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Wie eine Wende sich Bahn bricht

Meine beiden kleinen Kindern versorgte ich fortan also alleine. Da ich als Zugführerin bei der Bahn wegen des Schichtdienstes nicht mehr arbeiten konnte, blieb mir nur die Stelle in der Kleiderkammer. Für die Mädchen hieß es also früh morgens ab in die Krippe, für mich, Uniformen ausgeben. Nach der Arbeit holte ich meine Kinder wieder ab, ging einkaufen und besorgte den Haushalt. Herr F. blieb verschwunden und das war gut für uns alle. Meine Mutter mischte sich zwar weiterhin in unser Leben ein, kam täglich zur Kontrolle, doch durch die Arbeit kam ich zumindest auch mit anderen Menschen zusammen. Über meine persönliche Situation und Ängste habe ich mit niemanden gesprochen, nur versucht zu funktionieren: Essen, arbeiten, Kinder versorgen und schlafen. Aber das konnte es doch nicht gewesen sein? Was soll nur werden, wie soll es weitergehen? In mir brodelte es. Im Außen war gleichzeitig das System DDR am Ende. Für Butter musste man inzwischen anstehen, für Obst ja sowieso. Die Menschen waren unzufrieden, gingen auf die Straße. Die ersten Montagsdemonstrationen fanden statt. Da meine Kinder und ich im Grenzbereich wohnten, fanden vermehrt Kontrollen statt und die Armee war im Einsatz. Wir standen in der Kirche Hand in Hand mit fremden Menschen und dem Licht in der Hand. Auch ich. Keiner wusste, was passieren würde. Es ging das Gerücht um, die Lager seien schon fertig und es wäre nur eine Frage der Zeit, wann sie uns abholten. Wir standen da, im Licht der Kerzen und mit weichen Knien. Und die Stasi immer mit dabei. Nie wusste man, wer spionierte. Der „böse Klassenfeind“, so sollten die Parolen uns weiß machen, wohl kaum. Wie sich später herausstellte waren es Menschen ganz aus der Nähe gewesen, selbst aus den eigenen Familien, die sich bereit erklärt hatten, für einen geringen Vorteil die anderen zu bespitzeln. Viele Bürger waren schon in die Botschaften abgehauen. Die gewaltfreien Demonstrationen nahmen zu. Die Menschen riefen: „Wir sind das Volk.“ Viel wurde berichtet im Fernsehen, aber niemand wusste so recht, was geschah. Immer mehr Züge fuhren die Menschen in die Freiheit. Die Bahnhöfe waren völlig überfüllt. In dem Kabuff, in dem ich arbeitete, hatte ich ein Radio und auf einmal hieß es: „Die Grenzen sind offen, man kann reisen!“ Ich bin nach Hause gefahren und habe die Mädchen von der Krippe abgeholt. Ich habe schnell ein paar Sachen zusammengepackt, die Mädchen genommen und bin in den Westen gefahren. Die Situation war für uns alle so uneinschätzbar und unsicher, - schlimmer konnte es nicht kommen. Ich traute dem Frieden nicht. Diesmal wollte ich auf der anderen Seite sein, wenn der „CLUB der alten Männer“ den Eisernen Vorhang womöglich wieder runter ließ. Nach Wochen, als die Situation sich zu beruhigen begann und es sicher schien, dass die Grenzen offen bleiben würden, bin ich mit den beiden Mädchen wieder zurück gereist.

Wie geht Freiheit?

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