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3. Kapitel
ОглавлениеIm Büro in der Keithstraße angekommen nahm er sich einen Kaffee aus der Thermoskanne. Den heißen Becher vorsichtig balancierend ging er zu seinem Platz, wo er ungeschickt mit der Ecke des Schreibtisches kollidierte. Leise fluchend stellte er den Becher ab, dann wischte er vorsichtig über die Stelle, die der verschüttete Kaffee hinterlassen hatte. Resignierend und mit seiner Ungeschicklichkeit hadernd ließ er sich auf seinen Stuhl fallen, der protestierend Lebenszeichen von sich gab.
Etwas gefiel ihm überhaupt nicht, es war vollkommen ungewöhnlich, dass ein netter alter Opa vollkommen grundlos umgebracht wird. Zudem die Methode auch nicht alltäglich für einen Mord im Park war. Erstechen, ja, erschießen meinetwegen auch, erschlagen, das war die wahrscheinlichste Mordmethode. Aber von dieser Methode waren eigentlich jüngere Personen betroffen, wenn es zu einer Schlägerei kam. Aber auch in solchen Fällen stellte sich in Regel heraus, dass es weniger um Mord, sondern ganz profan um einen Unfall ging.
Hast Du eigentlich schon nachgesehen ob es Neuigkeiten aus dem Melderegister oder der Gerichtsmedizin gibt oder wartest Du hier auf Befehle. Kurz überlegte er, wie hieß der neue Kollege eigentlich, er sollte langsam anfangen alles aufzuschreiben, auch seine Frau hatte ihn bereits mehrfach auf seine Vergesslichkeit hingewiesen.
Mit Wehmut dachte er an seine frühere Mitarbeiterin, wie hieß die doch gleich, die zur gleichen Zeit wie seine Tochter schwanger wurde. Dann fiel es ihm wieder ein, Katharina Nolde, nein so hieß jetzt auch nicht mehr, seit sie ihren Prinzen aus Italien gefreit und den Polizeidienst verlassen hatte. Der vermeintlich Schuldige an ihrer damaligen Schwangerschaftsübelkeit entpuppte sich bei der Geburt als eine süße Tochter, die in ihrer neuen Familie abgöttisch geliebt und zu ihrem Leidwesen auch verwöhnt wurde.
Sag mal, wie heißt Du eigentlich, entweder hast Du mir deinen Namen nicht gesagt oder ich hab den schon wieder vergessen.
Der junge Kollege, der immer noch mit rotem Gesicht vor ihm stand, meinte nur, ich heiße Wolfgang Ungerad und meinen Namen habe ich bestimmt schon dreimal gesagt.
Er wollte gerade einen Scherz mit dem Namen Ungerad machen, dann ließ er es doch sein. Mit Bedauern fiel ihm ein, dass er für solche Scherze eigentlich schon zu alt oder noch nicht alt genug war. Diesen Scherz, mit dem „er solle nicht schief laufen“ hatte dieser bestimmt schon unzählige Mal gehört.
Wir können Du zueinander sagen, Du kannst Gerhard zu mir sagen, den Herrn Melzer heben wir uns für die Mörder auf. So Wolfgang, dann versuche mal, ob schon etwas angekommen ist, ich werde mal in der Pathologie anrufen, vielleicht habe ich ja Glück. Mit Glück meinte er, dass er seinen Dr. Nagel erreichen würde und dieser vielleicht schon an der Leiche etwas rumgeschnippelt hatte.
Doppeltes Glück und das am Sonntag, Dr. Nagel war da und er hatte bereits die Autopsie so gut wie abgeschlossen. Es fehlten noch einige Untersuchungen, die sich durch Auffälligkeiten an der Leiche ergeben hatten. Im Anschluss daran wollte er, sofern keine Laboruntersuchung dies verhinderte, seinen vorläufigen Abschlussbericht diktieren.
Der Anruf hatte gerade diese Untersuchungen unterbrochen, das sagte er auch etwas ungehalten, bis er hörte, wer am Telefon war. Sie hatten sich vor etwas mehr als zehn Jahren näher kennengelernt, als OK Melzer bei einem Mordfall sehr eng mit ihm zusammengearbeitet hatte.
Nach langen Diskussionen in der Rechtsmedizin waren sie nicht selten gemeinsam in die Stammkneipe von Dr. Nagel gegangen, um bei einem oder zwei Bier weiter zu diskutieren. Amüsant fanden sie den Gleichklang ihrer Vornamen, als sie sich endlich entschlossen, auf das Förmliche Sie zu verzichten.
Melzer, der ein paar Jahre älter war, sprach das als Erster an. Hör mal, wir gehen jetzt seit fast zwei Monaten regelmäßig einen saufen, er korrigierte sich gleich darauf, entschuldige ich meinte natürlich trinken dabei reden wir uns immer noch mit Sie an. Irgendwann kommt es so weit, dass wir beide besoffen unterm Tisch liegen und uns mit Sie anreden. Also, mein Vorname ist Gerhard, dabei blickte er erwartungsvoll Dr. Nagel an der lächelnd meinte, das passt, meiner ist Gerold. Seit jenem Abend entwickelte sich so etwas wie Freundschaft, obwohl, das war etwas zu hoch gegriffen, aber doch so etwas wie eine bevorzugte Bekanntschaft.
Also setzte Gerold Nagel an, ich weiß nicht, ob Dir das schon am Tatort aufgefallen ist, aber ich konnte nirgends feststellen, dass der gute Mann sich gegen die Strangulierung gewehrt hat. Weder waren am Hals Hautabschürfungen zu finden, die sich dort aber hätten befinden müssen, wenn er versucht hätte, das Tuch wegzuziehen. Noch haben wir unter seinen Fingernägeln etwas gefunden was auf Abwehrmaßnahmen hätte schließen lassen.
Übrigens, wie der Kollege am Tatort vermutet hat, ist der Tote wirklich durch den Mangel an Sauerstoff gestorben. Bei der Obduktion konnten wir die erwarteten blauen Flecken am Hals vorfinden. Was mich etwas verwundert hat, der Täter muss mit sehr großer Kraft an dem Tuch gezogen haben. Obwohl der Mangel an Sauerstoff die Hauptursache für den Tod ist, konnte ich feststellen, dass bei dem Toten das Zungenbein gebrochen ist. Die Abneigung dem Toten gegenüber muss schon sehr ausgeprägt sein, wenn eine Strangulierung mit so viel Kraft ausgeführt wird.
Mach mal langsam, warf Gerhard Melzer ein, wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat ein sehr wütender Täter diesen alten Mann mit großer Kraft mittels eines Schals erwürgt. Ich nehme mal an es war ein Mann, oder hätte dies auch eine Frau vermocht. Warte wehrte er eine Antwort ab, ich habe noch eine Frage, weshalb hat der Tote sich nicht gewehrt.
Dazu wollte ich ja gerade kommen, als Du mich unterbrochen hast, meine Vermutung ist, dass er in irgendeiner Form vorher ausgeschaltet worden sein muss. Wahrscheinlich durch einen Taser oder einem ähnlichen Gerät. Aber da war ich mit der Untersuchung noch nicht fertig. Allerdings weisen zwei kleinere Verletzungen darauf hin, die ich Nacken vorgefunden aber noch nicht untersucht habe. Wie gesagt, die Punkte könnten auf einen Elektroschocker hinweisen. Auf jeden Fall hat er sein Opfer außer Gefecht gesetzt, um es in Ruhe zu erwürgen. So jetzt lass mich den Rest noch untersuchen, ich sage Dir morgen Vormittag Bescheid. Übrigens, an eine Frau als Täter glaube ich nicht.
Nachdem er aufgelegt hatte, dachte er über das soeben gehörte nach, dabei zog er für sich ein erstes vorläufiges Resümee. Der Täter, er war auch überzeugt es war ein Mann, aus seiner Sicht deutete alles darauf hin. Er wollte sichergehen, dass sein Anschlag gelingt, deshalb hatte er sein Opfer außer Gefecht gesetzt, danach mit großer Kraft mit dem mitgebrachten Schal das Opfer erdrosselt.
Er unterbrach seine Gedanken, wieso mitgebracht, Wolfgang rief er laut, um festzustellen, dass dieser gerade den Telefonhörer an sein Ohr gedrückt hielt. Wahrscheinlich wollte er gerade telefonieren, egal, jetzt hatte er ihn bereits unterbrochen, da konnte er auch weitermachen. Erst als dieser irritiert seinen Kopf hob und dabei die Telefonmuschel abdeckte, bemerkte er, dass er ein Gespräch unterbrochen hatte.
War der Alte schwerhörig oder weshalb schrie dieser ihn an. War er dazu noch blind, oder weshalb störte er das Telefonat.
Gibt es Hinweise auf den Schal, wem gehörte der, war das ein Schal des Opfers. Die Fragen kamen ohne Pause hintereinander. Die Dringlichkeit, mit der die Fragen gestellt wurden, ließ diesen erst mal sein Telefonat abbrechen.
Ich melde mich gleich noch mal, dann legte er auf.
Bei den Fragen bei seinen Nachbarn konnte sich keiner an einen roten Schal erinnern, außerdem sind es eher Frauen, die einen Seidenschal tragen.
Er nickte nachdenklich, gut gemacht, er meinte die Frage nach dem Schal zu dem frühen Zeitpunkt, vielleicht hatte er seinen jungen Kollegen doch unterschätzt. Der Schal warf plötzlich neue Fragen auf, war es vielleicht doch eine Frau. Die Benutzung von Hilfsmitteln für die Ausschaltung sowie der Schal deuteten auch eher auf eine Frau. Er kratzte sich am Kopf, es war doch verzwickter als er ursprünglich angenommen hatte. Wir müssen rausfinden, woher dieser Schal kommt, hoffentlich ist er selten, hast Du schon etwas aus dem Melderegister.
Nein, die hatte ich doch gerade am Telefon, als ich unterbrochen wurde, setzte er in Gedanken hinzu. Ich ruf gleich noch mal an.
Er kam heute nicht weiter, außerdem hatte er schon seit mehr als einer Stunde Feierabend, seine Frau würde bestimmt wieder meckern, wieso er auch noch am Sonntag Überstunden machen musste.