Читать книгу Essentielle Schriften, Band 1 - Ephräm der Syrer - Страница 7

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Zweite Rede

1.

Gerne möchte ich mich nahen, aber ich fürchte, mich zu entfernen; denn der Verwegene, der sich forschend nähert, entfernt sich sehr weit. Wer sich aber mit Maß nähert, den stößt die Billigkeit nicht zurück. Nähern wir uns also nicht zu sehr, damit wir uns nicht entfernen! Entfernen wir uns nicht, damit wir nicht zugrunde gehen! Nahen wir uns also mit Maß und Zurückhaltung dem unermeßlichen Wesen! Weil langes Gerede darüber nichts nützt, so möge nur Weniges gesagt werden! Wie sollte der armselige Staub imstande sein, von seinem Bildner zu sprechen! Gnade hat den Staub geformt, damit er ein Ebenbild seines Schöpfers sei; die Gerechtigkeit aber soll ihn abschrecken, gegen seinen Schöpfer sich frech zu erheben. Wohl gab der Schöpfer dem Gefäße Verstand, jedoch um sich selbst kennen zu lernen. Nun aber grübelt das Gebilde über den Bildner und tut durch Forschen der Gnade Unrecht. Geben wir daher demjenigen, der mit Maß lernt, gleichsam nach der Wage Gehör! Wir wollen eine Wage aufstellen und nach Gewicht nehmen und geben! Von den Meistern wollen wir darnach nehmen, darnach aber auch den Schülern geben!


2.

Du hast gehört, daß Gott Gott ist. So lerne dich selbst als Menschen kennen! Du hast gehört, daß Gott der Schöpfer ist; wie soll dann das Geschöpf ihn erforschen können? Du hast gehört, daß Gott Vater ist; an seiner Vaterschaft erkenne seinen Sohn! Ist nämlich der Vater der Erzeuger, so ist der von ihm Erzeugte natürlich sein Sohn. Den einen Sohn, der da der Eingeborene ist, sollen deine Fragen nicht zerteilen! Du hast von der Herrlichkeit des Sohnes gehört; lästere ihn nicht durch deine Untersuchung! Du hast vom Geiste gehört, daß er der Hl. Geist sei; benenne ihn also mit dem Namen, mit dem man ihn bezeichnet! Du hast seinen Namen gehört, bekenne also diesen seinen Namen! Aber sein Wesen zu erforschen, dazu bist du nicht berechtigt. Du hast vom Vater, vom Sohn und vom Hl. Geiste gehört; so schließe also von den Namen auf das wirkliche Dasein der Personen! Die Namen sind nicht vereint, aber die drei sind wahrhaft eins. Bekennst du ihre Namen, nicht aber ihr persönliches Dasein, so bist du wohl dem Namen nach ein Anbeter, in der Wirklichkeit jedoch ein Leugner. Wo kein persönliches Dasein vorhanden ist, da haben wir nur einen leeren Namen. Was nicht wirklich ist, dessen Benennung ist eitel. Der Ausdruck Person belehrt uns, daß sie wahrhaft etwas ist. Daß sie etwas ist, wissen wir; wie sie aber ist, das begreifen wir nicht. Dadurch, daß du weißt, sie existiert, hast du noch nicht erfaßt, wie sie ist. Deshalb, weil du sie nicht begreifst, darfst du ihr Dasein nicht leugnen. Beides ist Lästerung, Skepsis und Grübelei.


3.

Das Meer ist groß. Wenn du es ergründen willst, so wirst du von der Wucht seiner Wogen abgetrieben. Eine einzige Woge kann dich davontragen und an eine Klippe schleudern. Es genügt für dich, o Schwächling, daß du in einem Schiffe Handel treiben kannst. Der Glaube ist aber für dich besser als ein Schiff auf dem Meere. Das Schiff leiten zwar die Ruder, allein die Fluten können es versenken; dein Glaube aber versinkt nicht, wenn nicht dein Wille es will. Wie wünschenswert wäre es für den Seemann, wenn das Meer sich nach seinem Willen richten würde! Doch anders denkt der Seemann und anders macht es die Woge. Nur unser Herr schalt das Meer, so daß es schwieg und sich beruhigte. Er hat aber auch dir die Gewalt verliehen, gleich ihm ein Meer zu schelten und zum Schweigen zu bringen. Das Forschen ist ärger als das Meer und die Streitsucht stürmischer als die Wogen. Tobt in deinem Geiste die Grübelei, so schilt sie und glätte ihre Wogen! Wie der Sturm das Meer aufwühlt, so regt das Grübeln deinen Geist auf. Unser Herr schalt, da hörte der Wind auf, und das Schiff glitt ruhig dahin. Schilt das Grübeln und bezähme es, dann wird dein Glaube beruhigt sein.


4.

Davon sollten dich schon die Geschöpfe überzeugen, deren Gebrauch du kennst. So bist du z. B. nicht imstande, die Quelle zu erklären, und doch unterlässest du es nicht, von ihr zu trinken. Dadurch aber, daß du von ihr getrunken hast, glaubst du noch nicht, sie begriffen zu haben. Auch für die Sonne bist du unzureichend, und doch entziehst du dich ihrem Lichte nicht. Deshalb aber, weil sie zu dir herabsteigt [durch ihre Lichtstrahlen], wagst du es doch nicht, zu ihrer Höhe emporzusteigen. Die Luft ist zu groß für dich, und doch erhält der Hauch von ihr dein Leben. Ihr Unterpfand [der Hauch] ist bei dir; aber wie groß ihr Maß ist, erkennst du nicht.


5.

Du empfängst von den Geschöpfen nur eine geringe zweckdienliche Hilfeleistung und dennoch lässest du ruhig das Viele unbegriffen in ihren Schatzkammern liegen. Das Wenige verschmähst du nicht, aber nach dem Vielen trägst du kein Verlangen. Die Geschöpfe des Schöpfers belehren dich also über den Schöpfer, daß du dich um seine Hilfe bemühen, aber von der Grübelei über ihn dich fernhalten sollst. Empfange das Leben von der [göttlichen] Majestät, laß aber das Grübeln über die Majestät! Liebe die Güte des Vaters, forsche aber nicht über seine Wesenheit! Liebe und schätze die Milde des Sohnes, forsche aber nicht über seine Zeugung! Liebe das Schweben 49 des Hl. Geistes, wage dich aber nicht an seine Ergründung! Den Vater, den Sohn und den Hl. Geist lernen wir aus ihren Namen kennen. Doch sinne nicht über ihre Persönlichkeit nach, sondern erwäge nur ihre Namen! Willst du das Wesen erforschen, dann bist du verloren; glaubst du aber an den Namen, so wirst du leben. Der Name des Vaters sei dir eine Schranke; überschreite sie nicht, um seine Natur zu ergründen! Der Name des Sohnes sei dir eine Mauer; gehe nicht darüber hinaus, seine Zeugung zu ergründen! Der Name des Hl. Geistes sei dir ein Zaun; laß dich nicht in eine Ergründung desselben ein! Diese Namen sollen dir also eine Schranke sein; durch die Namen halte die Untersuchungen zurück! Nachdem du die Namen und die Wirklichkeit gehört hast, wende dich den Geboten zu! Du hast vom Gesetz und von den Geboten gehört, wende dich nun den Sitten zu! Und wenn deine Sitten vollkommen sind, dann wende dich den Verheißungen zu! Laß nicht das Gebotene fahren, um dich mit Dingen abzumühen, die nicht vorgeschrieben sind! Du hast die Wahrheit durch offenbare Dinge erfahren, verirre dich nicht wegen verborgener Dinge! Offenbares sprach Simon aus, er gab die Wahrheit und empfing Seligsprechung 50 Siehe, Simon sprach nur eines 51, verirre dich also nicht durch vieles!


6.

Die Wahrheit ist in wenigen Worten niedergeschrieben, stelle also keine lange Untersuchung darüber an! Daß der Vater ist, weiß jedermann; wie er aber ist, das weiß niemand. Daß der Sohn ist, bekennen wir alle; allein sein Wesen und seine Güte begreifen wir nicht. Den Hl. Geist bekennt jeder; ihn zu ergründen, vermag niemand. Bekenne also, daß der Vater ist, bekenne aber nicht, daß er begreiflich ist! Glaube ferner, daß der Sohn ist; daß er aber erforschbar sei, glaube ja nicht! Daß der Hl. Geist ist, halte für wahr; daß er ergründet werden könne, halte aber nicht für wahr! Daß sie eins sind, glaube und halte für wahr; bezweifle aber auch nicht, daß es drei sind! Daß der Vater der erste ist, glaube; daß der Sohn der zweite ist, halte für wahr; zweifle auch nicht daran, daß der Hl. Geist der dritte ist! Nie gebeut der Erstgeborene dem Vater; denn dieser ist der Gebieter. Nie sendet der Hl. Geist den Sohn; denn dieser ist sein Sender. Der Sohn, der zur Rechten sitzt, maßt sich nicht die Stelle des Vaters an; ebensowenig maßt sich der Hl. Geist den Rang des Sohnes an, von dem er gesandt wird. Der Sohn freut sich über die Erhabenheit seines Erzeugers und der Hl. Geist über die Erhabenheit des Geliebten des Vaters. Nur Freude und Eintracht, Vereinigung samt Ordnung, herrschen dort. Der Vater kennt die Zeugung des Sohnes, und der Sohn kennt den Wink des Vaters. Der Vater winkt, der Sohn versteht es, der Hl. Geist führt es aus. Da gibt es keinen Zwiespalt, weil es da nur einen Willen gibt; da ist keine Verwirrung bei der Vereinigung, sondern die größte Ordnung. Meine ja nicht, daß Verwirrung herrsche, weil sie vereinigt sind, noch denke, daß eine Zerteilung vorliege, weil sie getrennt sind! Sie sind vereinigt, aber nicht verwirrt; getrennt, aber nicht zerteilt. Ihre Vereinigung ist keine Verwirrung und ihre Trennung ist keine Zerteilung. Die Art und Weise, wie sie getrennt und vereinigt sind, kennen nur sie allein 52 Nimm deine Zuflucht zum Schweigen, Schwächling!

Essentielle Schriften, Band 1

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