Читать книгу Glut im Herz - Esther Grünig-Schöni - Страница 5

3. Nachdenken

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Flo war viel aufgewühlter, als er es sein wollte, als er es zeigen wollte. Warum ließ der ihn nicht kühl, wie es sonst war, bei solchen wie er einer war, dieser Chris? Er ließ die Menschen nicht leicht an sich heran, nicht diejenigen, die er gut kannte und andere schon gar nicht, darum konnten sie ihn nicht erschüttern. Vom ersten Moment an, in dem Lokal, als er ausgerastet war, vom allerersten Moment an, hatte er etwas an Chris gemocht und es nicht herausgefunden, was eigentlich. Dabei entsprach dieser Kerl in keiner Weise seinem üblichen Bekanntenkreis. Mensch, wohin entwickelte er sich. Und all die Tussis in ... oh Mann!

"He warte! Bleib stehen Flo." Er sah sich um und stand wieder dieser Rebecca gegenüber. Ihre Augen blitzten. Er hatte seinen Helm schon in der Hand, setzte ihn aber noch nicht auf und sah sie an. "Ja? Was ist?"

"Wie du mit Chris sprichst, ist die Höhe, finde ich. Du behandelst ihn mies. Er ist okay und du bist ein unverschämter großkotziger Flegel." "Ist er dein Lover?"

"Sag mal, willst du noch eine gescheuert? Das geht dich nichts an." "Das mag sein. Unsere Gespräche gehen dich nichts an. Ist er es oder nicht?" "Nein, ist er nicht. Ist dir eigentlich bewusst, wie du rüber kommst? So etwas von arrogant. Tust du so oder bist du so?"

"Was bedrückt dich daran?" "Ich hab so etwas noch nie erlebt. Denkst du, du hast die Weisheit mit Löffeln gefressen?" "Nein, das denke ich nicht, aber …" Er sah ihr unentwegt in die Augen und war in keiner Weise von irgendetwas, das sie sagte, beeindruckt. "Rebecca, wie ich rüber komme, ist mir scheißegal. Verstehst du? Ich sag, was ich sagen will und in der Art, wie ich es tun will und keiner und auch keine redet mir rein. Wem das nicht passt, muss sich nicht weiter mit mir abgeben. Wer es doch tut, muss sich mit meiner Art abfinden. Verbiegst du dich etwa für jeden, der dir begegnet? Wenn ja, ist nicht viel an Echtheit in dir. Wenn nein, wie kommt es, dass du dieses Verhalten von mir verlangst? Ich heuchle nicht."

„Siehst du mich so an? Als unecht?“ Er zögerte sie musternd. „Nein. Aber deine Aussagen... denk mal darüber nach. Dann siehst du, was ich meine.“

Ganz kurz erschien ein Lächeln in seinem sonst ernsten Gesicht. Sie ließ sich davon nicht einlullen. „Du schulmeisterst.“ „Glaub ich nicht. Ich gebe nur Anregungen.“

"Auf jeden Fall handelst du dir so Probleme ein. Das ist mir allerdings egal, das ist deine Sache. Doch du verletzt andere damit und das ist nicht in Ordnung." "Quatsch … verletzen …? Er steckt das weg, dein Schützling, oder er lässt es. Er ist nicht gezwungen, weiter mit mir Kontakt zu haben. Das was ich gesagt habe, war richtig. So sehe ich es."

"Man kann Wahrheiten auch anders sagen. Freundlicher. Anständiger." „Anständiger? Das passt toll. Und... Man --- ja vielleicht. Aber ich nicht. Weißt du eigentlich, was in diesem Verlag alles verkauft wird? Und wenn du es weißt, kannst du dich damit einverstanden erklären, verteidigst du es auch noch? Dann passt du hin. Wenn du es nicht weißt, kümmere dich um Dinge, von denen du etwas verstehst. Geh kochen. Steck deine Nase nicht in meine Angelegenheiten."

Sie sah, dass er wütend war, aber sie war es noch mehr und sie hätte ihm wirklich gerne noch einmal eine geknallt oder ihn übers Knie gelegt. Doch ein Tritt? Jetzt? Das war vielleicht ein... Was bildete der sich ein? Geh kochen? Eine Frechheit war das! "Was weißt du schon von mir?"

"Nichts. Stimmt. Und mehr als nichts wird es auch in Zukunft nicht werden. War es das nun? Ich will weg." Er wusste, dass er sich daneben benahm und merkte, dass sie nicht zu den Luxusweibchen zu gehören schien. Er wusste, dass er ungerecht war, dass er verallgemeinerte und ungezogen rüber kam und sah sehr wohl, dass er nahe daran war, sich wieder etwas einzufangen. Aber er konnte nicht anders. Er war aufgewühlt und wollte gehen.

Becki war kurz sprachlos. Dieser... Aber er war auch prickelnd. Es knisterte und funkte, wie sie es noch nie erlebt hatte. Sie war in keiner Weise gewalttätig, hielt nichts davon, hatte damit schon genug erlebt und wollte sich nicht in diesen Kreislauf einspannen lassen. Aber er weckte die ärgsten Gelüste in ihr und er hatte sie dazu gebracht, ihm eine zu scheuern und es tat ihr auch jetzt nicht leid, es getan zu haben, so wie er sich benahm. "Hau bloß ab ja. Du eingebildeter Macho. Mit solchen... mit..."

Sie standen sich gegenüber und funkelten einander an. Auf einmal begann er zu grinsen. "Hey, komm, lassen wir das, okay. Das mit dem Geh kochen war Quatsch. Sorry. Wenn du mich etwas besser kennen würdest... nein, ist okay. Denk von mir, was du willst. Aber wie Chris und ich miteinander reden, ist tatsächlich nur unsere Sache. Wir sind beide erwachsen, weißt du." "Ach?"

"Ja. Geh du wieder rein und genieß alles, was geboten wird." Er lächelte kurz, setzte den Helm auf und fuhr davon. Sie stand da, sah ihm nach und wusste nicht so genau, wie ihr war

Flo hingegen konnte sich in der Folge kaum auf seine Termine und seine Verpflichtungen, konzentrieren, aber die waren da. Er hatte schließlich seine Arbeit. Und er mochte seine Aufgaben. Er konzentrierte sich eine Weile, warf jedoch auf einmal alles hin, konnte es nicht mehr sehen, wollte keinen sehen. Wut wallte in ihm auf. Er stürmte aus dem Büro, knallte die Türe zu, fuhr an einen Platz, den er mochte, stellte das Motorrad ab und ging ein ganzes Stück. Er war viel zu unausgeglichen. Nein, es war nicht nur Wut. Da war auf einmal auch etwas anderes in ihm, das er noch nicht deuten konnte. Zu viel. Es war stark und erschreckend.

Die verschiedenen Gefühle in ihm verursachten ein heilloses Durcheinander. Damit kam er nie zurecht. Es stürmte zu viel gleichzeitig auf ihn ein. Wieder einmal. Er hatte geglaubt, er habe es besser im Griff. Er konnte es nicht wieder soweit kommen lassen wie das letzte Mal. Er musste es entweder eindämmen oder Gewisses zulassen und anpacken. Verarbeiten. Wie er schon einiges verarbeitet hatte. Es würde sonst alles verderben. Und das wollte er auf keinen Fall.

Er ärgerte sich über Christoph. Der war so etwas von ignorant. Viele waren das. Aber die Vielen berührten ihn nicht unbedingt oder nur am Rande, nur in seinen Feststellungen, aber nicht emotional. Chris schon. Warum? Keine Ahnung vom Leben, dieser verwöhnte Yuppie. Wohlbehütet und... nein, er war ungerecht. --- Verflixt noch mal. Er hatte alles Recht der Welt, das zu sein. Wieder dieser Zorn in ihm. Er dachte, den wäre er endlich los und Christoph weckte das wieder in ihm. Mit Wut oder Zorn war nichts zu erreichen oder zu ändern. Manche dachten es, er nicht, und doch wurde er immer wieder davon eingeholt. Das bewegte die Welt nicht. Damit wurde alles schlimmer, alles angekurbelt, was ungut lief. Das nutzte keinem. Im Kopf war ihm das klar. Er musste seine Energien anders einsetzen. Er konnte etwas erreichen, und wenn er nur ein paar damit bewegte, war viel getan. Er hatte den Weg noch nicht gefunden, wie er es angehen konnte. Vielleicht war er noch immer nicht so weit, denn die Wut tauchte sogar vermehrt auf. Brauchte er sie, um seine Energien frei zu setzen? Auch das konnte sein.

Flo wanderte der Hauptstraße entlang. Ab und zu ging er so, ab und zu stundenlang, ließ die Umgebung auf sich wirken, dachte nach oder nicht. Er sah nur, roch nur, hörte nur, oder ließ die Musik von den Kopfhörern, die er heute aufgesetzt hatte, in sich klingen. Er hatte harte Musik gewählt, weil sie ihn beflügelte und seine Fragen ruhen ließ, weil sie ihm Kraft gab, ihn ruhiger werden ließ. Nein, manchmal tanzte er dazu oder spielte Luftgitarre oder Luftschlagzeug und kümmerte sich nicht darum, was jemand dachte, der ihn sah. Das war nicht sein Problem. Ein Auto um das andere fuhr an ihm vorbei, ab und zu begegnete ihm ein Radfahrer oder ein Jogger, Wanderer, Walker oder was wie unterwegs war. Immer zwischendurch wälzte er Gedanken hin und her, doch sie waren in der Musik leichter geworden und das Wälzen ging einfacher vonstatten. Sollte er die Menschen an sich heran lassen oder nicht? Sollte er sich auf sie einlassen oder nicht? Was hatte er zu verlieren?

Die Sonne schien immer noch, aber ein kalter Wind war aufgekommen, ließ ihn frösteln. Er sah die Bäume, die sich im kalten und böigen Wind bogen und geschüttelt wurden, ob ihnen das gefiel oder nicht. Sie waren ausgeliefert, standen da, konnten sich nicht wehren. Ausgeliefert sein hasste er. Er blieb auf einer Brücke stehen, sah in den Fluss hinab, der weiter floss, egal, was um ihn herum geschah. Er hielt nicht an, egal, ob ihm etwas gefiel oder nicht. Er mochte das Bild des Flusses. Er konnte springen und vieles hätte ein Ende. Aber diese Phase war vorbei. Er hatte sie durchlebt. Dadurch verstand er solche, die es taten, die etwas beendeten. Er verstand sie und zuvor war es ihm nicht möglich gewesen zu verstehen. Chris. Er konnte manches gar nicht gleich sehen wie er. Wie denn auch? Es verwunderte Flo, dass Chris so viel in ihm aufwühlte, von dem er gedacht hatte, gut damit umgehen zu können. Oder vielleicht gehörte zum gut damit umgehen das hier. Verwirrend. Der Fluss wirkte ebenfalls ruhig und barg trotzdem Turbulenzen und Gefahren.

Manchmal war er so unterwegs wie diesmal, aber er dachte ans andere Unterwegs sein. Schließlich war er ein Biker. Was war ein Biker? Vielleicht so. Er dachte an eine Geschichte.

Er stand am Straßenrand. Nichts ging mehr und er hatte nichts dabei und ärgerte sich entsprechend darüber. Da hielt einer an, ein anderer Motorradfahrer: "Kann ich dir helfen?" "Hast du Werkzeuge dabei?"

"Ja, was stimmt denn nicht?" Der andere, ein Fremder, legte seinen Helm auf den Sattel, klaubte einen Werkzeugsatz aus der einen Tasche und sah sich mit ihm zusammen das Problem an. Sie schraubten gemeinsam an seiner Harley herum und lösten es auch. "Schöne Maschine hast du." "Manchmal hat sie ihre Macken." Er lachte. "Oh damit muss man leben. So, jetzt sollte es wieder gehen. Starte mal."

Der Versuch gelang. "Danke. Klappt." "Alles klar Kumpel. Gute Fahrt." Sie winkten einander zu. Ohne viel Umstände. Beide fuhren wieder los. Biker.

Ja er war unterwegs. Wie Lucky Luke in den Sonnenuntergang? Er schmunzelte. Nein, nicht ganz so, etwas schneller. Nicht mit einem Pferd. Mit eine Maschine. Und doch nicht zu schnell. Das war es nicht. Nicht die Geschwindigkeit gab ihm das besondere Gefühl. Denn zwischen seinen Beinen, unter seinem Hintern, röhrte keine Rennmaschine. Da knatterte mit ihrer satten dumpfen Musik seine Harley. Auf so einer saß keiner gebeugt. Er saß stolz aufrecht und fühlte sich entsprechend. Er trug keinen Integralhelm, geschlossen wie eine Kugel. Er trug einen halboffenen Helm und war in Leder gekleidet. Leder war in jedem Fall gut, wenn jemand mit einem Motorrad unterwegs war, schützend und robust. Aber sein Lederanzug hatte wie sich das gehörte auch etwas Schischi, war geschmückt mit Fransen und Nieten, mit aufgesteppten Motiven. Die Harley war in der Grundfarbe schwarz, ihre Chromteile glänzten. Auf der einen Seite des Tanks schlängelten stilisierte Flammen. Auf der anderen Seite sprang ein gekonnt hin gemalter Panther mit leuchtend grünen Augen. Auch das Motorrad war verziert mit Leder, hatte Taschen mit Fransen und Nieten. Sie bildeten eine Einheit, die Maschine und er. Sie war noch eine der alten Bauart und er musste auch ab und zu daran herum schrauben. Das ließ sich nicht vermeiden. Aber da er darin geschickt war, stellte es kein Problem für ihn dar. Ja, wenn er sein Werkzeug mit dabei hatte. Er lachte. Er roch sie. Der Geruch verband sich mit dem seines Lederzeugs und dem der Umgebung.

Es gab ihm ein Gefühl von Freiheit, so unterwegs zu sein. Ein Motorradfahrer kam ihm entgegen. Sie grüßten sich. Manchmal geschah es mit dem Fuß, manchmal mit der Hand, je nach Situation. Sie waren eine große Familie. Das hatte sich nicht geändert. Biker waren Lebenskünstler, immer noch. Menschen, die genießen konnten: Eine Landschaft beim Hindurch tuckern, das Leben auf ihre direkte Weise, ein bisschen Rebellen, die Kameradschaft untereinander.

"Wir sind Rebellen. Wir lieben die Freiheit und lassen sie uns nicht beschneiden. Wir sagen einander du, sind unkompliziert. Pfeifen auf vornehmes Getue. Wir sind rau, unser Umgangston, unsere Umgangsformen sind bestimmt nicht jedermanns Sache. Aber seht her, wir sind auch herzlich und hilfsbereit. Wir halten zusammen. Wir haben unsere Träume noch nicht verloren. Ihr seht oft nur die schwarzen Schafe, eine Minderheit und schimpft uns Rocker. Dabei sind wir vielleicht noch diejenigen, die in der heutigen kalten Leistungsgesellschaft zu leben wissen. Ihr müsste euch nicht fürchten und ihr sollt nicht auf uns spucken. Wir sind eine Art Fahrende. Ein Stück der Freiheit ist uns geblieben. Wo ist eure?"

Wieder musste er schmunzeln. Er sah die Landschaft, die geruhsam an ihm vorbei zog. Er sah sie, er war mitten drin, nicht eingepfercht in einem Blechkasten. Bewegung und Wind. Es war alles zu spüren. Er war lange ganz mittendrin gewesen, hatte ganz zu ihnen gehört und verlor bestimmt nie alles davon. Aber es änderte sich etwas. Aus dem einfach leben, genießen, feiern und sein - ohne Grenzen, aus dem Umgang ohne Tamtam wurde langsam Verantwortung. Nein. Es war falsch zu denken, dass er diese in der Zeit nicht getragen hatte. Es war falsch, von Bikern zu denken, sie seien arme Wichte, die solange ihren Träumen vergeblich hinter her fuhren, wie sie nicht vom Sattel herunter kamen. Krass. Nein. Es war falsch zu denken, sie trügen keine Verantwortung. Und doch veränderte er sich unmerklich, leicht weg von ihnen. Ganz verlor er das nie.

Er hielt am Straßenrand an. Er stellte den Motor ab, blieb sitzen, sah sich um. Er spürte mit all seinen Sinnen. Es gehörte zu ihm. Aber das war ihm nicht mehr genug. Was war also mit ihm geschehen? Viel davon war für ihn notwendig gewesen und hatte ihm geholfen, mit einigen Ereignissen fertig zu werden. Nein, nein, auch das war nicht ganz richtig. Fertig war er damit nicht. Damit zu Recht zu kommen, traf es besser. Diese Unruhe in ihm. Er musste einen Schritt weiter gehen. Es war zu eng geworden. Es reichte nicht mehr. Es bot ihm keine Möglichkeit mehr, weiter zu wachsen. Er brauchte neue Herausforderungen und er hatte sie. Er bewegte sich in einer Gesamtwelt, in dem das zwar seinen Platz behielt, aber in die eine weitere Dimension dazu gekommen war. Die des Unternehmers, des Arbeitgebers. Er, der Junge von der Straße. Er schmunzelte. Auf der Straße war er nicht mehr. Oder wenn, dann auf andere Weise als früher. Wer hätte das gedacht. Weitere Dimensionen kamen dazu und die Gesamtwelt wuchs. Nicht schlecht. Dazu gehörte, dass er sich der Vergangenheit stellte, zuließ, dass sie an die Oberfläche stieg.

***

Kleiner Mann lächle. Lächle, lach, lach, sei niedlich... wir sind alle lieb zu dir, nehmen dich in die Arme, streicheln dich, schau, die Filme tun dir nichts, schau, die Kamera, die tut dir nichts. Mir ist kalt, es tut weh. Das macht nichts, kleiner Mann, das macht nichts. Lach sie an, lach, sei fröhlich, oder du kommst ins Loch. Lach, lach... sie sind lieb. Sei auch mit ihnen lieb. Schau, sie mögen dich, sie lieben dich, sie bringen dir schöne Dinge und du hast ein schönes Dessert, hm? Lach, lach. Wenn du nicht machst, was sie von dir wollen, mit einem fröhlichen Gesicht, lachend, binde ich dich ans Bett, werfe ich dich in den Keller. Ich bring dir bei, gehorsam zu sein, kleiner Mann. Sie wollen ein schönes Gesicht sehen und keine Tränen in den Augen, nicht ein nasses Gesicht, nicht ein trauriges Gesicht. Du hast es gut. Du hast alles, was du brauchst. Gut hast du es. Sei dankbar. Lach, lach... Keller... Tür zu, Ratten, Dreck, es stinkt, Angst, im Keller. Also lach, lach, lach... Sie sind lieb zu dir... sie nehmen dich in die Arme und streicheln dich, sie geben dir Küsschen, was ist daran schlimm? Schau, da... so schön siehst du aus, ein feiner kleiner Junge bist du, ganz fein, ganz schön. Ein schöner zarter kleiner Junge. Ich versteh sie nicht. Ich versteh alles nicht. Ich dachte, sie sind gut und sie sind das nicht. Schmerzen. Sie tun mir weh. Nehmen mich in die Arme. Schmerzen. Sie streicheln mich, fassen mich an, überall. Schmerz, Küsschen, ich ekle mich davor, verzerrte Gesichter, Ungeheuer Gesichter, Kobold Gesichter, nein, ich will nicht mehr lachen, sie nicht mehr sehen, nicht mehr fröhlich sein, mag ihre Hände nicht, mag das nicht. Nein, ich will nicht. Lach kleiner Mann lach, lach... lach jetzt kleiner Mann lach, lach...

***

Der Wind rauschte. Er nahm den Helm ab, um ihn besser zu spüren. Er fühlte dabei wieder diese weite Freiheit. Es tat ihm nach wie vor gut, solche Reisen zu unternehmen. Aber sie waren nicht mehr Lebenszweck. Sie waren Teil seines Lebens. Teil von Florent. Wie es auch die Vergangenheit blieb.

***

Ich erzähle, wo ich herkomme. Heute ist mir nach reden und ich kann es erzählen. Notieren. Das geht nicht immer. Nicht einmal das. Nein, reden darüber kann ich nicht. Noch immer nicht, nach so langer Zeit. Ich schreibe es auf. Irgendeine Frau auf der Welt, hat mich geboren. Wo das war, weiß ich nicht, wer es war, weiß ich nicht. Man könnte sagen, dass sie mich auf die Straße geworfen hat, irgendwo hin. Jemand hat mich gefunden und mich zum Heim gebracht. Dort habe ich meinen Namen bekommen und die Papiere und alles, was nötig ist, um auf der Welt zu sein. Das bin ich also jetzt. Auf der Welt. Lange Zeit habe ich den Menschen, der mich ins Leben geworfen hat, gehasst. Ich weiß nicht, wer meine Eltern sind. Ich bin von klein an in diesem Heim, von sehr klein an. Warum kommt nie jemand und nimmt mich von da weg? In eine Familie? Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich seltsam. Vielleicht wollen sie mich in dem Heim behalten. Die Gründe dafür... dazu schreibe ich später etwas. Ein anderes Mal. So ist Florent ins Leben gekommen. Als Unglück. Vielleicht ist die Frau ein böser Mensch, vielleicht ist sie nur verzweifelt gewesen. Heute hasse ich sie nicht mehr, heute, wenn ich anfange das zu notieren, weil ich über alles noch immer nicht sprechen kann, nein, heute hasse ich sie nicht mehr. Ich weiß die Gründe nicht, warum es so war, warum sie das getan hat. Vielleicht konnte sie nicht anders handeln. Vielleicht wollte sie nicht anders handeln. Es spielt jetzt keine Rolle mehr. Aber manchmal möchte ich gerne wissen, wer meine Mama ist, wer mein Papa ist oder ob es noch mehr Familie gibt. Ich werde es nicht erfahren. Das kann man nicht nachforschen. Nichts ist bekannt. Keiner weiß etwas. Also lass ich es mit Fragezeichen versehen stehen.

***

Er hatte in diesen Tagen angefangen, aufzuschreiben, was an die Oberfläche stieß. Ausgelöst worden war vieles durch die Eröffnung des Arztes, aber auch durch die Begegnungen der letzten Tage.

***

Ich schreibe dies und das von meinem Leben auf, für mich selbst, aber vielleicht auch für Freunde – eines Tages – vorerst für mich, um Knoten zu lösen, um herauszufinden, um ich selbst sein zu können. Ich will es nicht verstecken, auch nicht meine Fehler, auch nicht Dinge, die ich nicht gut gemacht habe. Verachte ich mich dafür? Werden mich andere verachten? Heute gebe ich mir Mühe, in Ordnung zu leben, aber es war nicht immer so.

***

Er setzte den Helm auf, startete die Maschine wieder und fuhr zurück, an seine Arbeit und nach Hause. Er hatte noch eine Menge zu tun.

Glut im Herz

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