Читать книгу Gegen diese Zukunft - Ernst Meder - Страница 9

4. Kapitel

Оглавление

›Schneider, was zum Teufel ist da bei ihnen in diesem verdammten Kaff los, man hat mich unterrichtet, dass die Polizei, ja sogar die Mordkommission eingeschaltet wurde. Sind Sie denn von Sinnen, es muss sogar Ihnen klar sein, dass offizielle Stellen nichts von unserer Anwesenheit erfahren dürfen‹.

›Aber Dr. Mo‹..

›Ach halten Sie den Mund Schneider, ist Ihnen bewusst, dass Sie jahrelange Vorbereitungen torpedieren, dass Sie mit Ihrer Unfähigkeit mich und unser Unternehmen in eine bedrohliche Lage gebracht haben. Wenn Sie uns nicht binnen achtundvierzig Stunden aus der Feuerlinie bringen, werde ich von hier alles Nötige veranlassen‹.

›Jawohl Herr Dr. Moldenau, ich werde mich umgehend darum kümmern. Erste Gespräche habe ich bereits mit der Familie Holzer geführt. Die sind ebenso wie wir daran interessiert, nicht in den Fokus der Behörden zu geraten. Ich werde Sie morgen um die gleiche Zeit anrufen, um Sie über den Fortgang meiner Bemühungen zu unterrichten‹.

›Tun Sie das‹!

›Jawohl Herr Dr. Moldenau‹

Schneider wischte sich den Schweiß aus Nacken und Stirn, als er endlich aufgelegt hatte. Woher hatte WT das schon wieder erfahren, er musste einen Spitzel hier vor Ort haben, der ihn kontrollierte. WT war die Abkürzung von Wilhelm Theodor, allerdings würde sich Dr. Moldenau eine derart verkürzte Form der Anrede verbieten, obwohl er selbst zu dieser verkürzten Form beigetragen hatte.

Auch für ihn war es mehr als ärgerlich, es war existenziell. Seit Jahren hatte er eine geeignete kleine Gemeinde mit einer überschaubaren Anzahl von Landwirten gesucht, die ausschließlich aus kleinen landwirtschaftlichen Betrieben bestand. Mehrfach hatte er geglaubt, endlich den überschaubaren Ort gefunden zu haben, der den Vorgaben entsprach. Allerdings stellte sich trotz intensivem Bemühen irgendwann heraus, dass entweder ein Großbauer mit exorbitanten Forderungen dem Projekt entgegenstand oder aber eine Vielzahl von Landwirten dagegen opponierte.

Erst bei der letzten Grünen Woche hatte er endlich den Durchbruch geschafft, als er mit diesem Ronald Holzer ins Gespräch gekommen war. Vorsichtig hatte er zunächst sondiert, ob sich seine Bemühungen überhaupt lohnten, als dieser von seinem Heimatort erzählte. Von dem dörflichen Charakter sowie der Struktur der Landwirtschaft, die nach Auflösung der örtlichen LPG eher ungewöhnlich war. Nach einem längeren Gespräch mit den richtigen Fragen erschloss sich ihm das Potenzial, welches er in diesem Ort vorfand, wenn er überlegt vorging.

›Alle Landwirte machen was mein Vater und ich wollen‹, so die Aussage von Holzer junior. ›Wenn wir beschließen, unser Saatgut bei einer Firma zu kaufen, weil es da billiger ist, dann wird, um den Preis nochmals zu drücken, als landwirtschaftliche Genossenschaft eingekauft‹.

›Früher waren wir auch nur eine LPG, da wurde sowieso von anderer Stelle bestimmt, was angebaut wird. Bei uns hat sich seit der Wende nicht sehr viel geändert, nun ja, die ehemaligen Eigentümer haben ihre Felder zurückerhalten, bewirtschaften diese jetzt selbst. Aber bei der Abstimmung oder Festlegung, was angebaut wird, da hat sich nicht allzu viel geändert. Wahrscheinlich auch deshalb, weil mein Vater früher LPG-Vorsitzender in Klein Schönbeck war‹.

Es hörte sich so gut an, dass er umgehend Kontakt zu WT aufnahm, um als Erster unter vielen, Vollzug melden zu können. Natürlich wusste er von der Beauftragung weiterer Akquisiteure, wusste, dass diese ebenso wie er nach dem idealen Versuchsgebiet suchten. Allerdings konnte nur der am Erfolg partizipieren, der die Basis für den späteren Erfolg bereitete.

Die folgenden Wochen hatte er damit zugebracht sich die Umgebung des neuen Versuchsgebietes anzusehen, sich davon zu überzeugen, dass die auf der Grünen Woche so großspurig gemachten Zusagen sich auch bewahrheiteten. Die langen Gespräche, die er mit dem Senior geführt hatte, die teils kritischen Fragen, die ihn manchmal überraschten.

Dann lernte er den Großteil der Landwirte kennen, die von der Änderung betroffen sein würden, spürte, dass die Aussage von Holzer junior, »die machen sowieso, was mein Alter sag«t, sich bestätigte. Wurde für einen Teil der Verhandlung Einigung erzielt, so nickten diese das Ergebnis ab, bestätigten im Nachhinein die getroffenen Vereinbarungen.

Seinen Hinweis und seine Bedenken, dass die gemeinsame Aufgabe nur ohne die Behörden erfolgen konnte, da sie in einem Grenzbereich zur Illegalität agierten, zerstreuten sie mit überzeugenden Argumenten. Während der eine Landwirt direkten Zugang zur Polizei hatte, war der Bruder des Anderen im Ministerium in Potsdam, außerdem gab es noch immer Verbindungen, die in die Vergangenheit reichten.

Nach und nach kamen die Forderungen und Vorstellungen, unter welchen man sich eine gedeihliche Zusammenarbeit vorstellen konnte. Jeder sollte, unabhängig von der Größe seines landwirtschaftlichen Betriebs, jährlich eine Summe erhalten, die über einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt wurde. Zudem sollten sie über weitere zehn Jahre kostenlos mit dem dann neuen Saatgut beliefert werden.

Mit diesen Forderungen war er nach Mannheim gereist um, zusammen mit Dr. Moldenau, dieses Projekt Klein Schönbeck dem Vorstand vorzustellen. Sie hatten gemeinsam alle wesentlichen Daten aufbereitet, dann den Ertrag bei der Fläche über den angestrebten Zeitraum projiziert.

Mit diesen Daten, die sie über den Zeitraum von fünf Jahren auf den Versuchsfeldern sammelten, konnten sie für das neue Saatgut den zu erwartenden Ertrag bestimmen. Ergänzt durch den Nachweis der Unbedenklichkeit, konnte bei der europäischen Behörde das Genehmigungsverfahren betrieben werden. Wenn alles wie geplant verlief, dann konnte der Bescheid durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nur positiv ausfallen. Mit Erteilung der Zulassung sowie dem Hinweis der Unbedenklichkeit, so die wirtschaftliche Prognose, würde die Terraplan Saatgut AG zu den Big Player am Markt aufschließen. Sie würde endlich den ihr zustehenden Platz einnehmen, der bisher von anderen Saatgutherstellern besetzt wurde.

Mit Erteilung des Patentes sowie der Zulassung durch die EFSA, würde sich die Terraplan im Besitz eines Produktes befinden, der einen Vorsprung für Jahrzehnte garantierte. Das einzige Hindernis dieses Ziel zu erreichen bestand darin, dass es in diesem Land nicht möglich war, entsprechende Flächen zur Verfügung gestellt zu bekommen, um nachprüfbare Ergebnisse vorweisen zu können. Fand man eine Fläche, die geeignet war, so gab es bestimmt Nachbarn, die in unmittelbarer Nähe Landwirtschaft betrieben und gegen das gentechnisch veränderte Saatgut protestierten.

Bei seinen früheren Gesprächen mit WT war dieser bereit, über die Ziele der Firma zu sprechen, soweit er Bescheid wissen durfte. Dabei ging er auf die Entwicklung eines sogenannten Terminator-Saatgutes ein, welches nach nur einer Fruchtfolge nicht mehr verwendet werden kann. Mit einem sardonischen Lächeln hatte er hinzugefügt, danach begeht es Selbstmord. Damit konnte die Firma sicherstellen, dass die Landwirte jedes Jahr aufs Neue gezwungen waren, neues Saatgut zu erwerben.

Er hatte mit WT über dessen Visionen versucht zu diskutieren, aber dann mit Erstaunen seiner Fiktion gelauscht, die dieser darüber hinaus mit einem Eifer darlegte, die missionarisch wirkte. Wenn künftige Abhängigkeiten sie beliebig an der Preisschraube drehen ließ, die Landwirte vor der Wahl standen, das Saatgut zu dem Preis zu kaufen, den die Terraplan ihnen vorgab. In einer weiteren Zukunft war es sogar vorstellbar, dass mit den Landwirten eine Vereinbarung über eine Gewinnabführung getroffen würde, die Grundlage für die Abgabe des Saatgutes wäre. Höhnisch klang seine Stimme, als er sagte, wir machen sie zu schlecht bezahlten Angestellten, die unter dem Mantel der Selbstständigkeit keine Ansprüche stellen können. Denken Sie zurück ans Mittelalter, wir werden die damals stattgefundene Leibeigenschaft in das neue Jahrtausend katapultieren, indem wir ihm nur einen anderen Namen geben.

Während dieser Ausführungen, die er mit so viel Feuer und Leidenschaft beschrieb, wirkte er als hätte er bereits eine Grenze überschritten. Umso größer war die Enttäuschung, als der Vorstand ihnen mitteilen ließ, dass ihr Vortrag gestrichen worden sei, da nur Ergebnisse erwünscht wären, von eventuell gesetzeswidrigen Handlungen wollte der Vorstand in keinem Fall Kenntnis erlangen.

Im Übrigen gehe man davon aus, dass Dr. Moldenau über die Qualifikation und Sachkunde verfügt, um selbstständig Entscheidungen zu treffen. Die Ablehnung durch den Vorstand schien WT nicht sonderlich zu überraschen, den einzig positiven Aspekt sah er in der nicht unerheblichen Erhöhung seines Budgets.

Mit der Zusage von WT war er zurück nach Klein Schönbeck gefahren, um dem Verhandlungsführer der Landwirte die positive Nachricht zu übermitteln. Erst zu jenem Zeitpunkt erfuhr er von dem Widerstand dieses Holger Geldern, den er bisher bei keinem Treffen wahrgenommen hatte. Und er erkannte die Gefahr, wenn dieser die Öffentlichkeit von der nicht ganz gesetzeskonformen Anpflanzung genetisch veränderter Pflanzen informieren würde.

Sollte das gesamte Projekt bereits vor dem Scheitern stehen, noch ehe es begonnen hatte, das konnte und wollte er nicht zulassen. Zu sehr war seine persönliche Zukunft mit diesem Projekt verknüpft, im Falle eines Scheiterns konnte er sich die Konsequenzen an seinen fünf Fingern ausrechnen. Deshalb hatte er beschlossen, sich selbst um diesen widerspenstigen Landwirt zu kümmern, ihm sogar ein höheres Angebot als den anderen zu unterbreiten, sofern es nur diesen Weg geben sollte.

Außerdem sollten die Landwirte der Genossenschaft diesen Holger Geldern stärker einbinden, ihn ab sofort zu allen Treffen einladen. Damit so hoffte er, würde ihn die Gemeinschaft nach und nach weichklopfen, ihn von der lukrativen Vereinbarung überzeugen.

Gegen diese Zukunft

Подняться наверх