Читать книгу Schulalltag konkret - Elsbeth Würzer - Страница 4
ОглавлениеVorwort
Selbst für begnadete Lehrpersonen wird der Lehrerberuf immer anspruchsvoller und schwieriger. Dafür sind vielerlei Gründe verantwortlich: Eltern versuchen immer häufiger, sich auf verschiedenen Wegen in den Schulbetrieb einzumischen, wenn sie aus rein subjektiver Sicht mit etwas nicht einverstanden sind. Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker lieben Schulreformen und verfallen dabei oft einem Populismus, besonders seit die Schule zu einem beliebten Wahlkampfthema geworden ist. Die wachsende Bildungsverwaltung spricht von grossen Freiräumen für die einzelne Schule, greift aber trotzdem vermehrt in das Geschehen ein, weil sie meint, die Lehrerschaft sei nicht fähig, mit solchen Freiräumen sinnvoll umzugehen. Viele Eltern nehmen ihren Erziehungsauftrag nicht mehr richtig wahr, was für die Lehrerschaft stetig belastender wird, weil sie sich mit Problemen beschäftigen muss, die mit ihrem eigentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nichts mehr zu tun haben. Und schliesslich erschweren die Erziehungswissenschaften die Gestaltung und Führung von Schule und Unterricht. Der prestigegeladene Trend zur datengestützten empirischen Forschung führt zu immer mehr widersprüchlichen Aussagen und häufig zu unreflektierten Übergeneralisierungen, denen die bildungsphilosophische Reflexion oft fehlt und die – vor allem in der Lehrerbildung – zu anhaltend grösserer Verwirrung im Theorie-Praxis-Bezug von Schule und Unterricht beitragen.
Alle diese Erscheinungen machen es heute schwierig, ein Buch über die Schule, den Unterricht und das Umfeld der Schule zu verfassen. Für gewisse Leserinnen und Leser wird es zu wenig wissenschaftlich sein, was immer das heissen mag. Für andere wird es zu zufällig oder zu pragmatisch sein, weil man selbst andere Erfahrungen gemacht hat oder weil die Empfehlungen nicht mit den eigenen Werthaltungen übereinstimmen. In diesem Spannungsfeld haben Elsbeth Würzer und Thomas Zellweger den eigenständigen und originellen Versuch unternommen, aufgrund von Interviews mit Lehrkräften der Volksschule belastende Probleme zu ermitteln und sie mit gut gewählten Beispielen aus dem Schulalltag zu verdeutlichen. Zur Klärung der Frage- und Problemstellungen fügen sie den vordringlichen Problemkreisen, welche die Volksschullehrerinnen und Volksschullehrer belasten, kurze und gut lesbare theoretische Erläuterungen bei, aus denen sie praktische Hinweise und Empfehlungen für den Schulalltag ableiten. Dabei ist das Bemühen um eine differenzierte Darstellung mit einem guten Praxisbezug erkennbar. Das Buch besticht durch die Klarheit der Empfehlungen und enthält viele Hinweise, die für Volksschullehrerinnen und Volksschullehrer sehr hilfreich sein können. Es will den vielen leider durch das Geschehen verunsicherten Lehrkräften Sicherheit geben und auf diese Weise den Lehrerberuf stärken.
Sicher werden einzelne angesprochene Aspekte zu Diskussionen oder gar zu Kritik führen. Aber wer ist heute in Schulfragen überhaupt noch in der Lage, die Wahrheit zu pädagogischen Fragen zu vermitteln? Das Geschehen ist zu kompliziert und beinhaltet zu viele Zielkonflikte, in denen es kein Richtig oder Falsch gibt. Wesentlich sind Schriften, die konsistent sind und Hilfestellung geben, selbst wenn sie in dieser Hinsicht nur Anregungen zur Reflexion bieten.
Dienen kann dieses Buch zwei Zwecken: als Lesebuch zur Erweiterung des eigenen Horizontes, aber ebenso gut auch als Nachschlagewerk, vor allem dann, wenn man als Volksschullehrer oder -lehrerin zu einem eigenen Schulproblem sehen möchte, ob andere Lehrpersonen mit gleichen oder ähnlichen Problemen kämpfen und wie man sie lösen kann. Dank der Gliederung jedes problemorientierten Kapitels in Aussagen von Lehrpersonen, praktische Beispiele und theoretisch fundierte, aber nicht praxisferne Empfehlungen wird das Buch nie langweilig, sondern zu einem zielgerichteten Ratgeber.
Rolf Dubs
em. Professor an der Universität St. Gallen