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2. Kapitel

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›Entschuldigen Sie‹, Maja Lieberknecht blickte auf die Frau, die angespannt auf einer Bank vor dem Haus saß und ohne Regung dem Treiben auf ihrem Hof zusah. ›Frau Geldern‹, sie wartete einen Augenblick, wollte sich vergewissern, dass ihre Anwesenheit wahrgenommen wurde, dann sprach sie weiter. ›Mein Name ist Maja Lieberknecht, ich möchte Ihnen mein Bedauern zum Tod Ihres Mannes ausdrücken ich werde den Tod Ihres Mannes untersuchen.‹

Sie wartete erneut auf eine Reaktion, ›ich werde mich zuerst in der Scheune umsehen, im Anschluss daran würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten, glauben Sie, dass das möglich ist‹.

Langsam kam Bewegung in die Frau, ihr Mund, begann sich zu bewegen. Maja Lieberknecht musste sehr genau zuhören, so leise kam die Antwort.

›Ich kann Ihnen sagen, wer meinen Mann umgebracht hat‹.

›Sie wissen, wer Ihren Mann umgebracht hat, haben Sie ihn gesehen oder woher wissen Sie das‹.

›Gehen Sie, aber kommen Sie wieder, wenn sie fertig sind, ich möchte, dass die Leute gehen‹.

›Hallo Leute, wie sieht es aus‹, Maja Lieberknecht, Kommissarin der Mordkommission Eberswalde trat zur Gruppe vor der Scheune, bei der ihr Kollege Max Schultze bereits die ersten Ermittlungen aufgenommen hatte.

›Wir sind so weit, wir haben alle Spuren aufgenommen, der Arzt hat den Toten in der Lage untersucht, in der er aufgefunden wurde. Jetzt warten wir nur noch auf Ihr OK, damit wir die Leiche von der Egge nehmen können. Auch der Doc erwartet Ihr Plazet, damit er an der Rückseite weitere Untersuchungen vornehmen kann‹.

Maja zog sich blaue Füßlinge über die Schuhe, streifte Handschuhe über ihre relativ zierlichen Hände, dann ging sie zu dem Toten. Suchend glitt ihr Blick über die Umgebung, registrierte einen verschobenen Strohballen, auf dem ein altertümlicher Dreschflegel lag.

Sie beugte sich nach unten, nahm den rechten Arm des Toten, betrachtete die leichten Verletzungen der Knöchel an der Hand, um ihn vorsichtig an die vorherige Stelle zu legen. Auch wenn man bereits alles fotografiert hatte, wollte sie vorerst keine Änderung vornehmen. Es war wichtig für sie, dass sie die Verletzungen im Detail betrachtete, um im Anschluss daran die Verletzungen in ein Gesamtbild einzuordnen.

Auf der anderen Seite griff sie nach dem linken Arm, hörte, wie es leise knirschte, als sie ihn bewegte. Es fühlte sich an, als wären Elle und Speiche durchbrochen. Sie schob den Ärmel des Pullovers nach oben, sah ein überdimensionales Hämatom, aus dem die Spitze eines Knochens ragte.

Eine leichte Veränderung des Kopfes zeigte das erwartete Ergebnis, eine bereits verschorfte Platzwunde am Hinterkopf. Langsam richtete sie sich auf, trat zwei Schritte zurück, dann betrachtete sie intensiv den vor ihr liegenden Toten. Nachdem sie etwa fünf Minuten wie gedankenverloren auf den Toten geblickt hatte, wandte sie sich ab.

›Ihr könnt ihn jetzt umdrehen, mal sehen, was uns da noch erwartet‹.

Der Arzt, der etwas abseitsstand und rauchte, wartete geduldig darauf, seine Abschlussuntersuchung an dem Tatort vornehmen zu können, damit die Leiche in die Pathologie überführt werden konnte.

›Haben Sie den gebrochenen linken Arm gesehen, Doc‹ sie stellte die Frage beiläufig, eigentlich wusste sie, dass diesem selten etwas entging, wenn er zu einem Tatort gerufen wurde.

›Ja‹, die einsilbige Antwort war auch nichts Neues bei ihm, sie hatte noch nie gesehen, dass er am Tatort in ein Gespräch vertieft war oder mit anderen Beamten diskutiert hatte. Wenn er etwas benötigte oder er eine Frage hatte, so reduzierte er dies auf das Notwendigste.

›Können Sie mir sagen, wie lange er schon tot ist‹?

›Zwischen vier und sechs Stunden‹, er wackelte leicht mit dem Kopf, schien kurz nachzudenken. ›Ich habe Temperatur bei meinem Eintreffen gemessen, wenn ich die Temperatur von heute Nacht berücksichtige sowie die geschützte Umgebung, in der er gelegen hat, dann wahrscheinlich näher bei sechs Stunden‹.

Abrupt wandte er sich ab, schnippte seine Zigarette in hohem Bogen in die Gegend, dann trat er zu der inzwischen von der Egge gehobenen Leiche, die jetzt auf dem Bauch neben der Egge lag.

Kaum zehn Minuten später stand er auf, er hatte schnell und präzise den Toten untersucht, ihm sogar den Pullover abgestreift, dann die durch die Egge verursachten Wunden überprüft.

›Er kann zur Pathologie, ich bin hier fertig‹.

Als Erstes schob er sich erneut eine Zigarette ins Gesicht, dann entfernte er nachlässig die Schutzkleidung. ›Der oder einer der Täter muss mindestens achtzig Kilo oder mehr gewogen haben, Genaueres kann ich Ihnen nach der Obduktion sagen‹. Er sammelte alle seine Gegenstände ein, um langsam zu seinem Fahrzeug zu gehen.

Sie wusste, es war zwecklos jetzt weiter in ihn zu dringen, alles was er für wichtig erachtete, war gesagt. Jedes weitere Wort wäre spekulativ gewesen, und er hasste Spekulationen.

›Komm mit‹, sie bedeutete ihrem Kollegen und Assistenten Max, mit zu der Leiche zu kommen, um sich ein Bild von der Todesursache zu machen.

›Sag mir, was Du siehst, wie wurde er umgebracht‹, sie machte eine kleine Pause, ›wir sind uns doch einig, dass es ein Mord war‹.

Max Schultze, der erst kurze Zeit in der Mordkommission war, betrachtete unsicher seine Chefin, dann versuchte er ein erstes Resümee anhand der bisher ausgewerteten Spuren und Aussagen zu ziehen.

›Also‹, stockend versuchte er einem Faden zu folgen, an dem er die bisherigen Erkenntnisse festgemacht hatte, um sich daran entlang zu hangeln.

›Also, der Tote, er heißt übrigens Holger Geldern und ist zweiunddreißig Jahre alt, wurde in der Nacht zwischen drei und fünf Uhr mit einem Dreschflegel niedergeschlagen. Ähm, von hinten niedergeschlagen, dabei ist er wahrscheinlich auf die Egge gefallen, die jemand aus Versehen mit den Zinken nach oben abgelegt hat‹. Er blickte noch einmal zu dem Tatort, ›vielleicht war es auch Absicht‹.

›Fast richtig, aber überall ein Stück daneben. Jetzt werde ich aber als Erstes mit Frau Geldern reden, die glaubt zu wissen, wer ihren Mann umgebracht hat. Vielleicht hat sie ja recht, dann sparen wir uns eine Menge Arbeit‹.

Verblüfft starrte er ihr nach, das hätte sie ja auch gleich zum Beginn sagen können, aber nein, ihn erst einmal ins Leere laufen lassen. Schnell folgte er seiner Chefin, wenn, dann sollte das doch ihre gemeinsame Auflösung des Mordfalles sein.

Teilnahmslos hatte diese die Untersuchungen als auch den Abtransport ihres Mannes mitverfolgt, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Zu ihren Füßen lag dieser Hund, der schwer atmend die Reaktionen seiner Herrin beobachtete.

›Frau Geldern, ich möchte mich nochmals vorstellen, mein Name ist Maja Lieberknecht, ich bin die leitende Ermittlerin für diesen Mordfall, das ist mein Kollege Schultze‹. ›Darf ich mich zu ihnen setzen‹, nach einem prüfenden Blick, ›fühlen Sie sich schon in der Lage, mit mir zu reden‹.

›Ich möchte reden, ich möchte, dass Sie den Mörder meines Mannes schnellstmöglich festnehmen‹.

›Sie haben bereits bei meiner Ankunft gesagt, dass Sie wissen, wer der Mörder ist. Da ich nicht annehme, dass Sie ihn gesehen haben, würde ich gerne wissen, wer nach Ihrer Ansicht Ihren Mann umgebracht hat, vor allem weshalb‹.

Ihre Stimme klang müde, trotzdem war der Hass in jeder Silbe zu vernehmen, als sie den Namen ›Ronald Holzer‹ ausspie.

›Wie kommen sie darauf, hatte er Ihren Mann bedroht oder gibt es einen anderen Grund, der Sie zu dieser Annahme kommen lässt‹.

›Sie hatten gestern wieder ihr Treffen im Dorfkrug, bei diesen Treffen kam es immer zu Auseinandersetzungen da Ronald für die Vereinbarung, Holger jedoch strikt dagegen war. Es kam bei jedem Treffen zu Auseinandersetzungen, die nicht selten in einer Schlägerei endete‹.

Man hörte die Resignation, sah die psychische Erschöpfung, sie musste unmittelbar vor einem Zusammenbruch stehen. Es war besser an dieser Stelle abzubrechen, ehe es zu einem Zusammenbruch kam, dieser konnte zu einem erheblichen Ausfall führen.

›Frau Geldern, ich mache mir Sorgen über Ihren Zustand, haben Sie einen Hausarzt, den wir anrufen können. Ich bin überzeugt, dass es besser ist, wenn wir unser Gespräch vertagen und Ihr Arzt Ihnen etwas zur Beruhigung gibt‹.

Ihr Kollege hatte den Arzt angerufen, während sie auf diesen warteten, hatte sie versucht, ruhig mit der Frau zu reden, ohne sie bis zum Eintreffen des Arztes weiter aufzuregen. Dieser war es auch, der ihr von der Schwangerschaft von Petra Geldern erzählte, dass es gut gewesen war, nicht weiter auf sie einzudringen.

Einem plötzlichen Gedanken folgend, ›Max fahre bitte zum Dorfkrug‹, seinen fragenden Blick beantwortete sie, indem sie zu der Uhr im Armaturenbereich zeigte. ›Inzwischen werden die Hauptakteure von heute Nacht bereits wieder bei ihrem sonntäglichen Frühschoppen im Dorfkrug sein. Wir werden nur auf die Reaktionen der Gäste achten, wenn wir von dem Tod berichten‹.

›Also darauf achten, ob jemand blass wird oder sich betont unauffällig gibt‹, sagte Max, der aus vielen Hundert Krimis die er gesehen oder gelesen hatte, wusste, wie Verdächtige sich im Regelfall verhielten.

›Genau‹, seufzte sie, wer hatte bloß diesen Intelligenzbolzen zur Kripo versetzt, oder war er die Strafe, die sich jemand für sie ausgedacht hatte. Sie brauchte nicht zu überlegen, um auf den Namen der Person zu kommen, der sie es zutraute.

Die Lautstärke überraschte sie, als sie die Türe des Dorfkrugs öffnete, auf den ersten Blick konnte man das halbe Dorf hier vermuten, einzige Voraussetzung der Gast war männlich. Die einzige weibliche Person hastete gerade mit einem Tablett voller Biergläser durch die Tische zu einem runden Tisch, auf dem ein dekoratives Schild stand, der die Aufschrift „Stammtisch“ trug.

›Sind Sie der Wirt‹, Maja Lieberknecht trat zu der Theke, hinter der ein glatzköpfiger, wohlbeleibter Mittfünfziger stand und ohne Pause den Zapfhahn bediente.

›Wer will das wissen‹, knurrte dieser, ohne den Zapfhahn loszulassen. Er blickte kurz auf, ›oh die Polizei beehrt mein Etablissement, sie kommen bestimmt wegen diesem Geldern‹.

›Woher wissen Sie vom Tod von Holger Geldern, wer hat es Ihnen erzählt‹.

›Niemand Bestimmtes, es tauchte auf wie jedes Gerücht, der flüstert dies, der andere flüstert jenes und irgendwann bestätigt sich das Gerücht, es wird sozusagen zur Wahrheit‹. Die Ironie in seiner Aussage war offensichtlich, er versuchte auch nicht, diese zu verbergen.

›Was halten Sie davon, wenn ich aus ermittlungstechnischen Gründen das Lokal schließe, sie zur Aussage ins Präsidium mitnehme, während Kollegen die Befragung der gestern anwesenden Personen hier vornehmen. Natürlich würde der Dorfkrug heute geschlossen bleiben‹.

›Das können Sie nicht, das würden Sie nicht wagen‹ zischte er verbissen durch die Zähne.

›Wollen Sie es darauf ankommen lassen‹, jetzt war sie es, die ihn spöttisch betrachtete, bei diesem Machtspielchen stand es jetzt eins zu null für sie.

Sie musste ihm zugutehalten, dass er erkannte, wenn er verloren hatte. Widerwillig meinte er, ›es war Bernd Weber, der sitzt da drüben am Stammtisch, der grauhaarige, der mit dem Rücken hierher sitzt‹.

›Woher weiß dieser Weber von dem Tod von Holger Geldern, das wissen Sie doch bestimmt auch, oder‹?

›Sein Schwiegersohn ist bei der Polizei, er war einer der Beamten, der heute Morgen auf dem Hof der Geldern war‹, jetzt klang seine Stimme unwirsch. Sein Widerstand war erloschen, nun war eine Basis vorhanden, auf der man aufbauen konnte.

›Man hat mir erzählt, dass gestern Abend wieder einmal ein Treffen stattgefunden hat. Wer war daran beteiligt, wie lange hat dieses Treffen gedauert, kam es dabei zum Streit und um was ging es eigentlich bei diesem Treffen‹.

Die Antwort kam mürrisch, ›Sie sollten diese Fragen besser am Stammtisch stellen, die waren alle dabei, die können Ihnen auch sagen, worum es geht. Ich habe mich nie darum gekümmert, mir war das immer gleichgültig, solange sie mein Bier getrunken haben‹.

›Sie haben mir immer noch nicht gesagt, ob es gestern zum Streit gekommen ist‹, insistierte sie, das Ausweichen bei seinen Antworten ließ jedoch Rückschlüsse zu.

›Sie waren bis kurz vor zwei Uhr hier, dann habe ich sie rausgeworfen, ich wollte endlich ins Bett und ja sie haben sich gestritten, es war wie immer, es war Holger, der Streit gesucht hat‹.

›Wie viele Personen waren noch da, als Sie den Dorfkrug geschlossen haben, vor allem, wer war noch da‹.

Er überlegt kurz, ›als ich geschlossen habe, da waren noch zehn Gäste da, alle, die da am Stammtisch sitzen‹.

›Da sitzen aber nur acht‹.

Er sah noch einmal zu dem Stammtisch, dann kam bereits die Antwort, ›der alte Holzer fehlt, das ist der Vater von dem mit den blonden Haaren, außerdem noch Holger Geldern‹. Nach anderen Gästen, die bereits vorher den Dorfkrug verlassen hatten, hatte sie ja nicht gefragt.

›Na dann wollen wir uns mal zu unseren Stammtischbrüdern begeben, mal sehen, wie auskunftsfreudig die so früh am Morgen sind. Bringen Sie mir bitte ein Wasser zum Stammtisch, Max‹, sie blickte ihren Kollegen fragend an. ›Ein Bier, äh, bringen Sie mir bitte auch ein Wasser‹.

›Mein Name ist Lieberknecht, das ist mein Kollege Schultze, wir sind von der Polizei‹, dabei blickte sie neugierig in die Runde, registrierte die Regungen, die sichtbar wurden. Langsam setzte sie sich auf den freien Stuhl. ›Wie sie bereits wissen, wurde heute Nacht Herr Geldern getötet. Da er mit ihnen bis kurz vor seinem Tod zusammen war, möchte ich gerne hören was sie darüber wissen‹.

Die Gespräche an den umliegenden Tischen waren verstummt, alle schienen auf die Antwort eines der am Stammtisch sitzenden Personen zu lauschen. Heute war der erste Tag an dem sich viele derjenigen, die sonst gerne am Stammtisch gesessen hätten, froh waren nicht da zu sitzen. Der sonst übliche Neid hatte sich innerhalb weniger Minuten in Schadenfreude gewandelt.

›So schweigsam, gibt es etwas, was besser verschwiegen werden sollte oder weshalb möchten sie nicht darüber reden‹. Sie wartete einen weiteren Augenblick, dann wandte sie sich an Max, ›ruf doch bitte im Präsidium an die sollen einen Bus schicken der acht Personen zur Zeugenvernehmung aufs Präsidium bringen soll‹.

Unruhe machte sich jetzt breit, Blicke flogen zwischen den unterschiedlichsten Personen. Es hatte den Anschein, als wäre ihnen erst jetzt die Ernsthaftigkeit bewusst geworden.

›Wir können nichts über den Tod sagen. Als wir heute Nacht nach Hause gegangen sind, da war er noch sehr lebendig‹.

›Und wer sind Sie, dass Sie so genau Bescheid wissen, ach ja, habe beinahe vergessen, dass Sie heute Nacht Streit mit Herrn Geldern hatten. Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen‹, während sie ihren Kollegen mit einem Blick aufforderte, sich Notizen zu machen.

Sie starrte in ein pockennarbiges Gesicht, in dem ein ungepflegter Oberlippenbart den Mund verdeckte. Sein schütteres Haar, bereits mehrheitlich grau, lies ihn älter erscheinen, als er tatsächlich war.

›Ich heiße Weber, Bernd Weber, wir haben nichts mit dem Tod von Holger Geldern zu tun, meine Freunde auch nicht, für die lege ich meine Hand ins Feuer‹.

›Wenn Sie sich da mal nicht verbrennen‹, es klang eher beiläufig, als sie mit scharfer Stimme fortfuhr, ›dann war es also Ihr Schwiegersohn, der vorab Ermittlungsergebnisse herausgegeben hat. Da dies verbotenerweise erfolgte, werden dienstrechtliche Konsequenzen die Folge sein‹.

Dem Beamten würde nichts geschehen, da alle wussten, dass bei einer derart engen dörflichen Gemeinschaft die Buschtrommeln schneller als die Polizeifahrzeuge waren. Trotzdem tat ihr dieser Weber nicht besonders leid, dessen jetzt blasses Gesicht noch erbarmungswürdiger aussah.

›Worum ging es eigentlich bei dem Streit, überall hat man immer nur erzählt, dass es zu Streitigkeiten bei diversen Treffen gekommen ist. Bisher hat man jedoch immer verschwiegen, worüber gestritten wurde. Kann man mich endlich aufklären, oder weshalb wird darüber so ein Geheimnis gemacht‹.

Sie blickte von einem Gesicht in das nächste, niemand hielt ihrem Blick stand. Obwohl die Reaktionen unterschiedlich waren, verfolgten sie ein gemeinsames Ziel, das Verhindern, das sie die Wahrheit erfuhr. Während der Eine an seiner Lippe knabberte, schniefte ein anderer und versuchte, sein Gesicht hinter einem Taschentuch zu verstecken. Es war schließlich der Jüngste, der sich zu einer Erklärung herabließ.

›Es ging um die Aussaat, wir hatten ein sehr günstiges Angebot für Saatgut, wenn wir eine bestimmte Menge abnehmen. Um diese Menge zu erreichen, war es erforderlich, dass der alte Holzapfel-Hof mitmacht. Seit dieser Holger Geldern eingeheiratet hat, haben sie sich immer mehr von der Gemeinschaft abgewendet, wollten ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft ihr eigenes Ding durchziehen‹.

Diese letzte Aussage troff vor Gehässigkeit, zeigte aber auch, dass es noch darüber hinaus eine offene Rechnung geben musste.

›Bis vor drei Jahren haben wir uns immer mit dem alten Holzapfel abgestimmt, seit der verunglückt ist, hat sich alles geändert. Wegen der Ablehnung zu einem gemeinsamen Einkauf hat uns Holger Geldern jedes Jahr Geld gekostet, da wir mehr für unser Saatgut bezahlen mussten. Auch wenn uns sein Verhalten geärgert hat, die relativ geringe Preisdifferenz hätte niemand veranlasst, ihn umzubringen‹.

Die anderen nickten beifällig, fühlten sich durch die Aussagen bestätigt, gemeinsam waren sie der Ansicht, dass der Anlass der Streitigkeiten ausreichend erläutert war. Nachdenklich blickte sie in die jetzt erleichtert wirkenden Gesichter, sie hatten ihr eine plausible Erklärung für den Streit geliefert. Ob diese Erklärung allerdings richtig war, das würde sich im Laufe der Ermittlungen herausstellen.

›Ich habe nur noch eine Frage, weshalb ist Frau Geldern davon überzeugt, dass Sie der Mörder ihres Mannes sind‹. Neugierig wartete sie auf seine Reaktion, konnte jedoch nur ein leichtes Zucken in den Augenwinkeln sehen.

›Keine Ahnung‹, es sollte leichthin klingen trotzdem war die Anspannung zu sehen, ›vielleicht liegt es daran, dass ich sie vor ein paar Jahren abgeschossen habe‹.

Seine scheinbare Gleichgültigkeit hatte sie nicht überzeugt. Es erzeugte vielmehr genau das Gegenteil, nach ihrem Eindruck wirkte in seinem Verhalten zu viel verletzter Stolz durch, trotzdem ließ sie es erst einmal dabei bewenden.

›Notiere bitte alle Namen, sowie die dazugehörenden Adressen der Anwesenden, außerdem natürlich noch den Namen der fehlenden Person, der gestern dabei war‹. Dann trank sie das inzwischen servierte Wasser, verabschiedete sich, um zum Tresen zu gehen.

›Ich möchte die beiden Wasser bezahlen‹, legte fünf Euro auf den Tisch und beobachtete den Wirt, der Wechselgeld aus der Kasse nahm.

›Sie haben doch bestimmt mitbekommen weshalb, oder worüber die immer gestritten haben. Man hat mir erzählt, dass der Streit manchmal ziemlich heftig war. Sogar Blut soll geflossen sein und blaue Augen soll es gegeben haben‹.

Achselzuckend wandte er sich um, ›na das mit dem Blut ist übertrieben, blaue Augen hat es gegeben, dass stimmt, aber das lag am Alkohol. Bei dem Streit ging es meist um irgendein Saatgut, aber da hab ich mich rausgehalten, ging mich ja nichts an‹.

›Ging es bei dem Streit heute Nacht auch um Saatgut oder gab es noch anderen Grund, weshalb es zum Streit kam‹.

›Nö, es war wohl wieder das Saatgut‹, dabei blickte er angelegentlich auf seinen Zapfhahn.

Sie griff nach ihrem Wechselgeld, blickte nachdenklich zu dem Wirt, seine Aussage wies erhebliche Lücken auf, noch wusste sie nicht, wo diese waren.

›Wenn ich noch weitere Fragen habe, werden wir uns wiedersehen‹, es klang wie eine Drohung, trotzdem lächelte sie. Dann nickte sie ihrem inzwischen herannahenden Kollegen zu, um mit ihm gemeinsam den Dorfkrug zu verlassen.

›Ist Dir etwas aufgefallen‹, Maja Lieberknecht wandte sich an ihren Kollegen, ›denk an den Stammtisch‹. ›Noch eine Hilfe, Du hast doch bestimmt eine Skizze gemacht, aus der die Sitzanordnung hervorgeht‹.

›Wieso Sitzanordnung, ich habe die Namen, die Telefonnummern sowie die Adressen aufgeschrieben, auch von dem, der heute nicht da war‹.

›Hat Dir schon mal jemand gesagt, dass es an Stammtischen so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz gibt, dass die Sitzordnung regelt. Üblicherweise wird diese einmal getroffene Anordnungen von den Beteiligten beibehalten, diese Stammtischbrüder haben ihre feste Sitzordnung‹.

Sprach sie Chinesisch oder weshalb blickte er so verwirrt, ergänzend fügte sie an, ›die sitzen mit ihren Hintern jede Woche auf dem gleichen Platz‹. ›Gleicher Stuhl will ich jetzt nicht sagen, der Wirt kann sie ja zwischenzeitlich verstellt haben‹.

›Weshalb soll ich eine Skizze machen, wenn die jede Woche auf dem gleichen Platz sitzen‹, verständnislos starrte er auf seinen Notizblock, er war Polizist und kein Zeichner.

›Ist noch ausreichend Erinnerung vorhanden, um jetzt in nachhinein eine Sitzanordnung aufzuzeichnen, oder willst Du noch mal in den Dorfkrug um ein Foto zu machen‹. Der beißende Spott in der Frage blieb ihm nicht verborgen, mit rotem Gesicht begann er, die Platzanordnung nach seinen Notizen aufzumalen.

Kurz vor dem Eintreffen im Präsidium war es so weit, die Skizze mit den jeweils platzierten Personen war fertig. Mit verlegenem Lächeln hielt er das Ergebnis intellektueller Anstrengung in seinen Händen.

›Kannst Du mir jetzt sagen, was Dir als Besonderheit aufgefallen ist‹, ein Blick auf die Zeichnung ließ sie die Antwort erahnen.

›Dass eine Person fehlte‹, erwartungsvoll starrte er sie an, dann schlug er sich an die Stirn, ›es fehlten zwei‹.

›Wie viele Stühle standen an dem Tisch‹, langsam entwickelte sich dieses Frage und Antwortspiel in die Richtung, die ihr beim Verlassen des Dorfkrugs aufgefallen war. Sie beendete das Ratespiel, seine Reaktion ließ erahnen, es war ihm nicht aufgefallen.

›Am Tisch standen elf Stühle, nachdem wir uns an den Tisch gesetzt haben, stand immer noch ein leerer Stuhl am Tisch, obwohl es dadurch etwas beengt war‹. Als keine Reaktion erfolgte, fuhr sie fort, ›wenn in der Regel nur zehn Personen zu dem Stammtisch gehören, weshalb dann der elfte Stuhl. Wenn am gestrigen Abend allerdings noch eine weitere Person anwesend war, warum hat der Wirt diese nicht erwähnt. Weshalb hat die versammelte heimische Landwirtschaft die Anwesenheit einer weiteren Person verschwiegen‹.

Verwirrt blickte er sie an, noch konnte er nicht nachvollziehen, wie man an einem leeren Stuhl so viele Fragen festmachen konnte.

Gegen diese Zukunft

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