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Karin

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Karin blickte dem Fremden ängstlich nach und sah dann wieder neugierig zu Hansen. Der starrte nur versonnen vor sich hin und kritzelte auf einer Serviette herum. Sie musste einfach zu ihm hingehen, sie verstand nichts mehr und wollte Antworten.

Noch nie zuvor hatte Hansen gesprochen, immer nur mit dem Finger auf die Kaffeetasse gedeutet oder einfach seine leere Zigarettenschachtel hochgehoben.

Noch nie hatte er getrunken, und heute sogar Gin! Was war geschehen, wer war der Fremde? Sie wollte Klarheit und ihre Neugier befriedigen, also ging sie zu ihm:

"Herr Hansen, wer war das, ist alles in Ordnung, darf ich Ihnen noch irgendwas bringen?"

Es schien zuerst, als hätte er sie nicht gehört, doch dann hob er endlich langsam seinen Kopf, sah sie mit müden Augen an und erwiderte:

"Ach Sie sind es, Karin. Nein, nichts ist in Ordnung, das war ein Bekannter aus alten Tagen, bringen sie mir doch bitte eine Flasche Gin und keine Sorge, ich kann das. Und bitte nennen Sie mich doch endlich Erik."

Karin war wie vom Donner gerührt, ihre heimliche Liebe hatte endlich mit ihr gesprochen, ihr sogar angeboten, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen, aber eine ganze Flasche Gin? Sie war verwirrt und unschlüssig.

Erst dann sah sie das gefährlich aussehende, lange und spitze Messer, das er sehr schnell in seiner Stiefelette verschwinden ließ und erschauderte.

"Mein Gin, Karin?"

"Verzeihung Herr Hansen, ich meine Erik, kommt sofort."

Nachdem sie ihm die Flasche gebracht hatte, zog sie sich wieder verwirrt hinter die Theke zurück, um ihn von dort aus besorgt und neugierig zu beobachten. Er füllte sein Glas bis zum Rand, schüttete verträumt einige Tropfen auf den Boden und kippte den Rest runter. Sofort füllte er nach, wiederholte die Prozedur und wieder leerte er das Glas in einem Zug. So ging es weiter, Glas für Glas, bis die Flasche leer war.

Was Karin natürlich nicht wissen konnte, war, dass der unerwartete Besuch von Ken dem Piloten soeben viele alte Wunden in Hansen aufgerissen hatte und ihn nun die Geister der Vergangenheit heimsuchten.

Vor seinem geistigen Auge liefen nun die Jahre seines 'afrikanischen Lebens' vor ihm ab.

All die Gewalt, das viele Blut, die vielen Toten, der Gefechtslärm und die schrillen Schreie der Verwundeten. Für einige Stunden würde hoffentlich der Gin helfen, gerade lange genug, um die Nacht im Halb Koma durchzuschlafen.

Um Mitternacht sah Karin wieder mal auf ihre Uhr. Erik saß immer noch an seinem Tisch und die Flasche war nun leer. Wie kann jemand eine ganze Flasche Gin trinken und immer noch aufrecht sitzen? Dieser Mann wurde immer mehr zu einem riesengroßen Rätsel für sie.

Nun stand er auf und kam zu ihr an die Theke. "Es tut mir leid, Karin."

"Aber, aber was denn, Erik?"

"Dass du mich heute so sehen musstest. Ich weiß von deinen Gefühlen, und dass du dich heute wegen der Trinkerei um mich gesorgt hast, ich mag dich auch sehr. Aber ich bin jetzt wieder ok. In einem anderen Leben könnte was aus uns beiden werden, aber du weißt nichts über mich.

Du hast was Besseres als mich verdient, vergiss es, vergiss mich. Ich werde länger weg sein, pass gut auf dich auf, Mädchen. Das Geld habe ich auf dem Tisch liegen lassen und ein kleines Trinkgeld, du hast es dir verdient, warst immer nett und freundlich."

Mit diesen Worten verließ Erik das Lokal und verschwand in der Dunkelheit. Karin sah ihm lange nach und bedauerte, ihn nicht aufgehalten zu haben.

Als sie an seinen Tisch ging, um abzuräumen, war die Überraschung groß. Nicht nur hatte Erik hundertzwanzig Euro für die gesamte Rechnung auf dem Tisch liegen lassen, sondern auch noch zehn knisternde einhundert Dollar- Scheine unter die leere Gin Flasche geschoben.

Das waren ja nochmal siebenhundertfünfzig Euro!

Sie verstand die Welt nicht mehr. Auf der Serviette hatte Erik stundenlang herumgekritzelt, aber sie konnte nichts davon lesen oder verstehen, wie sollte sie auch, es war Suaheli. Aber immer wieder war auch der Name "Franco" zu lesen und dann, ihr stockte der Atem, ihr eigener Name, "Karin" doch statt dem i Punkt hatte Erik ein kleines Herzchen gezeichnet.

Sie hatte sich solche Hoffnungen gemacht, dass sich endlich mal etwas in ihrem Leben zum Guten wenden könnte und nun war er weg.

Viel zu früh hatte sie damals geheiratet, als sie, selbst noch fast ein Kind, schwanger wurde. Diese Mussehe ging natürlich schon nach wenigen Monaten schief und sie musste sich und ihren kleinen Sohn irgendwie alleine durchbringen.

Es waren harte Jahre mit vielen Nebenjobs gewesen, aber sie hatte es geschafft. Seit vier Jahren war ihr Sohn nun schon aus dem Haus und sie fühlte sich noch jung genug, um noch einmal von vorne zu beginnen.

Ein eigenes kleines Café war ihr Traum. Und vor wenigen Wochen erst hatte sie im Abendstudium das Abitur bestanden. Und nun war der Mann ihrer heimlichen Träume weg und sie hatte ihn nicht aufgehalten.

Blutgeld

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