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Kapitel 1

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Wie oft hatte Anke schon die Akte studiert? Der zündende Gedanke wollte einfach nicht kommen, wie es bei Arthur Conan Doyles Hauptfigur Sherlock Holmes immer im entscheidenden Moment funktionierte. Seit neun Monaten wurde inzwischen der Todesfall Luise Spengler in ihrer Abteilung bearbeitet, und sie waren noch keinen Schritt weitergekommen. Im August des vergangenen Jahres war Luise aus dem Fenster ihres Schlafzimmers in den Tod gestürzt. Selbstmord kam nicht in Frage, weiter waren sie mit ihren Ermittlungen nicht gekommen. Aber wie sollten sie noch nach so langer Zeit zweifelsfrei feststellen können, dass Mord vorlag und kein tragischer Unfall? Ihr Vorgesetzter, Norbert Kullmann, war von dem Gedanken geradezu besessen, dass Luise Spengler aus dem Fenster gestoßen worden war. Und seine Hartnäckigkeit hatte sie kennengelernt. Dagegen war kein Kraut gewachsen. Also musste sie darauf hoffen, auf Indizien zu stoßen, da es nach so langer Zeit wohl kaum noch Beweise gab.

Seufzend erhob sie sich, stellte sich ans Fenster, das zur Straße lag, und beobachtete die Menschen, die geschäftig dort vorbeieilten. Der Frühling zeigte sich von seiner schönsten Seite; die Sonne schien, die Temperaturen waren herrlich angenehm. Bei dem Anblick der Menschen, die ausgelassen und gut gelaunt durch die Straße gingen, bekam Anke das trügerische Gefühl, alles sei unbeschwert und heiter. Aber wenn sie sich umdrehte und in die Büroräume schaute, insbesondere auf die Arbeit, die auf ihrem Schreibtisch lag, beschlich sie das Gefühl, dass der Schein trog.

Vor einem halben Jahr, im November des letzten Jahres, war ein Kollege aus der Abteilung, Walter Nimmsgern, auf dem Nachhauseweg erschossen worden. Dieses schreckliche Ereignis hatte sie alle aus dem Gleichgewicht gebracht, weil ihnen dadurch vor Augen geführt worden war, welchen Gefahren sie wirklich ausgesetzt waren. Das Bild, das Verbrechen geschehe an wildfremden Menschen und die Kollegen seien nur dafür da, es aufzuklären, war damit ins Wanken geraten. Es konnte alle treffen, wie sie hautnah hatten miterleben müssen, auch einen Kollegen der Polizei. Besonders belastend wirkte es sich noch dadurch aus, dass es von dem Täter nicht die geringste Spur gab. Im Laufe der Zeit hatte sich die Verunsicherung in der Abteilung zwar etwas gelegt, aber eine schwelende Angst war zurückgeblieben. Bei ungewöhnlichen Geräuschen drehte Anke sich oft erschrocken um und fürchtete, dass sie die Nächste sein könnte. Die Tatsache, dass auch der Fall immer noch nicht aufgeklärt war, schürte diese Angst. Entmutigend kam hinzu, dass ausgerechnet im Fall des Polizistenmordes, der Anlass zu besonders intensiven Ermittlungen sein sollte, keinerlei Hinweise auf das Motiv, geschweige denn auf einen möglichen Verdächtigen gefunden werden konnten. Sie tappten im Fall Nimmsgern völlig im Dunkeln. Das bedeutete, dass es zwei unaufgeklärte Todesfälle in ihrer Abteilung gab, eine Bilanz, die nicht nur nicht vorzeigbar, sondern auch gerade für Kullmann besonders erschütternd war, weil er ausgerechnet in diesem Herbst in Pension gehen wollte. Mit Sicherheit wollte er seine vierzigjährige Dienstzeit nicht mit zwei unaufgeklärten Mordfällen abschließen. Eine derart unbefriedigende Situation hatte es in seiner langen Dienstzeit noch nicht gegeben.

Als sie so ihren Gedanken nachhing, erinnerte Anke sich wieder daran, dass Nimmsgern bis zu seinem Tod an dem Fall Luise Spengler gearbeitet hatte und regelrecht davon besessen gewesen war, gute Ergebnisse zu bringen. Es tauchten Bilder von seinen letzten Tag auf, bevor er erschossen worden war. Nimmsgern hatte ihr vor seinem Weggang noch von einer unheimlich wichtigen Spur vorgeschwärmt, die endlich zu Luise Spenglers Mörder führen würde. Es war schon immer seine Art gewesen, in Rätseln zu sprechen. Sie erlebte ständig, dass er seine Kollegen auf Distanz hielt. Nimmsgern wirkte immer unnahbar und abweisend, was wohl mit den ständigen Hänseleien der Kollegen über seinen unersättlichen Hunger zu tun hatte. Wer weiß, vermutlich war er selbst unglücklich darüber, und alle hatten kräftig in dieser Wunde gerührt. Deshalb gab es niemanden, dem er sich anvertraut hätte; so hatte er vermutlich sein Geheimnis mit ins Grab genommen.

Es war schon spät und rasch begann sie, ihren überfüllten Schreibtisch aufzuräumen. Die Tage wurden wieder länger, es war endlich wieder Frühling geworden. Das war ein Trost für sie, weil die Sonne sogar noch nach Feierabend lachte. Mit dem Kopf voller Pläne, wie sie ihren freien Abend verbringen wollte, bereitete sie sich auf den Heimweg vor, als Hübner ihr Büro betrat.

»Willst du schon Feierabend machen?«, fragte er ganz vorwurfsvoll.

»Ja! Mir ist nicht bekannt, dass ich die Pflicht habe, mich bei dir abzumelden«, konterte Anke böse. »Oder hast du dich schon vorsorglich selbst zum Chef ernannt?«

Hübner überhörte einfach Ankes Ironie und begründete seinen Vorwurf: »Inzwischen ist Nimmsgern schon ein halbes Jahr tot, und wir haben immer noch keine Spur. Wie kannst du da nur an den Feierabend denken?«

»Ganz einfach, weil ich nicht mit dir an dem Fall arbeite – hast du das schon vergessen? Dann erinnere ich dich daran: Ich arbeite zusammen mit Kullmann an dem Mordfall Luise Spengler.«

»Ja, und die Ironie daran ist, dass der Fall Luise Spengler noch länger zurückliegt und noch nicht einmal klar ist, ob es wirklich Mord war. Du bringst keine Ergebnisse zustande und denkst nur an dich«, blieb Hübner hartnäckig.

»Und noch viel ironischer ist, dass dich der Fall Luise Spengler überhaupt nichts angeht. Mach du deine Arbeit und ich meine. Was hältst du davon?«

»Verdammt, du verstehst überhaupt nichts mehr, seit du nur noch die Pferde im Kopf hast«, sprach Hübner endlich das aus, was ihn bedrückte. »Dieser Mist ist dir schon in den Kopf gestiegen.«

»Daher weht also der Wind. Mein Privatleben geht dich nichts an. Dass wir beide mal zusammen waren, heißt nicht, dass du dich heute noch in mein Leben einmischen kannst. Wann kapierst du das endlich? Ich lasse mich nicht von dir beleidigen. Da höre ich lieber auf den Rat meines Chefs und genieße mein Privatleben. Ich vernachlässige meine Arbeit nicht, verlass dich drauf.« Anke zog ihre Sporttasche aus dem Schrank.

Vor einigen Monaten hatte sie sich endlich dazu entschlossen, reiten zu lernen. Davon war sie durch nichts abzuhalten. Die Arbeit mit den Pferden machte ihr unendlich viel Spaß. Zu Hause konnte sie sich kein Haustier halten. Ein Hund oder eine Katze würde viel zu viele Stunden in ihrer kleinen Wohnung alleine verbringen müssen, was sie keinem Tier antun wollte. Aber durch das Reiten erfüllte sie sich ihren Wunsch, ein Tier in ihrer Nähe zu erleben. Der Umgang mit den Schulpferden machte ihr Freude. Diese Tiere waren brav und reagierten auf sie. Niemals hätte sie geahnt, dass Pferde so menschenbezogen und einfühlsam sein könnten. Sie waren ein wundervoller Ausgleich für ihre angespannte Polizeiarbeit und den ständigen Leistungsdruck. Ihr Herz schlug immer höher, wenn ein Pferd wieherte, sobald es ihre Stimme hörte. Seit sie mit ihrer früheren Freundin gelegentlich am Koppelrand gesessen und die Herde wild tobender Pferde beobachtet hatte, deren ungebändigte Lebensgier und deren Schönheit und Eleganz hatte bewundern können, war ihr diese Idee gekommen. Und sie bereute es nicht, obwohl sie schon einige Male heruntergefallen war und sich jede Menge blaue Flecken zugezogen hatte.

Sie zog sich ihre Reithose und ein T-Shirt an, während Hübner im Nachbarzimmer wartete, bis sie fertig umgezogen war. An diesem Tag würde sie zum ersten Mal, seit sie im Reitverein war, auf dem Außenplatz reiten. Sie spürte, wie aufgeregt sie war. Schnell bürstete sie ihre kurzen, dunklen Haare kräftig durch. Als sie mit dem Reiten angefangen hatte, hatte sie ihre schulterlangen Haare abschneiden lassen, weil ständig der Pferdeduft darin hing, was auf der Dienststelle nicht immer auf Wohlwollen gestoßen war.

Als Hübner wieder das Zimmer betrat, bewunderte er ihre sportliche Figur, die durch die enge Reithose noch mehr betont wurde. Aber Anke ließ ihm kaum Gelegenheit dazu, weil sie diese Blicke bereits bestens kannte. So sehr er sich auch bemühte, wieder bei ihr zu landen, so deutlich zeigte sie ihm, dass die Trennung endgültig war.

Mit ihrer Tasche über der Schulter marschierte sie los und steuerte das Zimmer ihres Chefs an, um sich zu verabschieden. Kullmann war nicht allein in seinem Büro, doch als Anke sich wieder zurückziehen wollte, wurde sie von den beiden älteren Herren gebeten, einzutreten. Sie kannte den Besucher nicht, er war ein Kollege der uniformierten Polizei. Kullmann stellte ihn ihr als langjährigen Arbeitskollegen und Freund vor. Die beiden Alten bestaunten sie in ihrem sportlichen Dress und der Kollege meinte: »Schade, dass die Reiterstaffel im Saarland schon seit 1987 nicht mehr existiert. Eine so sympathische junge Frau hätte ich gerne in meiner Einheit gehabt.«

»Das heißt, Sie waren bei der berittenen Polizei?«, staunte Anke.

»Oh ja! Bis zum Schluss.«

»Ich glaube, dort hätte ich Ihnen nicht viel genützt. Ich falle ja ständig herunter«, lachte Anke, doch der Kollege winkte ab und entgegnete: »Das gehört dazu. Ein Reiter ist nur dann gut, wenn er nach einem Sturz wieder auf ein Pferd aufsteigt. Daran erkennt man sein Durchhaltevermögen.«

»Was wurde aus Ihrem Pferd, nachdem die Reiterstaffel eingestellt worden ist?«

»Ich habe den Wallach einfach abgekauft und mit nach Hause genommen«, erzählte der ältere Kollege mit schwärmerischem Blick. »Und dort läuft er heute noch auf der Koppel herum und richtet Unheil an.«

»Ach. Wie alt ist er denn jetzt?«

»Er ist schon achtundzwanzig Jahre alt und immer noch kerngesund. Nur manchmal glaube ich, dass er senil geworden ist.«

»Erzählen Sie.«, forderte Anke auf, weil sie vor Neugierde brannte.

»Wir haben eine kleine Herde von vier Pferden in Dillingen-Diefflen auf der Koppel stehen. Dort ist auch mein betagter früherer Arbeitskollege dabei. Immer wenn ich abends die Pferde rufe, laufen alle zielstrebig zum Stall, weil sie wissen, dass dort Futter auf sie wartet. Nur mein Rentner nicht. Er verläuft sich jedes Mal und dann muss ich den weiten Weg über die Koppel gehen und ihn zum Stall führen.«

Anke und Kullmann lachten.

»Hinzu kommt, dass er sich morgens, wenn ich den Pferden die Boxentüren öffne, um sie auf die Koppel laufen zu lassen, ebenfalls verläuft. Ständig muss ich ihn suchen, weil der alte Diener sich mal wieder in den angrenzenden Heuschober verirrt hat. Und weil er so groß und kräftig ist, ist es schon vorgekommen, dass er zwischen den Heuballen feststeckte und ich ihn mühsam befreien musste.«

Anke und Kullmann amüsierten sich prächtig.

»Sie sehen, ich habe immer noch meine Freude mit ihm. Solange er keine Schmerzen leidet und sich wohlfühlt, behalte ich ihn. Er hat sich sein Gnadenbrot redlich verdient.«

Der Kollege verabschiedete sich und ließ Kullmann mit Anke allein zurück.

»Bisher hatte ich gar keine Ahnung von Pferden. Jetzt habe ich wirklich den Eindruck, dass Sie sich ein sehr schönes Hobby ausgesucht haben«, meinte Kullmann gut gelaunt. »Mit den Pferden können Sie endlich einmal etwas für sich selbst tun, was Sie bisher sträflich vernachlässigt haben. Das beweist mal wieder, dass Ihnen die erfrischenden Ideen nicht ausgehen.«

»Das allein verschafft Ihnen diese gute Laune?«, hakte Anke nach, als sie Kullmanns zufriedenes Gesicht sah.

»Oh nein. Auch Ihre wohltuende Anwesenheit. Seit Sie mit dem Reiten angefangen haben, wirken Sie noch fröhlicher und charmanter, obwohl das eigentlich kaum zu überbieten ist.«

Anke freute sich immer wieder über Kullmanns schmeichelnde Worte, sie erkannte jedoch, dass da noch etwas war.

»Das ist aber nicht alles.«

Verschmitzt grinste Kullmann und meinte: »Ihnen kann ich nichts vormachen.«

»Ich bin bei Ihnen durch eine gute Schule gegangen.«

»Ja, und meine Bemühungen waren wirklich nicht umsonst.«

»Weichen Sie mir nicht aus«, erinnerte Anke ihren Chef wieder an ihre Frage, so dass Kullmann nun endlich zum Thema kam: »Ich bin im Fall Luise Spengler einen Schritt weitergekommen. Die Anwaltskanzlei der Familie Spengler hieß früher Otto Klein und Söhne. Diese Kanzlei gibt es nicht mehr, weil Otto Klein inzwischen verstorben ist. Aber durch meine Recherchen habe ich endlich herausgefunden, dass die sogenannten Söhne alle Schwiegersöhne sind, weil Otto Klein keine Söhne, sondern nur Töchter hatte. Die Kanzlei heißt nun Klose & Partner. Also bin ich auf Verdacht zu dieser Kanzlei gegangen und habe dort den Anwalt Bertram Klose angetroffen, einen der Schwiegersöhne. Bertram Klose hatte Luise Spengler als seine Mandantin vertreten. Mit ihm habe ich heute gesprochen.«

Anke stutzte: »Wie kann dieser Anwalt uns weiterhelfen?«

»Ganz einfach: Luise Spengler hatte die Scheidung eingereicht.«

»Und das soll ein Motiv für einen Mord sein?«

Kullmann kratzte sich am Kinn und meinte nachdenklich: »Luise kam aus einer sehr reichen Familie. Geld war schon immer ein Mordmotiv.«

»Im Fall einer Scheidung bekommt der Ehemann aber auch ein gutes Stück vom Kuchen«, überlegte Anke weiterhin skeptisch. »Glauben Sie, dass Kurt Spengler so gierig war und sich damit nicht abfinden wollte?«

»Nein, ich habe von Anwalt Klose erfahren, dass Luises Vater bei der Eheschließung auf einen Ehevertrag bestanden hatte, nämlich Gütertrennung.«

»Oh«, stutzte Anke. »Aber Kurt Spengler ist Bankdirektor einer der größten Banken des Saarlandes. Er verdient doch weiß Gott genug.«

»Ja, das ist noch der einzige Haken an meiner Theorie. Aber ich habe das Gefühl, auf eine verdammt gute Spur gestoßen zu sein.«

Wieder staunte Anke über Kullmanns Hartnäckigkeit in diesem Fall. Bevor sie in den Feierabend ging, fragte sie, was sie schon lange beschäftigte: »Wer war Luise Spengler wirklich?«

»Wie sagt man unter Reitern: Ein dreifaches Horrido!«, lenkte Kullmann einfach ab. Anke verstand den Wink sofort.

Als sie die Tür zu Kullmanns Büro hinter sich geschlossen hatte und durch den leeren Flur ging, begegnete ihr Esche. Er war tadellos gekleidet, trug einen Anzug von Carlo Colucci. Wenn Anke sich nicht täuschte, benutzte er auch das Parfüm dieser hochwertigen Marke. Aber sie verspürte kein Bedürfnis, ihre Eindrücke zu überprüfen. Bei Esche hatte sie ohnehin schon Mühe genug, ihn auf Distanz zu halten. Seine Annäherungsversuche verlangten Ankes volle Aufmerksamkeit. Esche war vor zwei Jahren in ihre Abteilung gekommen und hatte sich durch seine Fahndungserfolge in der kurzen Zeit einen unheimlich guten Ruf verschafft. Nur ihm war es gelungen, einen Kindermord in Merzig aufzuklären, an dem alle Kollegen wie besessen gearbeitet hatten, weil keiner von dieser schrecklichen Tragödie unberührt geblieben war. Aber Esche war kaum in die Abteilung versetzt worden, schon hatte er den entscheidenden Beweis gefunden, der zur Lösung des Falles beigetragen hatte. Sogar Kullmann hatte sich mit seinen Ermittlungen festgefahren und war heilfroh, dass es dem Neuen gelungen war, diesem Albtraum ein Ende zu setzen. Deshalb schätzte er ihn sehr, was er auch oft zum Ausdruck brachte. Anke konnte das nicht nachempfinden. Seit Esche in der gleichen Abteilung wie sie arbeitete, ließ er keine Gelegenheit aus, sich an sie heranzuschleichen oder ihr frivole Angebote zu machen. Sie fühlte sich in seiner Nähe nicht wohl und schon gar nicht, wenn sie ihm allein begegnete. Aber sie wusste, dass sie mit ihrer Antipathie gegen ihn alleine in dieser Abteilung war, denn Esche war beliebt bei den Kollegen. Außerdem sah er gut aus, was sein ohnehin starkes Selbstbewusstsein nur bestätigte. Diese Vorzüge setzte er geschickt ein. Keine Gelegenheit ließ er aus, Anke seine Selbstzufriedenheit zu zeigen, was sie ärgerte. Sie fand sein Gehabe zum Kotzen. Was sie aber ganz besonders ärgerte, war, dass er in ihr keine ebenbürtige Arbeitskollegin sah, sondern nur eine Frau. Frauen hatten in seiner hierarchischen Vorstellung keine Berechtigung auf Gleichstellung. Seine chauvinistische Einstellung war unübersehbar. Anke lehnte seine herablassende Haltung als entwürdigend ab. Aber damit musste sie sich arrangieren, denn mit ihren persönlichen Eindrücken würde sie bei Kullmann kein Gehör finden, weil er Esche als Polizeibeamten sehr schätzte und auf seine Fähigkeiten nicht mehr verzichten wollte.

»Verdammt heiß siehst du aus«, meinte er mit zuckersüßer Stimme.

»Verschwinde lieber, sonst muss ich kotzen«

»Das glaube ich nicht. Oder leidest du an Bulimie, wie so viele junge Frauen, die mit Gewalt schlank sein wollen?«

Anke ärgerte sich darüber, wie aalglatt er ihre Abfuhr überging.

»Dieser Reitsport hat wirklich seine Vorzüge«, machte er einen neuen Anlauf; als sie an ihm vorbeiging, gab er ihr einen Klaps auf den Po.

Im gleichen Augenblick, als Anke ihn anschnauzen wollte, betraten Esther Weis und Jürgen Schnur den Flur. Als sie Anke und Esche sahen, meinten sie vergnügt: »Hey ihr Beiden, es gibt schönere Orte, den gemeinsamen Feierabend zu verbringen. Gelegenheiten, Überstunden zu machen, bekommt ihr noch genug.«

Mit dem Ausdruck unverschämter Zufriedenheit verschwand Esche in seinem Büro, während Anke mit hochrotem Kopf das Gebäude verließ.

Sie hätte dem Kollegen Jürgen Schnur mehr Feingefühl zugetraut. Seit Anke auf dieser Dienststelle arbeitete, kannte sie ihn als zuverlässigen und aufmerksamen Mitarbeiter, der immer sachlich blieb. Wie war es möglich, dass er sich plötzlich zu oberflächlichen Floskeln hinreißen ließ?

Esther war ihm vor zwei Jahren als Teamkollegin zugeteilt worden. Hatte sie ihn schon beeinflusst?

Während Esther ihr Leben in vollen Zügen genoss, war Jürgen seit vielen Jahren glücklich verheiratet und hatte kein Interesse an Abenteuern. Esther bemühte sich ständig, Jürgen von seinem Pfad der Tugend abzubringen, bisher erfolglos. Sie wusste ihr Glück gar nicht zu schätzen. Ihre beruflichen Aussichten waren stabil und sicher. Aber Anke stand vor der Frage, welchem Kollegen sie zugeteilt werden würde, wenn Kullmann nicht mehr da war. Jürgen Schnur wäre ihr am liebsten gewesen, weil er es gut verstand, Arbeit und Privatleben zu trennen, ohne andere damit zu verletzen.

Bei diesen Gedanken seufzte sie.

Kullmanns Weggang würde viele Veränderungen bringen. Dabei war es ausgerechnet Kullmann, der immer beteuerte, jeder Mensch sei zu ersetzen. In seinem Fall war sich Anke nicht so sicher.

*

Der Stall lag am Rande von Saarbrücken im Stadtteil Gersweiler. Es war eine große Reitanlage direkt am Stadtwald mit zwei Reithallen und einem großen Außenplatz. Als Anke vorfuhr, sah sie, dass großer Betrieb auf dem Reitplatz herrschte. Viele Reiter gaben zusammen mit ihren Pferden ein sehr lebendiges Bild ab. Einige Pferde bewegten sich sehr gelassen und zufrieden und erhielten ständig Lob von ihren Reitern. Andere Reiter hingegen wirkten so, als müssten sie ständig gegen ihr Pferd ankämpfen, wodurch Reiter und Pferd äußerst verkrampft aussahen. Ständig nörgelten sie an den Pferden herum, die darauf wiederum nur noch widerspenstiger reagierten, was manchmal ausgesprochen lustig wirkte.

Anke tauchte in eine andere Welt, wenn sie Wiehern hörte und den Duft von Ammoniak roch. Manche lästerten von Gestank, andere sogen diesen Geruch ein und empfanden ihn als eine Wohltat für die Nase. So auch Anke. Sie baute sich hier eine heile Welt auf, in der sie eine Sprache lernte, die meilenweit von dem formalen, trockenen Amtsdeutsch entfernt war, zu dem sie ihr Beruf verpflichtete. Wer wusste schon, was beim Striegeln, Trensen oder Satteln zu tun war, was Schenkelweichen, am Zügel gehen oder in einer Abteilung reiten bedeutete. Das sollte auch so bleiben, und Anke würde sich nie verpflichtet fühlen, diese Dinge einem Außenstehenden zu erläutern. Die vielen neuen Wörter waren wie die geheimen Pforten, die sich früher nur in Märchen für sie geöffnet hatten. Jetzt konnte sie ganz für sich mit diesen Wörtern den Zugang zu ihrem Reiten ermöglichen. Sie befanden sich in ihrem Besitz und waren dort wohl verwahrt. Und sie schafften auch neue Beziehungen zu den anderen Reitern in dem bunten Karussell von Ablehnung und Freundschaft, von Neid und Vertrauen, das sich mit vielen Überraschungen drehte und immer wieder mit neuem Leben füllte. Genau wie im Dienst, kam es ihr in den Sinn, nur mit anderen Vorzeichen. Hier konnte sie sich jederzeit zurückziehen und sich schützen. Ihren Dienst verrichtete sie mit zuversichtlichem Ehrgeiz; hier konnte sie die vielen Vorschriften vergessen.

Kaum war sie aus ihrem Auto ausgestiegen, wurde sie von einem lustigen kleinen Hund begrüßt, der so begeistert an ihren Beinen hochsprang, als hätte er sie schon lange vermisst. Anke kannte den kleinen schwarz-weiß gescheckten Jack-Russel-Terrier; es war Rambo, einer von Susannes Hunden, der Reitlehrerin.

Nach dieser wilden Begrüßung ging sie zielstrebig auf die Stallungen zu. Die Fenster der Pferdeboxen waren alle geöffnet, und neugierige Köpfe schauten heraus. Erwartungsvoll rief sie Rondos Namen. Rondo war der Fuchswallach, den sie in den Schulstunden ritt. Das große Pferd reagierte tatsächlich mit einem leisen Brummeln auf ihre Stimme. Glücklich ging sie auf ihn zu und begrüßte ihn mit Leckerli und Möhren, die sie immer bei sich trug, wenn sie zum Stall fuhr. Aufgeregt betrat sie die Stallgasse, um das Pferd aus der Box heraus auf die Anbindestelle vor dem Stall zu führen, als sie erschrocken zurückweichen musste. Peter Biehler, Besitzer zweier großer Turnierpferde, kam mit seinem Schimmelwallach gerade aus der Stallgasse heraus und führte das Pferd rücksichtslos an ihr vorbei, so dass Anke Mühe hatte, sich nicht von dem riesengroßen Pferd auf die Füße treten zu lassen.

»Kannst du mich nicht vorwarnen?«, rief sie empört, doch Peter tat so, als hörte er nichts. Verärgert schüttelte Anke den Kopf. Sie kannte Peter Biehler zufällig dienstlich, denn er war bei der Verkehrspolizei beschäftigt. Mit dieser Dienststelle kam Anke selten in Berührung, was sie gerade in diesem Moment als großes Glück empfand. »Benimmst du dich auf deiner Dienststelle genauso unverschämt?«, fragte sie, erhielt aber keine Antwort von Peter Biehler.

»Du kennst doch die Wohlverhaltenspflicht der Polizei, die sich auf unser Verhalten im Privatbereich bezieht? Das betrifft auch dich«, fügte sie noch erboster an, als plötzlich ein Reiter aus der dunklen Stallgasse auf sie zutrat und meinte: »Stör dich nicht daran, Peter ist unverbesserlich.«

Erstaunt schaute sie zu ihm hinauf und sah in das sympathische Gesicht eines Mannes, den sie noch nicht kannte. Er hatte hellblonde Haare und so strahlend blaue Augen, dass sie es sogar in der dunklen Stallgasse deutlich erkennen konnte. Sein Lächeln wirkte hypnotisierend auf sie, sodass Anke sofort ihre Wut auf Peter Biehler vergaß.

»Ich bin Robert.«

Als Rondo begann, mit den Hufen gegen die Boxenwand zu schlagen, ging Anke zu ihm in die Box, zog ihm das Halfter über den Kopf und führte ihn damit aus der Stallgasse zum Anbindeplatz, der in der wärmenden Frühlingssonne lag.

»Ich habe dir schon einige Male beim Reiten zugesehen und erkannt, dass du Talent hast«, folgte Robert ihr. Anke fühlte sich sehr geschmeichelt. Außerdem gefiel ihr Robert. Sein Lachen wirkte so ansteckend und seine ruhige Stimme so aufrichtig. Sie hegte keinen Zweifel an seinen Worten.

Als sie Rondo auf den Reitplatz führte, spürte sie großes Unbehagen, das sich auch sofort auf den sonst so ruhigen Wallach übertrug. Immerhin war es das erste Mal, dass sie draußen reiten sollte. Dort fehlte ihr einfach der vermeintliche Schutz der Halle, der ihr das Gefühl gab, dass das Pferd nicht weit laufen konnte. Aber hier auf dem Reitplatz, der von keiner Seite abgesperrt war, sah alles ganz anders aus. Wenn ihr hier das Pferd einfach durchgehen sollte, konnte es mit ihr hinlaufen, wohin es wollte, falls sie nicht schon vorher auf den harten Boden gefallen wäre. Den ganzen Tag hatte sie sich unbändig auf die erste Stunde im Freien gefreut, doch als sie sah, wie rücksichtslos Peter Biehler über den Platz galoppierte, ahnte sie, dass es eine schwere Herausforderung für sie werden würde, unter diesen Bedingungen auf dem Reitplatz zu reiten.

Sie stieg in den Sattel.

Wie ein Wilder jagte Peter Biehler seinen Schimmel über den großen Reitplatz, als gäbe es keine Bahnregeln. Einige Hindernisse standen auf dem Platz, über die er sprang, ohne vorher darauf aufmerksam zu machen. Er zwang die übrigen Reiter selbst zu erahnen, was er als nächstes vorhätte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Am Rand des Reitplatzes stand Peters Frau Sybille. Ihre strohblonden, dauergewellten Haare schimmerten grell in der Sonne und ständig feuerte sie ihren Mann mit schrillen Rufen an. Als Anke in ihre Nähe kam, hörte sie: »Toll, mein Schatz. Das hast du wunderbar gemacht.«

Das Einzige, was Anke von Peter Biehler wahrnahm, war, dass er Helmut Keller, einem Turnierreiter, in die Quere geritten war, so dass dieser sein Pferd hastig herumreißen musste, um nicht mit Peters Schimmel zusammenzustoßen. Helmut Keller fiel Anke gelegentlich auf, wie er gekonnt seine Pferde trainierte. Seine reiterlichen Fähigkeiten waren in ihren Augen bewundernswert. Insgeheim wünschte Anke sich, wie Helmut Keller auf dem Pferd sitzen zu können. Gerne schaute sie ihm beim Reiten zu, weil sie glaubte, allein vom Zugucken eine Menge von ihm lernen zu können.

»Du Idiot!«, schrie Helmut Keller wütend, womit er Anke ganz unsanft aus ihren Gedanken riss. »Auf dem Außenplatz gelten dieselben Bahnregeln wie in der Halle. Aber wahrscheinlich kennst du die noch gar nicht.«

Peter Biehler lachte nur gehässig und galoppierte gerade zum Trotz noch einmal besonders dicht an Helmut Kellers Pferd vorbei.

»Du kannst wohl nicht anders: immer nur Scheiße bauen und anderen in die Quere reiten?«

»Das musst du gerade sagen. Wer hat denn hier die große Scheiße gebaut?«, lachte Peter Biehler so zynisch, dass es Anke eiskalt den Rücken herunter lief. Boshaftigkeit schwang in seinem Tonfall mit.

»Glaub nicht, dass du mir drohen kannst«, erwiderte Helmut Keller nicht weniger feindselig, doch Peter Biehler lachte nur überheblich, erwiderte nichts mehr.

Vorsichtig ritt Anke im Schritt ganz am Rand des Platzes entlang, um sich von diesen beiden Streithähnen fernzuhalten. Aber schon nach kurzer Zeit rief die Reitlehrerin Anke zu sich und meinte, dass sie sich der Abteilung anschließen sollte, weil sie ihre Reitschüler nicht korrigieren könnte, wenn sie alle durcheinander ritten. Anke nickte und ritt los.

Völlig konzentriert begann Anke mit den Übungen, die die Reitlehrerin ihr auftrug. Die Rittigkeit des Pferdes zu erlangen, war das Grundprinzip des Reitens, was nur durch gymnastizierende Übungen, wie Schenkelweichen oder Tempowechsel zu erreichen war. Anke spürte, dass ihre Arbeit Erfolg hatte, weil Rondos verkrampfter Rücken sich entspannte. Er begann zufrieden an seinem Gebiss zu kauen, das direkt mit den Zügeln verbunden war, die Anke in beiden Händen hielt und mit denen sie ihre Paraden gab, von denen die Reitlehrerin immer wieder sprach.

Doch plötzlich sah sie ganz dicht vor ihrem Pferd den großen Schimmel von Peter Biehler, der gerade im Begriff war, das Hindernis anzureiten, das in der Mitte der Bahn stand. Er war direkt vor ihr abgebogen, so dass er ihrem Pferd den Weg abschnitt. Rondo erschrak so sehr, dass er zuerst einen heftigen Satz zur Seite machte und anschließend wilde Bocksprünge veranstaltete. Lange Zeit gelang es Anke, sich im Sattel zu halten, doch dann ließ die Kraft nach und mit aller Wucht fiel sie zu Boden.

Zuerst sah sie nichts mehr, ihr war schwarz vor den Augen. Dann glaubte sie, ersticken zu müssen. Sie bekam keine Luft mehr. Nach Atem ringend wälzte sie sich im Sand, bis Robert zu ihr gelaufen kam, sie auf den Rücken legte und sie in dieser Stellung auf den Boden lagerte.

»Ganz ruhig, Anke. Bleib so liegen, die Luft kommt wieder«, sprach er auf sie ein.

Er hatte Recht. Plötzlich war der Krampf verschwunden. Gierig atmete Anke ein.

»Mein Gott, was war das?«, fragte sie, als sie endlich wieder sprechen konnte.

»Das war einfach nur eine Verkrampfung der Brustmuskulatur. Das passiert schon mal bei einem heftigen Sturz. Da bist du keine Ausnahme. Hoffentlich ist sonst nichts passiert«, erklärte Robert mit seiner ruhigen Stimme, die Anke so angenehm empfand.

Er half ihr beim Aufstehen und beobachtete sie aufmerksam, um erkennen zu können, ob sie sich irgendeine Verletzung an den Knochen zugezogen hatte. Dankend lächelte Anke ihn an und versicherte ihm, dass es ihr gut ging. Erst als er diese Gewissheit hatte, entfernte er sich einige Meter von ihr, weil er der Reitlehrerin Platz machen wollte, die auf die beiden zukam. Genau in diesem Augenblick kam Peter von hinten auf Robert zugeritten und rief mit einer überlauten Stimme: »Verschwinde vom Platz, du Erbschleicher. Du störst hier.«

Verwirrt schaute Anke auf Peter, dessen Gesicht hasserfüllt war. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Legte Peter sich hier im Stall mit jedem an, koste es, was es wolle?

Über diese Frage konnte sie jedoch nicht lange nachdenken, weil die Reitlehrerin sich zu ihr gesellte. Sie führte Rondo neben sich her, der ganz geduldig aussah, als wäre nichts geschehen.

Erleichtert nahm Anke Rondos Zügel in die Hand und stieg wieder in den Sattel. Deutlich spürte sie, dass ihre Unsicherheit noch größer geworden war, aber die Reitlehrerin hatte ihr immer wieder geraten, nach einem Sturz schnell wieder aufzusteigen, weil man nur so das angsterregende Erlebnis des Sturzes vergessen könnte.

»Rondo hat sich wirklich erschreckt«, erklärte die Reitlehrerin. »Ich habe Peter zwar angehalten, sich wenigstens während der Reitstunden an die Bahnregeln zu halten, aber es hat nichts genutzt. Die anderen Reitschüler und ich haben beschlossen, in die Halle auszuweichen.«

Diese Idee fand Anke klasse. Sie sah gerade, wie Peter wieder einem Reiter gnadenlos in den Weg ritt und diesen anschrie: »Du hast wohl schon wieder so viel gesoffen, dass du nicht mehr klar sehen kannst.« Der Mann tat so, als habe er nichts gehört und ritt unbeirrt weiter. Doch damit gab Peter sich nicht zufrieden. Wütend fügte er an: »Vergiss nicht, ich bin bei der Verkehrspolizei. Das, was du säufst, reicht locker für den Führerschein. Ein Anruf genügt.«

Nun brachte der Mann sein Pferd zum Halten, schaute auf Peter Biehler und fragte ihn: »Willst du mir drohen? Das kann ich auch. Ich habe schon herausbekommen, wer dein Chef ist und glaube mir, noch so eine Bemerkung und ich werde deinem Chef mal einen Bericht erstatten, wie du dich als Bulle hier im Reitstall aufführst. Das hat Folgen.«

Diese Drohung überhörte Biehler. Unverdrossen ritt er das nächste Hindernis an.

»Ist er das Hindernis überhaupt gesprungen, für das ich vom Pferd fallen musste?«, interessierte sich Anke nun, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass Biehler sich ausnahmslos mit jedem im Stall anlegte.

»Nein! Es war das Übliche, das Pferd hat verweigert«, lachte Robert. »Jetzt meint er, dass du daran schuld bist.«

»Klar, Biehler braucht jemanden, dem er die Schuld geben kann.«

»Weißt du, bei Leuten, deren Ansprüche von ihren Fähigkeiten sehr weit entfernt sind, fällt mir oft auf, dass sie anderen die Schuld für ihr Versagen zuweisen wollen«, stimmte Robert zu.

Wieder ritt Peter den hohen Oxer an, gab seinem Pferd ordentlich die Sporen und sprang los. Zu Ankes Belustigung sprang Peter alleine, ohne sein Pferd. Der Schimmel schien schlauer als sein Reiter zu sein, denn er blieb vor dem Hindernis stehen und schaute seinem Reiter zu, wie er mit Wucht in die vielen Stangen donnerte und mit einem lauten Krachen auf dem Boden aufschlug.

Anke konnte sich ihr Lachen einfach nicht verkneifen. Das geschieht ihm gerade recht, dachte sie.

Obwohl sie noch nicht sehr viel vom Reiten verstand, erkannte sie ganz deutlich, dass Biehler kein Gefühl für Pferde hatte. Das Einzige, was er bereits besaß, war eine plumpe Überheblichkeit, die er nicht nur hier zeigte. Auf seiner Dienststelle verhielt er sich genauso. Von ihrem Kollegen Bernhard Diez erfuhr Anke regelmäßig, wie schwierig es war, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Sie ritt durch das Hallentor und fand Anschluss an ihre Abteilung. Durch den Sturz fühlte Anke sich etwas mulmig, aber sie ritt mutig die Stunde zu Ende.

Spät am Abend schlenderte sie gemeinsam mit Robert zum Parkplatz, wo nur noch zwei Autos standen. Neben Roberts silbergrauem Mercedes-Geländewagen ML 500 wirkte Ankes alter Polo noch kleiner als sonst.

»Am Sonntag reitet Peter Biehler auf dem Turnier in St. Arnual. Was hältst du davon, wenn wir dort zuschauen? Es wird bestimmt ganz lustig«, schlug Robert zum Abschied vor.

Als Anke Biehlers Namen hörte, erinnerte sie sich wieder daran, wie er sich auf dem Reitplatz aufgeführt hatte. Nun konnte sie nicht mehr umhin, Robert zu fragen: »Was meinte Peter eigentlich mit der Bemerkung Erbschleicher

»Das ist eine lange Geschichte, die ich dir am Sonntag erzählen werde«, schlug Robert verschmitzt vor, so dass Anke der Verabredung zum Turnier zustimmen musste. Außerdem wollte sie wirklich wissen, wie Biehler sich auf einem Turnier schlagen wollte, wenn er es noch nicht einmal im Training schaffte, über einen Oxer zu springen.

Kullmann jagt einen Polizistenmörder

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