Читать книгу Ich schenk' mir täglich rote Rosen - Erma Bombeck - Страница 3
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Gefalle ich mir eigentlich?
ОглавлениеNeulich, auf dem Weg zu Jills Cocktailparty, war ich in Hochstimmung. Ich war so fröhlich, als wäre es mir gelungen, Himbeerwackelpudding in einem Stück aus der Form zu stürzen, oder als hätte ich auf der Damentoilette gerade noch die offene Kabinentür erwischt und nicht bezahlen brauchen. Das erste Mal seit langer Zeit war ich mit meinem Leben ausgesöhnt. Ein schönes Gefühl. Es quälte mich nicht mehr, wie ich aussah. Ich konnte an einem Spiegel vorbeigehen, ohne daß mir beim Blick auf meine Halsfalten einfiel, es sollte mal wieder Suppenhuhn geben. Ich hatte meine häuslichen Probleme im Griff. Ungemachte Betten zum Beispiel riefen bei mir keine Atemnot mehr hervor.
Die Verliebtheit meines Mannes in eine ganz bestimmte Filmschauspielerin, deren Namen ich hier nicht nennen möchte, hatte sich abgekühlt, und ich konnte feststellen, daß er den gleichen verzückten Gesichtsausdruck zur Schau trug, wenn ihm die Suppe heiß serviert wurde.
Alle drei Kinder sprachen mit uns. Unsere vierundzwanzigjährige Tochter zeigte sogar unverhohlenes Interesse daran, wie man ein Bratrohr anstellt.
Allmählich wurde ich sicherer. Ich zog hinter dem Steuerrad nicht mehr den Bauch ein. Und ich lehnte es ab, den Qualm meiner rauchenden Freundinnen zu inhalieren.
Auch der Streß der Kindererziehung ließ nach. Ich hatte kein schlechtes Gewissen mehr wegen jedes Schnupfens, den meine Gören bekamen, wegen ihrer fehlerhaften Zahnstellung oder weil ich meine Tochter nicht als Handarbeitsgenie zur Welt gebracht hatte.
Ich hörte auf, heimlich Schokolade im Kleiderschrank zu essen, so zu tun, als bedauerte ich Frauen, die ihre fülligen Busen kaum bändigen können. Auf meine linkische Weise nahm ich am Leben wieder teil, ohne vorher eine Briefkastentante befragen zu müssen.
Mein Mann mochte keine Parties. Er nannte es eine Krampfaderolympiade, wenn Leute die ganze Nacht herumstehen, Angelköder in Form von kleinen runden Crackern essen und sich über die Totaloperationen ihrer Hunde unterhalten. Hätte er über unser Gesellschaftsleben zu bestimmen, bestünde der Höhepunkt meiner Arbeitswoche darin, daß ich in der Waschanlage zuschauen darf, wie das Wachs auf den Wagen aufgetragen wird.
Beim Betreten des Raumes schaute ich mich vergnügt um und entdeckte meine alte Freundin Phyllis. Ich hatte sie eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.
»Phyllis!« rief ich. »Menschenskind, endlich trifft man sich mal wieder! Gehst du immer noch dienstags zum Kegeln?«
Phyllis setzte ihr Glas ab ohne zu lächeln. »Kegeln? Das war nur ein Ventil für meine Aggressionen. Es hat mich davon abgehalten, mich unmittelbar meinen realen Problemen zu stellen.«
»Na, hör mal«, lachte ich, »alle neune, die du immer erzielt hast, waren doch wohl nicht schlecht, oder?«
»Schon, aber weißt du noch, welche Angstzustände ich immer bekam, wenn ich den Staubsaugerbeutel ausleerte? Der eigentliche Grund dafür war, daß ich mich in einer Krise befand, mit der ich nicht fertig wurde. Bei Zwillingsgeborenen sehr naheliegend, nicht wahr? Da habe ich angefangen, Selbsthilfebücher zu lesen, um meine Bewußtseinsebene zu heben. Jetzt lese ich eben Candy Summers: STICKEN UND SINNLICHKEIT! Von ihr ist auch ESSENSRESTE UND EROTIK und TRIEBLEBEN UND TEPPICHKLOPFEN, falls du die kennst.«
»STICKEN UND SINNLICHKEIT«? fragte ich und kippte hastig den Inhalt meines Glases herunter.
»Du kannst dich darauf verlassen«, flüsterte sie mir zu. »Du machst nie im Leben mehr einen französischen Gobelinstich. Übrigens: Du gehörst doch bestimmt zum Lesering Lebensbewältigung, oder?« Ich schüttelte den Kopf.
»Da bekommt man einmal im Monat ein Buch über Selbstverwirklichung. DIE ANGST VORM LANDEN, von Erica Alt hast du selbstverständlich gelesen und das neueste Buch von Dr. Dryer: ›HOFFENTLICH IST DIE SEXUELLE REVOLUTION NICHT SCHON VORBEI, WENN ICH EINBERUFEN WERDE«, nicht wahr?«
»Phyllis«, sagte ich, »was ist bloß aus dir geworden? Früher warst du so himmlisch oberflächlich.«
Diese Bemerkung überhörte sie. »Weil wir gerade bei dem Thema sind: Wieso hast du einen Komplex gegen Begrüßungsküsse?«
»Ich habe überhaupt keinen Komplex.«
»O doch, hast du. Wie du jetzt eben auf mich zukamst, hast du mir die Hand hingestreckt. Du hast Hemmungen.«
»Ich habe keine Hemmungen. Ich wollte niemand küssen, weil ich Roquefort gegessen habe.«
»Wann hast du Erma das letzte Mal gesagt, was du …«
Ich sah mich suchend um. »Welcher Erma?«
»Dir, Erma, dir selber.«
»Du weißt, ich spreche nicht gern in meiner Gegenwart mit mir selber. Das ist mir peinlich!«
»Ich habe ja gewußt, daß du deine wahren Gefühle hinter platten Scherzen verstecken würdest. Das sieht dir wieder mal ähnlich. Ein ernsthaftes Thema leichtfertig abtun. Ich verstehe offen gestanden nicht, wie du dasitzen und untätig zuschauen kannst, wie die übrige Welt ihr Inneres erforscht und dabei feststellt, zu welchen Höhen sich der Mensch aufschwingen, aber auch in welch tiefe Verworfenheit er versinken kann.«
»Oh, das war schön. Wo hast du das gelesen?«
»In einer Zeitschrift an der Kasse im Supermarkt. Weißt du, was dein Problem ist?« fragte sie und lehnte sich vertraulich näher. »Sex! Es wird Zeit, daß du dir über deine Gefühle klar wirst. Dich selbst kennenlernst. Die achtziger Jahre haben begonnen, mein Schatz, in denen Sex alles, all unser Tun, beherrscht. Du und dein Mann, ihr habt euch vermutlich ganz einfach satt. Das geht vielen Paaren so. Man hält sich eben nach einer Weile gegenseitig für einen Gebrauchsgegenstand.«
»Also, Phyllis, ich kann gar nicht fassen, daß du das bist, mit der ich rede. Früher hast du dich geschämt, ein Wort wie ›schwanger‹ auszusprechen. Du hast jedem gesagt, du hättest ›was im Rohr‹. Deine Kinder sind in dem Glauben aufgewachsen, man brauche neun Monate, um einen Kuchen zu backen.«
»Tja, das ist jetzt alles anders«, sagte Phyllis. »Jetzt weiß ich, daß Sex das ist, woran man in der Ehe arbeiten muß. Was du nötig hast, ist Clarabelle Sweet.«
»Du meinst, die DIE UNVOLLKOMMENE FRAU geschrieben hat? Von der hab’ ich, glaube ich, mal gehört.«
»Gehört ist gut«, kreischte Phyllis. »Ich kenne kein Buch, das von den Frauen derart begeistert aufgenommen worden ist, seit ›SEX MACHT DICK‹. Das wirst du doch kennen? In dem es heißt, daß der Beischlaf weniger Kalorien verbraucht als ein Frisbee-Wurf ? Paß auf: ich leih’ dir mein Exemplar, wenn du versprichst, es mir wiederzugeben.«
»Ich brauche keine Hilfestellung durch DIE UNVOLLKOMMENE FRAU.«
»Wann bist du zum letzten Mal mit deinem Mann in die Badewanne gestiegen?«
»Als wir den Hund gebadet haben.«
»Teilst du die sportlichen Interessen deines Mannes? Schaffst du Voraussetzungen für eine romantische Stimmung?«
Kein Zweifel, Phyllis war lütütü. Ich schlängelte mich davon und sah durch den Raum zu dem Vater meiner Kinder hinüber. Für einen Mann im Metall-Zeitalter (Silberhaar und Goldzähne) sah er noch prima aus. Ich beobachtete, wie eine Wasserstoffblondine zu ihm trat und so lebhaft auf ihn einredete, daß ich glaubte, ihr Gesicht würde auseinanderreißen. Als ich mich umdrehte, stellte ich fest, daß Phyllis mir nachschaute. Sie lächelte und rief mir zu: »Glaub mir, DIE UNVOLLKOMMENE FRAU wird dein ganzes Leben umkrempeln.«