Читать книгу Der Tote im Luisenhain - Ernst Michael Schwarz - Страница 8
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Оглавление… vor 32 Jahren, ein Frühsommerabend 1987:
Der Leutnant der „VP“ (heute Kriminalkommissar) Karl Sander kam an diesem Abend ausnahmsweise mal pünktlich vom Dienst aus der Karlstraße nach Hause. Es war ein sehr guter Tag gewesen. Er konnte seinen ersten Fall erfolgreich lösen. Im Ergebnis einer Kneipenschlägerei in Baumschulenweg war ein Mann vor dem „Grünen Baum“ liegen geblieben. Mit einer Flasche erschlagen. An Hand von Zeugenaussagen, Fingerabdrücken und dem entscheidenden Hinweis vom Wirt der Kneipe, der Angst um seine Lizenz hatte, konnten Sander und seine Kollegen einen dreißigjährigen Hilfsarbeiter festnehmen. Die gerade erst eingeführten Gentests mussten nicht zum Einsatz kommen. Den Täter würde eine Anklage wegen Totschlags erwarten und Karl Sander stand für einen Tag im Mittelpunkt. Er war stolz und zufrieden. Als er gerade sein Fahrrad abstellen wollte, fuhren am Nachbarhaus drei Autos vor und parkten teilweise abenteuerlich auf der Wiese vor dem Haus. Die Autos und die Typen, die da ausstiegen, kannte Sander ganz genau. Sie gehörten zur Sonderkommission oder wie sie auch bei der Kripo abwertend genannt wurden: Mielkes schnelle Eingreiftruppe. Karl Sander wusste, immer wenn die auftauchten, gab es für die Kripo nichts mehr zu tun. Sie kamen bei sicherheitspolitisch bedeutsamen Fällen zum Einsatz, wobei die Stasi entschied, was bedeutsam war.
Sander wollte auf keinen Fall von den arroganten Typen gesehen werden und versteckte sich grade noch rechtzeitig hinter dem kleinen Spielplatz neben den Häusern. Er hatte Recht, sie ließen keinen mehr ins Haus Nr. 36 oder auch nur in die Nähe.
Nach einer kurzen Zeit, die Sander wie eine Ewigkeit erschien, kamen erst zwei von den Typen raus, dann der Rest. Jetzt blieb Sander das Herz fast stehen, die Leute, die dort in Handschellen aus dem Haus geführt wurden, kannte er. Es war Familie Viertel, erst Bernd Viertel, dann die junge im dritten Monat schwangere Liesel. Genaueres wusste er auch nicht, aber die Viertels arbeiteten wohl im Funkwerk in der Wendenschloßstraße, im Sicherheitsbereich.
Ebenso schnell, wie alle gekommen waren, waren sie wieder weg, nur die zerfahrene Wiese vor dem Haus zeugte von dem überfallartigen Besuch. Karl Sander konnte sein Versteck verlassen und verschwand in seiner Wohnung. Jetzt wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Vater anzurufen, der als Offizier des MfS sicher etwas herausbekommen konnte. Aber obwohl seine Eltern quasi fast um die Ecke wohnten, gab es außer heimlichen Treffen mit der Mutter schon seit Jahren keinen Kontakt: „eine andere Geschichte“, erklärte er immer auf Nachfragen von Nachbarn oder Kollegen.
Schon am nächsten Tag wurde die Wohnung leer geräumt, renoviert und nach einer Woche zogen neue Leute ein. Nach ein paar Tagen befragte man auch Karl Sander in der Dienststelle, ob er die Familie kennen würde, und als er nicht ganz wahrheitsgemäß antwortete: außer ab und zu sehen und „Guten Tag“ und „Guten Weg“ – ließ man ihn in Ruhe.
Allerdings vergaß Karl Sander dieses Erlebnis nie und er vergaß auch den Mann nicht, der ihn befragte, den Leiter der MfS Kreisdienststelle Köpenick, Oberstleutnant Willi Kreibig, der noch kurz vor der Wende zum Oberst befördert wurde. Außerdem war sich Sander sicher, dass es eben Kreibig war, der damals diesen Einsatz der Spezialkommission geleitet hatte. Diese markante und auch Furcht einflößende Person vergaß man nicht.