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DIE EINE VOM MORGEN

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Heute Morgen war dieser dunkle Nebel wieder da und wollte sich nicht verziehen. Sie schrieb ne Mail an die Arbeit, bin krank, und blieb im Bett liegen.

Richtig miese Depriphase. Sie hat sich selbst fertig gemacht. Wegen dem Stress und der Angst und dem Weltschmerz. Wegen all dem abgefuckten Elend und weil sie bald dreißig wird. Und auch wegen der Sehnsucht, so. Allgemein, so.

Aber irgendwann isse doch aufgestanden. Bisschen Sport gemacht mit YouTube, geduscht, Kaffee mit Milch. Und dann saß sie am offenen Fenster in der Sonne, den ganzen Vormittag lang. Saß einfach nur da mit Kippen und nem Gläschen vom Weißen als Schorle zum Frühstück. Fette Selbstgönnung und der Tag ist überstanden. Bäm!

Jetzt steht sie hier mitten in der Menge und ihr geht’s wieder ganz gut. Manische Phase? Egal, scheiß drauf! Party! Einer reicht ihr nen Stummel. Die letzten drei Züge. Das Zeug ballert. Er zappelt, fragt nach nem Schluck von ihrem Bier und entschuldigt sich. Bin voll auf MDMA.

Diese neue Kollegin ist dabei. Ledig, Single, keine Kinder. Auf der Suche nach nem Mann, hat schon in München, Hamburg, und Berlin gewohnt und da gesucht und gesucht und keinen gefunden. Ich will halt gejagt werden, sagt die Kollegin.

Die wenigsten Männer jagen heute noch, denkt die Eine vom Morgen, aber sie traut sich nicht, es der Kollegin zu sagen, weil die beiden sich noch nicht lange genug kennen.

Auf der Bühne freestylt so ein Rothaariger darüber, wie hart doch das Leben ist, wie man irgendwie immer struggeln muss und die Eine vom Morgen denkt, ja, isso.

Und dann reimt der Typ so Lines:

Mein Tag begann heut Morgen um sieben, aber ich bin nicht liegen geblieben, yeah!

Und das trifft die Eine vom Morgen voll ins Herz, so. Weil sie ist ja heute Morgen auch aufgestanden, obwohl sie liegenbleiben wollte. Aber sie hat weitergemacht, yeah!

Später sitzt ihr Kumpel mit nem Mädel zusammen, voll intensives Gespräch. Augenkontakt, dies-das. Als er merkt, dass die Eine vom Morgen das mitkriegt, versucht er sich zu erklären, das ist jetzt nicht der Flirtmodus.

Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen, weil er ja ne Freundin hat. Mir doch egal, denkt die Eine vom Morgen. Das Leben und die Liebe sind kompliziert genug.

Musst dich nicht rechtfertigen, Alter. Und dann fängt er an zu heulen. Wegen unserer Gesellschaft und seiner Freundin. Die würde sofort nach Brüssel ziehen für ihren Job und hat sich sogar in Bayern beworben. Die würde sofort wegziehen, alles hinter sich lassen, um mindestens vierzig Stunden jede Woche im Hamsterrad von nem Großunternehmen zu strampeln.

Und der Kumpel heult. Richtig mit Tränen, so. Der will das einfach nicht.

Ich will einfach nicht weg aus der Stadt, sagt er.

Weil du es nicht kannst, Alter, ruft die Eine vom Morgen dazwischen.

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