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Kapitel 2

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Antonia

Ein Duft gemischt aus Rosen und Vanille dringt in meine Nase. Ich habe den Badezusatz so großzügig in die Wanne gegossen, dass der Schaum einen riesigen Berg bildet. Gähnend reibe ich mir über meinen verspannten Nacken. Wie gut mir dieses heiße Bad gleich bekommen wird. Ich arbeite so viel und habe mir diese kleine Erholung mehr als verdient. Langsam hebe ich ein Bein über den Wannenrand. Der Schaum kitzelt an meinen Zehen und ein Seufzer der Wonne kommt mir über die Lippen, als meine Zehen das heiße Wasser berühren. Noch bevor ich den ganzen Fuß eintauchen kann, dringt jedoch der Klingelton meines Handys in meine Ohren. Ich hätte dieses blöde Ding tatsächlich auf lautlos stellen sollen. Aber für einen dringenden Fall muss ich immer erreichbar sein. Selbst wenn es wie jetzt nach 22 Uhr ist.

Brummend ziehe ich meinen Fuß zurück, greife nach meiner Hose auf dem Fußboden und krame in der Tasche nach meinem Smartphone. Warum habe ich mich gleich im Bad ausgezogen?

Der Name meines Kollegen, der gleichzeitig ein guter Freund ist, erscheint auf dem Display. »Doll, wenn du jetzt nicht wirklich wichtige Nachrichten hast, bringe ich dich um.«

»Es tut mir leid, dich zu stören, aber wir haben einen neuen Fall. Eine junge Frau wurde erstochen in der Villa ihrer Eltern aufgefunden. Ich bin schon unterwegs dorthin.«

Tief atme ich ein und wieder aus. Das heiße Bad wird warten müssen. »Ich mache mich auch gleich auf den Weg.« Doll gibt mir noch die Adresse und ich lasse schweren Herzens das Wasser aus der Wanne. Es ist mir aber auch nichts vergönnt.

In einen warmen Pullover, dunkle Jeans und einen dicken Mantel gekleidet fahre ich zu der besagten Villa. Eisiger Wind peitscht mir ins Gesicht, als ich aus meinem Auto steige. Das kreisende Blaulicht des Streifenwagens vor mir blendet mich immer wieder und zieht aufmerksame Blicke auf sich. Egal, wie sehr sich die Leute hinter den Fensterscheiben bemühen, nicht aufzufallen, ich kann sie sehen. Wenn sie unauffällig gaffen wöllten, dann dürften sie kein Licht einschalten. Doch so durchflutet es sämtliche Häuser in einer der teuersten Wohngegenden New Yorks.

Ich vergrabe mein Kinn in meinem dicken Wollschal, ziehe die Mütze weit über mein langes schwarzes Haar und laufe zum Anwesen der Familie Stone. Ein weitläufiges Gelände, umrahmt von einem edel verzierten Eisenzaun erstreckt sich vor mir. Schneebedeckte, große Bäume und Sträucher stehen rechts und links neben dem gepflasterten Weg, der zu dem riesigen Altbau mit Erker führt.

Die Kälte lässt mich trotz meiner dicken Jacke zittern. Wir Italiener sind einfach nicht für den Winter gemacht. Etwas Gutes hat die kühle Luft jedoch, ich bin schlagartig hellwach.

Für einen kurzen Moment hallen Mutters Worte in meinen Ohren nach, als ich ihr gesagt habe, ich wolle Polizistin werden. Bist du dir sicher? Das ist gefährlich! Ein Polizist kennt keinen richtigen Feierabend! Willst du dir das wirklich antun?

Und wie ich das gewollt habe und noch immer will. Ich liebe meinen Job, auch wenn er mich oftmals an meine Grenzen treibt. Aber hier habe ich das Gefühl, etwas zu bewegen, etwas zu erreichen. Ich könnte niemals im Café meines Vaters arbeiten und seelenruhig dabei zusehen, wie so viele üble Menschen ihr Unwesen in der Stadt treiben. Vielleicht ist es auch eine alte Schuld, die ich durch meine Arbeit so fieberhaft zu begleichen versuche.

Ich laufe den breiten Weg zum Haus entlang. Der größte Teil ist vom Schnee befreit worden, doch der Wind kennt keine Gnade und weht ihn zurück. Leise knirscht er unter meinen dicken Stiefeln. Ich kann dem Winter zwar nicht viel abgewinnen, aber dieses Geräusch mag ich sehr. Es verstummt erst, als ich den überdachten Vorbau des Hauses erreiche.

Mein Blick fällt auf die Haustür, die nur leicht angelehnt ist. Die vier Marmorstufen zum Eingang sind so glatt, dass ich beinahe darauf ausgerutscht wäre. Innerlich fluchend lenke ich meinen Blick auf das kleine Gerät, welches sich rechts neben der Tür befindet. Anstelle eines Schlüssels braucht man hier einen Zahlencode, um die Haustür zu öffnen. Viele Leute in dieser Nachbarschaft haben eine solche Alarmanlage. Die Einwohner sind sehr reich und haben schon mehrmals Einbruchdiebstähle gemeldet.

Langsam trete ich in den Vorraum ein und sehe mich um. An einem der goldfarbenen Haken rechts an der Wand hängt ein weißer Pelzmantel. Instinktiv schüttle ich den Kopf. Ich habe noch nie verstehen können, wie ein Mensch ein Tier töten kann, um aus ihm ein Kleidungsstück zu machen. Im Laufe der Jahre habe ich ein ziemlich gutes Auge für Pelze entwickelt, und dieser ist definitiv echt.

Ich lasse meinen Blick weiter zu der Kommode schweifen, die genau wie der Schuhschrank aus Mahagoni ist. Davor liegt ein gewebter Teppich, der mir alles andere als billig erscheint. Was muss diese Familie doch für ein Streben nach Statussymbolen haben, dass sie ihren Reichtum gleich im Vorraum derart zur Schau stellt?

Unentwegt schüttle ich den Kopf, da entdecke ich in der Ecke neben der Kommode ein Paar abgetragene schwarze Turnschuhe. Sie passen so gar nicht in dieses Bild von Prestige.

Durch einen Holztorbogen gelange ich in den Flur und vernehme ein Stimmengewirr. Ich laufe den Gang an der breiten Treppe vorbei bis zur nächsten offen stehenden Tür. Dort angekommen, ist das Erste, was ich zu sehen bekomme, die breite Statur meines Partners Benedict Dollmann, den wir alle nur Doll nennen. Mit verschränkten Armen steht er vor einer ausladenden Polstergarnitur. Seine Stirn ist von tiefen Furchen durchzogen, als er sich zu mir umdreht. Mit seiner Glatze und der dunklen Bikerjacke wirkt er auf den ersten Blick nicht unbedingt wie ein Cop. Zudem ist seine Miene stets grimmig, seine Haltung immerzu angespannt. Auch seine beachtliche Größe und Statur lassen ihn bedrohlich wirken. Dabei ist Doll ein liebender Ehemann und Vater zweier Teenager, für die er alles tun würde.

Nach und nach nehme ich die anderen Personen im Raum in Augenschein. Eine völlig aufgelöste Frau sitzt gemeinsam mit dem Notarzt auf der Couch. Sicher ist sie die Mutter des Opfers. Sie wirkt, als wäre sie gerade von einer Gala gekommen. Ihr lachsfarbenes Kleid scheint aus reiner Seide zu sein, ihre dunkelbraunen Haare sind zu einer aufwendigen Frisur hochgesteckt worden. Der Goldschmuck um ihren Hals und an ihren Ohrläppchen ist mit Rubinen versetzt.

Ich wende für einen Moment den Blick von ihr ab und sehe durch den Raum. Der antike Einrichtungsstil scheint sich durch die komplette Villa zu ziehen. Dunkle massive Möbel kombiniert mit edel gewebten Teppichen, teuren Vasen und einem großen Kamin.

Vorsichtig trete ich näher an die Frau heran, nachdem ich mir einen ersten Eindruck des Raumes verschafft habe. Der Notarzt hebt seinen Blick, aber die Frau starrt geistesabwesend zu Boden. Ihre Hände krallen sich fest in das Taschentuch, ihr ganzer Körper zittert, einige Spangen in ihrem Haar haben sich gelöst und lassen einzelne Strähnen abstehen.

Als ich neben Doll trete, deutet er mit einer Hand auf mich. »Mrs. Stone, das ist meine Kollegin Detective Verdella.«

»Was wissen wir bereits?«, frage ich.

»Das Opfer heißt Luisa Stone. Sie wurde mit einem Brieföffner erstochen.«

Meine Augen gleiten über die aufgelöste Mutter.

»Sie hat sie umgebracht«, wimmert sie kaum verständlich und ohne mich wahrzunehmen.

»Von wem reden Sie?«

Sie hebt ihren Kopf. Mein Herz wiegt schwer, als ich in ihr Gesicht sehe. Tränen stehen in ihren braunen Augen, die leicht gerötet und aufgequollen sind. Ihre Haut ist kreidebleich, die Wimperntusche durch das viele Weinen völlig verwischt, sodass sie ihre Augen mit dunklen Schatten umrahmt. »Linda.« Sie spuckt den Namen aus, als würde sie vom Teufel sprechen.

»Können Sie uns sagen, was genau passiert ist?«

»Sie hat sie umgebracht«, wiederholt sie mit bebender Stimme. Ihr Blick irrt hin und her, das Zittern wird noch stärker. Beklemmend fasst sie sich an die Brust. »Mein armes Kind. Zuerst hat sie sie erstochen und dann ist sie geflohen.«

Der Notarzt legt eine Hand auf ihre Schulter und sieht mich besorgt an. »Mrs. Stone steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Wir sollten sie sofort in ein Krankenhaus bringen.«

Doll sieht mich resigniert an. »Ich glaube, wir kommen an dieser Stelle sowieso nicht weiter. Wir sollten uns lieber den Tatort ansehen.«

Ich nicke ihm zu und mache einen Schritt zur Seite, um dem Notarzt den nötigen Platz zu geben. Nur durch seine Hilfe gelingt es Mrs. Stone, sich von der Couch zu erheben. Ihr Blick ist völlig verloren und ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt weiß, wo sie gerade ist. Als sie direkt vor mir steht, steigt mir ihr blumiges Parfum in die Nase. Viele verschiedene Duftkomponenten treffen meine Sinne und der Geruch ist so intensiv, dass er ein leichtes Kratzen in meinem Hals auslöst. Wie ich es doch hasse, wenn sich jemand derart in Duftwasser tränkt.

Naserümpfend sehe ich der Frau hinterher. Barfuß, die Beine nur in eine Feinstrumpfhose gehüllt, läuft sie über den grauen Marmorboden. Bei diesem Anblick muss ich kurz zittern. Ich lobe mir in dieser Jahreszeit meine warmen Stiefel.

Ich trete neben Doll hinaus in den Flur. Ein Streifenpolizist nimmt den weißen Pelzmantel von der Garderobe und legt ihn über die Schultern von Mrs. Stone. Sie schlüpft noch in die weißen Pumps vor dem Schuhschrank, ehe sie mit dem Notarzt das Haus verlässt.

Ihr gilt mein tiefstes Mitgefühl, denn ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Das habe auch ich bereits am eigenen Leib erfahren müssen. Das Leben meines Kindes ist bereits vorbei gewesen, bevor es begonnen hat.

Und wieder sind sie da, die schmerzhaften Erinnerungen an meine Totgeburt. Krampfhaft versuche ich mich von diesem Gedanken loszureißen und mich auf den Fall zu konzentrieren. Ich darf mich nicht in den Abgrund ziehen lassen, nicht schon wieder. »Wo ist der Mord passiert?«, frage ich Doll.

Er deutet mit einem Nicken zur Treppe. »Oben im Arbeitszimmer.«

Ich folge ihm die breite Echtholztreppe mit weinrotem Teppichbelag hinauf. Die wertvollen Ölgemälde mit Goldrahmen an der Wand ziehen dabei meine Blicke auf sich. Was bereits im Vorraum begonnen hat, scheint sich wahrhaftig durch das ganze Haus zu ziehen. Bei dem eindeutigen Reichtum kommt mir sofort ein Gedanke: Raubmord.

Sowie Doll und ich das Arbeitszimmer betreten und ich das Opfer sehe, bleibt mir für einen Moment die Luft weg. Die junge Frau liegt rücklings neben dem Schreibtisch am Boden, in ihrer eigenen Blutlache. Die hellgrüne Bluse ist dabei völlig von ihrem Blut durchtränkt. Mein Herz rast, als ich mich ihr nähere. Nach so vielen Leichen, die ich schon gesehen habe, sollte man meinen, es würde mir eines Tages nichts mehr ausmachen. Aber das tut es. Vor allem, wenn das Opfer ein junger Mensch ist, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte.

»Hat die Mutter einen Einbruch erwähnt?«, frage ich.

»Vor deiner Ankunft hat sie nicht viel mehr erzählt als danach. Alles, was wir wissen, ist, dass Luisa mit diesem Ding erstochen wurde.« Doll deutet mit einer Hand auf den massiven Brieföffner neben der Leiche.

Ich nicke stumm, während ich erneut auf das Mädchen sehe. »Mein Gott«, wispere ich und hocke mich neben sie. »Sie kann nicht viel älter als zwanzig sein.«

»Fünfundzwanzig, um genau zu sein«, antwortet mir Doll. »Sie stand kurz vor dem Abschluss ihres Psychologiestudiums. So viel war aus der Mutter herauszubekommen.«

Meine Augen gleiten über ihren schlanken Körper. Luisa war eine ausgesprochen hübsche junge Frau. Ihr langes blondes Haar ist ordentlich gestutzt, die Fingernägel frisch lackiert. Sie hat ganz klar großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt. Und nun liegt sie tot am Boden, die Mordwaffe direkt neben ihrem rechten Arm. Nur wenige Meter davon entfernt liegen die Scherben einer zerbrochenen Vase. Ansonsten wirkt das Zimmer sehr aufgeräumt, peinlich sauber, könnte man sogar sagen. Die Akten auf dem Schreibtisch sind ordentlich übereinandergestapelt, die Stifte stecken alle in einem Behälter. Locher, Tacker und Büroklammern stehen neben dem Monitor in Reih und Glied. Dieses Arbeitszimmer ist das komplette Gegenteil von meinem. Mein Schreibtisch ist das reinste Chaos. Egal, wie oft ich versuche, Ordnung zu schaffen, nicht einmal eine Woche später ist wieder alles durcheinander.

»Die Familie scheint einen großen Wert auf Ordnung zu legen«, stellt Doll fest, während ich mich langsam wieder erhebe.

»Wohl eher die Reinigungskraft. Wer so viel Geld hat, putzt nicht selbst.«

Doll bleibt vor einem kleinen, massiven Schrank auf der linken Seite stehen. »Da hast du allerdings recht.«

Ich laufe auf ihn zu und werfe einen Blick in den offen stehenden Safe. Er ist nicht leergeräumt, einige Geldscheine befinden sich noch darin. »Womöglich ein missglückter Einbruch?«

Mit verzogenem Mund beäugt Doll die noch mindestens verbliebenen 5.000 Dollar im Safe und wirft mir einen skeptischen Blick zu.

»Vielleicht wurde der Täter gestört, und das Geld liegt deswegen noch hier«, füge ich meiner Theorie bei.

Doll zuckt mit den Schultern. »Wir werden die Familie fragen, wie viel Geld sich vorher in dem Safe befunden hat. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Einbrecher nur einen Teil mitgenommen hätte. Wenn es wirklich ein Einbruch war, ist der Täter wohl leer ausgegangen. Außer es fehlen irgendwelche anderen Wertsachen.«

Stumm nickend laufe ich weiter durch den Raum und sehe mir jeden Winkel an. Aber außer akkurat eingeräumte Regale, ohne das kleinste Staubkorn, eine hüfthohe teure Vase neben dem Fenster und irgendeine hässliche Skulptur auf der anderen Seite gibt es nicht viel zu sehen.

Als ich meine Runde beendet habe, bleibe ich vor der breiten Flügeltür auf der rechten Seite stehen. Sowie ich diese öffne, befinde ich mich vor dem Schlafzimmer.

»Sehr praktisch«, ruft Doll mir vom Safe aus zu. »Da kann man nach einem langen Arbeitstag gleich ins Bett fallen.«

Ich lasse meinen Blick über das riesige Himmelbett schweifen, das aus einem Märchen zu sein scheint. Unzählige dicke Kissen stapeln sich am Kopfende, die Tagesdecke ist mit einem goldfarbenen Saum versehen. Dazu noch die antiken, hohen Schränke mit den goldenen Griffen, und ich fühle mich wie in das Zimmer einer Prinzessin versetzt.

»Oh mein Gott, wie kitschig«, spuckt Doll aus, als er plötzlich hinter mir steht. »Wie kann Mr. Stone hier schlafen?«

Ich schüttle den Kopf, als ich den großen Schminktisch links in der Ecke entdecke. Dieses Zimmer ist an Plunder kaum noch zu übertreffen. »Die Frage lautet wohl eher: Wie kann hier überhaupt jemand schlafen?«

»Lass uns aufs Revier fahren, bevor ich Augenkrebs bekomme.« Doll stürmt bereits zur Tür, während ich dem Raum einen letzten abwertenden Blick gönne. Wie kann man sich, umgeben von so viel Kitsch, nur wohlfühlen?

Between Love and Law

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