Читать книгу Es gibt kein Verzeihen - Ernst Meder - Страница 10
6. Kapitel
ОглавлениеDer übliche Ablauf war ihm inzwischen so geläufig, dass er auf eine nochmalige Selbstdarstellung des Pfarrers auf seiner Kanzel verzichten konnte. Er hatte eine viertel Stunde vor dem Ende des Gottesdienstes wieder auf dem gleichen Stellplatz geparkt den er letzten Sonntag ausgewählt hatte, sodass er erneut beide Zugänge einsehen konnte.
Das Hauptportal der Kirche öffnete sich heute mehr als pünktlich, wie er nach einem Blick zu der Uhr im Armaturenbrett feststellen konnte. Ein leises Lächeln umspielte seinen Mund, während er die Verabschiedung der Kirchgänger beobachtete, wahrscheinlich hatte er wieder etwas vor.
Die junge, etwas füllige dunkelhaarige Frau, die der Pfaffe am letzten Donnerstag noch nach Hause gebracht hatte, wirkte etwas bedrückt, wie sie sich jetzt von ihm verabschiedete. Während er die restlichen Kirchgänger verabschiedete, schlurfte sie niedergeschlagen in Richtung U-Bahn, wobei sie sich nicht ein einziges Mal umdrehte.
Völlig verblüfft sah er, wie plötzlich eine Veränderung bei ihr vorzugehen schien, denn, kaum den Blicken vom Haupteingang der Kirche entzogen, verschwand sie, plötzlich sehr beweglich, hinter einer Litfaßsäule. Neugierig beobachtete er, wie langsam ihr Kopf hinter der Säule erschien und wie sie den Haupteingang der Kirche nicht aus den Augen ließ.
Sollte er nicht der Einzige sein, der eine Rechnung mit dem Pfarrer offen hatte, war unvermittelt eine Widersacherin aufgetaucht, die ihm sein Opfer streitig machen wollte. Erst einmal wollte er sehen, wie sich das Ganze weiter entwickelte, was geschehen würde, wenn der Pfarrer aus der Kirche kam.
Er überbrückte die Wartezeit, indem er die junge Frau beobachtete, die mit zunehmender Zeit immer unruhiger wurde. Nervös tigerte sie den Gehweg Auf und Ab, streng darauf achtend nicht in das Blickfeld der Kirche zu geraten.
Etwa eineinhalb Stunden nach Beendigung des Gottesdienstes öffnete sich die Nebentür und Beate Mühlheim erschien, fröhlich den Blick nach innen gewandt, wo in diesem Augenblick ihr persönlicher Seelsorger erschien. Ehe er noch die Tür verschließen konnte, umarmte sie ihn, wahrscheinlich zum wiederholten Mal, um dessen Gesicht mit Küssen zu bedecken.
Abgelenkt durch die Vorgänge an der Kirchentür hatte er die junge Frau aus den Augen gelassen, die dieses Schauspiel ebenfalls mit großen Augen betrachtete. Der Gedanke, als völlig Unbeteiligter zwischen die Mühlsteine dieser beiden Xanthippen zu geraten bereitete ihm Unbehagen, vielleicht sogar Angst.
Diese Angst verwandelte sich in Bedauern, als er sah, wie die Beobachterin niedergeschlagen mit verheultem Gesicht an der Litfaßsäule lehnte. Sie konnte die beiden nur durch den Schleier ihrer Tränen gesehen haben, wie diese sich scherzend auf ihre Fahrzeuge zubewegten. Trotzdem versteckte sie sich erneut hinter der Säule, um den Blicken der Beiden zu entgehen. Sie wirkte mutlos und traurig wie sie beobachtete wie beide sich küssend verabschiedeten, in ihre Autos stiegen und davon fuhren.
Um nicht aufzufallen, hatte er auf dem Parkplatz verharrt, wollte abwarten, bis sie sich entfernte, um ebenfalls endlich abfahren zu können. Seine Hoffnung, dem Pfaffen folgen zu können, konnte er aufgeben, er konnte nur im Anschluss daran zu dem Parkplatz fahren, um zu sehen, ob der weiße Opel dort parkte.