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1. Verloren in White Lake

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»Elli!«

Da war es schon wieder. Meine Mutter brüllte aus voller Kehle meinen Namen: wie eine Frau, die in einem brennenden Haus gefangen ist. Sie schrie so laut, dass ich sie trotz des dröhnenden Rasenmähers hören konnte, den ich lustlos vor mir her schob. Ihre Stimme kam aus dem Büro unseres Motels in White Lake im Staat New York, einem winzigen Kaff am Ufer des gleichnamigen Sees in den Catskill Mountains. Ich drehte mich um und prüfte, ob Flammen oder aufsteigender Rauch zu sehen waren. Natürlich nicht. Die Krise war vermutlich nicht lebensbedrohlicher als ein tropfender Wasserhahn.

»Eliyahu!!!« Jetzt rief sie mich bei meinem vollen Namen, um mir zu verdeutlichen, wie ernst die Lage war. »Komm sofort her! Deine arme Mama braucht dich!« Ihre Stimme klang so schneidend wie ein scharfes Messer.

Ich schaltete den rostigen alten Rasenmäher ab und ging zum Büro hinüber. Meine Mutter stand hinter dem Empfangstresen, vor ihr ein Mann in rotem Hemd, senfgelben Bermudashorts, Kniestrümpfen und einem kleinen Hut auf dem kahlen Kopf. Er wirkte so aufgebracht, dass die Wut förmlich von seinem Rücken abstrahlte.

»Was gibts für ein Problem, Ma?«

»Dieser Gentleman mit dem schicken Cadillac will sein Geld zurück«, sagte sie, während sie mit der rechten Hand die Luft zerhackte und sie sich dann auf die Brust legte, als bekäme sie gleich einen Herzinfarkt. »Ich habe ihm aber gesagt ›Keine Rückerstattung‹. Ich bin nicht von Minsk in Russland durch sechs Meter hohe Schneewehen mit kalten Kartoffeln in der Tasche und den Soldaten des Zaren auf meinen Fersen geflüchtet, um diesem feinen Herrn da, der sich über meine Laken beschwert, das Geld für sein Zimmer zurückzuzahlen.«

»Die Laken sind aber schmutzig«, sagte der Mann, bemüht, seine Wut im Zaum zu halten. »Und ich habe ... Schamhaare im Bett gefunden, Herrgott noch mal. Das Telefon funktioniert nicht und es gibt keine Klimaanlage – nur einen Plastikkasten im Fenster.«

Er hatte natürlich mit allem recht. Jahrelang besaßen wir keine Waschmaschine, und mein Vater, der im Motel das Mädchen für alles war, trug die Laken zum Waschen hinunter in den Keller, wo er sie alle auf einen Haufen legte, etwas Waschmittel darüber kippte und sie dann mit dem Gartenschlauch abspritzte. Manchmal verzichtete er auch auf das Waschmittel. Anschließend hängten wir die Laken auf dem sumpfigen Grundstück hinter dem Motel zum Trocknen auf, wo Hunderte von Kiefern standen, die für den besonderen »frischen Tannenduft« sorgen sollten.

Als wir dann endlich doch eine Waschmaschine bekamen, weigerte sich Mama häufig, Waschmittel zu benutzen, um Geld zu sparen. Selbst jetzt noch verzichtete sie meist ganz darauf, die Laken zu waschen, sondern bürstete nur die Haare ab und bügelte die Dinger gleich auf der Matratze.

Das Telefon und die Klimaanlage waren reine Kosmetik. Eines Tages tauchte ein schlecht gelaunter Angestellter von der Telefongesellschaft mit hundert Telefonen und einem alten Schaltbrett auf, vermutlich aus den Vierzigerjahren, das er illegal für 500 Dollar anzuschließen versprach. Meine Mutter – wie immer auf Zack, wenn es um ein Schnäppchen ging – machte ihm ein Gegenangebot.

»Telefonmann, Schatz, glaubst du, ich bin 1914 mit rohen Kartoffeln in der Tasche von Minsk zu Fuß hierher gelaufen, damit du mich mit diesen Telefonen übers Ohr hauen kannst? Alles, was wir zahlen können, sind zwölf Dollar in bar plus ein Dutzend Biere und eine große Portion heißer Eintopf mit Rindfleisch und Kartoffeln.« Dann besiegelte sie den Deal mit den Worten: »Und für das alles – nehmen wir auch alles!«

Der Typ zuckte die Achseln, lud das Gewirr aus Telefonen, Kabeln und Schaltbrett im Büro ab, nahm das Geld und ging einen trinken. Natürlich waren wir ohne seine Hilfe aufgeschmissen und bekamen für unsere zwölf Dollar nur die Illusion einer Telefonanlage. Ich sagte Pop, er solle die Apparate in den Zimmern installieren, was er mit Reißzwecken und Klebeband auch erledigte. Dann besorgten wir ein paar Klimaanlagengehäuse und bauten sie in die Fenster ein. Sobald das erledigt war, stellte ich in den Zimmern und rund um das Motel Schilder auf: »Wir bitten um Ihr Verständnis für die Störung, während wir Telefone und Klimaanlagen installieren – für Ihren Komfort.«

Das waren nur einige der Gründe dafür, dass wir von unseren Kunden sofortige Barzahlung verlangten, noch bevor sie ihr Zimmer zu sehen bekamen, und weshalb ich ein ziemlich verdächtiges Schild auf den Tresen im Büro stellte, auf dem stand: »Nur Barzahlung. Keine Rückerstattung.« Immer wenn ein Gast mit Kreditkarte bezahlen wollte, trat meine Mutter in Aktion.

»Gentleman, hören Sie mal. Ich bin eine alte jüdische Mama, die ein wenig warme Milch für ihre Babys kaufen möchte«, fing sie an. »Ich behalte diese Plastikkarte, bis Sie mir Bargeld von Ihrer Frau bringen.«

Da ich nicht überall gleichzeitig sein konnte, war meine Mutter häufig ganz allein mit potenziellen zahlenden Gästen

– ein Albtraum nicht nur in geschäftlicher, sondern auch in persönlicher Hinsicht, weil immer ich den Ärger am Hals hatte, wenn sie fertig war. Womit ich wieder bei dem Mann wäre, der gerade vor mir stand und aussah, als wolle er uns beide erwürgen.

»Es gibt auch kein Handtuch auf dem Zimmer«, sagte er.

»Oy, jetzt kommt er auch noch mit den Handtüchern an! Wenn Sie ein Handtuch wollen«, sagte Mama, »müssen Sie dafür zahlen. Sie wollen Seife, also zahlen Sie einen Dollar extra. Glauben Sie vielleicht, wir verschenken solche Sachen? Seh ich etwa aus wie Misses Rockefeller?«

»Was für ein Laden ist das hier eigentlich?«, fragte er kopfschüttelnd. »Ich will mein Geld zurück!«

Ich wollte ihm schon sagen, dass sein Geld bereits weg war – dass es in dem Augenblick, als er es meiner Mutter gegeben hatte, in einer Art kosmischer Spalte im Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden war, einem schwarzen Loch, das sich im Büstenhalter meiner Mutter befand. Man konnte nur spekulieren, wo es von dort aus hingelangte, aber ich versuchte, über solche Dinge gar nicht erst nachzudenken. Egal wie viele Gäste wir in einem beliebigen Monat auch haben mochten – selbst in den guten Monaten, von denen es schmerzlich wenige gab –, wir hatten jedenfalls nie das Geld, um die Hypothek und die Stromrechnung zu bezahlen. Dieses mysteriöse Verschwinden des Geldes war ein Teil dessen, was ich den »Teichberg-Fluch« nannte – eine grausame Geißel unse rer Familie, die für unseren schleichenden finanziellen Ruin sorgte. Dieser Fluch war einer der Gründe, warum ich meinen Namen Eliyahu Teichberg in Elliot Tiber änderte, ein lächerlicher und absolut wirkungsloser Versuch, mich von diesem Familienkarma zu lösen. Willkommen in der Motel-Hölle, hätte ich am liebsten zu diesem Mann und auch zu jedem anderen gesagt, der zuhören wollte. Stattdessen ersparte ich ihm all die schmutzigen Details und erklärte einfach nur, welche Regeln in unserem armseligen Motel galten.

»Auf dem Schild da steht ›Keine Rückerstattung‹«, begann ich nüchtern. »Sie zahlen das Geld und bekommen das Zimmer genau so, wie es ist. So läuft das hier.«

Er schlug mit der Hand auf den Tresen und stürmte aus dem Büro.

»Siehst du, Mama, wieder ein zufriedener Gast«, sagte ich, ohne sie anzuschauen. »Solltest du dich je fragen, warum die Leute nicht wiederkommen – da hast du die Antwort.«

»Du brauchst ein Mädchen!«, brüllte meine Mutter. »Wann wirst du mir endlich Enkelkinder schenken?!« Sie folgte mir durch die Vordertür hinaus und zerhackte dabei mit der Hand die Luft, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Elliot! Wo gehst du hin?«

»Ich fahre zum Laden. Wir brauchen Milch«, sagte ich.

Ich stieg in mein schwarzes Buick Cabrio und fuhr auf die Route 17B. Erst als ich unser Motel im Rückspiegel immer kleiner werden sah, atmete ich wieder regelmäßig.

Es war Anfang Juni 1969, und das Wetter war so ziemlich das einzig Gute an White Lake, einem winzigen Teil des kleinen Ortes Bethel, nur 90 Meilen nördlich von New York City. Als wir 1955 zum ersten Mal nach White Lake gekommen waren, gab es in Bethel eine freiwillige Feuerwehr, einen feindseligen Klempner, zwanzig Bars und eine Bevölkerung von ungefähr 2500 Seelen – viele von ihnen waren, wie wir mit der Zeit herausfinden sollten, absolut bigott. In den vierzehn Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte sich nicht viel geändert.

Die Catskills wurden wegen des Rote-Bete-Eintopfs, der Lieblingsspeise vieler osteuropäischer Juden, allgemein als »Borscht Belt« bezeichnet. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts waren immer mehr Juden in die Region gekommen und hatten Hotels, Motels und Ferienhaussiedlungen eröffnet, in die sich Leute mit mittlerem und niedrigem Einkommen – überwiegend New Yorker Juden – vor der Hitze der Stadt flüchten konnten. Später wurden große Hotelanlagen wie Grossinger’s und The Concord gebaut, in denen regelmäßig berühmte Komiker auftraten – Sid Caesar, Danny Kaye, Mel Brooks, Jerry Lewis und viele andere.

Die Eigentümer der Motels, Bungalowsiedlungen und Hotelanlagen schufen Arbeitsplätze, sodass die Region eine lange Zeit florierte – genau genommen bis Mitte der Fünfzigerjahre, als man plötzlich für das gleiche Geld auch eine Reise nach Florida oder Santa Fe bekam. Der Fremdenverkehr in den Catskills ging zurück, und genau zu dieser Zeit kauften meine Eltern unser Motel, das wir El Monaco nannten.

Ende der Sechziger erlebten White Lake und die gesamte Ferienregion der Catskills einen immer rasanteren Abschwung. In ganz Bethel verfielen die Gästehäuser, Motels und alten Hotels im viktorianischen Stil; Veranden verfaulten und Fensterläden hingen aus den Angeln. Viele Bewohner ließen den Efeu an den Wänden ihrer Häuser wachsen, um die abblätternde Farbe und das nackte, verwitterte Holz darunter zu verbergen. Die Bootsanleger in White Lake versanken allmählich im Wasser. Und den sogenannten Resorts ging es auch nicht besser. Irgendwann wurden die Catskills für ihre mysteriösen Brände berühmt, die immer nach dem ersten Dienstag im September ausbrachen, wenn die Feriengäste abgereist waren. Der Fremdenverkehr ging zurück, und im Ort kehrte eine tödliche Stille ein. Da die Geschäfte versiegten, gab es auch keine Jobs mehr; die Leute wurden entlassen und für die Region begannen harte Zeiten. Und wem gab man wohl die Schuld dafür?

Gelegentlich geriet ich mit einem der Einheimischen aneinander, die mit ihrer Geringschätzung gegenüber meinen ethnischen und religiösen Ursprüngen nicht hinter dem Berg hielten. Eines Tages kam ein junger Bursche mit roten Haaren und rotem Pickelgesicht mit seinem Traktor zu unserem Motel gefahren und fragte, ob wir den Rasen gemäht haben wollten. Ehrlich gesagt, ich konnte mir die paar Dollar nicht leisten, die er für den Job haben wollte. Also dankte ich ihm und sagte, das FBI erlaube es nicht, die geheime experimentelle Nuklearvegetation der Regierung abzumähen, die auf unserem Gelände wachse.

Ich versuchte nur freundlich zu sein und ihn zum Lachen zu bringen, aber offenbar begriff er den Witz nicht.

»Du verdammte Judenschwuchtel! Willst du mich verarschen? Ich krieg dich, du schwanzlutschender Jude ... und deine Mutter auch, die Hure!«

Hatte ich etwas Falsches gesagt? Vielleicht war er ein wenig empfindlich, wenn es um geheime Regierungsexperimente ging. Ein paar Stunden später fuhr er mit seinem Traktor in einen unserer Bungalows, den ich zynisch »Präsidentensuite« genannt hatte. Pop ersetzte die ramponierte Holzverkleidung durch ein paar Türen, und wir alle waren uns einig, dass die neue Konstruktion eine deutliche Verbesserung gegenüber der alten war.

Die meisten der Antisemiten und vertriebenen Nazis waren jedoch keineswegs gewalttätig – zumindest nicht bis zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Sommer, als es zu einer Reihe merkwürdiger und überraschender Ereignisse kam. Viele begnügten sich damit, ihr Missfallen über die Existenz unseres Motels und der Familie Teichberg auf eine verschlagenere Art auszudrücken.

Es gab einen Sandwichladen mit Bar in Bethel, in den ich wegen der tollen Parmigiana-Baguettes, die es dort gab, häufig ging. Er wurde von einem Typen namens Bud geführt, der auch als »Joe« bekannt war und mit seinen beiden erwachsenen, strohdummen Söhnen über der Bar wohnte. Eines Nachmittags betrat ich Buds Bar und fand ihn von der örtlichen Intelligenz umringt, alle betrunken und ziemlich durch den Wind. Bud hielt Hof.

»Ich bin gestern nach Ladenschluss bei euch vorbeigefahren«, sagte Bud mit einem dünnen, boshaften Grinsen, »und hab gesehen, wie ziemlich seltsame, große und dicke Frauen aus eurem Motel kamen. Berechnet ihr das eigentlich extra, wenn solche dicken Mädchen diese schmutzigen Sachen in euren Zimmern machen? Die Jungs und ich haben uns gefragt, ob ihr die Laken jemals wieder sauber kriegt, wenn diese Weiber sie benutzt haben. Was mich betrifft, ich würde nie Zimmer an dreckige Lesben vermieten!«

Als Bud diese scharfsinnigen Beobachtungen kundtat, hingen die Jungs über ihren Drinks und kicherten und keuchten wie Hyänen, die darauf warten, dass ihre Beute eine falsche Bewegung macht.

»Zwei lahme Nonnen, Bud«, entgegnete ich. »Die Frauen von gestern Abend wurden beide im Koreakrieg verwundet, während sie sich um unsere Jungs kümmerten. Von Granatwerfern geblendet und fast erblindet, die Armen. Sie trinken, um zu vergessen, was sie durchgemacht haben.« Die Hyänen machten ihre Mäuler zu und starrten mich verdattert an.

»Aber, hey«, fuhr ich fort, »wenn ihr meint, wir sollten solche Heldinnen wie sie in unserer schönen Stadt lieber nicht willkommen heißen, lasst uns bei der nächsten Versammlung der Handelskammer ruhig mal darüber reden.«

Eine seltsame Laune des Schicksals hatte mich zum Vorsitzenden der Handelskammer von Bethel gemacht. Ich war da eingetreten, um die Konjunktur in Bethel im Allgemeinen und im El Monaco im Besonderen anzukurbeln. Und in Anbetracht der Tatsache, dass ich die beste Ausbildung aller anwesenden Mitglieder hatte, die zur Wahl des Vorsitzenden antraten, wurde ich zum Chef der Handelskammer. Wer hätte das gedacht.

Als ich mit geöffnetem Verdeck die Route 17B entlangfuhr, hatte ich das Gefühl, jeden Augenblick könnte einer der freundlichen Einheimischen einen Stein nach mir werfen. Aber derartige Befürchtungen verschwanden wieder, sobald ich auf der Farm meines Freundes Max eintraf.

Max war unser Milchmann. Er und seine Frau Miriam besaßen das schönste, aus welligen Hügeln und kleinen Tälern bestehende Stück Land in ganz Sullivan County. Max hatte an der New York University Immobilienrecht studiert, war in den Vierzigerjahren aber von der Stadt aufs Land gezogen, um einen Milchbauernhof zu betreiben. Im Laufe der Jahre hatten Max und Miriam einen der größten und erfolgreichsten Molkereibetriebe im östlichen New York aufgebaut, einschließlich großer Kühlkomplexe und Transportwagen, die den gesamten Bundesstaat New York sowie den Norden von Pennsylvania belieferten. Die beiden leiteten einen kleinen Laden auf der Farm, in dem sie ihre Milchprodukte und noch ein paar andere Lebensmittel verkauften. Der Pfeife rauchende, weise und onkelhafte Max war ein großartiger Kerl und der einzige echte Freund, den ich unter den Einheimischen hatte.

Jedes Jahr versuchte ich, mehr Leute – und damit auch mehr Geld – nach White Lake zu holen, indem ich ein Musik- und Kunstfestival organisierte. Außerdem führte ich Stücke in einem Theater auf, das wir in einer Scheune auf unserem Grundstück eingerichtet hatten. Max lieferte für das Publikum kostenlose Milchprodukte wie Joghurt und Eiscreme. Er fuhr auch mit seinem kleinen roten Lieferwagen in der Stadt herum und verteilte Handzettel, auf denen das Musik- und Kunstfestival oder die kommende Theateraufführung angekündigt wurden. Trotzdem bestand er immer darauf, seine Eintrittskarten für die Konzerte und Theaterstücke zu bezahlen.

Ich fuhr oft zu Max’ Farm raus, um dem Wahnsinn meines Motels und meiner Eltern zu entfliehen – ganz zu schweigen von den rechtschaffenen Leuten von White Lake. Dort lief ich dann mit einem beruhigenden Gefühl der Vertrautheit in dem Laden herum, holte Milch, Joghurt, Butter, Marmelade und andere Lebensmittel aus den Regalen und hielt dabei mit Max ein Schwätzchen.

»Veranstaltest du diesen Sommer wieder dein Musikfestival, Elliot?«, fragte Max.

»Klar.«

»Irgendwelche besonderen Auftritte?«

»Nur wieder die übliche Versammlung von Bands, die sich ewig abmühen. Die meisten von ihnen kommen hier aus der Gegend«, sagte ich. »Wahrscheinlich machen wir ein paar Leute taub und bringen noch ein paar mehr auf die Palme, aber trotzdem ist es ein Musikfestival.«

»Ich komm auf jeden Fall«, versprach Max. »Du tust eine Menge für unsere Stadt, Elliot. Und Gott weiß, dass wir es brauchen. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen. Bring mir Flugblätter, falls du welche hast, und ich sorge dafür, dass sie verteilt werden.«

»Danke, Max. Ich hoffe nur, dass dieses Jahr ein paar Leute mehr kommen.« Die Einzigen, von denen ich je verlässlich wusste, dass sie kommen, waren Max, die Grossingers und ein paar andere Besitzer der großen Ferienanlagen.

»Mach einfach so weiter, Elliot«, sagte Max. »Wer weiß? Es wird sich rumsprechen und dein Festival wird vielleicht populär. Lass dich überraschen.«

»Verlass dich besser nicht drauf, Max. Man munkelt, dass die Mafia immer ihre Leichen im White Lake versenkt hat, weil sie wusste, dass ›Bethel‹ nur ein anderes Wort für ›gottverlassen‹ ist.«

Max lachte, als er die Preise meiner paar Sachen in seine Registrierkasse eintippte.

»Aber danke für deine Unterstützung, Max. Meine Fantasien sind alles, was mich in dieser Zeit noch weitermachen lässt.« Und dazu kam natürlich die Freundlichkeit und Ruhe, die mein Freund Max Yasgur ausstrahlte.

Ich hatte tatsächlich viele Fantasien, und diejenigen Geheimnisse, die meinem Herzen am nächsten waren, konnte ich hier schlecht offenbaren. Eine Fantasie allerdings drehte sich um diesen Ort und diesen Mühlstein, den ich ein Motel nannte: Ich träumte davon, ein Musikfestival auf die Beine zu stellen, das Leute nach Bethel bringen, mein Motel füllen und einen Gewinn abwerfen würde, damit ich den Kasten vielleicht an irgendeinen reichen Idioten weiterverkaufen konnte. In den vierzehn Jahren, seit wir den Laden besaßen, hatten wir noch nie Gewinn gemacht, und dank des Teichberg-Fluchs war mein Musik- und Kunstfestival auch eine Pleite. Aber manche Fantasien sind einfach hartnäckig, und aus mir völlig rätselhaften Gründen hatte ich immer noch Hoffnung.

Taking Woodstock

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