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finde deinen persönlichen Führungsstil
Nun ist die Basis gelegt: Du weißt, dass du als Frau eine Berechtigung – gewissermaßen eine Berufung – hast, deine Leitungsaufgabe wahrzunehmen, du weißt, wie wichtig Vorbereitung auf diese Führungsaufgabe ist, und du weißt, dass sich gute Führung frei macht von allzu stereotypen Zuschreibungen von Fähigkeiten. An dieser Stelle könnte die große Preisfrage lauten: Wie finde ich nun meinen Führungsstil? Wie funktioniert »Leiten auf Weiblich«, wenn es doch eigentlich gar keine »weibliche Führung« gibt?
Gute Frage! Ich persönlich glaube, dass es wenig sinnvoll ist, sich einen Führungsstil aus den vielen Büchern auszusuchen und zu entscheiden: So führe ich jetzt. Denn das wäre nicht nur wenig authentisch, sondern würde unter Umständen gar nicht zu deiner Persönlichkeit passen. Deswegen ist dieses Buch nach den einleitenden Kapiteln in vier große Teile gegliedert. Ich glaube, dass sich dein persönlicher Führungsstil aus der Kombination dieser vier Komponenten entwickelt: deinem Ich (Teil 1), deinem Gegenüber (Teil 2), deinem Umfeld (Teil 3) und deiner Spiritualität (Teil 4).
Voraussetzung 1: Erkenne dich selbst
Manchmal fällt es leichter zu verstehen, wie wir ticken oder was uns zur Weißglut treibt, wenn wir uns einer Persönlichkeits-Typologie zuordnen können. Eine solche Systematik kann das entlastende Gefühl mit sich bringen: Nicht nur ich bin so – es gibt noch andere meines Schlags! Sich selbst und die eigene Persönlichkeitsstruktur zu kennen, hilft außerdem dabei zu erkennen, welche Arbeitsweise dir eher zusagt und welche gegebenenfalls erlernt und antrainiert werden muss: Wer extrovertiert ist, wird nicht zurückgezogen in seinem Kämmerlein sitzen und allein Entscheidungen treffen. Eine Introvertierte schwingt selten von sich aus große Reden vor Publikum. Einem dominanten Persönlichkeitstyp wird es schwerfallen, die Bedürfnisse seiner stetigen Mitarbeitenden wahrzunehmen. Ein Mensch mit einer ordnungsliebenden Tiefenstruktur wird nicht immer spontan und flexibel sein. Viele dieser Verhaltensweisen sind erlernbar. Unsere Persönlichkeit trägt allerdings zu einem erheblichen Teil dazu bei, wie wir auf natürliche Art und Weise führen.
Auch Werte und Grundüberzeugungen formen dein Ich. Nach welchem moralischen Kompass richtest du deine Handlungen aus? Nach welchen Werten lebst du? Klare und feste Werte geben im Entscheidungsfindungsprozess nicht nur dir Orientierung und Struktur, sondern auch deinem Team. In den folgenden Kapiteln wirst du die drei wichtigsten Werte deiner Leitungsaufgabe herausfinden. Grundsätze machen sie greif- und umsetzbarer. Aus durchführbaren Verhaltensweisen entsteht Charakter.
Voraussetzung 2: Erkenne dein Umfeld
Auch dein Umfeld hat Einfluss darauf, wie du leitest. Manchmal ist uns das weniger bewusst – beispielsweise, wenn in der vorherrschenden Unternehmenskultur unbezahlte Überstunden erwartet werden, aber auch wenn Vorgesetzte mit ihrem Mikromanagement in die Arbeit ihres Teams eingreifen oder ganz positiv durch gelebte Wertschätzung. Manchmal ist uns der Einfluss unseres Umfelds hingegen sehr bewusst, etwa weil unsere Familienkonstellation oder unsere gewählte Freizeitgestaltung ein bestimmtes Lebens- und Arbeitsmodell erfordern, dass das Leiten einfacher oder herausfordernder macht.
Doch egal, wie dein privates und berufliches Umfeld aussehen mag und ob es dir wie der Idealzustand erscheint oder nicht – du kannst ein Segen sein, um andere in die Weite zu führen. Dein Umfeld prägt dich und deinen Führungsstil und ebenso kannst du mit deinem Sein und Führen dein Umfeld prägen.
Um dein Umfeld – und deine Rolle darin – besser kennenlernen zu können, kann es hilfreich sein, dir folgende Fragen zu stellen:
Hast du die persönlichen und zeitlichen Ressourcen sowie Kapazitäten, diese Aufgabe anzunehmen?
Achtest du auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance?
Welche Rolle spielt deine Funktion als Führungskraft dabei?
Bist du unersetzbar für die Firma?
Hast du das Gefühl, durch Mikro-Management deine Position festigen und sicherstellen zu müssen?
Spielst du bei anstehenden Entscheidungen die »Chef-Karte« aus oder bist du bereit, dich auf eine partizipative Entscheidungsfindung mit dem Team einzulassen?
Wofür wird deine Führungskompetenz gebraucht?
Was wird von dir als Leiterin unternehmensintern und von den Vorgesetzten erwartet?
Voraussetzung 3: Erkenne dein Gegenüber
Wer sich selbst kennt, dem fällt es leichter, andere Persönlichkeitstypen zu identifizieren. Denn das Aufeinandertreffen mit »stacheligen Persönlichkeiten«16 ist unausweichlich – oder mit Zeitgenossen, die uns durch ihre Andersartigkeit herausfordern. Eine versierte Menschenkenntnis und die Fähigkeit, jedem aufgeschlossen und unvoreingenommen zu begegnen, gehören zu den hilfreichsten Tools einer Führungskraft.
Dabei sind besonders die Annahmen und Gedanken über deine Mitarbeitenden entscheidend: Welche Grundannahmen triffst du über sie? Denkst du gut von deinem Team? Siehst du in ihnen grundsätzlich fähige, selbstständige und motivierte Mitarbeitende – oder traust du ihnen gar nicht zu, dass sie die an sie gestellten Anforderungen zu deiner Zufriedenheit erledigen können? Siehst du in ihnen Potenzial, das gefördert werden kann, oder hoffnungslose Fälle, deren Einwände man nicht allzu ernst nehmen sollte, weil sie sich nur gegen zu viel Arbeit wehren? Eine Überzeugung könnte beispielsweise sein: Die Mitarbeitenden und ihre persönliche sowie berufliche Entwicklung liegen mir am Herzen – denn solche Mitarbeitenden können ihre eigenen Grenzen sprengen, über sich selbst hinauswachsen und schlussendlich auch der Unternehmung wirtschaftlichen Erfolg bringen.
Voraussetzung 4: Erkenne deine Spiritualität
Als Spiritualität könnte man auch deinen Sinn im Leben oder das, was dich inspiriert und dir Kraft gibt, bezeichnen. Ich persönlich ziehe sehr viel aus dem christlichen Glauben und halte daher diese Komponente eines »geistlichen Lebens« für unabdingbar – besonders bei der Führung von Menschen. Sicherlich kommt man mit Managementregeln aus Führungsbüchern schon recht weit – doch noch viel segensreicher und blühender ist Leitung, die unter Gottes Führung und mit der Offenheit geschieht, dass der Geist Gottes uns von geschmiedeten Plänen abbringen darf und stattdessen wahre Erkenntnis und Urteilsvermögen schenkt. Meistens sind es kleine Impulse und kurze Gedanken, denen ich im Vertrauen nachgehe – oft ohne zu wissen, ob es funktionieren wird. In Teil 4 wirst du lesen, warum wir als Leiterinnen auch für die geistliche Leitung unseres Teams Verantwortung tragen und wie das aussieht. Wenn dir diese Themen gänzlich neu oder fremd sind, dann würde ich mich freuen, wenn du dem Ganzen trotzdem eine Chance gibst. Willst du tiefer in das Thema der »geistlichen Führung« einsteigen, wirst du bei den weiterführenden Leseempfehlungen am Ende des Buches fündig.
Die Summe aller Einzelteile: dein persönlicher Führungsstil
Aus diesen vier Voraussetzungen entsteht ein individueller Führungsstil, der zu dir passt und für den du dich nicht in eine Rolle zwängen lassen musst, die dir nicht steht. Gleichzeitig sollte diese Erkenntnis aber kein Vorwand sein, um Veränderungen mit verschränkten Armen zu begegnen. Die Voraussetzungen haben nichts bis wenig mit expliziter »Weiblichkeit« zu tun – sie sind also nicht nur dezidiert für Frauen anwendbar. Deine Weiblichkeit fließt automatisch in deinen Führungsstil mit ein – weil du einfach du selbst bist: Eine Frau nach dem Herzen Gottes, die ihr Führungspotenzial ausschöpft. Natürlich gibt es Themen, die speziell Frauen in Führungspositionen beschäftigen – auf diese Themen werde ich in den kommenden Kapiteln gesondert eingehen.
16 Jörg Berger/Monika Bylitza: Stachelige Persönlichkeiten im Business – Mit schwierigen Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten erfolgreich zusammenarbeiten, Francke, Marburg 2019.