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3. Kapitel

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Langsam, mit gemessenen Schritten ging er zu dem Eingang der Kirche, wo einige ältere Frauen standen um über gerade nicht anwesende Kirchgänger Geschichten zu verbreiteten. Sie wussten, dass deren Wahrheitsgehalt nie nachgeprüft werden kann, jedoch ausreichend Gesprächsstoff gab, um zu flüstern, wenn diese auftauchten. Vereinzelt standen ein paar ältere Männer zusammen, unterhielten sich über das gestrige Fußballspiel, wobei offensichtlich wurde, dass deren Hiersein nur dem Drängen ihrer Ehefrauen geschuldet war.

Das durchschnittliche Alter, welches die Sechzig längst überschritten hatte, wurde nur durch die vereinzelten Jugendlichen gesenkt, deren Gründe für den Besuch nicht offenbar wurden. Vielleicht war es die Zuneigung zum anderen Geschlecht, denn Jungen und Mädchen hatten etwa das gleiche Alter, auch schien die Anzahl paritätisch verteilt.

Obwohl er von der anwesenden Altersgruppe abwich, schien keiner ihn wahrnehmen zu wollen oder ihn genauer zu beobachten. Es war als gäbe es eine Absprache unter den Anwesenden ihn zu ignorieren. Lag es daran, dass er heute zum ersten Mal den Gottesdienst besuchte, oder wurden Neulinge prinzipiell ausgegrenzt. War es eine besondere Form der christlichen Nächstenliebe oder mussten neue Besucher ihren Glauben erst durch mehrfache Besuche nachweisen.

Ohne Hast betrat er den Kirchenraum, blickte auf die zweckmäßige Ausstattung, den Verzicht von besonderen Emporen oder Logen, auch das Gestühl war eher zweckmäßig als bequem. Wahrscheinlich wurden diese unbequemen Sitzmöbel deshalb gewählt um ein Einnicken während der Predigt zu verhindern, dachte er, während er sich in die hinterste Reihe nahe dem Mittelgang setzte. Die Ausstattung der Kirche zeigte, dass es sich um eine evangelische Kirche handelte, die Architektur ließ Rückschlüsse auf den Bau in den frühen sechziger Jahren zu.

Die einzige Empore in dem Kirchenraum befand sich direkt über ihm, dort erklangen bereits leise Klänge einer Orgel, mit welchen der Organist die sonntäglichen Kirchgänger zu ihrem Platz geleitete. Er beobachtete wie sich die Personen, die er gerade noch vor der Tür gesehen hatte, langsam zu einem Platz begaben um erwartungsvoll, manchmal leise flüsternd, zur Kanzel blickten. Dabei erweckten sie den Eindruck, als ob diese Blicke das Erscheinen des Pfarrers beschleunigten.

Verwundert hatte er diese Prozession der hereinstrebenden Personen beobachtet. Dabei entstand der Eindruck, als würden die jeweiligen Personen von unsichtbaren Strängen zu den Plätzen geführt, die sie jeden Sonntag einnahmen. Amüsiert stellte er sich gerade vor was geschehen würde, wenn ein Fremder unwissentlich einen dieser Plätze einnahm und damit die gesamte, seit Jahren festgefahrene Sitzordnung, durcheinanderbringen würde. Sehr wahrscheinlich würde er auf sehr unchristliche Art von diesem Platz vertrieben werden.

Ein Rascheln der vielleicht zwanzig Personen lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine Tür links vom Altar, aus der gerade der im schwarzen Talar gewandete Pfarrer den Kirchenraum betrat. Er sah ziemlich gut aus mit seiner großen Gestalt sowie seinem vollen Haar, welches er für sein Alter vielleicht ein bisschen zu lang trug. Sein Alter war schwer zu schätzen, obwohl er wusste, dass er bereits das vierzigste Lebensjahr erreicht hatte, wirkte er sehr viel jünger.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten sah er ihn zum ersten Mal, trotzdem erkannte er ihn sofort an seinen Gesichtszügen. Seine Gesten, die er beibehalten hatte, aber auch an dem Blick, der sich unvergesslich bei ihm eingebrannt hatte, waren unverkennbar.

Den Beginn der Predigt hatte er zwar mitbekommen, alles, was danach gesagt wurde, war an seinen Ohren vorbei gerauscht, ohne nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Den Sinn oder die Aussage der Predigt hätte er nicht wiedergeben können, so sehr war er in seine Gedanken versunken, war in die Vergangenheit zurückgekehrt.

Wie aus einer Trance erwachend spürte er die Veränderung bei den anderen Besuchern, bemerkte, dass die Predigt gerade endete und der Gesang das Ende des Gottesdienstes ankündigte. Ehe noch das letzte Amen erklang, hatte er sich erhoben und verließ leise die Kirche ohne sich noch einmal umzusehen um sich an anderer Stelle seinen Gedanken hinzugeben. Er war der Erste von ihnen, die anderen würde er zu einem späteren Zeitpunkt betrachten, sie in ihrem Alltag beobachten.

Schnell ging er zu seinem kleinen Transporter, der ihm bisher immer gute Dienste geleistet hatte. Er war überzeugt, dass dieser Pfaffe ihn in der Kirche gesehen hatte, allerdings war er sicher, dass dieser ihn nicht erkannt hatte, schließlich lagen einige Jahre zwischen ihrem letzten Treffen. Trotzdem wollte er nicht, dass er ihn jetzt erneut sah. Auch ihm musste irgendwann auffallen, dass es kein Zufall sein konnte, wenn man an den unterschiedlichsten Orten zu häufig auf die gleiche Person traf.

Sein Transporter war so geparkt, dass er den Haupteingang der Kirche ebenso wie den Nebeneingang einsehen konnte, er sehen konnte, wann der Pfarrer die Kirche verließ. Kurz danach wurde das Portal geöffnet, dann trat er als Erster aus der Kirche, um unmittelbar am Portal stehen zu bleiben. Salbungsvoll verabschiedete er sich von jedem seiner treuen Kirchgänger einzeln, sagte ihnen wahrscheinlich, dass er sich bereits auf den nächsten Sonntag freue. Genau diesem direkten Gegenübertreten zum jetzigen Zeitpunkt hatte er aus dem Weg gehen wollen, dies würde noch früh genug erfolgen.

Obwohl es schien, dass die Flut der zwanzig Kirchgänger kein Ende nehmen wollte, erreichte nach zehn Minuten als Letzte eine Frau in Kostüm mit Hut das Portal. Es konnte nur Absicht dahinter stecken, denn sie ließ es sich nicht nehmen, sich ausführlich von ihm zu verabschieden. Sein leicht schmerzlich verzogenes Lächeln zeigte auch auf die Entfernung, dass er dieser Geschichten und Lobreden überdrüssig war, er endlich die Türe verschließen wollte.

Endlich klappte das große Portal zu, die Kirche war verschlossen. Nun konnte es vielleicht noch eine viertel Stunde dauern, dann würde er erscheinen, in seinen PKW steigen, um nach Hause zu fahren. Er kannte bisher nur seine Wirkungsstätte seine private Adresse hatte er noch nicht in Erfahrung gebracht.

Die Zeit verging, ohne dass er darauf geachtet hätte, erst als er auf seine Uhr blickte, starrte er erstaunt zu der Kirche. Sollte er ihn verpasst haben, er konnte doch nicht fünfzig Minuten für das Umziehen und das Weglegen seines Gebetsbuches benötigen. Er war sicher, dass er ihn gesehen hätte, sofern er einen der beiden Zugänge benutzt hätte. Oder hatte er einen Zugang übersehen, gab es noch einen dritten Zugang, aus dem er ihm entwischt war. Er musste das unbedingt überprüfen. Gerade wollte er aus seinem Transporter aussteigen, als er sah, wie sich die Tür des Nebeneingangs öffnete.

Mit einem Lachen auf dem Gesicht drehte er sich um zu der jungen Frau, die ebenfalls lachte, um diese heraustreten zu lassen. Zwischen den Beiden schien ein Einvernehmen zu bestehen, welches über das Verhältnis Pfarrer und Sünder hinausging. Wer war die Frau, hatte er inzwischen geheiratet. Er würde Kenntnis über deren Verhältnis erlangen egal auf welchem Weg auch immer.

In der Zwischenzeit beobachtete er, wie der Pfaffe sich vorsichtig umsah, dann den Arm um die junge Frau legte, die wesentlich jünger als er war. Auf den ersten Blick hatte er sie auf vielleicht Anfang zwanzig geschätzt, beim Näherkommen sah er, dass er sich geirrt hatte, dass sie eher Ende zwanzig war. Ihre Größe, sowie ihr kurzes blondes Haar hatten dieses mädchenhafte Aussehen verstärkt, welches sie mit ihren eng sitzenden Jeans und dem sehr kurzen T-Shirt noch unterstrich.

Sie drückte sich an ihn, während sie nebeneinander hergingen, wobei sie den Kopf in den Nacken gelegt lächelnd zu ihm hochsah. Während er etwas erzählte, was sie zu amüsieren schien. Sie wirkten sehr glücklich, vielleicht hatte er ja inzwischen eine Lebensgefährtin oder eine Frau gefunden.

Verwirrt blickte er auf die Szene, als sich die Beiden kurz verschämt küssten dann auf unterschiedliche Fahrzeuge zustrebten. War sie später mit ihrem eigenen Auto gekommen, während er bereits in der Kirche war oder weshalb zwei Autos. Blitzschnell musste er sich entscheiden, wem er folgen sollte, außerdem verwunderte ihn die Wahl ihrer Fahrzeuge, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Während er in einen weißen Opel Corsa stieg, der seine besten Jahre bereits hinter sich hatte, schwang sie sich graziös in einen Porsche, der im Gegensatz dazu sehr neu wirkte.

Kurz entschlossen beschloss er, der Frau zu folgen. Waren die Beiden ein Paar, würde sie ihn genauso zum Ziel führen, als folgte er ihm. Sollte sie ein anderes Ziel anstreben, hatte er am nächsten Sonntag erneut die Möglichkeit ihm zu folgen. Sie winkte dem Pfarrer zu, als dieser bei ihr vorbeifuhr, während sie wartete, bis sich das Faltdach ihres Cabrios geöffnet hatte.

Langsam folgte er der Frau, dabei besonders darauf achtend, nicht zu nahe aufzufahren. Er wollte nicht, dass sie bemerkte, dass jemand ihr folgte. Sie fuhr ausgesprochen langsam bewegte sich wie im Takt, wobei aus den rhythmischen Kopfbewegungen beinahe das Lied erkennbar wurde, welches sie gerade mitsang. Sie wirkte fröhlich und abgelenkt, sodass er beschloss, näher aufzuschließen, damit er sie nicht verlieren würde, wenn sie sich plötzlich entschloss, schneller zu fahren.

Den gesamten Weg nach Westend verhielt sie sich unverändert, sodass es keine Mühe bereitete, ihr zu folgen, bis sie endlich in der Villengegend des Westends ankamen. Hier war sonntags um diese Zeit wenig Verkehr, deshalb ließ er sich weiter zurückfallen, er wollte nicht, dass sie ihn im letzten Augenblick bemerkte. Ein kurzes Blinken dann war der Porsche verschwunden, obwohl keine Straße erkennbar war. Sie konnte also nur in eine Einfahrt eingebogen sein.

Er wartete fünf Minuten dann rollte er langsam zu der Stelle, an der die Frau eingebogen und nicht wieder aufgetaucht war. Der Porsche stand in der Garagenauffahrt einer größeren Villa, das Dach war immer noch offen, nur die Frau war verschwunden. Langsam rollte er weiter, bis er an einer Gartentür ein Namensschild sah. Er blieb stehen, griff nach einem Stadtplan, tat so als suche er eine bestimmte Straße, dabei las er den Namen, den jemand auf einem bunten Emailleschild verewigt hatte.

Während er den Namen las, B+A Mühlheim stand auf dem Schild, notierte er Namen und Adresse auf einem Notizblock. Dann legte er den Gang ein und fuhr weiter, ein Transporter an einem Sonntag in einer Villengegend spornte die professionellen Spitzel an. Diese würden nur allzu gern Nummernschilder und weitere Merkmale notieren, um diese der Polizei zu mitzuteilen.

In seiner Wohnung angekommen, setzte er sich als Erstes an seinen Computer, um im Internet nach Mühlheim zu suchen. Nach der Überwindung erster Datenflut über die Stadt Mühlheim fand er einen Albert Mühlheim, der als Zahnarzt eine professionelle Webseite betrieb, auf der er für seine Praxis warb. Ein Klick auf die Mitarbeiterbilder öffnete eine Seite, auf der mehrere Bilder von ihm wie auch von Mitarbeiterinnen zu sehen waren.

Er entdeckte sie sofort, wie sie, inmitten weiterer Zahnarzthelferinnen, lächelnd in die Kamera blickte. Unter dem Bild waren die Namen der Mitarbeiter vermerkt, bei der vierten Person von links fand er den gesuchten Namen, Beate Mühlheim. Sie war also die Ehefrau dieses Zahnarztes, dessen Bild er nun mit anderen Augen sah.

Diese geänderten Vorzeichen bewirkten, dass er kritischer auf den Mann blickte, als er es sonst gemacht hätte. Jetzt sah er einen Mann, Anfang dreißig mit einer Halbglatze, der sehr sportlich wirkte, dessen Aussehen jedoch keine Verzückung bei einer Frau wie Beate Mühlheim ausgelöst hätte. Hier zählten eindeutig die inneren Werte, vielleicht auch die monetären, aber dies wollte er nicht beurteilen.

Nachdenklich lehnte er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, wobei er das Bild immer noch anblickte. Konnte es sein, dass der Pfaffe ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte. Dann fiel ihm die lange Wartezeit nach Beendigung der Predigt ein, ihr Verhalten beim Verlassen der Kirche, wie sie zu ihm aufgesehen hatte. Er lachte kurz auf, sie hatten es nach dem Gottesdienst in der Kirche oder in der Sakristei getrieben, aber das war gleichgültig wo, interessant war, dass.

Bei der Suche nach A. Mühlheim war ihm aufgefallen, dass sein Name auch in anderen Zusammenhängen erwähnt wurde, die er jetzt erneut aufrief. Er wollte festzustellen, ob es sich um den von ihm gesuchten A. Mühlheim handelte. Ein Schachspieler aus einem Verein sah auf dem Bild eher wie sein Großvater aus, ein weiterer Mühlheim frönte seinem Hobby der Philatelie, war aber ebenfalls nicht mit dem Gesuchten identisch.

Erst bei einem Fußballverein wurde fündig, als er auf dem Bild der aktuellen Mannschaft den Torwart als den Gesuchten identifizierte. Die Suche nach dem Spielplan des Vereins zeigte ihm, dass Herr Mühlheim zurzeit auf dem Fußballplatz stand, wo er zu verhindern versuchte, dass jemand den Ball in dem Netz versenkte. Was Herr Mühlheim wohl nicht ahnte, war, dass ein Anderer während dieser Zeit bei seiner Frau etwas anderes versenkte.

Diese Information erschien wichtiger als zu wissen, wo er wohnte, die Verschiebung auf den nächsten Sonntag war nicht so wichtig, noch hatte er ausreichend Zeit. Dann fiel ihm etwas ein, was er noch schnell prüfen wollte. Tatsächlich, die Kirche hatte ebenfalls eine eigene Webseite, auf der die Veranstaltungen der Kirchengemeinde aufgeführt waren.

Hier erfuhr er auch, wie es wahrscheinlich zu der Verbindung zwischen den beiden gekommen war, Beate Mühlheim war die Organistin der Kirche. Außerdem erfuhr er, dass jeden Donnerstag eine Probe des Kirchenchors stattfand, die der Herr Pfarrer persönlich leitete. Nun, vielleicht musste er doch nicht bis Sonntag warten, für sein Vorhaben war es eventuell sogar besser, wenn es mitten in der Woche stattfand.

Die Vorbereitungen waren fast abgeschlossen, es fehlte nur noch eine Kühltruhe, damit es zu keiner Geruchsbelästigung kam, schließlich wollte er nicht, dass Anwohner auf ihn aufmerksam wurden.

Lange hatte er gesucht, bis er endlich die passenden Räumlichkeiten in den S-Bahn-Bögen gefunden hatte, die fast in allen Belangen seinen Anforderungen entsprachen. Die Zufahrt mit dem Transporter ins Innere war ohne Umbau möglich, der Innenraum war groß genug, damit er einen separaten schalldichten Raum abtrennen konnte.

Den größten Aufwand hatte er bei der Dämmung dieses Raums betrieben, nachdem dieser fertiggestellt war. Im Anschluss daran hatte er einen Radiorekorder in der Mitte aufgestellt, diesen dann bis zur vollen Lautstärke aufgedreht. Bereits im Vorraum hatte er nur noch ein Summen vernommen, welches sehr wahrscheinlich über den Fußboden übertragen wurde. Auf dem Gehweg vor der Zufahrt war es bereits so still, wie er gehofft hatte.

Voller Spannung wartete er auf den Donnerstag, heute wollte er ihm folgen, wollte endlich wissen, wo er wohnte. Mit diesem Wissen konnte er mit der zweiten Stufe der Planung beginnen, konnte ihn beobachten und seinen Tagesablauf erkunden. Die Chorprobe sollte um einundzwanzig Uhr enden, im Anschluss daran würde er bestimmt nach Hause fahren, sofern seine Frau Mühlheim ebenfalls nach Hause fuhr.

Der Standort ermöglichte wieder die Sicht auf beide Zugänge, seine Aufmerksamkeit wurde etwa zehn Minuten nach neun auf den Nebeneingang gelenkt, aus dem etwa fünfzehn Frauen und vier Männer heraustraten. Während er die Tür verschloss, standen die Chormitglieder in einer Ansammlung beieinander redeten aufeinander ein, offenbar verabredeten sie etwas, ohne ihn einzubinden.

Einige Personen lösten sich aus der Gruppe, winkten den anderen zu, um sich zu verabschieden, dann gingen sie in kleineren Gruppen zu diversen Autos. Auch Beate Mühlheim war unter den Personen, die sich verabschiedet hatte und die bereits weggefahren war. Der verbliebene Rest, drei Frauen und ein Mann, standen noch bei dem Pfarrer, der mit aufmunternder Geste die Gruppe in Bewegung brachte.

Zu Fuß gingen sie von den noch parkenden Fahrzeugen in Richtung eines Restaurants, an dessen Eingangstür „Don Tomaso“ blinkte, wobei die Glühbirne hinter dem „s“ dunkel blieb. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, nun musste er weitere Zeit hier verbringen. Damit stieg auch die Gefahr, dass jemand ihn entdeckte, er in dessen Erinnerung bleiben würde, wenn etwas Unvorhergesehenes geschehen sollte.

Langsam verließ er seinen Transporter, blickte sich unauffällig um, ob gerade ein Spaziergänger oder jemand mit seinem Hund unterwegs war. Als er in der Umgebung niemand entdeckte, handelte er seinerseits, als wäre er auf einem Abendspaziergang. Unauffällig ging er auf das Lokal zu, zündete sich unterwegs eine Zigarette an, um vorsichtig einen Blick vom Gehweg in das Innere zu werfen.

Tatsächlich, sie saßen an einem Tisch, den er von außen einsehen konnte, dabei blickte er auf lächelnde Gesichter, die sich angeregt unterhielten. Der Pfaffe war der Einzige aus der Gruppe, vor dem eine überdimensionale Pizza stand, allerdings griffen zwei der Frauen von Zeit zu Zeit ebenfalls nach dieser Pizza, um gemeinsam davon zu essen.

Besser er wartete in seinem Transporter, hier vor dem Lokal zu stehen, würde noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Auch wenn es inzwischen durchaus üblich war, vor dem Lokal zu stehen und zu rauchen. Wie sollte er sich verhalten, wenn ein weiterer Gast nach draußen kam, um zu rauchen, würde dieser sich nicht wundern, wenn er seinen Leidensgenossen später nicht im Lokal sehen würde.

Es war bereits zehn Minuten vor elf, als die Gruppe fröhlich aus dem Lokal auf ihn zukam, um in ihre Pkws zu steigen. Verwundert starrte er den Personen nach, die sich zu Fuß auf den Weg zu machen schienen, während er die sonore Stimme hörte, die er bereits aus der Kirche kannte. Hörte, wie diese sagte, Du kannst mit mir mitfahren, wir haben ja fast den gleichen Weg.

Eine der Frauen löste sich aus der Gruppe, kam auf den wartenden Pfarrer zu um sich in dessen Auto zu setzen. Da sie unmittelbar bei ihm vorbeigekommen war, konnte er sie genau betrachten. Sie hatte halblange dunkle Haare, die ihr rundliches Gesicht umrahmten. Sie wog für ihre Größe vielleicht zehn bis fünfzehn Kilo zu viel, die sie jedoch in einen Hosenanzug gepresst hatte. Ihr genaues Alter vermochte er, trotz der geringen Entfernung, nicht zu schätzen, aber sie konnte keinesfalls älter als Ende zwanzig sein.

Vorsichtig folgte er dem weißen Opel Corsa, der in Richtung Schöneberg fuhr, dabei jedoch jede Übertretung einer Vorschrift der Straßenverkehrsordnung vermied. Er verließ sich also nicht nur darauf, dass sein oberster Dienstherr über ihn wachte, sondern schien selbst sehr vorsichtig zu sein. In der Martin-Luther-Straße fuhr er vor einen Altbau, in dessen Erdgeschoss sich ein Drogeriemarkt befand, an den Straßenrand.

In einiger Entfernung ließ er seinen Transporter ausrollen, dabei ließ er das Fahrzeug keinen Augenblick unbeobachtet. Waren sie an seiner oder an ihrer Wohnung angelangt, langsam könnte sich eine Türe öffnen dachte er noch, als sich die Beifahrertür einen Spalt weit öffnete. Es war gerade so weit, dass sich die Innenbeleuchtung im Fahrzeuginneren einschaltete. Alles, was er sehen konnte, war eine heftige Diskussion, in deren Verlauf die Frau heftig ihren Kopf schüttelte.

Plötzlich fiel sie ihm um den Hals, küsste ihn mit einer Leidenschaft, die er zu erwidern schien. Dann verließ sie abrupt das Fahrzeug, strebte auf die Eingangstür zu und betrat, ohne sich noch einmal umzusehen, das Gebäude. Was war da gerade geschehen, war dies die Anbahnung einer neuen Beziehung oder das Ende einer der Vergangenheit angehörenden Beziehung.

Vorsichtig folgte er ihm weiter, denn nun wollte er endlich wissen, wo dieser Pfaffe wohnte, wohin er jetzt fuhr. Der Weg führte an der Urania vorbei in Richtung Tiergarten, von da zur Siegessäule, die er an der vierten Ausfahrt in Richtung Ernst-Reuter-Platz wieder verließ.

Wollte er eine Stadtrundfahrt mit ihm veranstalten oder was wollte er damit bezwecken. Völlig unvermutet bog er rechts in die Klopstockstraße, ohne vorher einen Blinker gesetzt zu haben. Was war geschehen, hatte er ihn entdeckt und wollte prüfen, ob er verfolgt wurde. Oder begann er sich doch auf seinen oberen Dienstherren zu verlassen, der ihn vor weiterem Unbill schützen würde.

Ein langsames Einbiegen zeigte ihm, dass eher die zweite Annahme zutreffend war, denn in einer Entfernung von zweihundert Meter blinkte er erneut, um rechts auf einen Parkplatz zu fahren. Entnervt blieb er stehen, als er sah, dass er wahrscheinlich wieder ein Lokal aufsuchen wollte. In dem Gebäude befand sich ein Restaurant, dessen Leuchtschrift den Namen „Giraffe“ in die Dunkelheit trug. Erst als er am Restauranteingang vorbei zum Hauseingang des Gebäudes ging, bemerkte er, dass er sein Ziel erreicht haben musste. Er stand vor dem Gebäude, in dem sich die Wohnung dieses Pfarrers befand.

Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, von hier bis zu seinem vorbereiteten Raum waren es gerade einmal fünf Minuten. Nun hatte er ausreichend Informationen über die beobachtete Person gesammelt, was noch fehlte, war die Umsetzung seines Plans. Er hatte noch zehn Tage Zeit bis zu dem Jubiläum, innerhalb dieses Zeitraums wollte er sein Vorhaben umsetzen. Wenn seine Besichtigung am Sonntag alle bisherigen Erkenntnisse bestätigten, konnte er zum Beginn der Woche umsetzen, worauf er so lange gewartet hatte.

Es gibt kein Verzeihen

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