Читать книгу Ich schenk' mir täglich rote Rosen - Erma Bombeck - Страница 4
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Die unvollkommene Frau
Clarabelle Sweet war andauernd im Fernsehen aufgetreten, wo sie Reklame für ihr Buch, DIE UNVOLLKOMMENE FRAU, machte. Clarabelle hatte langes schwarzes Haar und sagte Sachen wie: »Wenn ein Mann im eigenen Eisschrank Schlagsahne findet, rennt er nicht herum und sucht sich seine zwei Prozent Butterfett anderswo.«
Ich war überzeugt, daß ein Diwanpüppchen in andalusischer Tracht daheim zwischen Seidenkissen auf ihrem Bett saß. Zu diesem Eindruck kam ich, als ich ihren Partner-Quiz gelesen hatte.
Anfangs machte es mich ein bißchen beklommen, daß ich bei einem solchen Quiz durchrasseln würde. Und nach dreißigjähriger Ehe und drei Kindern zu erfahren, daß mein Mann und ich nicht zusammenpaßten, war mir sehr unangenehm. Aber lesen Sie selbst.
Nachträge zum Ja am Altar
Sie und Ihr Mann sind zum ersten Mal seit der Hochzeit allein in einer Blockhütte. Er knabbert an Ihrem Ohr. Was tun Sie?
a) Sie knabbern Ihrerseits an seinem Ohr
oder
b) teilen ihm mit, daß kein Brennholz da ist
Ihr Mann kommt mitten am Nachmittag unerwartet nach Hause. Schlüpfen Sie in ein gewagtes Kleidungsstück und machen ihm ein Angebot, dem er nicht widerstehen kann,
oder
lassen Sie ihn stehen, nehmen seinen Wagen und fahren zu einer Vorführung von Küchenmaschinen?
Ihr Mann lädt Sie ein, ihn zu einem Kongreß zu begleiten, bei dem Sie nur abends zusammen sind. Bestellen Sie sich einen Babysitter und fahren Sie mit,
oder
benutzen Sie die Gelegenheit, daheimzubleiben und das Schlafzimmer zu streichen?
Überprüfen Sie den Führerschein Ihres Mannes. Was hat er dort unter SEX eingetragen?
a) männlich
b) selten
Wenn Ihr Mann nach einem langen, anstrengenden Tag erschöpft und ausgepumpt nach Hause kommt,
a) massieren Sie ihm die Füße mit Nußöl
oder
b) sagen Sie ihm, ihm fehle nichts außer einer sportlichen Betätigung?
Wenn Sie selbst einen schlimmen Tag hinter sich haben und das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Verständnis empfinden,
a) nimmt Ihr Mann Sie in die Arme und sagt Ihnen, daß er Sie liebt
oder
b) liest er die Zeitung und krault Sie zerstreut hinterm Ohr, weil er Sie für den Hund hält?
Ich brauchte die Punkte gar nicht erst zusammenzuzählen. Das Ergebnis lag klar auf der Hand. Ich war die Frau, die zwar am Altar JA gesagt hatte, aber von dem Tage an, an dem sie über eigene Wagenschlüssel verfügte, zu oft NEIN.
Ich verwöhnte meinen Mann nicht, ich befriedigte seine Bedürfnisse nicht. Vielleicht hatte Phyllis doch recht. Vielleicht hatten wir uns gerade zu einer Zeit, in der wir miteinander gut eingefahren waren, miteinander festgefahren?
Wenn ich es mir recht überlegte: Das letzte Mal hatte er im Kino die Arme um mich gelegt, als ich das kleine Plastikauto aus der Crackerpackung verschluckt hatte.
Ich wäre mir idiotisch vorgekommen, wenn ich überall hinter ihm hergezockelt wäre. Wir sind keine besonders überschwenglichen Menschen. Sind es nie gewesen. Wenn er nun aber eines Tages nach 2%igem Butterfett gierte? Wenn Clarabelles Mann tagtäglich aus dem Büro zu Hause anrief, nur um am Telefon anderthalb Minuten lang schwer zu atmen, war es vielleicht doch der Mühe wert?
Am nächsten Morgen rief mein Mann aus dem Badezimmer: »Was soll das denn?«
Ich hatte mit Lippenstift auf den Spiegel geschrieben: 65 MILLIONEN FRAUEN BEGEHREN MEINEN MANN.
»Das ist nur, damit ich immer daran denke, welches Glück ich gehabt habe, dich zu ergattern, Liebling.« Er musterte den Spiegel und sagte: »Wer war denn die Konkurrenz. Namen bitte.«
»Du brauchst nicht gleich ironisch zu werden. Clarabelle Sweet sagt, wenn Frauen ihre Männer besser behandelten, würden sie nicht fremd gehen.«
»Wer bitte ist diese Clarabelle Sweet und mit wem bitte gehe ich fremd?«
»Clarabelle Sweet wird unsere Ehe retten. Hier ist dein Rasierzeug, dein Frottiertuch, deine Seife und dein Shampoo.«
»Und wo ist meine Plastikente?« fragte er gereizt.
»Dein Kamm, dein Deodorant, ein sauberes Hemd und deine Hose. Warte, ich klapp’ dir den Deckel auf.«
»Mach bloß, daß du aus dem Bad kommst!« preßte er durch die zusammengebissenen Zähne.
Wenn ich es mir nachträglich überlege: so wenig Anerkennung für dienstbereite Unterwürfigkeit ist mir noch nie im Leben begegnet.
Als ich versuchte, ihm die Cornflakes mit dem Löffel einzufüttern, verweigerte er das Essen.
Als ich ihm Zahnpasta auf die Zahnbürste auftrug, verließ er unter Protest das Bad.
Als ich ihm ein Streichholz unterm Kinn anzündete, pustete er es aus und knurrte: »Das Rauchen habe ich aufgegeben, falls du dich noch erinnerst.«
Und als ich, seinen Aktenkoffer in der Hand, in der Garageneinfahrt stand, sagte er: »Das Parfum kannst du weglassen!«
»Ich ruf’ dich dann im Büro an«, raunte ich mit sinnlich-rauer Stimme. »Sieh zu, daß du bald heimkommst.« Als er weg war, nahm ich das Buch DIE UNVOLLKOMMENE FRAU noch einmal zur Hand und vergewisserte mich: ja, genau, Seite 110 stand: Bei Befragung von 10000 Männern äußerten fast die Hälfte, daß sie ihren Frauen untreu waren und daß sie körperliche Zärtlichkeitsbeweise wünschten oder brauchten.
Die Reihenfolge der von ihnen an der Partnerin am meisten geschätzten Eigenschaften sah so aus:
1. Berücksichtigung der männlichen Bedürfnisse
2. Aufrichtigkeit
3. Zuneigung
4. Intelligenz
5. Selbstvertrauen
6. Sex
7. Sinn für Humor
Es las sich eigentlich mehr wie ein Pfadfinderhandbuch. Gleich nach dem Mittagessen ging ich ans Telefon und rief bei meinen Mann im Büro an. Wie mir schien, mußte ich ewig warten. Schließlich kam seine Sekretärin an den Apparat und sagte, sie würde mich durchstellen.
»Hallo«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme etwas Sinnlich-Heiseres zu geben. »Kannst du heute nicht früher nach Hause kommen?«
»Was’n los?« fragte er. »Mußt du zum Zahnarzt?«
»Wenn du früher heimkommst, kannst du alles von mir haben.«
»Bleib mal am Apparat, ich hab’ ein Gespräch auf der anderen Leitung ...« Dann kam das Besetztzeichen.
Ich hängte ein und kehrte zu Clarabelles Buch zurück. »Reißen Sie Ihren Mann ruckartig aus der gewohnten Lethargie, indem Sie ihm schon in der Tür in gewagter Kostümierung entgegentreten – als Playboy-Bunny, mit tiefem Dekolleté, langen Ohren oder als orientalische Sklavin ...«
Kostümierung? Meinte die das ernst? Sogar an Karneval zog ich meinen Kindern nur braune Einkaufstüten über die Köpfe, schnitt Öffnungen für die Augen hinein und trug ihnen auf, jedem Interessierten zu erzählen, ihre Mutter läge frisch operiert im Krankenhaus. Für Kostümierungen hatte ich kein Talent.
Ich durchsuchte sämtliche Schränke. Das einzige, was ich fand, waren Fußballerhosen, ein Fußballerhemd und ein Helm. Darin fühlte ich mich zwar so aufreizend wie eine Braut mit einem Mund voll von Novocain, aber wenn man seine Ehe retten will, darf man vor nichts zurückschrecken.
Als ich den Wagen vorfahren hörte, riß ich die Haustür auf und rief schallend: »Bis jetzt kein Tor!«
Der Mechaniker, der die Waschmaschine reparieren kam, sagte ein paar Minuten lang gar nichts. Er konnte mir nicht einmal in die Augen sehen, starrte auf den Boden und murmelte: »Auf dem Auftragszettel hier heißt es, daß Ihre Trockenschleuder nicht aufheizt.«
Ich räusperte mich. »Stimmt. Kommen Sie herein. Die Trockenschleuder steht neben der Waschmaschine hinter der Klapptür.« Keiner von uns sprach, das einzige Geräusch war das Klirren meiner Schuhnägel auf dem gefliesten Boden. Er arbeitete schweigend, und ich verschwand am anderen Ende des Hauses.
Als ich ihm seinen Scheck gab, nahm er ihn, schüttelte den Kopf und meinte: »Na, hoffentlich gewinnt Ihre Mannschaft, meine Dame.«
Ich zog den Fußballdreß aus und ein Kleid an. Es nützte nichts, sich etwas vorzumachen. Für die Rolle der Superfrau war ich noch nicht reif, das wußte ich jetzt.
Nicht einmal die nötige Atmosphäre verstand ich zu schaffen. Wir aßen unser Dinner zwischen ›Erkennen Sie die Melodie?‹ und ›Familienkrach‹. Die Kinder rasten ein und aus wie durch eine Drehtür. Die einzige Methode, sie dazu zu bringen, ihre Stereo-Anlage leiser zu stellen war die Bemerkung, man verstünde den Text. Dann waren Kleider zusammenzulegen, Einkäufe zu besprechen, Entscheidungen zu treffen, und zu alledem kam natürlich das elektronische Einschlafmittel – die Sportschau. So richtig klar, in was für festgefahrenen Gewohnheiten wir uns befanden, wurde mir, als ich meinem Mann den Nacken einfühlsam massierte und er sagte: »Das kannst du dir sparen – meine Brieftasche liegt auf der Kommode.«
Ich machte mich wieder ans Zusammenlegen von Kleidungsstücken, da schrillte plötzlich der Rauchalarm in unserem Schlafzimmer.
»Wieso hängt dein Nachthemd über dem Lampenschirm?« fragte mein Mann.
»Ich wollte eine gewisse Atmosphäre schaffen.«
»Wofür? Für einen Katastrophenfilm?«
»Es sollte dem Zimmer etwas Intimes, Erotisches geben.«
»Mach das Fenster auf. Wenn es hier drin noch erotischer wird, fall’ ich um.«
Es dauerte ungefähr eine Stunde, ehe der Qualm sich verzogen hatte und wir zu Bett gehen konnten.
»Hast du mich heute angerufen, oder hab’ ich das geträumt?«
»Doch, ich hab’ angerufen.«
»Was wolltest du denn?«
»Dich bitten, früher heimzukommen, dann könntest du alles von mir haben.«
»Du hättest eine Nachricht hinterlassen sollen«, sagte er und kroch gähnend ins Bett.
Ich knipste das Licht im Badezimmer an. Auf dem Spiegel stand noch immer: 65 MILLIONEN FRAUEN BEGEHREN MEINEN MANN. Ich nahm den Deodorantstift und schrieb darunter: WARUM BLOSS?
Es war einfach so: Wir konnten nicht werden, was wir nie gewesen waren. Wir waren zu alt, um uns zu ändern. Außerdem durchliefen wir nach Ansicht der Experten soeben die beste Phase unseres Lebens. Die Kinder waren erwachsen, und ich brauchte mich nicht mehr um verlorene Teddybären, Laufställchen und verknotete Schuhbänder zu kümmern. Auf dem Haus lastete nur eine 9% ige Hypothek von vor der Inflation. Außerdem hatte ich Mayva.
Mayva war meine beste Freundin, die nie Diät hielt, wenn ich zu dick war, mir nie die Wahrheit sagte, auch wenn ich sie darum bat und wenn mir mein Mann einen Gemüsehobel zum Geburtstag schenkte, nie eine blöde Bemerkung machte wie: »Wenigstens trinkt er nicht oder rennt jeder Schürze nach wie andere Männer.«
Als Mayva Clarabelle Sweets Buch auf dem Dielentisch liegen sah, wäre sie beinahe hintenübergekippt. »Du liest DIE UNVOLLKOMMENE FRAU? Doch nicht im Ernst? Du kannst doch dein Leben nicht einfach umkrempeln. Übrigens weiß ich, was mit euch los ist. Wie so viele Ehepaare haltet ihr euch krampfhaft an die althergebrachten Vorstellungen von der Ehe, die gar nicht mehr existieren. Einer den anderen bedienen, das macht doch heute kein Mensch mehr. Jetzt gilt: gleiches Recht für beide. Ihr müßt ein Selbstwertgefühl entwickeln. Weißt du überhaupt, wovon ich rede?«
»Ach bitte, nicht noch mehr Bücher, Mayva!«
»Hör doch zu. Pam und Richard McMeal haben eins geschrieben mit dem Titel IST FRISCHE LUFT IN IHRER EHE? Das trifft’s genau. Und jetzt beantworte mir mal eine Frage: Wann haben du und Bill das letzte Mal getrennt Urlaub gemacht?«
»Als wir die Kinder bei Mutter lassen konnten!«
»Dann wäre es jetzt Zeit, eine offene, unverhemmte Beziehung miteinander einzugehen. Keiner darf mehr dominieren und keiner sich unterordnen. Alles wird geteilt. Ihr laßt die Jahre hinter euch, in denen ihr die Sklaven eurer Kinder wart, und entwickelt einen Sinn für das Weltgeschehen. Und Gott steh’ dir bei, wenn du eines Morgens aufwachst und merkst, daß dein Mann dir entwachsen ist.«
Ich sagte eine Minute lang gar nichts. Dann fragte ich: »Wie kommst du gerade darauf, Mayva?«
»Unwichtig«, sagte sie.
»Nein. Wichtig! Du weißt etwas, was du mir nicht sagst. Was ist es?«
»Als wir uns neulich abends unterhielten und Bill den Dessousartikelmarkt Amerikas erwähnte, hast du gesagt: Etwas Unfeineres als die Werbung für weibliche Hygieneartikel gibt es gar nicht.«
Ich erstarrte: »Kennst du womöglich ein noch unfeineres Produkt?«
»Lies erst mal das Buch der McMeals«, sagte sie. »Ich bring’ es dir morgen vorbei. Glaub mir, es wird deinem Leben eine neue Richtung geben.«
Eine Frau, die 26 Packungen Zitronenpudding im Speiseschrank hat, darf sich Vorschlägen für Neuerungen nicht verschließen.