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Onkel Karl macht eine Damenbekanntschaft
Оглавление„Und nu lern’ ick noch Englisch“ — sagte Onkel Karl.
Er hatte sich heute früh das Haar „amerikanisch“ schneiden lassen, den Backenbart abnehmen und dem Schnurrbart die Form einer Zahnbürste geben lassen. Jetzt stand er und betrachtete — mit Hilfe eines kleinen — seine Kehrseite in dem großen Spiegel und war über sein Aussehen erfreut und verwundert, während Herr Lemke den Kopf schüttelte. „Tipptopp sind — det is det jroße Jeheimnis von heitzutage“, erklärte Onkel Karl weiter, „ick hab’ mir nie um meen Eißeret jekimmert, weil ick det for jänzlich iberflissich hielt, aba nu hol’ ick’s nach!“
Herr Lemke starrte ihn immer noch ganz verblüfft an. Endlich sagte er: „Et soll keene Beleidijung sind, Karrel, aba du sehst nu aus wie der Mandrill in’n Zappalotschen! Dir machen se ja langsam varickt!“
„Und seh ma’ die Stiebel“, sagte Onkel, „und denn vagleich se mal mit deene! Seh mal die Buchtung — da können die Zehen hibsch nebeneinander liejen und broochen nich uffeenander zu hocken, als wenn se sich jejenseitig awirjen wollen!“
„Det is ja sehr praktisch“, sagte Herr Lemke, „wat machsten nu noch so?“
„Nu trage ick ooch keene Manschetten mehr, wenn se nich gleich an det Obahemde feste dran sind. Wer heitzutage noch Stulpen trächt und ’n Vollbart als Fußsack int Jesichte zu bammeln hat, der is ’n Schwein!“
„Also ick“ — sagte Herr Lemke.
„Nee, Willem, det jeht nich uff dir, det sind so alljemeene Ausdricke!“
„Und wozu broochsten Englisch?“
„Ick vasteh’ ja nischt von det Jequatsche in die Sportsbar — die besten Tips sagen se sich doch in ihre Jaunasprache!“
„Ach so! Na — Karrel — wennste det man aushältst“, sagte Herr Lemke sorgenvoll, „wenn eena mit sonne jroßen Vaenderungen in seene bisherige Lebensweise bejinnt, denn sterbt er jewöhnlich bald!“
„I bewahre, ick millere ja jeden Tach“, sagte Onkel Karl leichthin, „und denn reib’ ick mir kalt ab und trinke Kefir!“
„Wat sagt denn Zillmann zu?“
„Zillmann“, sagte Onkel Karl, verächtlich die Achseln zuckend — „Zillmann is for mir een ibawundna Standpunkt, den ha’ick ibahaupt in’n Vadacht, det er faul is — nu weeßtet!“
Herr Lemke schien diesen Befürchtungen nicht ganz dasselbe Gewicht beizulegen. „Ihr beede habt ja imma wat miteenanda jehabt“, sagte er, „det jeht ja schon von da an, wo du dir die Fluchmaschine hast wegfliejen lassen!“
„Wat mir bei die janze Schohse noch bis heite unklar jeblieben is“ — sagte Onkel Karl —, „det is, det det Ding wirklich hat fliejen können und det man nie nich jehört hat, ob et irjendwo runtajekommen is! Ick staune bloß“ — und Onkel bewunderte dabei immer wieder sein Spiegelbild —, „wat ick dunnemals for hochfliejende Pläne hatte!“
Sein Gesicht, das eben noch ganz heiter war, hatte sich plötzlich verfinstert, und Herr Lemke, der ihn heimlich beobachtet, merkte, daß er etwas auf dem Herzen hatte und nur noch nicht wußte, wie er es anbringen sollte.
Endlich — nachdem er sich lange Zeit die Hosen mit der Reitpeitsche beklopft — fragte er: „Willem, weeßt du, wat eene Miß is?“
„Nee“ — sagte Herr Lemke.
„Weeßte ooch nich, wat eene Mistreß is?“
„Det weeßick erst recht nich, det is ja noch länga“, sagte Herr Lemke.
„Denn kann ick’s dir ooch nich azehlen“, sagte Onkel Karl niedergeschlagen.
„Ick denk mir, et wird en Ferd sind — wo du dir jetz imma so for Ferde intressierst.“
„Et is aba keen Ferd nich — sonnern een englischet Frauenzimma.“
„Ach herrje“ — sagte Herr Lemke, „fangst du jetz so an?“
„Ick hab’ mir ja jleich jedacht, dette so kommen wirst“, sagte Onkel Karl verdrießlich, „ick hab’ aba janich anjefangt, sonnern sie mit mir!“
„Nu weeß ick ooch wa’m du uff eenmal Englisch lernen willst“, sagte Herr Lemke.
„Wat du denkst — is nich“, sagte Onkel Karl.
„Sonnern?“
„Sonnern janz anders.“ Und nun — nachdem er noch ein Weilchen gedruckst, erzählte er schließlich sein Abenteuer.
„Ick hatte jesehen, wie annere Reiter, wenn se in’nen Tierjarten an een berittnes weibliches Wesen vorübakamen, immer die Zylinder abnahmen und jrießten. Det is der jute Bongtong, und ick nehm’ deswegen meenen Tintenpropper ooch von’n Kopp, obschonst die eene Krempe von det viele Jejrieße janz weech jeworden war. Na und so jrießte ick mir mit eene so lange, bis ick die Jeschichte schon dicke krichte und mir vornahm, ihr janich mehr zu sehen. Aba wie ick den eenen Morjen in sonnen abjelejenen Reitwech komme, merk’ ick, det der Deibel los is: Se steht in den weechen Sand und macht imma Vasuche, uff ihren Jaul wieda ruffzusteigen, aba der will nich mehr und dreht sich imma rum. Nu war ooch der Steichbiejel zu hoch, und sie hätt’ sich wahaftich die Beene auseinanderjerissen, wenn se noch höha in die Luft jetreten wär’. Ick hatte ja nu mal jelesen, det sich in sonne vazweifelten Fälle jalante Männa uff die Erde schmeißen und sich als Hutsche benutzen lassen, aba dajejen streibte ick mir. Denn det is so ’ne Sache: Ihr Jaul konnte mir treten, wenn ick mir da so hinkutschte, und denn zweetens, wie wäre ick wieda uff meenen Jaul jekommen, denn der hätte mir doch erst recht nich mehr ruffjelassen, wenn ick eenmal runta war!“
„Nu bin ick aba jespannt, watte da jemacht hast“ — sagte Herr Lemke.
„Janz eenfach“ — sagte Onkel Karl. „Nachdem wir uns wie die Aujusts in’n Zirkus iba die Anjriffsweise pantominsch vastendicht hatten, packte ick ihr mit die linke Hand bei’t Schlafittchen und mit die rechte ’n Sticke tiefa und ließ ihr so lange mit de Beene zappeln, bis se in ihren Steichbiejel Jrund hatte. Dabei wäre sie beinahe in Sticke jerissen worden, denn se hatte sich natierlich — wie so’n richtjet Frauenzimma — mit’n Fuß erst in’n Steichbiejel vaheddern müssen, und weil der Jaul dadurch unruhich wurde und weitajing und ick ihr noch imma an’t Schlafittchen hielt, wurde se wie so’n Fernrohr auseenandajezogen. Mit een’ Wort, Willem, die Aussicht war jroßartig, und ick krichte een’ Vorjeschmack von det Eheleben!“
„Und denn hat se sich woll bedankt?“ erkundigte sich Herr Lemke.
„Ick vabat mir natierlich alle Dankeseißerungen“, sagte Onkel Karl, „aba nu war sie anhänglich jeworden wie so’n junga Hund und quatschte mir imma ,Soehr‘ an, wat — wie Edwin mir ibasetzt hat — Schwester heeßt und französisch is. Und als ick mir diese Anrede ’n nächsten Tach vabat, sagte se, se meente Sir — na, denn soll se doch det I hibsch deitlich aussprechen. — Ha’ick nich recht — Willem?“
„Wo een I is, derf man keen Oe sagen“, gab Herr Lemke zu, „aba nachjrade wird mir die Jeschichte komisch, wennste dir man mit deene Reiterei nich rinjeritten hast, Karrel!“ „Keene Bange nich“ — sagte Onkel —, „ick deichsle die Kiste schon, wenn’t ibahaupt so weit kommt“.