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Am Anfang meines ersten Lebens – Ernst und Peter

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Ich wurde am 18. Januar 1947 geboren und damit noch in den Tagen, die einen Menschen selbst in unseren aufgeklärten Tagen zu einem Steinbock machen. Mein Rufname lautete Ernst, wie deutlich unterstrichen im Familienstammbuch steht. Tatsächlich angesprochen hat mich aber niemand so. Gerufen haben mich alle „Dicker“, als ich im Kindergarten meine Ohren zu spitzen hatte, und bei diesem Namen ist es geblieben, bis sich auf der Schule „Peter“ durchsetzte. Das war der zweite Vorname, den meine Eltern mir laut Taufregister gegeben hatten, wobei ich als Kind gerne der Erläuterung meiner Mutter Glauben schenkte, dass sie ihren dauernd grinsenden und fröhlich dreinschauenden Säugling nicht habe Ernst nennen können. Das heitere Gegenstück sei ihr angemessener erschienen, und dafür bekam sie die Zustimmung von zahlreichen Tanten, die den Knaben noch lange mit Vergnügen knuffelten und knutschten.

So riefen mich alle „Peter“. Besonders laut – und drohend deutlich die erste Silbe hinziehend – tat dies meine erste Lehrerin auf der Volksschule, ein Fräulein mit Namen Leckebusch, um mich so zu ihr her zu kommandieren. Es galt dann, meine gefürchtete Ohrfeige abzuholen, die ich offenbar unentwegt verdient hatte, weil ich viel zu selten ernst und oft ziemlich gelangweilt war. Trotzdem vermerkte mein erstes Zeugnis mit lauter netten Noten, „Peter hat einen guten Anfang gemacht“.

Es ging dann recht und schlecht mit diesem Namen weiter. Bis zu meinem 18. Geburtstag beantwortete ich die Frage, wie ich heiße, mit „Peter“, und der „Ernst“ kam mir weder in den Sinn noch über die Lippen. Er war fast vergessen, als die Zeit des Führerscheins heranrückte und es galt, die dazugehörige Prüfung abzulegen. Nachdem es mir gelungen war, das Automobil nach den amtlichen Vorschriften und den Vorgaben des zuständigen Beamten durch den Verkehr zu lenken und auf einem Parkplatz abzustellen, sah ich voller Erwartung auf das begehrte Dokument, das ich rasch unterschreiben und an mich nehmen wollte. „Bitte nur einen Vornamen, also Ihren Rufnamen“, sagte der Prüfer, „Sie heißen doch Ernst, oder?“ Ich schaute ihn an und erklärte den Peter. „Der Peter ist vorbei“, sagte er, „von jetzt ab sind Sie Ernst“, was ich so verstand, dass nun der Ernst des Lebens beginnen sollte.

Ich reagierte daher verwirrt, schrieb aber mit Mühe unter zitterndem Zögern „Ernst“ in den Führerschein und ließ mir vom dem Tag an den Bart wachsen. Mit ihm kann man sich schmücken und spielen, und so trage ich meinen Bart bis heute in der Hoffnung, dass der Satz des gestrengen Beamten nur die Hälfte von mir erfasst. Ich bin Ernst und Peter geblieben, ohne jemals genau sagen zu können, wer gerade an der Reihe ist. Der Gedanke gefällt mir. Er teilt mein Leben und das Ganze mit mir.

Die andere Leichtigkeit des Seins

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