Читать книгу Lang lebe die Königin! - Esmé Lammers - Страница 9

5

Оглавление

Während die Königin über die weißen und schwarzen Steinplatten des Schlosshofes hin und her ging und angestrengt nachdachte, stickte die Hofdame zufrieden und leise vor sich hin summend weiter. Ihre Königin dachte sich ein Spiel aus, ein spannendes Spiel, damit der König sich nie mehr langweilen musste. Dann hätte er gar keine Zeit mehr, Krieg zu führen.

Die Hofdame konnte sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, sich ein Spiel auszudenken. Sonst hätte sie nicht so sorglos dagesessen und vor sich hin gesummt.

Ein Spiel für den König?, überlegte die Königin. Was würde er am liebsten tun? Ja, Krieg führen! Schon bei dem Wort lief es ihr wieder kalt über den Rücken.

Trotzdem brachte gerade dieser Gedanke sie auf eine neue Idee. Wie wäre es mit einem Kriegsspiel … Dann könnte der König so viel Krieg führen, wie er wollte, ohne dass jemand verwundet würde. Das war gut. Also müsste ein König im Spiel sein! Die Königin schaute sich um und sah den Lakaien, der am Tor Wache hielt.

Zwar sah der Lakai ihrem Mann gar nicht ähnlich – der war nämlich groß und kräftig und hatte ein kleines Bärtchen auf den runden Backen, während der Lakai dünn und lang war und hübsche Locken hatte, die bis auf seine Schultern herabfielen –, aber solange der König selbst nicht mitspielte (er durfte doch nicht wissen, dass sie sich ein Spiel ausdachte), konnte der Lakai seinen Platz einnehmen.

«Wärst du bitte so freundlich, hierher zu kommen?», fragte die Königin liebenswürdig.

Der Lakai schrak auf. Sprach die Königin mit ihm?

«Ich?»

«Ja, du. Kannst du mal den König spielen?»

Der Lakai traute seinen Ohren nicht. Er sollte den König spielen? Die Königin zeigte auf eine weiße Platte auf dem Schlosshof. «Stell dich bitte dahin.»

Der magere Lakai versuchte, den schweren Gang des Königs nachzuahmen. Das war gar nicht so einfach. Er stolzierte auf die Platte zu und stellte sich mitten drauf. «So, und was soll ich jetzt tun?»

«Vorläufig nichts», antwortete die Königin. Sie sah sich den Lakaien an, der kerzengerade auf der Platte stand. So, der wäre also der König. Aber eigentlich recht einsam, fand sie. Und dann fiel ihr plötzlich noch etwas ein, etwas Lustiges. Sie stellte sich neben den Lakaien, sah ihn schalkhaft an und sagte: «Weißt du was? Ich spiele auch mit!»

Der Lakai räusperte sich vernehmlich.

Erstaunt sah ihn die Königin an. War es ihm denn nicht recht?

«Verzeiht, aber Ihr steht auf der falschen Seite. Ihr solltet links vom König stehen», meinte der Lakai diskret.

«Ach so. Wie dumm von mir. Das hätte ich doch glatt vergessen», sagte die Königin munter und tauschte mit zierlichen Schritten die Plätze mit ihm. Es sah fast aus, als ob sie tanzten.


Jetzt wollte die Königin sich aber merken, wo sie zu stehen hatte, damit sie es nicht noch einmal falsch machte.

Sie schaute an sich herunter und sah, dass sie auf einer weißen Platte stand. Weiß! Das war einfach, denn es war die Farbe ihres Kleides. Sie betrachtete ihre Hände: Wenn der König auf der Seite ihrer Schreibhand, also rechts von ihr, stand und wenn sie auf der anderen Seite, also links, eine schwarze Platte sah, dann stand sie richtig.

Eigentlich war es ganz einfach!

Als sich herausstellte, dass die Königin bei dem Spiel mitmachte, ging alles sehr schnell. Denn nun wollte die Hofdame auch mitspielen, und weil sie das durfte, musste der Ratsherr des Königs ebenfalls dabei sein, sonst wäre es ja ungerecht gewesen.

Der Ratsherr betrat gereizt den Schlosshof, er hatte doch keine Zeit zum Spielen!

«Ach, wärt Ihr wohl so freundlich, Euch neben den König zu stellen?», bat die Königin.

Welchen König?, fragte sich der Ratsherr missmutig. Am liebsten hätte er sofort kehrtgemacht, aber seine Königin schaute ihn freundlich an, und da konnte er es ihr nur schwer ausschlagen.

Der Lakai, dem die Hofdame eine Art Pappkrone aufgesetzt hatte, winkte heftig mit seinem Taschentuch. «Ich bin der König!», jubelte er ausgelassen quer über den Platz.

Der Ratsherr seufzte. Mit Verrückten soll man nicht streiten.

Steif und aufrecht stellte er sich neben den Lakaien. «Das ist mir mal ein schönes Spiel!», sagte er etwas zu laut.

Die Hofdame schaute ihn giftig an. «Wir sind ja auch noch nicht fertig damit!»

Das kann man wohl sagen, dachte der Ratsherr, denn nun überlegte die Königin sich doch tatsächlich, ob sie nicht vielleicht die Pferde mitspielen lassen sollte!

Die Pferde! Diese schwerfälligen Biester, die nie mehr aufhörten zu reden, wenn sie einmal angefangen hatten, und alles zehnmal wiederholten! Nicht einmal anständig springen konnten sie. Er hatte im vorigen Krieg nicht wenig Probleme mit den dämlichen Tieren gehabt. Der Ratsherr wurde ganz wild, als er daran dachte.

Aber die Königin meinte, die Pferde könnten schließlich nichts dafür, und außerdem seien sie doch so anhänglich. Also wurden Karl und Kees – so hießen sie – herbeigerufen.

Und tatsächlich: Als die beiden hörten, dass ein neues Spiel ausgedacht werden sollte, erkundigten sie sich mindestens zehnmal, ob sie sich auch nicht verhört hätten.

«Ein Spiel? Hören wir richtig? Ein Spiel? Und wir dürfen mitmachen?»

Es war zum Verrücktwerden, fand der Ratsherr. Übrigens hatte er wahrhaftig anderes zu tun, denn der König hatte ihn am Morgen zu sich gerufen. In feierlichem Tonfall hatte er ihm mitgeteilt, dass bald ein Krieg geführt werden müsste. Und da der Ratsherr dann die Aufgabe hatte zu entscheiden, wie, wann und vor allem gegen wen Krieg geführt werden sollte, hatte er es jetzt schrecklich eilig.

Gerade, als er fand, jetzt sei es aber genug, kamen seine zwei Türme in den Hof gerollt. In jedem Turm schien ein Soldat zu sitzen, denn genau gleichzeitig erschienen zwei Köpfe über den Zinnen.

«Ratsherr, habt Ihr einen Moment Zeit für uns?», baten sie höflich. Ihr unterwürfiger Ton gefiel dem Ratsherrn ganz besonders. Er hatte sie nämlich selbst erfunden, diese Türme auf Rädern.

Mit der erforderlichen Lässigkeit sagte er: «Ich komme sofort!»

«Was ist das?», fragte die Königin neugierig.

«Eine kleine Erfindung von mir», sagte der Ratsherr stolz. «Ich dachte, es könnte praktisch sein, im nächsten Krieg Türme auf Rädern zu haben. Das eröffnet nämlich ungeahnte …»

Die Miene der Königin hellte sich auf. Noch bevor der Ratsherr sich über die ungeahnten Möglichkeiten verbreiten konnte, fiel sie ihm ins Wort.

«Sehr gut, Leute. Kommt nur her. Einer hier und einer da.» Sie wies den Türmen ihre Plätze zu, neben den Pferden, auf den Ecken der schwarz-weißen Fläche.


Dem Ratsherrn rutschte das Herz in die Hose. Wie sollte er ohne …? Er wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu, denn zu seinem Entsetzen stürmten eben jetzt seine acht besten Soldaten herbei. Wenn die auch noch mitspielten, konnte er im nächsten Krieg niemanden mehr kämpfen lassen!

Die Soldaten stellten sich in einer Reihe vor die anderen hin.

«Und jetzt?» Der Ratsherr hoffte, dass das Spiel bald vorbei sei.

«Und jetzt wollen wir Krieg führen», sagte die Königin munter.

Krieg? Genau! Na ja, zum Glück war sie nicht ganz verrückt geworden. Der Ratsherr trat aus seiner Reihe. «Sehr gut, dann kann ich ja gehen!»

Aber die Königin hielt ihn zurück. «Nein, Ihr bleibt hier! Ihr müsst uns doch erklären, wie man Krieg führt!», sagte sie freundlich.

Der Ratsherr schaute sie misstrauisch an. War das ihr Ernst?

«Das wollt Ihr gar nicht wissen», sagte er.

«Doch, ich will es wissen.» Wieder blickte sie ihn unschuldig an.

«Gut. Zuerst braucht man einen Gegner.»

«Ach, natürlich. Wie konnte ich das vergessen! Wir werden das Königspaar aus dem Nachbarreich bitten», sagte sie eifrig.

«Den Nachbarkönig?» Diesen grässlichen König? Das konnte doch nicht wahr sein …

«Und seine Frau.» Die Königin freute sich sichtlich auf deren Kommen.

«Aber denen wollten der König und ich doch gerade den Krieg erklären …», stammelte der Ratsherr.

«Solch schlechtes Benehmen kommt gar nicht in Frage!», sagte die Königin entschlossen.

Da erhob der Ratsherr gegen seine sonstige Gewohnheit die Stimme.

«Ihr wisst, wie der König über sie denkt. Es sind schreckliche Leute, die glauben, das Leben sei spaßig.»

«Ach was!», antwortete die Königin herablassend. «Zufällig sind es nette Leute, die eben nicht die ganze Zeit an Krieg und ans Kämpfen denken.» Sie winkte ihre Hofdame herbei. «Bitte die Nachbarkönigin, so schnell wie möglich zu kommen», befahl sie ihr.

Der Ratsherr resignierte. Er hatte sein Möglichstes getan, und das würde er dem König auch berichten, wenn das Spiel vorgeführt wurde. Der König würde toben!



Lang lebe die Königin!

Подняться наверх