Читать книгу Das Spukhaus in Schöneberg - Erdmann Graeser - Страница 6
Onkel Karl baut
Оглавление„Der Hund is man bloß vapriejelt“, sagte Frau Lemke, als Onkel Karl dann mit „Nulpe“ in der Stube war.
„Na, machen Se’n ’mal det Maulkörbchen ab, da werden Se sehen, wie er zuschnappt. Nee, ick hab’n uff’n Mann dressieren wollen, und da is er so jeworden. Aba et is ja bloß, det man drüba red’t! Nu von wat anneres, denn det Biest vasteht ja jedes Wort, et vadreht schon wieder so dehmlich die Oojen in’n Kopp“, suchte Onkel Karl das Gespräch abzulenken. „Det is hier Ihre jute Stube – wahr?“
„Ja“, sagte Herr Lemke, der sich nur schwer von dem an der Tür kratzenden „Nulpe“ abwenden konnte, „eijentlich jehört noch ’n Klavier ’rin, aba wer soll denn druff spielen?“
„Da find’t sich schon imma eener, det is’s wenijste“, sagte Onkel Karl, „soll ick Se eens beschaffen – ganz billij?“
„Ick kann mir ja schon denken, wat for eens, aba lieberst nich –“, und Herr Lemke kratzte sich bedenklich den Kopf, „Se meenen doch det, wat früha meene Schwiejatochta in det untairdsche Lokal hatte und wat denn nachher bei den Fischhändla kam?“
„Ja – bei Onkel Aujusten und Tante Liesen, die aba bis jetz noch keenen Dreier abjezahlt haben. Erstens jehört se’t nich, un zweetens: Wat soll det da bei die so nutzlos ’rumstehen, wo Ihre kranke Frau jetz sonne jroße Freide dran haben könnte! Nulpe, kratz’ nich, sonst schmeiß ick dir’n Stiebel an’n Kopp – ja kieck man so dusselij, dir meene ick, wen denn sonst!?“
„Is aba ooch wahr“, sagte Frau Lemke, „’n bißken Musik wär’ doch sehr scheen, wo man nu janischt mehr hört, denn wegen die Mieta müssen wa jedesmal die Leiakastenmänna von’n Hof jagen, so leid et uns ooch tut.“
„Also – abjemacht, Seefe“, sagte Onkel Karl, „ick beschaff’ et Sie, nächsten Sonntaj steht’s hier, und wenn Se wollen, bring’ ick eenen her, der perfekt druff spielen kann!“
„Ach – den Herrn Hahn, wat? Iber den sich meen Sohn so jeärjert hat“, sagte Herr Lemke, „den wollen wa man lieba in die Versenkung lassen, der Kerrel hat dunnemals meene Schwiejatochta ins Jerede jebracht!“
„Is doch allens man bloß Klatsch jewesen von die vadammte Bande aus de Ackastraße. Hier in’n feinen Westen weeß doch keen Mensch wat von. Nulpe, wennste nu nich uffhörst, kriste den annern Stiebel ooch noch an’n Kopp!“
„Na, det können wir uns noch allens iberlejen“, sagte Herr Lemke, „wodrieber ick mir aba schon die janze Zeit wundere, det is Ihr Aussehn. Se haben sich mächtig vaändert, wat, Mutta?“
„Finden Se?“ – Onkel Karls Augen suchten einen Spiegel – „ja, det macht woll die Ausrüstung. Ick hab’ mir nehmlich uff die Landwirtschaft jeschmissen. Heitzutaje muß man doch allens zu vawerten suchen, wahr? Und wo ick nu so jute Kenntnisse in die Naturwissenschaften habe ...“ Er schwieg bescheiden, aber nach einigen Sekunden setzte er hinzu: „Nebenbei bau’ ick ooch!“
„So?“ sagte Herr Lemke gedehnt und sah seine Frau bedeutsam an, „det vastehn Se also ooch so jut? Wat ick Ihn’n schon imma frajen wollte – wat sind Sie’n eejentlij von Beruf, irjend wat missen Se doch jelernt haben?“
„Ick?“ Onkel Karl faßte in die Westentasche, holte einen Priem vor, biß davon ein Stück ab und schob es in die Backentasche. „Ick bin frieha uff See jewesen, vastehen Se? Aber als ick denn bei den jroßen Sturm aus’n Mastkorb jeschleidert wurde, jab ick die Seefahrerei wieder uff und hab’ denn so ’rumjesimpelt – bis jetz – nu bin ick Landwirt und Bauuntanehma in eene eenzichte Person!“
„So?“
„Ja –“, sagte Onkel Karl mit großer Befriedigung, daß die Sache endlich einmal festgestellt worden war. „Ja, ick bin schon ’n jutet Sticke in de Welt ’rumjekommen und hab’ wat zu sehen jekriejt. Woher hätt’ ick denn det ooch allet sonst – irjendwo muß et doch herkommen. Sie mißten mal rauskommen bei mir, Herr Lemke, und sich meene Plantasche ansehen, staunen wirden Se!“
„Ja, unsa Sohn hat uns schon von azehlt“, sagte Frau Lemke, „wir kennen allet nach die Beschreibung, ooch von Ihre Bauerei wissen wir, von det Blockhaus!“
„Ach, Se denken, so wat bau’ ick bloß?“ Onkel Karl schüttelte mit einem nachsichtigen und überlegenen Lächeln den Kopf. „Nee, liebe Frau Lemke, det wär’ woll nich det richtje! Ick hab’ da draußen ’ne scheene Eckpazelle gekooft und laß ’ne sojenannte Mietskaserne ufführen, denn det rentiert sich imma am besten. Die ersten Balkenlaje is schon fertij, eene Bank jibt denn det Jeld zum Weitabau – det is Usus so –, aba nu bin ick ’n bißken int Stocken jeraten, denn ’n Laie macht sich ja keene Vorstellung, wat da allet drum und dran hängt.“
„So?“ sagte Herr Lemke und mahnte durch einen sanften Stoß seine Frau zur Vorsicht.
Aber Onkel Karl, trotzdem er eben Nulpe pantomimisch mit Stiefelwerfen bedroht, hatte es bemerkt und sagte gekränkt: „Se brauchen Ihre Jattin ja nich zu knuffen; wenn Se nich wollen, denn nich. Ick dachte bloß eben, wo ick Sie nu det scheene Klavier beschafft hab’, wirden Se mir ooch ’n bißken jefällij sind. Wa’m soll ick mir denn an’n Halsabschneida wenden, wo ick sonne reichen Vawandten hab’? Nulpe, wennste jetz nich jleich ruhij bist und die Schnauze hältst, hau’ ick dir ’n Brejen in! – Zu’n Hund kann man Schnauze sajen, det is nich unanständij“, fügte Onkel Karl wie zur Entschuldigung hinzu und sah Frau Lemke fragend an.
„Denn ’n Schnabel hat er ja nich –“, sagte die Kranke mit einem zustimmenden Lächeln.
„Nee – sonst könnten ja die Hunde zwitschern.“ Und Onkel Karl sah Frau Lemke dankbar an, als wäre sie auf seiner Partei.
Die Tür öffnete sich, Minna – mit einem Tablett voll Gläsern und Flaschen – kam herein und machte, als sie an Onkel Karl vorbei mußte, einen großen Bogen.
„Ach Jott – ick tu’ Ihn’n nischt –, nehmen Se sich lieberst vor den Hund in acht. Wenn Se den zufällij uff’n Schwanz treten sollten, streckt er Sie mit eenen Tatzenschlaj zu Boden!“
Als Herr Lemke mit seltener Kunstfertigkeit die Weißbierflaschen öffnete, die Gläser gefüllt und alle getrunken hatten, sagte Onkel Karl: „Wie wär’ det mit’n Jungen von den Nulpe – Herr Lemke, wollen Se eenen haben, ’n hibschet Exemplar?“
„Nee – danke! Ibrijens, ist denn die Töle da ’ne Sie?“ fragte Herr Lemke. „Ick hab’ ihr bisher for’n Er jehalten!“
„Det is ooch keene Ihr und keene Sie, sonnern ’n Er“, sagte Onkel Karl, stolz auf seinen Hund.
„Denn vasteh’ ick nich, wie de Vieh Junge kriejen soll!“
„Jott, is det allet eene Umständlijkeet“, sagte Onkel Karl ein bißchen verdrießlich, „ick meene natierlich, wenn die Sie von den Er Junge kriejt!“
„Ach so, nu ha’ ick Ihn’n schonst vastanden“, sagte Herr Lemke, befriedigt mit dem Kopf nickend, „vasteh’ schonst, ja ja – Sie haben noch ’ne Sie zu Hause!“
„Nee, leida eben nich“, sagte Onkel Karl.
„Denn kann ick mir nich helfen, denn bleibt mir die Jeschichte schleiahaft“, sagte Herr Lemke, „Mutta – vastehst du denn det?“
„Ihr habt eich jejenseitij ’n bißken vaheddert“, sagte Frau Lemke, „seh’ ma, Vata, er meent ...“
„Nee, nee, aklär’s mir lieba nich“, wehrte der Alte ab, „mir platzt sonst wat in’n Kopp. Ick will ja jakeen so’n Biest, keen junges und keen altes nich!“
„Denn nich“, sagte Onkel Karl gekränkt, „denn behalte ick se, bis ick ’n wirklichen Liebhaba for finde!“
„Det wird woll ooch det beste sind, prost“, sagte Herr Lemke, nach dem Glase fassend.
„Prost – na, und wie is nu mit det Jeld jejen jute Sichaheet?“
Herr Lemke schüttelte ruhig und gelassen den Kopf: „Nee, meen Lieba, wenn Se desterwejen herjekommen sind, tut mir’s um Ihre Stiebeln leid. Ick will Ihn’n nämlich sajen, det ick den Rummel janz jenau kenne. Ick seh’t ja hier vorne uff die Schöneberjer Wiesen, wo se wie varrickt zu bauen anjefangen haben, lauta vakrachte Häusa, keene Lieferanten und keene Handwerka sind bezahlt worden, Vorteel davon haben nur die Kerls, die die mittellosen Leite zu’t Bauen vaanlaßt haben. Wenn ick Ihn’n heite fimfhundert Tala jebe – morjen sind se alle, da haben Se een Loch zujestoppt und ’n anneres is offen!“
„Also fimfhundert –“, sagte Onkel Karl, eine große, lederne Brieftasche vornehmend, „jejen Wechsel oda wat wollen Se for ’ne Sichaheet?“
„Nich ’n Dreier“, sagte Herr Lemke grob. „Mann, lassen Se die Finga von die janze Bauerei, lejen Se sich lieba ’ne Piereselhecke an, det is jescheita, da riskieren Se nischt!“
„Aba, wennste ihn helfen könn’st?“ sagte Frau Lemke leise, als sie sah, wie Onkel Karl, noch immer zögernd, die lederne Brieftasche in die Nankingjacke steckte.
„Nee, den is nich zu helfen“, sagte der Alte, „haste die dicke Brieftasche jesehen, det sind allet unbezahlte Rechnungen!“
„Se hätten mir ja später det Haus abkoofen können“, sagte Onkel Karl.
„Wat’n für’n Haus, det jehört Se doch janich!“
„Aba det Jrundstück!“
„So?“ sagte Herr Lemke gedehnt, „ick weeß et zufällij aba bessa, Sie jehört nischt weita als die Schulden uff det Jrundstück und uff den Bau – dafor werden Se vaantwortlij jemacht werden!“
„Et soll mir mal eener wat tun wollen“, sagte Onkel Karl drohend, „komm, Nulpe, wir jehen los!“