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„Geld her oder ich fall’ um“

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Tag für Tag war dann Onkel Karl, dem allmählich etwas bänglich zumute wurde, umhergelaufen, um das Geld, das er den Bauhandwerkern schuldete, aufzutreiben. Eine Ahnung stieg in ihm auf, daß ihn dieser Herr Hahn, den er eigentlich bisher für einen großen „Schafskopp“ gehalten, in eine „vaflixte Patsche“ gebracht hatte. Wie schön hatte das damals geklungen: „Wollen Sie ein reicher Mann werden? Jetzt haben Sie Gelegenheit dazu – mit Nichts können Sie anfangen – und wenn Sie in zwei, drei Jahren das Haus gut verkauft, haben Sie so viel, daß Sie bis an Ihr Lebensende in einer Gummiequipage fahren können.“

Ja – und dann hatte Onkel Karl einen Kontrakt unterschrieben, und „alles andere“ hatte Herr Hahn besorgt: die Verträge mit den Lieferanten abgeschlossen, die Maurer und einen Polier engagiert, und dann war „die Sache in Gang gekommen“. Die Ausschachtungen hatten begonnen, das Fundament war gelegt worden, das Kellergeschoß entstanden. In Begleitung des Herrn Hahn war er – einige Wochen später – auf die Bank gegangen, um die erste Baugeldrate abzuheben. Dort hatte es ein großes Hin und Her gegeben, er wurde ganz konfuse von dem, was ihm die Herren vorrechneten und erzählten, und war schließlich sehr verblüfft gewesen, als man ihm zu guter Letzt doch noch eine größere Summe auszahlte. Nur eins begriff er bei der ganzen Geschichte: Kein Mensch würde jemals imstande sein, ihm klarzumachen, wie das alles zusammenhing. Für dumm sollte ihn aber auch niemand halten, und darum hatte er nichts gesagt, auch als ihm Herr Hahn die Summe wieder abgenommen und ihn in das Kontor der Baugesellschaft geführt hatte, wo ihn die Herren sehr freundlich empfingen und ihm, nachdem sie wieder angestrengt gerechnet, glatte hundert Taler als „ersten Verdienst“ auszahlten.

Erst ein paar Tage später kam Onkel Karl der Gedanke, daß das von der Bank erhobene Geld doch wohl dazu hätte dienen müssen, die Handwerker und Lieferanten zu bezahlen. Aber als er das Herrn Hahn gesagt, hatte der laut aufgelacht: „Die kommen doch ganz zuletzt, das ist doch alles kontraktlich ausgemacht.“ Und da sich Herr Hahn keine Sorgen machte, der doch die Sache gründlich verstand, machte sich Onkel Karl nun auch keine mehr, sondern ging seinen Liebhabereien nach und hatte sich Nulpe angeschafft. Zu seinem Schutze – denn es ergab sich, daß sich in seiner Wohnung allerlei erregte Leute einfanden, die von ihm, als Bauherrn, in nicht mißzuverstehender Weise Geld forderten. Schließlich hielt er es für das beste, gar nicht mehr aus dem Hause zu gehen, sondern in seinem Blockhaus zu kampieren. Hier in diesem Versteck hielt er sich für sicher, dressierte Nulpe und gab sich, während er seine kurze Pfeife rauchte, allerlei Vermutungen hin, was denn nun aus der ganzen Geschichte eigentlich werden sollte. Es war ein so eigentümlicher Gedanke, zu wissen, daß da ein Haus gebaut wurde, das ihm gehörte oder wohl auch nicht gehörte, daß Leute, die er gar nicht kannte, Geld von ihm haben wollten, während er doch keins hatte, und das Resultat dieses Nachdenkens war: „Ick kimm’re mir um die janze vaflixte Kiste nich mehr.“

Aber andere kümmerten sich um ihn. Am letzten Sonnabend sah Onkel Karl zu seinem Erstaunen plötzlich eine Gruppe sehr erregter und energischer Männer vor dem Rasenhause auftauchen, die ihm die Fäuste unter die Nase hielten und ihm erklärten, daß sie ihn „kurz und kleen hauen“ würden, wenn er sie nicht augenblicklich bezahlte.

Onkel Karl hatte ihnen klarzumachen versucht, daß ihn der Bau gar nichts mehr anginge, und daß er die hundert Taler, die ihm die „eejentlichen Bauherren“ gegeben, sehr gern wieder zurückzahlen wolle, aber dazu müsse man ihm Zeit lassen, bis er sich die Summe beschafft habe. So war es ihm geglückt, die erregten Männer zu beschwichtigen, aber er wußte, daß sie wiederkommen und ihn aufs neue bedrohen würden, und deshalb hatte er den alten, reichen Lemke in Schöneberg am nächsten Sonntag aufgesucht. Der Versuch war aber mißglückt, und nun befand sich Onkel Karl mit Nulpe auf dem Wege zu Tante Liese und Onkel August, von denen er ganz genau wußte, daß sie etwas „auf der hohen Kante“ liegen hatten.

„Nanu – wo kommst du denn her?“ hatte Onkel August mißtrauisch gefragt, und Tante Liese hatte entsetzt aufgeschrien: „Wat is denn det for’n Hund, so’n hab’ ick ja noch nie jesehen, nimm bloß den Köta wej, der springt eenen ja immafort an!“

„Der freit sich“, sagte Onkel Karl. „Wo ick herkomme? – Nu, ick wollt’ eich mal wieder besuchen – ihr wart ja ooch bei mir draußen!“

„Na, setz’ dir man“, sagte Onkel August mit einem etwas ängstlichen Blick auf seine Frau. „Wenn ick dir recht vastehe, wiste dir den Karpen holen kommen, denn ick dir vasprochen hab’.“

„Ja, den kann ick ja ooch mitnehmen, obwohl ick die Fischzucht wohl uffjeben werde. Ick hab’ so ville annere Untanehmungen vor. Den Bau zun Beispiel, der nimmt mir ’n bißken sehre in Anspruch. Ick will eich desterwejen ooch janich lange uffhalten. Wie wär’t denn, wollt ihr eich nu nich ’n bißken dran beteiljen?“

„Nee“, sagte Onkel August, und Tante Liese schüttelte den Kopf.

„Bloß mit hundert Tala“, schlug Onkel Karl vor.

„Nich mit hundert Dreia“, sagte Tante Liese kühl. Onkel Karl betrachtete sehr aufmerksam Tante Lieses Gesicht. „Wat du for ’ne merkwirdje Neese hast –“, sagte er und gab damit gelassen dem Gespräch eine andere Wendung.

„Ja –“, Tante Liese tat distinguiert, „die kümmert sich auch nur um ihre eigenen Angelegenheiten.“

„Hmhm!“ Onkel Karl schien das zu begreifen, warf aber gleich darauf Onkel August einen verächtlichen Blick zu, als er sah, wie der sich angelegentlich mit seinen Stiefelabsätzen zu schaffen machte.

„Wat ick sajen wollte – wie wär’t denn, wollt ihr mir nich meen’n Hund abkoofen – den Nulpe?“

„Warum wisten den loswerden?“ fragte Onkel August. „Is doch so’n scheenet Tier, kieck mal, wie er det Stuhlbeen da anknabbern will!“

„Bloß wejen die Steiern – Nulpe, laß det, du hast deen Fressen schon wej! Also – wie is’s?“

„Wat is denn det ibahaupt for ’ne Rasse?“ Aber Tante Liese fuhr erregt dazwischen: „Aujust, ick vasteh’ dir wahaftij nich, laß dir doch erst janich uff sowat in – wat sollen wir denn mit solchem Biest in die Stube?“

„Laß jut sind, Aujust, det, wat ick dafor fordere, hättste doch nich jeben können. Det is ’n echta Bernhadina, ’n sojenannta Lebensretta, und unta Brieda achzij bis neinzij Tala wert!“

„Der?“ Tante Liese zuckte verächtlich die Achseln. „Een Ziehhund is det, wie for jeden Lumpenkarren“, sagte sie.

„Na, denn probier’ mal, wie der dir zieht, vasuch’ mal bloß, den inzuspannen“, sagte Onkel Karl.

„Wollen wa nich ’n scheenen Karpen aussuchen jehen?“ meinte Onkel August, dem immer unbehaglicher zumute wurde.

„Det können wa ja nachher noch machen“, sagte Onkel Karl, „nehmlich, damit ihr’s wißt, ick bin eejentlich wejen ganz wat annres jekommen: Ihr mißt det Klavier wieder ’rausrücken!“

In dieser Pause starren Staunens, die nun folgte, biß Onkel Karl mit den Manieren eines Feinschmeckers ein Stück Kautabak ab und sah sich prüfend in der Stube um.

Aber plötzlich trat Tante Liese wie ein Untersuchungsrichter vor Onkel Karl hin: „Wer hat dir denn damit beauftragt, uns det auszurichten – he?“

„Der olle Lemke in Schöneberj!“

„Aba det Klavier is doch von die jungen Lemkes aus die Landberjer Straße!“

„Janz recht – ihr habt et sojar schon ibanommen, als die noch in de Ackerstraße wohnten, aba bis heite habt ihr noch nich so ville von abjezahlt.“

„Weil niemals nich een jenauer Preis genannt worden is“, sagte Tante Liese.

„Den kann ick eich ja nennen – hundert Tala, aba nur uff eenen Schlaj und jejen bar.“

„Aba ’n Recht dadruff haben bloß die jungen Lemkes“, warf Onkel August ein, „wie kommt denn der Olle zu?“

„Die jungen Lemkes wollen sich nich mit eich vakrachen“, sagte Onkel Karl, dem die Geschichte nun ganz klar wurde. „Nee, wollen sich nich mit eich vakrachen, und da haben sie ihre Forderung an den ollen Lemke vakooft. Und als ick letzten Sonntaj bei sie draußen war, hat mir der Olle beufftrajt, det Jeld inzutreiben oda eich det Klavier abzunehmen. Ick wirde eich ja raten, bezahlt’s lieba!“

„Nimm dir det Dreck uff’n Buckel und zieh ab mit“, sagte Onkel August ärgerlich, „denn hört endlich mal det Stoobwischen uff. Ick hab’ mir’t ja imma jedacht, det wir deswejen noch mal Ärjer haben werden!“

„I wo – die Sache stimmt noch nicht, da ist wat faul bei“, sagte Tante Liese, „aba ick werde mir akundjen jehen, und denn wird sich’s ja ’rausstellen!“

„Ja, det kannste tun, aba det Klavier nehm’ ick heite schon mit, det muß jestimmt werden, det soll ick jleich zu den Herrn Hahn bringen, hat der olle Lemke jesajt!“

„Ach so – nu merk’ ick wat“, sagte Tante Liese, „weeßt du, wat du bist, Onkel Karrel? Du bist een fauler Kopp – schwindelst – schäm’ dir wat.“

„Det hat mir noch keena zu sajen jewagt, nu jeh’ ick direktement nach Schöneberj, hol’ mir von den ollen Lemke ’ne Vollmacht, und denn komm ick mit’n Möbelwajen zurück und lad’ det Klavier uff, macht’s man inzwischen reene. Vorwärts, Nulpe, wir jehen, so wat lassen wir uns nich bieten – adje!“

Das Spukhaus in Schöneberg

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