese Rolle vorbereitet und sie dann mit einer gewissen Basis von Grundwissen und Klarheit bewusster angetreten. Im Nachgang habe ich noch viel ändern können – aber der »goldene Moment« ist eigentlich der, in dem der Rollenwechsel stattfindet.
Wann sollte man idealerweise anfangen, sich vorzubereiten?
Wenn eine junge Frau den Wunsch hat, später mal eine Führungsposition einzunehmen, dann würde ich raten: Beschaff dir Bücher, setz dich mit dem Thema auseinander, fahr zu Kongressen – so kann sich dein Bild formen und ändern. Der Vorteil bei Führung ist, dass jede von uns jeden Tag führt – und sei es ihr eigenes Leben oder ein Gespräch. Es hat mich einerseits getröstet und andererseits herausgefordert festzustellen, dass eigentlich jeder Mensch eine Führungskraft ist – wenn er nur bei sich selbst anfängt. Wenn man sich mit Führung auseinandersetzt, zieht das Konsequenzen nach sich: Man fängt an, anders mit sich selbst und mit anderen umzugehen. Man führt Gespräche anders, denkt über Ziele und Entwicklungspotenziale nach. Mit der Zeit verändert sich das Weltbild, und man verändert sich als Persönlichkeit. Das ist in meinen Augen der gesunde Weg hin zu einer Führungskraft – ohne Altersbeschränkung. Ich persönlich wollte nie Karriere machen. Als mein Chef mir die stellvertretende Geschäftsleitung anbot, war ich natürlich erst einmal geschmeichelt – darin liegt aber eine große Falle, da ich mich in diesem Moment um mich drehe. Mein Blick als Führungskraft sollte auf die anderen, die Mitarbeitenden, gerichtet sein.
Damit man den Blick nach außen richten kann, muss er aber doch erst mal nach innen gerichtet werden …
Genau, das muss Hand in Hand gehen. Nach innen schauen – das ist das, was ich jenseits des Arbeitsplatzes mache. Am Arbeitsplatz ist es meine Aufgabe, das Außen zu formen. Dafür muss ich im Außen fokussiert sein. Wenn ich im Gespräch mit einem Mitarbeiter bin, liegt mein Fokus bei ihm. Da geht es nicht um mich und meine Kopfschmerzen oder Eitelkeiten. Die Innenarbeit, das Nachdenken über das Gespräch, das muss später stattfinden.
Bevor ich andere führen kann, muss ich also erst einmal bei mir aufräumen und mich selbst kennenlernen?
Es gibt drei Fragen zu klären – oft werden sie in ihrer Reihenfolge vertauscht.
Wie führe ich mich selbst? Das ist ein lebenslanger Prozess – aber dem muss ich mich erst einmal stellen und verschiedene Kriterien anschauen: Wie organisiert bin ich? Wie halte ich Maß – zum Beispiel bei Essen und Trinken? Wie kann ich meine Emotionen führen? Wie manage ich meinen Alltag, mein Leben, meine Beziehungen?
Von wem lasse ich mich führen? Wem gebe ich die Erlaubnis, in mein Leben zu sprechen, mir Anreize zu geben, mich zu verändern, zu korrigieren und infrage zu stellen?
Wie führe ich den anderen?
Der amerikanische Pastor Craig Groeschel hat die Formulierung »Leading from the middle«14 geprägt und meint damit, dass man mitunter nicht nur seine direkten Mitarbeitenden führt, sondern auch nach oben, nämlich Vorgesetzte. Wie kann das gelingen?
Eine Führungskraft ist oft eingebettet in etwas Größeres. Viele Abteilungsleiter befinden sich in einer Sandwich-Position zwischen Vorgesetzten oben und den Mitarbeitenden unten. Ob deren Potenzial genutzt wird, hängt sehr stark vom Zusammenspiel mit dem Chef ab. Dafür muss man für sich Klarheit schaffen: Wie viel Einfluss habe ich und wo endet er? Gibt mir der Chef die Erlaubnis, auch ihn in einem gewissen Maß zu führen? Erlaube ich es mir selbst, auf offene und ehrliche Weise mit ihm zu kommunizieren? Wenn hier eine Barriere besteht, wird sich das auch in der Führung nach unten widerspiegeln.
Wie kommuniziere ich mit meinem Chef oder meiner Chefin? Kann ich mir als Abteilungsleiterin erlauben, ihn oder sie zu kritisieren und Dinge zu spiegeln?
Jeder Mensch bringt Fehler, Stärken, Schwächen und Eigenarten mit – auch Vorgesetzte. Wenn man mit ihnen von Mensch zu Mensch sprechen kann, eine Herzensverbindung aufbauen kann und sie mir die Erlaubnis geben, in ihr Leiten reinzusprechen und ich auch ihnen diese Erlaubnis gebe, dann werden wir zu einem super Team. Hier haben Frauen durch ihre Beziehungsorientierung eine große Stärke und es kann ihnen gelingen, den Chef oder die Chefin in die Arbeit der Abteilung mitzunehmen. Wer also korrekturfähige Vorgesetzte hat, sollte diesen Einfluss unbedingt nutzen und auch nach oben führen.
Helfen im Berufskontext christliche Werte?
Christliche Werte helfen immer! Es ist sehr faszinierend, wie moderne Erkenntnisse zu Führung und Psychologie immer mehr auf die christlichen Werte zurückkommen. Früher war eine Führungskraft eine unnahbare Autoritätsperson. Davon ist man inzwischen weit entfernt – zum Glück! Heute ist eine gute Führungskraft eine Person, die mein Herz berührt, der ich vertrauen kann, der ich folge, weil sie etwas an sich hat, das ich anziehend und inspirierend finde. Da sind wir voll im christlichen Werte-Kodex: Vertrauen, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Authentizität, Respekt, Rücksichtnahme. Leider wird »christlich« oft mit »schwach« oder einer Ja-und-Amen-Mentalität verwechselt. Das Gegenteil trifft zu: Es zeugt von Stärke, Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen, nicht auf mir herumtrampeln und mich als Mülleimer für schlechte Laune benutzen zu lassen. Jesus ist auch nicht als Fußabtreter am Kreuz gestorben, sondern aus freien Stücken. Das ist Größe! Es zeugt von Stärke, in Selbstwürde Grenzen zu setzen und zu bestimmen, wie weit ich mitgehe. Zum Beispiel sagte Jesus, dass man nicht nur eine Meile mit jemandem gehen sollte, sondern auch noch eine zweite – und zwar aus freien Stücken! Im historischen Kontext musste man nämlich mit einem römischen Hauptmann eine Meile mitgehen, um sein Soll zu erfüllen. Damit zeigt man dem Gegenüber Würde, Stärke und Respekt. Das ist für mich ein christlicher Kontext, der unbedingt zu Führung passt – und all das kommt in moderner Führungsliteratur und in Coachings sehr zum Ausdruck. So wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist – klärend, aber immer wertschätzend –, ist er für mich die Führungskraft par excellence. In diesem Sinne ist die christliche Ethik unbedingt die Basis von guter Führung – aus einer Position der Stärke, nicht aus Schwäche heraus. Denn christliche Werte fangen mit Selbstrespekt an: Ich liebe den anderen wie mich selbst.15 Das heißt, ich gebe mir selbst Wert und Würde, weil Gott sie mir zuspricht. So kann ich selbst-bewusst handeln.
14 Craig Groeschel Leadership Podcast: »Leading from the middle«, Life Church, 4. Dezember 2019.
15 Markus 12,31