Читать книгу Glut im Herz - Esther Grünig-Schöni - Страница 7

5. Erstaunen

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Manchmal fragte Chris sich, ob es richtig gewesen war ihn einzuladen und manchmal dachte er boshaft, dass es genau richtig war, je nachdem, wie er über Flo dachte. Das war nämlich genauso wenig klar, wie er sich über andere Dinge im Klaren war. Es war ein Auf und Ab, weil der Kerl in ihm unbequeme Gedanken geweckt hatte, die er eigentlich nicht wollte. Was sollte das alles? Erfolg und Spaß waren die Werte, Geld machen, Erfolg rechtfertigte alles. Dann kam dieser... So hatte es ihm der Vater beigebracht und so lebte er gut. Warum sollte er das ändern? Hm, das fragte er sich aber in den letzten Tagen oft. Der kam daher, rümpfte seine Nase und stellte alles auf den Kopf. Mit welchem Recht?

Er war vom Golf spielen gekommen. Das Spiel war ihm nicht gelungen, wie er es haben wollte und somit war er unzufrieden mit allem. Er mochte es nicht, Misserfolg zu haben, nicht hier und nicht anderswo. Golf war eines seiner Hobbies und er war, dank seines Vaters und dessen Namen in einen exklusiven Club gekommen, in den nicht jeder Eingang fand. Sie betrieben eine gute Anlage. Es kostete ihn zwar eine Stange Geld, wie auch sein Porsche, aber er hatte es und konnte es ausgeben. Er konnte es sich leisten. Ab und zu ging er mit einem der Pferde der Eltern reiten. Er nahm vieles hin, wie es war. Das stimmte. Warum das ändern? Während er sich einen seiner Spezialcocktails zusammen stellte und an Flo denken musste, ärgerte es ihn, was der dauernd von sich gab. Und doch ließ weder das noch der Kerl selbst ihn los. Er war mehr als neugierig auf ihn, auf alles, was noch kommen könnte und regte sich gleichzeitig über ihn auf. Doch, es war richtig, dass er den Mann zur Party eingeladen hatte.

Das Wetter spielte mit. Es war strahlend, nicht zu heiß, nirgends Gewitterwolken, die ein Problem hätten darstellen können. Er stand auf der Terrasse und sah über den Park, seine Mutter neben ihm, der Vater im Gespräch mit einem Bekannten. Es war stilvoll, zu ihrem guten Namen passend, nicht protzend, nicht zu viel des Guten, gerade richtig. Schön anzusehen, wieder ein ausgewogenes Gesamtkunstwerk – beeindruckend. Im offenen Gartenpavillon spielte eine Band dezent, während die Gäste langsam eintrafen, als Hintergrundmusik, unaufdringlich. Die Dekorationen waren im gesamten Bereich auf die Farben des Verlages abgestimmt – Rottöne und Lachsfarben. Die Tische mit den Köstlichkeiten waren in der ganzen Parkfläche verteilt und mit außergewöhnlichen Sonnensegeln überdacht. "Wo hast du die her? Das sieht richtig gut aus."

"Ich habe Peter beauftragt, alles zu gestalten. Er ist ein Meister darin. Er und sein Team. Er hat alles an die Hand genommen."

"Guter Griff."

Seine Mutter sah heute sehr gut aus. Er lächelte sie an. Sie war ganz große Dame, nicht etwa übertrieben aufgedonnert, sondern auf schlichte Weise, ein einfaches dunkelrotes Kleid, das ihre noch immer tolle Figur betonte. Sie hatte braune modisch frisierte Haare, trug nur wenig Schmuck. Dafür war er erlesen und teuer. Sie hatte es nicht nötig zu übertreiben, denn sie stammte aus einer angesehenen Familie. Sie war es gewöhnt zu repräsentieren. Ja das war sie. Weigert sah sie von der Seite her kurz an. Er dachte an ihre Vorbereitungen für die Party und seine Gedanken, als er ihr dabei zugesehen hatte.

Sie saß vor dem Spiegel. Ein kleines Boudoir war es. Früher bei den Damen und den Königinnen wären um sie her Dienstbare gewesen, die sie gekleidet hätten. Denn sie wirkte auf ihn oft wie eine Königin. Aber sie richtete sich selbst her. Sie lebte in ihrer Welt, schottete sich ab und schloss ihn aus. Schon lange. Seit damals … Hatte sie ihn einmal geliebt? Hatte er?

Er sah ihr zu. Manchmal, wenn sie es sah, lächelte sie, aber es war kein herzliches Lächeln, es blieb eine höfliche Maske. Sie war kalt. Makellos. Das war sie, war sie immer gewesen. Wie stolz war er damals gewesen, als sie ihn geheiratet hatte, eine Frau aus diesem Haus. Durch die Heirat hatte er in der Gesellschaft an Einfluss gewonnen. Eine steife Familie. Aber die Verbindungen, die er durch sie aufbauen konnte, waren Gold wert gewesen, hatten ihm auch in kritischen Momenten geholfen. Eigentlich war es widersinnig. Sie war seiner eigenen Mutter in ihrer Art verflixt ähnlich. Streng, kalt, auf Formen bedacht. Bei seinen Eltern war alles Fassade gewesen und … ja, war es das bei ihnen nicht auch? Vermutlich war es im Lauf der Jahre dazu verkommen. Oder er war dem vorgegebenen Muster treu geblieben. Die Frauen in seinem Leben waren so. Seltsam. Warum gingen ihm gerade jetzt diese Gedanken durch den Kopf?

Sie hielt inne in ihrem Tun, sah sich nach ihm um: "Ist etwas?" Er betrachtete sie weiter, schweigend, mit einem unergründlichen Blick. Er fragte sich, was er an ihr fand. Er fragte sich, ob Frauen einfach so waren wie sie oder er nur immer an solche geriet oder er solche gesucht hatte? Gab es Liebe bei ihnen? Sein Vater hatte ihn auf seine etwas seltsame und oft erschreckende Weise geliebt. Aber die Mutter? Sie hatte er meist nur gestört. Sie hatte Regeln aufgestellt, noch und noch. Sie war nicht böse gewesen, aber er war nie an sie heran gekommen, hatte nie Nähe erfahren. Mit Susanne? Kaum. Oder er hatte sie vergessen in all den Jahren. Er konnte in seinen Erinnerungen keine Nähe finden.

"Lieben wir uns?"

Sie starrte ihn an. Wie kam er auf einmal auf so eine absurde Frage? Ein freudloses Lachen. "Was ist Liebe?"

"Gute Frage. Du weißt es nicht?"

„Du etwa? Nein. Ich nicht. Weißt du eine Antwort darauf? Mir ist sie verloren gegangen."

"Nein, ich weiß keine. Du hattest mal eine und die hast du verloren?" Er lachte wie über einen dummen Witz und winkte ab. "Vergiss es." Er schüttelte den Kopf, weil er so dumm gewesen war, eine solche Frage zu stellen. Er wollte nicht im Morast rühren. Das kam nie gut heraus. Das ließ Dinge an die Oberfläche steigen, die wirklich besser ganz tief unten blieben.

„Da sprichst du wahr. Wir haben uns beide verändert, Herbert. Wir leben zusammen, bleiben zusammen. Willst du mehr? Das reicht. Mehr brauchen wir beide heute nicht. Du kennst die Gründe, warum es so gekommen ist. Lass uns nicht daran rühren. Das ist sinnlos. Wir halten für alle sichtbar aufrecht, was wir sind. Das genügt."

Ein langer Blick traf ihn und sie wendete sich wieder ihrem Tun zu. Was wusste dieser Mann von Liebe. Ach! Das war egal. Vielleicht war anfangs etwas Ähnliches vorhanden gewesen. Gut möglich. Es war so auf ihrer Seite gewesen. Aber nur ganz am Anfang, eigentlich nur vor der Hochzeit. Sie erinnerte sich nicht mehr und hatte keine Lust, sich Gedanken dazu zu machen. Wozu? Änderte sie etwas oder änderte sich etwas dadurch? Nein. Sie lebte gut, hatte, was sie brauchte und zudem ihre Ruhe.

Er betrachtete sie weiter, bereitete sich ebenfalls auf den Empfang vor. Wie kalt sie war. Kalt und fordernd und aufs Äußere fixiert wie seine Mutter. Wie fühlte es sich an, wenn Mütter ihre Kinder liebten? Er kannte es nicht. Er hatte nur versucht, es sich vorzustellen. Doch für so etwas reichte die Vorstellungskraft vielleicht nicht aus. Oder auf eine andere Weise. Ach, es fehlte ihm auch nicht. Was sollte er damit? Ja, er erinnerte sich an seine Mutter. Wie erwähnt, eine kalte Königin mit vielen Regeln. Die hatte er zu beachten gehabt. Dann hatte er ein gutes Leben. Und selbst, wenn er sich nur den Anschein gab. Es genügte. Ab und zu ein Lächeln, wenn es sich gut machte. Schöne Dinge waren wichtig. Oh, auch ihm waren sie das. Ästhetik in allen Belangen. Er schuf schöne Dinge, hatte sich einen Platz und eine Welt geschaffen, die sich sehen lassen konnte. Er dachte an eines seiner Projekte zurück, das ihm nach und nach etwas wie Wärme gegeben hatte, auf einer anderen Basis Zärtlichkeit. Auf einer anderen Basis Liebe. Vielleicht. Auch wenn manche darüber anders dächten. Er sah es so. Ja, alles war käuflich, alles und alle waren es. Jedes hatte seinen Preis, aber es war möglich, diesen zu finden. Ein schöner Bildband war das Resultat gewesen, aber für ihn --- erkennen, finden. Endlich. Nach langer Suche. Er lächelte in Gedanken und konzentrierte sich wieder auf seine Vorbereitungen. Nein, an manchem rührte er besser nicht, ließ es, wo es war. Seine Gedanken waren aber frei, seine Erinnerungen noch mehr. Denn wenn er daran rührte, könnte doch auch etwas entstehen, das sie alle in den Abgrund riss. Einfach manchmal leise in ihm erspüren, was es gewesen war. Es war für ihn gut und schön gewesen. Keiner konnte ihm etwas anderes einreden. Er sah noch heute nichts anderes darin als das. Wer es anders sah, der verstand gar nichts. Aber es war Vergangenheit. Er lächelte also und schwieg. Ja, es besser ruhen lassen.

Der Wind fuhr leicht durch die Bäume, ließ die Blätter rascheln und sie sahen zu, wie die Gäste ankamen, wurden begrüßt, hießen willkommen, nickten hier und dort. Auch wenn es im Park der Eltern stattfand, war Chris der Gastgeber. Allerdings hatte er ihnen diesmal gerne das Organisatorische überlassen. Rund um den Pool und im Schatten der Bäume waren Tische und Stühle hingestellt, wo es nötig war, standen Sonnenschirme dabei. Es gab im Park Bänke, Sessel, Gelegenheiten sich auszuruhen oder zu reden. Vor dem Pavillon mit den Musikern war eine Bühne aufgebaut und eine Tanzfläche eingerichtet. Rund um diese standen Stühle für das Konzert.

Langsam füllte sich der Bereich mit den Gästen. Der Vater war neben ihn getreten. "Christoph, wer ist das?" "Wer?"

"Der junge Mann. Ist das einer deiner Bekannten? Ich kenne ihn nicht. War er nicht auch bei der Neuvorstellung? Ein außergewöhnlich gut aussehender Junge."

Chris sah seinen Vater erstaunt an und dann in die angegebene Richtung und erblickte Flo. Was für ein Outfit. Donnerwetter. Kein Wunder. Der musste auffallen. Der Vater hatte Recht. "Ich habe ihn eingeladen. Er heißt Florent."

"Letzthin sah er anders aus. Der Mann weiß, was ihm steht. Der hat eine Ausstrahlung. Stellst du ihn mir vor? Ich bin neugierig geworden." „Dir fällt so etwas auf?“ „Nun sei nicht albern Christoph.“

Da war etwas. Es war wie ein Erkennen und doch nicht. Nein, außer an der Buchvorstellung war er diesem Mann bestimmt noch nicht begegnet. Wo hätte das sein sollen? So einer wäre ihm in Erinnerung geblieben. Da war er sicher. Vermutlich war es ein Irrtum. Woher es kam, wusste er nicht. Es verwirrte ihn. Und er war nicht gerne verwirrt. Er hatte es lieber klar.

Chris staunte noch mehr. Sein Vater war nicht unbedingt einfühlsam und dann kam so etwas von ihm? Flo schien auf alle zu wirken, selbst auf den Alten. Na gut. Er ging ihn herholen, damit er diese Pflicht abhaken konnte, ließ die beiden allein und sah noch, wie angeregt sie sich unterhielten, mischte sich unter die Gäste, beobachtete aber immer wieder, was geschah. Er entdeckte dabei bei seinem Vater immer wieder einen nachdenklich suchenden Blick, so als käme ihm Flo bekannt vor, so als suche er in seinen Erinnerungen, wo er ihm schon begegnet war. Es schien jedoch so, als käme er nicht darauf.

"Herzlich willkommen Monsieur …?"

"Bonvoisin."

"Weigert. Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns. Sehen Sie sich ruhig um. Bedienen Sie sich. Dafür ist alles da. Ich will nicht aufdringlich erscheinen. Entschuldigen Sie also die Frage. Sind wir uns schon einmal begegnet?"

"Ja, an der Buchvorstellung." Weigert lächelte. "Nein zuvor."

"Nicht dass ich wüsste." Er hatte seine neutral höfliche Seite hervor geholt und wandte sie an.

Der Mann war freundlich. Sie unterhielten sich über das Wetter, über Weine, über Aktualitäten. Aber Flo war froh, als er sich einem anderen Gast zuwandte. Er mochte Weigert nicht. An dem Mann war etwas, das ihn abstieß. Was es war, ging ihm nicht auf. Es war unterschwellig vorhanden. Sonst konnte er nicht klagen. Er wurde von ihm anständig behandelt. Das konnte es nicht sein. Es war nirgends Herablassung oder sonst etwas, das ihn geärgert hätte. Aber wie der ihn ansah … Es brachte etwas in ihm zum Klingen, das er nicht deuten konnte oder es nicht deuten wollte. Er sah ihn lächeln, lächelte zurück und fühlte sich dabei wie ein Heuchler. Ihm war eher ums Kotzen als ums Lächeln. Höflichkeit. Schön und gut. Manchmal notwendig. Er mochte sich heute selbst nicht. Vielleicht lag alles, was er empfand daran und nicht an dem Mann selbst.

Flo wirkte erstaunlich unbekümmert, gelöst und gut gelaunt. Chris ahnte nicht, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Etwas später jedoch wurde ihm dies klar.

Wenn Chris gehofft hatte, sich auf Flo's Kosten zu amüsieren, einen kleinen oder größeren Skandal zu erleben – ja, und er hatte sich genau das erhofft – wurde er einmal mehr überrascht und in diesem Fall enttäuscht. Es gelang ihm nicht, Flo zu fassen, ihn einzuordnen, er schlüpfte aus allen Mustern und Vorstellungen. Er war einer von denen, die sich weigerten, irgendwo hinein zu passen. Bewusst oder unbewusst. Aber jeder gehörte in eine Art Muster hinein. Wer und was war Florent? Normalerweise gelang ihm die Einordnung. Er wusste wie Menschen waren. Da konnte ihm kaum einer etwas vormachen --- hatte er bisher gedacht. Für ihn waren Menschen berechenbar. Auf jeden Fall alle die, mit denen er umgeben war. Er kannte sich aus. Das hatte er gedacht. Es konnte nicht anders sein. Und doch war auf einmal alles anders.

Das war es, was ihn immer neugieriger werden ließ und ihn anstachelte, solche Tests wie heute durchzuführen. Flo trug schwarze Seidenhosen, perfekt geschnitten, matt glänzend, dazu ein durchschimmerndes Hemdgespinst, halb offen. Eine Kette war zu sehen und ein dazu passender Ohrring blitzte ab und zu auf. Das war es nicht allein. Er bewegte sich in dieser Party-Gesellschaft, als hätte er nie etwas anderes getan. Chris erkannte ihn kaum wieder, sah wie er hier und da lächelnd Konversation machte, zu diesem und jenem nickte. So wie es üblich war. Er sah wie er wie die anderen herum schlenderte, die Köstlichkeiten genoss, sich in keiner Weise daneben benahm, die Darbietungen über sich ergehen ließ. Nirgends ein Ausfall. Das war... ernüchternd. Chris ärgerte sich. Er hatte anderes erwartet und kam nicht auf seine Kosten. Verhielt es sich mit den Menschen anders, als er bisher gedacht hatte oder war dieser eine solch eine Ausnahme, dass er damit alle Regeln brach?

Doch einmal, als sich Chris in seiner Nähe aufhielt, traf ihn ein Blick aus den hellgrauen Augen, der ihn vermuten ließ, dass ihn Flo durchschaut hatte und ihm eine gekonnte Vorstellung bot, während es in ihm brodelte. Er sah ihm an, dass der Mann ihm am liebsten eine gescheuert oder ihn mit einem Tritt in den Pool befördert hätte. Es lag Wut in diesem einen Blick und Chris beeilte sich, Distanz zwischen ihnen zu schaffen. Da hörte er ihn lachen und sah sich nach ihm um. Dieser unmögliche Kerl. Er wusste es und vermieste ihm seinen Spaß ganz bewusst, schien seinerseits seinen Spaß daran zu haben. Gemeinheit. Das war gründlich danebengegangen. Er durfte ihn nicht unterschätzen. Das war sein Fehler gewesen. Er ordnete diesen eindeutig falsch ein.

Nach einer Weile verabschiedete sich Flo formvollendet von seinen Eltern und bahnte sich einen Weg zu ihm, mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht, aber mit kalten wütend glitzernden Augen. "Enttäuscht Chris? Habe ich mich nicht blamiert? War es nicht so amüsant, wie du es dir erhofft hast? Ich habe mich gut amüsiert, vor allem, weil ich gesehen habe, wie du denkst, was in dir vor sich geht und was du wolltest. Nein, spiel mir nicht kopfschüttelnd den ahnungslosen Unschuldsengel vor! Das zieht nicht." Er sprach nicht laut, aber was er sagte, war umso deutlicher. Chris fühlte sich wie ein ertappter Junge. "Du siehst aus, als könntest du keiner Fliege etwas zuleide tun, glatt und höflich, aber ich durchschaue dich. Heute habe ich genug Selbstbeherrschung. Das war nicht immer so und ist nicht immer so. Es kann ins Auge gehen. Ich weiß mich in Gesellschaft zu bewegen. Den Gefallen, hier den Pausenclown zu mimen, wollte ich dir nicht tun. Ich bin kein Dummkopf und kein Vorführ-Kandidat. Klar?"

Er marschierte davon, zu seinem Motorrad, holte dort seine Lederjacke aus einer der Taschen, machte in seine Richtung ein unmissverständliches Handzeichen und brauste mit extra großem Krach davon. Puh! Das war eindeutig gewesen und er war knapp einer dramatischen Szene entgangen. Es sah ganz so aus, als wäre es besser, Flo nicht zu reizen.

"Flo? Wollen wir reden?" Ein paar Tage später. Er hatte bewusst einige davon verstreichen lassen und hoffte, er hätte sich beruhigt. Es kam auf die Frage nur ein knappes "Nein." "Na komm. Ich mag das nicht am Telefon klären. Ich finde aber, es muss geklärt werden. Ich will es nicht so stehen lassen zwischen uns.“

„Dein Problem. Ich kann damit leben.“

„Bitte Flo.“

„Nein. Du...“

„Ich bin morgen auf dem Golfplatz. Kennst du Golf? Magst du es versuchen? Nur wir beide und es ist nichts dahinter. Versprochen.“ „Du gibst nicht auf.“

„Stimmt. Danach könnten wir dort im Restaurant essen und reden." "Nein. Die Lust auf Schicki Micki ist mir vergangen.“ „Flo, ich möchte das nicht am Telefon klären.“

„Aber ich mache dir einen Gegenvorschlag. Komm heute Abend in die 'Fatma-Disco'. Ich lege auf."

"Echt? Du? DJ?" "Ja unter anderem. Ist das so erstaunlich?"

"Ja find ich." "Ich nicht. So gut kennen wir uns noch nicht, dass du alles von mir wissen kannst. Oder denkst du, du kannst die Menschen alle einfach so durchschauen? Stufst du dich als allwissend ein?"

"Ach Quatsch, natürlich nicht, aber …"

"Jetzt muss ich arbeiten. Komm oder lass es. Dein Bier."

Damit war das Gespräch beendet. Chris fühlte sich erneut herunter geputzt. Was bildete der sich ein? Das war schon beinah ein Dauerzustand. Allerdings - Spurlos war die Sache mit der Party nicht an ihm vorbei gegangen. Das war eigentlich klar. Vermutlich hatte er ihn damit sehr verärgert. Und wenn er schon bereit war, ihn zu sehen... Warum nicht Disco? Gute Idee. Bis jetzt hatte er Flo meistens auf seinem heimischen Territorium getroffen. Schließlich wollte er ihn kennen lernen. Disco also. Er durchstöberte seine Adressen und fand die passende Begleiterin, eine, die gerne tanzte und in keiner Weise klammerte, ganz unkompliziert war und sich selbständig amüsieren konnte.

Der Raum war von Musik und Licht erfüllt. Chris stellte fest, dass das Ambiente an dem Abend gut war. Gerade animierte der DJ zu einem besonderen Tanz. Die Bewegungen und Schrittfolgen hatte er noch nie gesehen. Es war lustig. Flo führte ihn auf einem Podest vor und alles schien auf den Beinen zu sein und mitzumachen. Chris entdeckte in den Tanzenden Rebecca und winkte zu ihr rüber, wusste aber nicht, ob sie das bemerkt hatte. Nun stand er da, nachdem er seiner Begleiterin und sich etwas zu trinken besorgt hatte, und sah Flo fasziniert zu. Der zog ihn sofort vollkommen in seinen Bann. Wieder konnte er nur staunen. Donnerwetter noch mal, der konnte sich bewegen, war mit viel Freude bei der Sache und brachte die Leute auf der Tanzfläche mächtig in Schwung. Schließlich zog Sabine Chris mit sich und sagte ihm ins Ohr: "Der DJ hat es drauf. Der ist richtig gut. Komm, wir machen mit. Los, beweg dich."

Erst fühlte er sich unsicher und steif. Er tanzte nicht oft. Doch er wurde mitgerissen, spürte selbst, dass er lockerer wurde und sich damit seine persönliche Stimmung hob. Es machte Spaß. Es folgte ein weiterer gemeinsamer Tanz und es klappte sogar ganz gut. Die Musik ging in einen aktuellen Hit über und trug ihn fort. Er fühlte sich gelöst wie lange nicht mehr, kam aus sich heraus und vergaß jede Zurückhaltung. Die eher rockigen Klänge wichen dem Samba, damit strömte die Sonne Brasiliens herein. Die Farben änderten passend zur Musik, und es gab nur wenige, die sich davon nicht mitreißen ließen, auch wenn nicht alle versierte Samba-Tänzer waren. Darauf kam es nicht an. Es kam darauf an, die Musik in sich einfließen zu lassen, sie aufzunehmen, alle Grenzen einzureißen und sie wirken zu lassen. Einmalig. Der DJ bewegte sich in seiner Anlage mit.

Chris war beim Tanzen näher gerückt und sah, wie entspannt Flo war, dass er in seinem Element war und ihn nichts bedrückte oder ärgerte. Ihre Augen trafen sich. Flo hatte ihn gesehen, nickte ihm zu und Chris machte ein Daumen aufwärts Zeichen in seine Richtung. Da lachte er, die weißen Zähne waren zu sehen, die Augen glitzerten, diesmal fröhlich. Es tat Chris gut, ihn so zu sehen. Wieder wechselte die Musik nach einer Weile und der DJ sagte mit einer warmen Stimme ins Mikro: "Zeit für die Paare, Zeit zum Schmusen. Ran an die Mädels Jungs." Das Licht wurde angepasst. Es war, als erwachte über ihnen der Sternenhimmel und das sanfte Mondlicht des Südens. Chris nahm Sabine in die Arme und verlor sich mit ihr im weichen Schmelz der Musik. Gut gewählte Stücke. Ein Genuss. Der Kerl verstand etwas davon und es machte ihm offensichtlich Freude, den Leuten mit der Musik und Lichteindrücken Gefühle zu vermitteln, auf eine gute Weise mit ihnen zu spielen, sie den Alltag und ihre Sorgen vergessen zu lassen. Das Gesamte war gekonnt abgestimmt als Fest für die Sinne. Es war zu spüren, dass er Musik liebte. Er wusste, wie er sie einsetzen musste, um Wirkungen zu erzielen. Eine Fähigkeit, Menschen zum Tanzen und Träumen zu bringen. Die hatte er. Eine gute Voraussetzung für den Job.

Es erstaunte Chris nicht mehr, als sich Flo am Ende dieses Teiles das Mikrofon nahm, die Musik in ein Halbplayback übergehen ließ, in ein bekanntes Stück, das Podest betrat und nun selbst sang. Es war "Fan" von Pascal Obispo, einem bekannten französischen Künstler. Flo's Stimme erreichte Herzen. Der Mann trug das Lied nicht nur vor, er lebte es. Chris blieb stehen, ging mit Sabine an eine Stelle, von der aus er ihm gut zusehen konnte und ließ sich davontragen. Er ließ es zu, berührt zu werden, konnte nicht anders, ein besonderes Erlebnis, das er später nie mehr vergessen würde, dann wenn alles schwieriger für ihn geworden war. Es blieb als gute Erinnerung haften.

"Er ist gut", sagte eine Stimme neben ihm. Er hatte nicht bemerkt, dass Becki zu ihnen getreten war. "Da sehe ich ja auf einmal eine ganz andere Seite an dem Kerl. Bis jetzt hätte ich ihn pausenlos verhauen können."

Chris lachte. "Na, na so schlimm ist er nicht. Er ist nur ehrlich und schonungslos."

"Arrogant."

"Ach was.“

„Doch. Um es ganz krass zu sagen. Aber einzig zutreffend. Ein Arsch ist er.“ „Lern ihn richtig kennen.“

„Kein Bedarf.“ „Na komm. So ganz kaufe ich dir das nicht ab. Du wirst merken, dass er das nicht ist.“ "Ich muss das nicht merken. Und du kennst ihn schon so gut, um das beurteilen zu können?"

Chris wurde etwas verlegen. "Du hast Recht. Noch nicht so gut. Trotzdem … ich denke, es lohnt sich, ihn kennen zu lernen."

"Spielst du neuerdings Kuppler? Ich brauche keinen."

"Stimmt, brauchst du nicht. Er wirkt ganz allein. Na? Ran an ihn, Becki."

"Hör auf! Bis jetzt hatte ich dazu keine Lust."

"Bis jetzt? Weißt du, so ganz glaube ich dir das nicht. Sagte ich ja schon." "Warum?" "Du solltest dein Gesicht sehen, deine Augen. Ganz blind bin ich nicht. Selbst wenn du dich ärgerst, bleibt es. Es scheint mir wie guter Pfeffer in einem raffinierten Gericht zu sein."

"Nanu? Chris, so romantisch und bildreich?" "Manchmal." Sie lächelte. „So kenne ich dich nicht.“

„Überraschung! Aber ich liege nicht ganz so falsch oder? Gib es endlich zu.“ "Ja. Er ist ja ein sehr hübscher Junge und hat irgendwie Klasse. Er ist nicht Durchschnitt. Aber was nützt mir das, wenn er ein Mistkerl ist. Doch vielleicht habe ich mich getäuscht und was du sagst, ist richtig."

"Ab und zu sehe auch ich etwas richtig. Und du... hör auf zu tun als ob. Ich sehe, was ich sehe." Sie lachte. Er sah sie an, entdeckte etwas an ihr, das er bis jetzt nie gesehen hatte und schmunzelte. Flo war eindeutig daran, ein Herz zu erobern, ohne dass er es wusste. Hm, sollte er eifersüchtig sein? Das hatte er bei Rebecca nie geschafft. Nein, er war es nicht. Das war nicht seine Art. Er nahm was kam und leicht zu erobern war und ließ alles weitere, wie es war. Nach dem Reinfall mit Michaela war er so geworden und es ging ihm gut dabei.

Sie hörten ihm weiter zu. Er ließ ein weiteres Lied folgen, diesmal "Nothing else matters" von Metallica und es war schlicht erstaunlich, wie gut er es bringen konnte.

Chris war ab und zu in Discos gewesen, wo der DJ sein Programm lieblos abspulte, seine Pflicht für sein Geld tat. Das mochte er nicht. Außerdem war es ihm lieber, wenn die Musik abwechslungsreich war, als immer im gleichen Genre. Er mochte eine breite Musikpalette und das kam ihm hier sehr entgegen. Flo's Leidenschaft. Er erlebte ihn das erste Mal wie er ganz bei sich war. Außerdem war da, wie erwähnt, die Fähigkeit, dies auch im Publikum wachzurufen. So hatte sich Chris noch nie gefühlt. Es war, als fiele alles, was hinderte und störte von ihm ab, als zerbröckelten sämtliche Mauern und Masken vor dem wahren Gesicht. Die Missstimmung, die zwischen ihnen gewesen war, schien nicht mehr von Belang zu sein. Flo war ein Magier. Auch Sabine war begeistert. "Warum habe ich von dem noch nie gehört? Der ist genial. Er kann kein Unbekannter sein. Ich werde mich erkundigen."

Flo beendete das Lied, wechselte in die Anlage und stellte um auf Rap und Hip Hop. Er winkte Chris zu sich. Er vergewisserte sich, ob er richtig interpretiert hatte und es wurde bestätigend genickt. "Ich bin gleich zurück", bahnte er sich den Weg zu ihm hin. "Hey du! Komm hoch." wurde er begrüßt. "Gefällt es dir?" Flo's Augen strahlten. Keine Spur von Ärger. "Ja. Du bist echt gut. Macht Spaß."

„Ich fragte aber, ob es dir gefällt und nicht, wie ich bin.“

„Korinthenkacker!“

„Erbsenzähler?“

Sie lachten beide. „Ja, es gefällt mir. Aber ich bleibe dabei... Du...“ "Das ist etwas, das ich kann. Stimmt." Er grinste und hantierte an seinen Geräten, schaltete Lichter dazu, veränderte die Szenerie an seinem Schaltpult.

"Mir scheint, du kannst sehr viel.“

„Ach nee.“

„Fischt du nach etwas?“ „Nein, das habe ich nicht nötig. Ich weiß, was ich kann und bin. Das muss mir keiner verklickern.“

„Hör mal, sorry wegen der Party." Er schaute sich sogleich nach ihm um. Ein langer Blick traf ihn und dann kam ein einfaches "Vergiss es." "Danke."

"Ich werde mir morgen dein Golfspiel ansehen und es ausprobieren, weil du heute erschienen bist. Ich zeig dir, wie die Anlage hier funktioniert. Lernen ist immer gut, auch für dich. Komm zu mir her. Neben mich. " All die Schieber und Hebel, Schalter und Knöpfe waren beeindruckend, vor allem, dass er dabei den Überblick behielt. Chris gelang das nicht, trotz der Erklärungen. Er wechselte allmählich in einen Techno-Teil. "Moment. Bleib noch. Ich muss die Leute ankurbeln, nicht dass die Stimmung einbricht. Ich bin gleich wieder bei dir."

Er rief ins Mikro: "Hey Mädels und Jungs, geht es euch gut?" Er hielt seine Hand ans Ohr und tat, als ob er lausche. "Was? Wie? Ich hör nichts. Ihr seid zu leise. Geht es euch gut? Ich sehe schon, ihr seid müde. Nicht? Dann beweist es mir. Ich will die Antwort hören. Lauter. Das bisher war gar nichts. Geht es euch gut? Lauter!! Geht es euch gut? Aha, das war viel besser." Er grinste und zeigte mit einem strengen Gesicht in die hintersten dunkleren Ecken des Raumes. "Alle auf die Tanzfläche! Geknutscht kann später werden. Her mit euch. Es gibt Preise zu gewinnen, für die besten und heißesten Tänzer. Ich will etwas sehen. Auf geht's. Ich gebe euch Beispiele, wie ich es mir vorstelle." Er enterte sein Podest und legte los und er schaffte es, dass die Tanzfläche voll wurde. Lichter zuckten, ließen Bewegungen roboterhaft erscheinen. Er kam zurück zum Schaltpult und lachte Chris zu. "Und jetzt du."

"Was ich?" "Zeig etwas. Auf dem Podest. Na los."

"Du bist verrückt. Nein." "Ja. Los."

"Nein."

"Feigling!"

"Nein, bin ich nicht. Ok, wenn du etwas Rockiges lieferst, mach ich's. Techno liegt mir nicht. Dazu kann ich nicht aus mir heraus kommen." "Hab ich dein Wort drauf? Dass du dann etwas zeigst?"

"Ja, hast du." Echt verrückt der Kerl! Flo lachte und machte weiter. "Nach Techno kommt Reggae, dann bist du dran. Wage nicht, dein Wort zu brechen. Ich hol dich." "Ich halte mein Wort."

Chris ging zu Sabine zurück und sie tanzten. Sie fragte an seinem Ohr. "Du kennst ihn?" "Noch nicht lange."

"Der Mann hat Klasse." "Stimmt."

Er lachte und gab es neidlos zu, stellte selbst zum wiederholten Mal fest, dass Flo mit seinem vollen Haar, diesen Augen, der gebräunten Haut und seinem geschmeidigen Körper wirklich gut aussah. Dem mussten die Frauen nur so zufliegen, ja, selbst Rebecca. An dem Abend war keine Spur von der sonstigen Verschlossenheit zu spüren. Gut, auch die hatte etwas, machte ihn geheimnisvoll. Das war reizvoll und kam gut an, weckte Interesse. Vermutlich geschah das bei ihm nicht bewusst. Es war sein Wesen. Nichts davon wirkte aufgesetzt. Chris hoffte, dass er vergaß, ihn etwas vorführen zu lassen. Aber diese Hoffnung konnte er begraben. Flo war unerbittlich. Nach einigen Reggae-Stücken, die Jamaika-Feeling vermittelten und die im Tempo immer schneller geworden waren, kündete er Rock und Chris auf der Bühne an. Die Musik wechselte schleichend in diese Sparte über. Er musste wohl oder übel hin. Flo grinste leicht fies. Das war eine harmlose Retourkutsche für die Snob-Party. Als Chris zögerte, kriegte er von ihm ein deutliches Zeichen. Er forderte die Leute auf, ihn mit Applaus anzufeuern, und so ging er ran. Er stellte sich gerade vor, wie sich Flo mit seiner Musik in seinen Kreisen machen würde – vielleicht brächte er Leben hinein. Das war die Idee. Aber ob er dabei mitmachen würde?

Zuerst war es für ihn ein unangenehmes Gefühl, alle Augen auf sich zu spüren und auf dem Podest so exponiert zu sein. Reden halten war das eine, das hier war etwas anderes. Er war nicht auf den Mund gefallen, aber sich auf einer Bühne körperlich zu präsentieren --- Es hieß, Körpersprache lügt nicht. Obschon … konnte das nicht auch sein? Es war vor allem nicht sein Gebiet. Aber die Musik war super und half, diesen Moment zu überwinden. Er entspannte sich und legte los. Schließlich hatte auch er etwas zu bieten. Er litt doch echt nicht unter Komplexen. Die Hemmungen legten sich. Dementsprechend ging es besser. Er wurde weiter angefeuert, angelacht und schließlich machten alle im wilden Rhythmus mit. Nach einer Weile merkte er, dass Flo dazu kam. Sie lachten sich zu "Gut Chris, siehst du, es geht." und legten gemeinsam eine richtige Show hin, bis der Schweiß rann. Das hatte was. Es machte ihnen Spaß. Sabine freute sich. Sie war in die Nähe des Podestes gerückt. Es war anders, als das, was er sonst lebte und war.

Er merkte nicht einmal, wie Flo das Podest wieder verließ. Die Musik wechselte vom Rock zu Disco aus den 80ern, Oldies aus den 60ern, zu Latin, zwischendurch Slow und weiter zu anderen Richtungen. Flo beherrschte die ganze Palette. Ein Supermix, der keine Langeweile aufkommen ließ und für alle etwas Passendes zum Tanzen bot. Er konnte zu allem animieren. Der war am Ende bestimmt geschafft. Das war Arbeit, obwohl er auf ihn wirkte, als wäre seine Energie unaufbrauchbar. Es war keinerlei Müdigkeit zu bemerken. Vielleicht war das seine Professionalität. Sabine verabschiedete sich. "War super Chris. Danke. Wir sehen uns." und er sah sie mit einem anderen abziehen. Ihm war das recht. Sie war die ideale Begleitung und sie waren schon einige Zeit Freunde. Er hingegen blieb bis zum Schluss, half Flo beim Aufräumen und Einpacken der persönlichen Zutaten zum Abend, die nicht zur Hausanlage gehörten, die er mitgebracht hatte und lieber wieder mitnahm. Er legte auch an anderen Orten auf und musste es dabei haben. Sie packten alles in einen Jeep. "Deiner?"

"Nee, geklaut", kam es leicht brummig und ließ doch auf Müdigkeit schließen.

"Mann..."

Er grinste. "Hey, alles klar, manchmal brauch ich etwas auf vier Rädern, das mehr Platz bietet. Aber normal ist Zweirad bei mir. Ich bin und bleibe ein Biker."

"Passt. Aber der Jeep ebenfalls." "Aha? Passt? Was denkst du, was ich arbeite? Außer DJ?"

Chris musterte ihn und überlegte. "Hm, schwierig. Bau glaub ich nicht. Dazu hast du zu schöne Hände. Nicht Mechaniker. Büro passt nicht zu dir. Ich kann es mir auf jeden Fall nicht vorstellen. Etwas Handwerkliches müsste es sein. Etwas mit Musik oder der Technik rund um die Musik. Elektronik? Hm .. vielleicht... Keine Ahnung. Ich vermute... nein, keine Ahnung. Ich komme nicht darauf. Sag's mir."

"Schon aus geraten? Nun muss ich wohl. Ich kann ziemlich Vieles, das ist gut für den Job. Am Motorrad bastle ich meistens selbst, habe noch eines, das ich beinah selbst zusammen gebaut habe." Er schmunzelte. "Nein, ich bin nicht Mechaniker, das stimmt. Setz dich hin, dann sag ich es dir."

"So schlimm?"

"Ja. Klar ist es das. Ich betreibe ein Puff."

Chris starrte ihn mit offenem Mund an. Nach den Ausführungen in Sachen Geschäft mit dem Sex? Flo lachte laut. "Dein Gesicht! Das war es wert. Du hättest dich gerade sehen sollen. Setz dich jetzt hin, sag ich. Mir ist das Risiko zu groß, dich danach auflesen zu müssen, weil es dich umhaut. Da könnte wer weiß was geschehen mit deinem wertvollen Körper und ich bin dann der Schuldige." Chris setzte sich hin und schnitt ihm eine Grimasse. "Ich will dich nicht verscheissern. Natürlich nicht das Mann! Nein, aber... jetzt hör gut zu. Ich leite ein kleines Hotel."

"Was!" Das Gesicht blieb betrachtenswert. "Siehst du. Du bist platt." Flo lachte wieder. "Ich ahnte es. Wer denkt sich das, wenn er mich sieht."

"Das kannst du laut sagen. Oh Mann! Ich Idiot!"

"Weswegen? Selbsterkenntnis ist nicht übel, aber erklär mir trotzdem, wie es dazu kommt, damit ich es nachvollziehen kann."

"Mensch Flo, es tut mir leid. Ich habe dich vollkommen falsch eingeschätzt."

"Nein. Hör auf. So falsch liegst du nicht. Ich bin zu dem Job gekommen wie die Jungfrau zum Kind." Kurz wirkte er traurig, ein Schatten schien vorbei zu fliegen, aber es sah so aus, als wische er es schnell zur Seite. "Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich so etwas kann. Aber ich mache die Arbeit gern. Es ist viel Abwechslung dabei und... weil ich... dass ich Verantwortung tragen kann, dass an mich geglaubt wird, das hat mich stärker gemacht und gibt mir das nötige Selbstvertrauen. Keine üble Sache und sehr nützlich in vielen Belangen."

"Davon hast du doch jede Menge."

"Vielleicht. Du könntest dich täuschen? Nein, heute hab ich das. Es stimmt. Es war aber nicht immer so. Und es ist nicht einmal heute immer so, je nach eigener Stimmung und der Situation, die mir begegnet. Ich passe trotzdem eher ins Biker Bild, Chris ja. Insofern liegst du nicht daneben. Mit meiner Art, den Interessen und Hobbies. Trotzdem solltest du anfangen, weniger in Schubladen zu denken. Jemand ist selten so, dass er in eine hinein passt. Nimm dich selbst. Ich habe heute einen anderen kennen gelernt als bisher. Der gefällt mir. Ich merke, es gibt gute Seiten an dir, die Spaß machen." Flo schmunzelte, als wisse er genau, was kam und lachte, als es tatsächlich kam. "Hast du bis jetzt an mir nur Seiten gesehen, die dir nicht gefallen?"

"Nein. Du lässt dich von mir zu leicht provozieren. Jemand hat mich gelehrt, hinter Fassaden zu sehen. Er hat zuallererst hinter meine gesehen und mich hervor gelockt und an mich geglaubt. Das hat er zum Glück damals bei mir getan. Wäre ich dazu nicht fähig, hättest du mich nicht wieder gesehen. Denn du kommst sehr verwöhnt und arrogant daher. Eingebildet, großartig, sehr oberflächlich, mit..."

"So wirke ich?" Chris schaute einen Augenblick beinah entsetzt, aber nur kurz, dann wurde sein Gesicht gewohnt gleichmütig.

"Auf mich ja. Ich kann dir nicht sagen, wie du auf andere wirkst. Vielleicht weltmännisch und professionell? Gefällt dir besser wie? Aber du weckst meine Neugier. Und das ist schon etwas. Da ist mehr. Das weiß ich. Ich glaube inzwischen, dass es sich lohnt, am Lack zu kratzen. Aber... Wie siehst du mich? Drehen wir den Spieß mal um.“

"Oh. Hmm .." "Chris! Ehrlich und gerade heraus bitte. Keine Höflichkeit. Nur zu. Ich fresse dich nicht." Oder wenn... lass ich noch etwas von dir übrig. Versprochen.“ Flo lachte und streckte ihm kurz frech die Zunge heraus.

"Okay. Okay, ich mach ja. Es gibt Menschen, auf die du arrogant wirkst.“ „Das war nicht die Frage.“

„Lass mich ausreden. Es kann allerdings auch sein, dass diese Menschen nur so tun als ob und es ganz anders sehen." „Lustiges Rätselraten?“

„Sie halten dich sogar für einen Arsch.“ „Oh, den hab ich durchaus, aber nicht nur. Hm, auf was willst du hinaus?“

Nun war Flo's Gesicht ein einziges Fragezeichen und brachte Chris zum Lachen, aber nicht dazu, sich näher dazu zu äußern. Er dachte an das, was Becki gesagt hatte und gab sich einen Ruck, um seine eigentliche Frage zu beantworten. "Du sollst mich doch ausreden lassen. Also du bist: Faszinierend, aufbrausend, überraschend, direkt und hart. Stark. Heute habe ich an dir weiteres entdeckt. Das ist etwas... ich versuche es zu beschreiben. Eine verspielte und liebenswerte Seite. Du bist verflixt unbequem, in gewisser Weise nervend und doch... es zieht mich etwas an dir magisch an und..."

"Chris?" Er stellte den Kopf leicht schräg, zog die Augenbrauen hoch, was dem ganzen Gesicht etwas verschmitzt Fragendes gab. "Du bist doch nicht etwa Homo? Nicht dass ich etwas gegen die hätte, aber..."

"Nein! He! Nein, bin ich nicht."

"Beruhigend." Flo grinste. "Das waren offene Worte aus deinem Mund. Gut so. Selbst wenn du eine von mir gelangt kriegen solltest, bleib dabei." Wieder lachte er über Chris erstauntes Gesicht. "Hey, ich finde es spannend, dich kennen zu lernen, Christoph und mir scheint, dir geht es gleich. So sieht die Sache aus. Ich zeig dir meine Welt, wenn du magst. Du mir deine. Ja ich habe dich mal rüde unterbrochen bei diesen Begriffen. Denn deine Welt, meine Welt klingt in meinen Ohren immer albern. Aber belassen wir es einmal bei diesem Ausdruck. Manchmal passt er. Vermutlich werden wir feststellen, dass sie weniger unterschiedlich sind, als gedacht. Lassen wir uns überraschen. Das einzige, was ich von dir erwarte, ist Offenheit, ist Ehrlichkeit. So wie heute Abend. Dann klappt das."

"Okay."

"Es kann nie schaden, Horizonte zu erweitern. Ich lerne gerne dazu und nehme nie ein Blatt vor den Mund. Wenn du das verträgst, soll es gelten. Aber eines muss ich zu letzthin sagen: Versuch nie wieder, mich vorzuführen wie ein seltenes exotisches Tier – genau das hast du nämlich bewusst versucht – sonst erlebst du in Zukunft den Biker in mir und kriegst einen kräftigen Tritt in den Hintern, den du eine Weile schmerzhaft spürst. So etwas war auch bei mir ab und zu heilsam. Das hätte ich an der Party gerne mit dir gemacht, dich am liebsten auf diese Weise im hohen Bogen in den Pool befördert. Ich weiß, dass du das gespürt hast. Das ist gut so. Ich bin Vieles, sogar einiges von dem, was du angeführt hast, aber dumm bin ich nicht."

„Na das konnte ich bereits feststellen.“

„Immerhin.“

"Puh! Da hatte ich noch mal Glück."

"Ja. Galgenfrist." Flo lachte.

Chris streckte ihm zum Abschied die Hand hin. Doch er schüttelte den Kopf. "Nein. Nimm es mir nicht übel, aber dazu kenne ich dich noch zu wenig. Ich mag es nicht, von Fremden berührt zu werden. Das lass ich nur bei Freunden zu." Er ließ den Arm sinken, wunderte sich. "Okay. Akzeptiert."

„Es bleibt dir nichts anderes übrig.“

Glut im Herz

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