Читать книгу Ich schenk' mir täglich rote Rosen - Erma Bombeck - Страница 5
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Ist frische Luft in Ihrer Ehe?
ОглавлениеMein Sohn, genannt WEISSER HAI II, hatte eine Gewohnheit, die mich die Wand hoch trieb. Er riß die Türen vom Kühlschrank auf und stand davor, bis die Härchen in seiner Nase zusammenfroren. Nach der Inspektion von Eßwaren verschiedenster Form und Konsistenz im Wert von circa 200 Dollar pflegte er laut zu verkünden: »Es ist nichts zu essen da.«
Früher reagierte ich auf diese Feststellung, als habe man mir den klassischen Fehdehandschuh hingeworfen oder einen Angriff auf meine Tugend unternommen. Jetzt enthielt sie für mich nichts Provozierendes mehr. Ich blieb am Tisch sitzen und las weiter in meinem Buch. »Liest du schon wieder ein Ehehandbuch?« fragte er.
»Was ist daran verkehrt?«
»Nichts«, sagte er und fügte hinzu: »Ich wundere mich nur über eins: Wieso haben Dad und du nie was miteinander gehabt, ehe ihr zum Traualtar gerannt seid?«
»Du bist wohl verrückt?« sagte ich. »Wir haben uns geheiratet, weil wir uns zu wenig kannten, um frei miteinander zu leben.«
Das war eine absurde Bemerkung, wir wußten es beide. In Wahrheit waren sein Vater und ich in dieser Welt »freier Partnerschaften«, »begrenzter Wohngemeinschaften« und »eheähnlicher Verhältnisse« Relikte vergangener Zeiten. Wir hatten den alten Ehevertrag nie in Zahlung gegeben, nie die getroffene Wahl rückgängig gemacht, nie Alternativmöglichkeiten erwogen. In einer Welt, in der sich junge Leute in der Schlange vor der Kinokasse kennenlernen, sich in der Pause verloben und ihre Beziehung zwischen dem Bestellen und dem Verzehr ein und derselben Pizza wieder lösen, mußten wir reichlich drollig wirken.
Ich schlug das Buch der McMeals zu. Es ängstigte mich viel mehr als DER ZUKUNFTSSCHOCK! Es hieß da, daß eine von drei Ehen mit Scheidung endet und 75% aller, die weiterbestehen, fürchterliche Probleme hätten. Und was die Autoren sonst noch schrieben, klang, als sei die Ehe ungefähr so aufregend wie eine Joghurt-Orgie.
Nach dreißig Ehejahren fühlte ich mich wie ein Bruchband: verläßlich, haltbar und hundertprozentig von der Krankenkasse absetzbar.
Waren Eheleute eine aussterbende Gattung? Würde man später von den längstvergangenen Zeiten reden, als Männer und Frauen noch zu je zwei und zwei, unauflöslich aneinandergekettet, die Welt durchstreiften? War es vorstellbar, daß ein zwangloses Miteinander-Wohnen einmal die alleinseligmachende Lebensform sein und die feine Gesellschaft die Ehe ablehnen würde?
Im Geist sah ich bereits meinen Sohn von der Schule heimkommen: das Hemd zerrissen, mit blutenden Schrammen und in seinem Zimmer verschwinden, um keine Auskünfte geben zu müssen.
In die Enge getrieben, würde er dann zugeben, daß er in der Pause gerauft hatte.
»Ja, warum denn?« würde ich fragen.
»Weil der Richard gesagt hat ... weil er behauptet hat ... also, er hat gesagt, Dad und du, ihr wärt VERHEIRATET!«
»Und was hast du darauf gesagt?«
»Ich hab’ gesagt, daß er eine Flasche ist. Da hat er gesagt, die ganze Schule wüßte es, und wenn ihr es nicht wärt, hättest du doch einen anderen Nachnamen. Stimmt es denn?«
Und wenn ich dann nickte, würde er zornig brüllen: »Warum kannst du nicht mit Dad bloß so zusammenleben wie alle anderen Eltern?«
Und dann würde ich ihm erklären: »Entschuldige, aber dein Vater und ich hatten nicht die Absicht, dich in Verlegenheit zu bringen. Glaubst du denn, es macht uns Spaß, uns heimlich mit gemeinsamem Gepäck in die Hotels zu schleichen? Und den Ehering an einem Band um den Hals zu tragen? Und uns in Gegenwart von Freunden gegenseitig zu necken, damit sie glauben, wir seien nicht verheiratet? Ich bin froh, daß das Versteckspiel zu Ende ist. Ich bin es leid, in getrennten Wagen zur Gruppentherapie für Ehepaare zu fahren!«
Und auf sein Drängen erklärte ich ihm, warum wir es getan hatten. Wir hatten die Ehe ausprobieren wollen, um herauszukriegen, ob dieser Zustand uns nervte oder nicht, und wenn es nicht klappte, still und leise zur Scheidung zu schreiten, um niemanden zu verletzen. Plötzlich fing ich an zu frieren. Der Junge stand schon wieder vor der offenen Doppeltür des Kühlschranks mit Gefrierabteil.
»Was ist denn in der gelben Schachtel?« fragte er und riß den Deckel mit den Zähnen auf.
Zu spät! Er hatte den Film schon im Mund.
Je mehr ich darüber nachdachte: Auch unsere Ehe war nicht im Himmel geschlossen worden. Wir hatten durchaus unsere Meinungsverschiedenheiten. Ein bißchen frische Luft konnte da nichts schaden. Die beiden McMeals rieten Paaren, einander in der Ehe mehr Raum zu lassen. Raum zum Atmen, Raum zur Selbstverwirklichung. Sie forderten, Eheleute sollten voneinander unabhängiger werden.
Weil beispielsweise Football mir zum Hals heraushing, nahm ich das freudig zur Kenntnis. Jahrelang war ich einmal die Woche ins Stadion gepilgert und hatte mich anderthalb Stunden lang dort einer Art Narkose ausgesetzt.
Die Männer werden von Football high und erleben emotionale Höhepunkte, das ist bekannt. Ich habe schon bedeutendere emotionelle Höhepunkte erlebt, wenn ich mir ein Stück Apfelbutzen aus den Zähnen stochere.
Ich langweilte mich so tödlich beim Football, daß ich mir eigene Spielchen ausdachte.
Mit Peggy Ronstadt spielte ich eine ganze Footballsaison lang Mode-Alphabet Wir mußten abwechselnd modische Trends nennen, nach denen Frauen auf den Tribünen gekleidet waren, und vergaßen dabei weder die Pfeillinie noch das Trapezkleid. Die erste, der kein Name für einen Stil einfiel, mußte zur Strafe bis zur ersten Halbzeit dem Spiel zusehen.
Das Würstchen-und-Cola-Spiel beschäftigte mich ungefähr eine knappe Stunde. Ich rief mit verstellter Stimme dem Verkäufer am Ende der Reihe eine Bestellung zu. Die Zuschauer reichten Würstchen und Cola die ganze Reihe entlang weiter ohne das Spielfeld aus den Augen zu lassen, 138 Plätze weit. War das Ende der Reihe erreicht, gaben Sie es in die nächstobere oder -untere weiter. Ich beobachtete, wie viele Reihen Cola und Würstchen durchwanderten, ehe jemand sie sich schließlich einverleibte.
Und noch etwas spielten Peggy und ich: Wie sieht das aus? Wir vereinbarten einen Gewinn von einigen Dollars, und den bekam diejenige, die am treffendsten wiedergeben konnte, wie die Pausenmusiker auf dem Spielfeld aussahen. Ich habe einmal 8 Dollar gewonnen, weil ich den Tubabläser als Sardelle auf einem Pizza-Feld bezeichnete.
Ich fragte mich, was mein Mann wohl sagen würde, wenn ich an meinem nächsten Sonnabend erklärte, ich ginge nicht mit zum Football. Dann würde sich zeigen, wie fest fundiert unsere Ehe noch war.
Als ich das vor meiner Nachbarin Lynda erwähnte, war sie ganz entsetzt. »Das kann nicht dein Ernst sein! Du hast Gelegenheit, mit deinem Mann zum Football zu gehen, und willst dich drücken?«
»Wieso, was ist daran verkehrt?«
»Ich gäbe alles darum, wenn mein Jim beim Football zuschauen würde. Schließlich gibt es für einen Mann keinen gesünderen Sport auf der Welt als Football. Auf den billigen, unüberdachten Tribünen sitzen, eine Thermosflasche heißen Kaffee zwischen sich, eine Decke über den Knien, das schafft Gemeinsamkeit!«
»Was ist nur aus dir geworden? fragte ich. »Damals, als du Jim per Reklameballon mitteilen mußtest, daß du ihm einen Sohn geboren hattest, bekamst du auch noch Schimpfe dafür!«
»Tja, das war noch eine andere Zeit. Heute steht er jeden Sonnabend auf, füllt die Thermosflasche und rennt ins Stadion. Er redet dauernd von Außenbegrenzung, Linie und Bewegung im hinteren Feld, ja er schwärmt davon.«
»Ich dachte immer, er mag Football nicht?«
»Mag er auch nicht. Er schaut immer nur nach den Pompomgirls. Fünfzig Pompomgirls mit Spaghettibeinen, Minusbäuchen und aufblasbaren Oberweiten. Vorigen Sonnabend, als die Mannschaft einlief, sagte er: ›Komm, wir holen uns jetzt während des Spiels was zu trinken, damit wir in der Pause zurück sind!‹ Ich sage dir, diese Mädels ruinieren den ganzen Sport.«
»Ach, Lynda«, sagte ich, »Football wird keiner je abschaffen können, so wenig wie den Nikolaus oder den Schnupfen. Es wird ihn immer geben, ob wir nun hingehen oder nicht. Und sag mir ja nicht, daß du nicht deinen Ehevertrag gern nachträglich umschreiben würdest, wenn du könntest!
Ich habe mir gestern ein paar Kleinigkeiten notiert, die mich in unserer Ehe die Wände hoch treiben. Den Zettel legte ich meinem Mann dann aufs Kopfkissen. Hör sie dir an:
Nimmt die Bezeichnung ›Freizeitanzug‹ zu wörtlich.
Hat mich angelogen und behauptet, Wildleder stamme von einer bedrohten Tierart, so daß das ökologische Gleichgewicht in Gefahr käme, wenn ich mir den neuen Lederrock kaufte.
Verrät mir nie Bürogeheimnisse, die ihm vertraulich mitgeteilt worden sind und die niemandem zu sagen er geschworen hat.
Erklärt sich bereit, mit mir einkaufen zu gehen, und lehnte dann an der Wand wie ein Wartender in der Krankenhausambulanz.
Hat öffentlich verkündet, meine Oberarme erinnerten ihn an Rollenbutter …«
»Himmel, das war doch schon vor zehn Jahren«, meinte Lynda.
»Scherze über fette Oberarme verjähren nicht. Und zu allem Überfluß macht er mir meine Fernsehserien mies.« Letzteres bildete jahrelang einen Zankapfel zwischen uns beiden. Eigentlich wußte ich nicht, warum. Ich hatte mir einmal eine solche Serie angesehen. Natürlich war darin alles frei erfunden. Wo auf der Welt sagt ein Mann seiner Frau, solange noch die Lampen brennen, daß er sie liebt? Aber fesselnd fand ich sie doch. Solche Serien hatten sich während der letzten Jahre sehr verändert. Früher war es unschuldiger Kinderkram, bei dem die Heldin ständig Kaffee einschenkt und in drei Wochen eine Schwangerschaft von neun Monaten absolviert. Jetzt aber kam Abtreibung, Trunksucht, Inzest, freie Liebe, Drogen, Homosexualität und frecher Widerspruch gegen Mütter darin vor.
Die Heldin der allerneuesten Fernsehserie hieß Erogenique. Wenn man es mit einem solchen Vornamen im Leben zu nichts bringt, ist man selber schuld.
Ich bemühte mich krampfhaft, mir vorzustellen, was diese Erogenique an ihren sendefreien Tagen tat. Ich malte mir aus, daß wir beide in einer Wohnung in New York wohnten und so verschieden waren wie Tag und Nacht. Abend für Abend käme sie atemlos hereingestürzt und schwatzte mir über ihre neueste Eroberung etwas vor: ein Mann, der sie in einer knappen Stunde abholen käme, und ob ich nicht ein Schatz sein und ihn hereinlassen wolle. Und jedes Mal verlor sie dann den Gegenstand ihrer Begierde an mich. Es war immer das gleiche. Er stand in der Tür, sprachlos vor solcher Häßlichkeit. Er hätte meine Zimmergenossin haben können (die am ganzen Körper keine unschöne Stelle hatte), doch nein, er wollte mich, die gern ruhig zu Hause saß und an einer Tagesdecke stickte. Wenn er dann den Arm ausstreckte, um mich an sich zu ziehen, wich ich zurück und rief: »Wenn Sie etwas suchen, was auf Fingerdruck funktioniert, kaufen Sie sich einen Mikrowellenherd!«
Wenige Wochen nach meinem Entschluß, frische Luft in meine Ehe zu lassen und dabei Türen und Fenster aufzureißen, saß ich eben wieder vor dem Fernseher, da erschien Lynda in der Tür und sagte: »Ich kann’s nicht mehr aushalten. Ich muß dich fragen: Was ist passiert, als du deinem Mann gesagt hast, daß du nicht mit zum Football willst?«
»Er hat gesagt: okay.«
»War das alles?«
»Ja, das war alles. Psst, Erogenique ist gerade dabei, auf der Beerdigung ihres Stiefvaters den Inhaber der Bestattungsfirma zu kompromittieren.«
Auf dem Bildschirm sprach eben Schwester Emma: »Liebe Erogenique, das Schlimme bei dir ist, daß du dich selbst nicht leiden kannst. Du kannst keine Beziehung zu jemand anders eingehen, deine Selbständigkeit hat dich destruktiv gemacht. Du magst die anderen nicht und dich selber auch nicht, weil du so gar nichts Liebenswertes hast. Ich verabscheue und hasse dich.«
»Hast du das gehört?« fragte ich. »Sie hat gar nicht unrecht. Erogenique mag Erogenique nicht, sie ist von ihrem Wert nicht überzeugt.«
»Ja, das wird’s sein«, gähnte Lynda. »Alle versuchen einen dazu zu bringen, daß man sich selbst gegenüber ein gutes Gefühl hat. Man darf heutzutage nicht mehr mittelmäßig sein, man muß vollkommen sein. Sie dir das an: Selbst die Werbung ist ganz darauf abgestellt.«
Schweigend sahen wir zu, wie eine Hausfrau namens Mildred in einem Supermarkt interviewt wurde. Der Interviewer fragte Mildred, ob ihr Mann Kartoffeln oder lieber Klöße zum Brathähnchen wollte.
Mildred, die seine Kinder geboren, mit ihm aus dem gleichen Zahnputzbecher getrunken und seine Erkältungen geerbt hatte, sagte ohne mit der Wimper zu zucken: »Kartoffeln. Mein Mann würde Kartoffeln vorziehen.«
Als in der nächsten Szene der Ehemann interviewt wurde, sagte er: »Klöße. Ich würde Klöße vorziehen.«
In der dritten Szene war die Hausfrau sichtlich erschüttert und stotterte: »Das hab’ ich nicht gewußt ... von jetzt ab gebe ich ihm immer Klöße.«
Ich wandte mich an Lynda. »Du liebe Zeit«, sagte ich mit funkelnden Augen. »Ich glaube, auch Bill würde Klöße vorziehen. Wie ist denn das bei Jim?«
Lynda sah mich müde an. »Wen juckt das schon«, sagte sie. »Ich könnte ihm Rentierfleisch servieren, er hätte es bestimmt schon zu Mittag gegessen. Wenn diese Mildred nur einen Funken Verstand hat, gibt sie ihrem lahmen Heini wirklich Klöße, bis sie ihm zum Hals heraushängen.«
»Worüber bist du denn so wütend?« fragte ich.
»Ich bin wütend, weil ich dasitzen und mir vorbeten lassen muß, wie ich mich abstrapazieren soll, nur um dann Eisentabletten schlucken zu müssen. Wir werden manipuliert, verstehst du. Ich habe jetzt gelesen, welche Fallen dem Konsumenten gestellt werden, in einem Buch, es heißt KAUFANGST...«